Ouessant-Schafe aus Brandenburg: Wolf reißt BraLa-Bock
UPDATE 3.5.: Kfz-Meister Michael Schulze aus Döbberin ist auch ein anerkannter Züchter von Ouessantschafen. Auf der 31. BraLa ist er wieder mit seinen Tieren vertreten, diesmal allerdings ohne den dafür vorgesehenen Zuchtbock.
Von Wolfgang Herklotz
Eigentlich sind sie auf der französischen Insel Ouessant zuhause, die Vertreter der nach dem Eiland im Atlantik benannten Landschafrasse. Sie stellen seit Hunderten von Jahren eindrucksvoll unter Beweis, dass sie selbst auf kargen, meist felsigen Böden leben können. Klar doch, Schafe werden nicht von ungefähr als Pfennigsucher bezeichnet, weil sie die Gabe haben, mit wenig auszukommen.
Das freilich dürfte nur ein Charakteristikum für die Vierbeiner sein, die eine Widerristhöhe von maximal 49 Centimeter erreichen und ein dichtes Woll-Vlies in verschiedenen Farben haben. Die Ouessants sind einfach großartig, versichert Michael Schulze. „Ich hätte nie gedacht, dass mich die Rasse mal so begeistern würde!“
Woher resultiert das Faible des mittlerweile 64-Jährigen für das bretonische Zwergschaf? Seine Erklärung ist nach der euphorischen Einlassung geradezu ernüchternd. Zum Grundstück im brandenburgischen Döbberin, nur wenige Kilometer von Frankfurt an der Oder entfernt, gehört eine Nutzfläche von knapp einem halber Hektar. Als „Rasenmäher“ schienen da Schafe eine vernünftige, weil nachhaltige Wahl zu sein. Aber welche Rasse kam dafür infrage? Es war Schulzes Ehefrau Ramona, die nach ausgiebigen Internetrecherchen auf die besagten Vierbeiner stieß und befand: „Die sind es!“
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Ouessant-Schafe aus Brandenburg: Unkompliziert zu halten
Von einem guten Freund, der seit Jahren Ouessants züchtet, übernahm Michael Schulze die ersten Tiere. Sie waren unkompliziert zu halten, stellten ihre Qualität als Landschaftspfleger schnell unter Beweis – und vermehrten sich.
Anfangs war für sie genug Weidefläche vorhanden, doch das sollte sich bei einem weiter wachsenden Bestand rasch ändern. Also hieß es, sich nach weiteren Flächen umzusehen. Kein Problem für den umtriebigen Mann, der sich nach der Wende selbstständig gemacht und in Frankfurt an der Oder einen Kfz-Meisterbetrieb mit vier Angestellten aufgebaut hatte. Bewährtes Prinzip selbst bei kniffligsten Reparaturen: Man muss den Dingen immer auf den Grund gehen!
Den gelernten Automechaniker reizte es, mehr über die Schafhaltung zu erfahren. Er trat dem für Berlin und Brandenburg zuständigen Zuchtverband bei, absolvierte mehrere Kurse. Dabei ging es von der Fütterung und Wurmbehandlung über die Schur und den Tiertransport bis zum richtigen Umgang mit Herdenschutzhunden. Es gelang ihm, sich in kurzer Zeit umfangreiches Fachwissen anzueignen, um dann festzustellen: „Den Rest macht die Praxis!“
Ouessant-Schafe, Dauergrünland und Streuobstwiesen
Heute beweidet Michael Schulze mit 50 Schafen ganzjährig Dauergrünland in Döbberin, Petersdorf und Frankfurt (Oder), darunter 1,5 Hektar Streuobstwiesen und ein geschütztes, rund ein Hektar großes Biotop. Als vorteilhaft erweist sich, dass die Flächen aneinandergrenzen. Sie werden Stück für Stück mit Elektrozäunen eingekoppelt, um die Schafe problemlos umzusetzen.
Die genügsamen Vierbeiner finden auch im milden Winter noch Futter, beweiden zudem die begrünten Ackerflächen des benachbarten Agrarbetriebes. Engpässe gibt es selbst bei widrigem Wetter nicht, denn der versierte Mann hat sich Technik zugelegt, um Heu zu ernten und kleine, nur 25 kg schwere Rundballen zu pressen. „Davon bleibt immer noch etwas übrig, das ich an Pferdehalter verkaufen kann.“
Schafzucht im Nebenerwerb – kein Reichtum, aber Freude und Entspannung
Seit mittlerweile zwölf Jahren betreibt Michael Schulze seine Schäferei im Nebenerwerb, ordnungsgemäß angemeldet im Landwirtschaftsamt Seelow. Zwangsläufig ist damit ein bürokratischer Aufwand verbunden, doch den nimmt der Züchter gelassen hin.
„Ich muss mich ja auch um die Abrechnung in meiner Werkstatt kümmern, daher ist mir vieles vertraut.“ Die Hürde, den Antrag auf Agrarförderung online zu stellen, habe er schnell überwinden können. Mit den Zahlungen aus dem Kulturlandschaftsprogramm und weiteren Vergütungen für die Landschaftspflege könne man einiges kompensieren, aber: „Mit der Schafhaltung lässt sich kaum Geld verdienen, doch darum geht es mir ja auch nicht.“ Es sei für ihn Ausgleich und Entspannung, sich vor und nach der Arbeit um die Tiere zu kümmern. „Wenn andere sich vor den Fernseher setzen, sehe ich nach unseren Ouessants.“
In kürzester Zeit hatte sich Michael Schulze in Züchterkreisen einen Namen gemacht. Bei der Zucht geht es ihm um besonders rassetypische, robuste Schafe. Seit 2014 konnte er regelmäßig Preise auf den verschiedensten Zuchtveranstaltungen entgegennehmen, auf der Grünen Woche und der BraLa wie zum Jahrestreffen der Interessengemeinschaft Ouessant-Schafe, der er seit 2013 angehört und dessen stellvertretender Vorsitzender er seit 2023 ist. Große Anerkennung finden die Qualität der Wolle und vor allem die Böcke aus Döbberin.
Wolf reißt BraLa-Bock
Die Hälfte seines Bestandes sind Zuchtböcken in sechs Bocklinien. „Mir ist wichtig, die genetische Vielfalt dieser Rasse zu sichern und zugleich Erbkrankheiten zu vermeiden.“ Diese Böcke werden gut nachgefragt.
Auf der bevorstehenden BraLa sollte daher einer von ihnen präsentiert und danach an einen Schafhalter in Tschechien verkauft werden. Doch vor wenigen Wochen musste Michael Schulze feststellen, dass das Tier von einem Wolf gerissen und ein weiterer Zuchtbock schwer verletzt wurde.
Unglücklicherweise waren die beiden zum Betrieb gehörenden Herdenschutzhunde auf einem anderen Standort im Einsatz, wo die Mutterschafe ablammten.
Canis lupus hatte daraufhin seine Chance genutzt und den Elektrozaun der vorschriftsmäßig gesicherte Weide übersprungen. Der hinzugerufene Gutachter bestätigte, dass es sich trotz aller Prävention definitiv um eine Wolfsattacke auf die beiden Böcke gehandelt hatte. Die Entschädigung steht aber noch aus.
Ouessant-Schafe – die Auswahl ist entscheidend
Trotz dieses herben Verlustes bleibt Michael Schulze zuversichtlich. Er erinnert sich lächelnd an eine Präsentation auf der BraLa, wo er über seinen Werdegang befragt wurde. Natürlich ging es auch darum, welch aktive Rolle seine Frau bei der Auswahl der Rasse gespielt hatte.
Daraufhin der Moderator: „Das Geheimnis einer erfolgreichen Zucht besteht also darin, dass die Frau die Rasse bestimmt!“ Nicht nur das, ergänzte Michael Schulze bei unserem Gespräch. „Ramona hat mir in all der Zeit immer den Rücken gestärkt.“ Weil hinter einem starken Mann eben meistens auch eine starke Frau steht!
Ehrung auf der BraLa 2024 in Paaren
Weil er sich um den Erhalt der vom Aussterben bedrohte Rasse der Quessant-Schafe bemüht, wurde Michael Schulze am Donnerstag, 2.5., auf der BraLa von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ausgezeichnet. Das Ouessantschaf wurde zur BraLa-Rasse des Jahres 2024 ernannt.
Video: Vorstellung der Ouessant-Schafrasse auf der Messe
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