Studie zum Nebenerwerb in der Landwirtschaft: So ist die Lage
In einer exklusiven Umfrage unter Nebenerwerbsbetrieben im Osten trug die Hochschule Neubrandenburg erneut viele Fakten zusammen. Teil 1 der Ergebnisse gibt Einblicke in Gründung und Strukturen.
Landwirtschaft im Nebenerwerb spielt in Deutschland eine große Rolle. Knapp die Hälfte aller Agrarunternehmen sind Nebenerwerbsbetriebe. In diesen ist das außerlandwirtschaftliche Einkommen höher als die Gewinne aus der Landwirtschaft. Die ostdeutschen Agrarstrukturen und Bedingungen für Landwirtschaft sind bekanntlich andere als in Westdeutschland. Dies trifft auch für die Nebenerwerbslandwirtschaft zu. Die offizielle Agrarstatistik bietet zwar viele informative Daten, ermöglicht aber selten einen tieferen Einblick.
Um besser zu verstehen, wie Landwirtinnen und Landwirte im Nebenerwerb „ticken“, wie sie z.B. ihre Betriebe managen, wo ihre Schwerpunkte liegen, ob investiert wurde und wird, wie sie ihre Zukunft einschätzen und welche Probleme sie als besonders schwerwiegend empfinden, wurde zu diesen und weiteren Fragen in diesem Jahr nach 2021 eine erneute Online-Befragung durchgeführt. Zu dieser war wiederum in der Bauernzeitung aufgerufen worden.
Nachfolgend werden die Ergebnisse dieser Befragung und die Daten der Statistik beschrieben und bewertet. Mit dieser Studie ist ein besserer Einblick in den Nebenerwerb der Landwirtschaft möglich, der leider viel zu selten im Fokus von Gesellschaft und Politik steht. Denn Nebenerwerbslandwirtschaft ist zwar nur eine Nische in der ostdeutschen Agrarlandschaft, aber mit besonderen Eigenschaften, Qualitäten und Potenzialen.
Studie: Nebenerwerb in den ostdeutschen Bundesländern
Bundesland | Anzahl der NE-Betriebe | Anteil an Betrieben insgesamt (%) | Ø Betriebsgröße (ha) |
MV | 1.470 | 30,9 | 54 |
Brandenburg | 2.080 | 38,4 | 49 |
Sachsen-Anhalt | 1.440 | 34,7 | 49 |
Sachsen | 3.310 | 51,0 | 23 |
Thüringen | 1.590 | 47,4 | 23 |
Ostdeutschland (gesamt) | 9.890 | 40,5 | 37 |
Agrarstatistische Daten
Aktuelle Zahlen zum Nebenerwerb liegen aus der Agrarstrukturerhebung der Statistischen Ämter von Bund und Ländern vor. Deutschlandweit wird laut Studie nahezu jeder zweite Landwirtschaftsbetrieb im Nebenerwerb bewirtschaftet.
Zwischen Ost und West gibt es dabei deutliche Unterschiede. Die sind auf zwei Faktoren zurückzuführen. Zum einen sind dies die generellen Strukturunterschiede und Schwerpunkte in der Produktionsausrichtung, zum anderen die unterschiedlichen Entwicklungspfade. In Westdeutschland sind viele Nebenerwerbshöfe aus einem zuvor existierenden Haupterwerbsbetrieb entstanden – im Generationswechsel oder der Nebenerwerbsbetrieb wird schon über mehrere Generationen so betrieben.
Dagegen stellen die Nebenerwerbshöfe im Osten immer echte Betriebsneugründungen nach der Wende dar. Denn in der DDR waren privat geführte Landwirtschaftsbetriebe nach Abschluss der Kollektivierung 1960 nicht mehr möglich. Manche der nach der Wende entstandenen Nebenerwerbsbetriebe haben als klassische Wiedereinrichter an den Betrieb vor dem Eintritt in die LPG angeknüpft, aber keinesfalls alle, wie die Befragungsergebnisse in dieser und der letzten Befragung 2021 zeigen.
Ost trifft West: Wie sich die Betriebsgrößen im Nebenerwerb unterscheiden
Die durchschnittliche Betriebsgröße von Nebenerwerbsbetrieben in Deutschland insgesamt beträgt knapp 25 ha, womit diese deutlich kleiner sind als der Durchschnitt der Haupterwerbsbetriebe mit 73 ha, der Personengesellschaften mit 119 ha oder der juristischen Personen mit 460 ha. Ostdeutsche Nebenerwerbslandwirte bewirtschaften mit im Mittel knapp 37 ha größere Betriebe als ihre westdeutschen Kollegen mit 23 ha. Bundesweit werden 47,2 % aller Landwirtschaftsbetriebe im Nebenerwerb geführt, die zusammen 18 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) bewirtschaften.
In Ostdeutschland liegt der Anteil mit 40,5 % an den Betrieben etwas niedriger als im Westen mit 47,9 %. Der Flächenanteil ist im Osten Deutschlands mit 7 % sogar deutlich geringer als im Bundesdurchschnitt. Ein Blick in die ostdeutschen Bundesländer (Tab. 1) zeigt, dass es zwischen Nord und Süd durchaus Unterschiede gibt. Besonders in Sachsen finden sich vergleichsweise viele Nebenerwerbsbetriebe, die im Schnitt aber deutlich kleiner sind als etwa die in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt oder Brandenburg.
Ergebnisse der aktuellen Umfrage
Wie bereits erwähnt, können die Zahlen der amtlichen Agrarstatistik nur begrenzt Auskunft geben zu vielen Fragestellungen der aktuellen Situation von Nebenerwerbsbetrieben. Hier kann mit einer gezielten Befragung tiefer „gebohrt“ werden. Im Februar 2024 wurde deshalb die aktuelle Online-Befragung mit einem Aufruf in der Bauernzeitung gestartet. Insgesamt haben sich 64 Landwirtinnen und Landwirte im Nebenerwerb mit auswertbaren Fragebögen beteiligt. Dafür gilt ihnen ein ganz herzlicher Dank.
Die befragten Betriebe bewirtschaften im Durchschnitt (Median) 30 ha, davon 15 ha Ackerland, 10,5 ha Grünland und 4,5 ha Wald. Sie sind damit vom Flächenumfang her etwas kleiner als der statistische Durchschnitt. Nebenerwerbsbetriebe bewirtschaften vielfach vor allem Eigentumsflächen, die Pachtquote liegt mit 30 % deutlich niedriger als im Mittel aller ostdeutschen Betriebe. In dieser Befragung wirtschaften 18 % der Befragten ökologisch.
Nebenerwerb dient oft der Eigenversorgung
In der Tierhaltung spielen vor allem Mutterkühe, Legehennen, Schafe und Pferde eine größere Rolle. Schweine und Enten sowie Gänse finden sich auch noch des Öfteren. Die Geflügel- und Schweinehaltung ist offensichtlich vor allem auf die Eigenversorgung ausgerichtet, denn es werden im Durchschnitt zwei Schweine, 30 Legehennen und zehn Enten bzw. Gänse gehalten. Dagegen sind die Mutterkuhhaltung mit durchschnittlich zehn Kühen und die Schafhaltung mit 55 Tieren je Betrieb eher marktorientiert.
Milchkuhhaltung spielt dagegen nur eine sehr untergeordnete Rolle. Lediglich drei der Befragten haben Milchkühe, im Durchschnitt zehn Tiere. Milchkühe lassen sich deutlich schwieriger im Nebenerwerb managen durch den hohen täglichen Arbeitsanfall. Zudem ist ein Einstieg sehr kapitalintensiv, ganz anders als in der Mutterkuhhaltung, für die die Anforderungen an Tierbetreuung (der Arbeitsaufwand) und Stallungen viel niedriger liegen. Über 80 % der Befragten haben Grünland, sodass Tiere gehalten werden, die den Aufwuchs auch verwerten können.
Im Nebenerwerb gibt es laut Studie somit deutlich weniger reine Ackerbaubetriebe. Die Haltung von Nutztieren bereitet vielen Menschen zudem Freude, sodass dieser Aspekt bei der eher ausgeprägten Tierhaltung gleichfalls von Bedeutung ist.
Die Nutzung des Ackerlandes findet im Wesentlichen mit den üblichen Kulturen statt: Getreide, Raps, gelegentlich Leguminosen oder Sonnenblumen. Weinbaubetriebe im Nebenerwerb haben sich an dieser Befragung kaum beteiligt, obwohl in den ostdeutschen Weinbaugebieten durchaus viele Nebenerwerbswinzer existieren.
In 22 % der Fälle knüpft der heutige Nebenerwerbsbetrieb an einen Landwirtschaftsbetrieb aus der Zeit vor den LPG-Gründungen bis 1960 an und ist somit ein klassischer Wiedereinrichterbetrieb. In 31 % der Fälle hat bereits ein Generationswechsel stattgefunden, was sich aus dem zunehmenden zeitlichen Abstand zu der Gründungsphase vor allem in den 1990er-Jahren erklärt.
Studie: Nebenerwerb bedeutet immer Familienbetrieb
Bei der letzten Befragung 2021 lag der Anteil der Betriebsübernahmen noch bei rund 20 %. Die Übernahme erfolgte in allen Fällen von den Eltern oder anderen Verwandten. Nebenerwerbsbetriebe sind quasi immer klassische Familienbetriebe. Etwa ein Drittel der Befragten oder deren Eltern haben ihren Betrieb in den 1990er-Jahren gegründet, aber ähnlich viele Betriebe haben sich auch erst seit 2010 gegründet. Offenbar kommt es im Bereich der Nebenerwerbslandwirtschaft durchaus immer wieder zu Betriebsneugründungen.
Fast alle Befragten (93 %) wollen ihren Betrieb in den nächsten Jahren fortführen. Nur ganz wenige wollen diesen schrumpfen (4 %), während die heutige Größe bei vielen erhalten bleiben soll (51 %). Nicht wenige (39 %) streben aber weiteres betriebliches Wachstum an. Auch das Investitionsgeschehen der vergangenen Jahre und die Absichten für die kommenden Jahre unterstreichen, dass der Nebenerwerbsbetrieb für sehr viele der Befragten eine dauerhafte Perspektive darstellt.
Die Frage nach einer Hofnachfolge stellt sich altersbedingt nicht für alle. In unserer Befragung gaben 50 % an, dass sich diese Frage für sie nicht stellt. In 19 % der Fälle ist die Hofnachfolge geklärt, in 31 % nicht. Für die letztere Gruppe lässt sich aus der Befragung aber nicht ablesen, ob dies noch nicht als Frage auftaucht oder ob klar ist, dass der Betrieb im Generationswechsel auslaufen wird.
Diese Befragung als eher kleine und nicht repräsentative Stichprobe kann nur einen Einblick in die Dynamik der Betriebsentwicklungen geben. Um hier Genaueres vorherzusagen, wären umfassendere Untersuchungen in Ost und West spannend. Wie viele Nebenerwerbsbetriebe werden im Generationswechsel fortgeführt, wie viele werden aufgegeben und wie viele Neugründungen entstehen? Leider wissen wir und die Agrarpolitik hierzu zu wenig.
Teil 2 des Beitrages, der Ergebnisse dieser Umfrage u.a. zu vorhandener Technik, Investitionen und Einkommen der Betriebe aufzeigt, erscheint in einer unserer nächsten Ausgaben.
Unsere Top-Themen
• Weihnachten im Schafstall
• Sortenversuche Sommerbraugerste
• Landmaschinen mit KI
• Märkte und Preise