Sachsen

Wildkräuterhof Landsprosse: Über Sprossen zu Wildkräutern

Räucherkräuter im Hofladen.
Nebenerwerb
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Ihre Leidenschaft für Sonderkulturen ist für Sonja Schulze inzwischen der Broterwerb geworden. Das Angebot auf dem Hof ergänzt die Sächsin durch landwirtschaftliche und touristische Aktivitäten.

Von Silvia Kölbel

Sonja Schulze aus Garnsdorf bei Lichtenau im Landkreis Mittelsachsen ist vieles in einer Person: Landwirtin, Kräuterexpertin und Touristikanbieterin. Sie betreibt den Wildkräuterhof Landsprosse. Hinter dieser Firmenbezeichnung verbirgt sich ein Konzept, dessen Entwicklung die Unternehmerin anfänglich selbst nicht abschätzen konnte.

Heute bewirtschaftet Sonja Schulze 35 ha Acker und zählt damit zu den eher kleinen Betrieben. Sie gehört dem Bio-Anbauverband Gäa an. Auf ihren Feldern wachsen vor allem Getreide, Leguminosen und Kleegras. Alle Feldarbeiten erledigt ein benachbarter Betrieb in Lohnarbeit. „Ich kümmere mich um alles Organisatorische, vom Saatgutkauf bis zur Vermarktung“, sagt Sonja Schulze.

Sonja Schulze im Kräuterbeet.
Sonja Schulze im Kräuterbeet. (c) Silvia Kölbel

Zwei Hektar „Grünes“

Zwei Hektar ihrer Flächen fallen eher unter den Begriff Grünland. Auf den Wiesen erntet die Unternehmerin Wildkräuter. Ein Kräutergarten erstreckt sich hinter dem Wohngebäude. Einen Teil des Ackerlandes überlässt Sonja Schulze als Wildbrache der Natur.

Den Hauptweg, der zwischen den Feldern zu einem Aussichtspunkt mit Weitblick bis zum Fichtelberg führt, säumt eine vor Kurzem angelegte Hecke. Kräuterwanderungen im Chemnitztal mit anschließendem gemeinsamem Kochen sind bei den Ferien- wie auch bei Tagesgästen gleichermaßen beliebt. Seit diesem Jahr bietet Sonja Schulze im kleinen Hofladen verschiedene Kräuterprodukte an.

Bis 2008 lebte und arbeitete die Wahl-Landwirtin in Leipzig und war dort im Bio-Handel beschäftigt. Auf den 200 Jahre alten elterlichen Hof nach Garnsdorf zu ziehen, stand nicht auf ihrer Agenda.

Den Hof hatte sich ihr Vater 1989 rückübertragen lassen. Ihren Beschreibungen nach hatten die vorherigen Nutzer, eine LPG, dort nur Müll und Schutt hinterlassen. „Zehn Jahre lang hat mein Vater aufgeräumt und rechtliche Dinge geregelt. Dann stand die Frage im Raum: Wie geht es weiter? Für mich hieß das: weiterführen oder verkaufen? Ich habe mich fürs Weiterführen entschieden.“

Eine Sprossenzucht, die Sonja Schulze 2008 von Studenten übernahm, die sich damit ihr Studium finanziert hatten, war ihr Einstieg in die Nebenerwerbslandwirtschaft. Nach einem einjährigen Testlauf überführte sie den Betrieb in den Haupterwerb. „Das Equipment der Studenten war eigentlich unbrauchbar. Das Wertvollste war die Kundenkartei, auf der viele Gaststätten der Leipziger Spitzengastronomie standen.“

Ein Standbein verloren

Currykraut: eine kleine Hecke.
Currykraut: eine kleine Hecke. (c) Silvia Kölbel

Wildkräuter haben Sonja Schulze schon immer interessiert. Auch vor der Wende hat sie schon Führungen angeboten. „Damals hat das nur wenige Leute interessiert.“ Aufbauend auf diesem Wissen sollten Wildkräuter ihr zweites Standbein werden. Zentral gelegen zwischen den großen sächsischen Städten Chemnitz, Leipzig und Dresden wollte sie Sprossen und Wildkräuter an Gastronomen vermarkten. Doch Ehec-Bakterien in Sprossen lösten vor zehn Jahren eine Krise aus. Der Markt brach vollständig zusammen. „Ich war davon nicht betroffen, konnte das auch mit entsprechenden Laboruntersuchungen nachweisen. Doch für die Gastronomie waren die Sprossen unverkäuflich.“

Kaum in die Selbstständigkeit gestartet, stand Sonja Schulze 2011 vor der Frage, wie es weitergehen soll. „Ich nutzte diese Zeit, um den Stall als Veranstaltungsraum herzurichten. Parallel dazu begann ich mit dem Ausbau von Ferienwohnungen. Gleichzeitig bot ich Kräuterwanderungen und Vorträge an. Den Aushängen im Dorf folgten zur ersten Kräuterwanderung fünf Gäste“, erinnert sich Sonja Schulze noch gut an ihre erste Veranstaltung.

Wäre nicht Corona dazwischen gekommen, hätte Sonja Schulz in diesem Sommer vermutlich von ausgebuchten Veranstaltungen auf dem Wildkräuterhof Landsprosse berichtet. Doch alle Pläne, die sie für 2021 gemeinsam mit anderen Partnern entwickelt hatte – von Workshops zum Thema Naturkosmetik bis hin zu Malen mit Pflanzenfarben – liegen auf Eis.

Richtig eingestiegen in die Landwirtschaft ist Sonja Schulze vor sieben Jahren, als sich für sie die Frage stellte, welcher Baustein dazu beitragen könnte, ihre Existenz und ihr Leben auf dem Hof zu sichern. „2014 nahm ich mein Land aus der Verpachtung, um es selbst zu bewirtschaften.“

Wildkräuterhof Landsprosse: Produkte der Natur

Zum Arbeitsschwerpunkt haben sich über die Jahre die essbaren Wildkräuter entwickelt. Aus rechtlichen Gründen muss Sonja Schulze hier genau aufpassen. Heilpflanzen wie Johanniskraut oder Spitzwegerich darf sie nicht zu Heilzwecken anbieten. Anderen Verwendungen, etwa als Räucherkraut oder Tee, steht aber nichts im Wege. Eine recht kurz gehaltene Wiese dient als Erntefläche. Daneben steht hüfthoch das, was die Natur von selbst wachsen lässt. „Zum Ernten brauche ich die jungen, zarten Pflanzen. Die großen Pflanzen sorgen dafür, dass sich die Wildkräuter aussamen.“

Um ein Kilogramm Wildkräuter zu sammeln, benötigt Sonja Schulze drei Stunden. Die Wildkräuter verwenden die Köche genauso sparsam wie Gartenkräuter. Für die Gastronomie stellt Sonja Schulze ausgewogene Mischungen aus Kultur- und Wildkräutern, oft auch kombiniert mit essbaren Blüten, zusammen, die alle Geschmacksrichtungen von süß, sauer, salzig bis bitter bedienen und trotzdem dem Koch noch Spielraum für eigene geschmackliche Kreationen lassen.

Auch bei den Gästen ihrer Wildkräuterküche setzt Sonja Schulze auf besondere Geschmackserlebnisse. „Die Blütenstände vom Spitzwegerich schmecken nach Steinpilzen. Aus ihnen lässt sich eine Soße mit Pilzgeschmack zubereiten. Aus den Kräutern, die vor der Haustür wachsen, hat Sonja Schulze eine Garnsdorfer Grüne Suppe kreiert, angelehnt an die Frankfurter Grüne Soße. Die Früchte der Eberesche kocht sie zu zartbitteres Gelee.

Bratkartoffeln mit Kräutern kommen beim Publikum immer wieder gut an. „Wichtig ist, dass die Gäste, das was ich ihnen erkläre und zeige, später auch kosten können, sonst wissen sie nicht, wie die Kräuter schmecken und werden auch nie selbst welche sammeln.“ Doch genau darum geht es Sonja Schulze. Sie möchte die Aufmerksamkeit der Menschen auf das lenken, was es an Schätzen direkt zu ihren Füßen zu entdecken gibt und was fälschlicherweise mit dem Begriff Unkraut abgetan wird.

Hofladen eingerichtet

Gerade auf extensiv bewirtschafteten Ausgleichsflächen finden sich ganz von selbst Wildkräuter wie Thymian und Wiesensalbei ein. Auch junge Löwenzahnblätter, Vogelmiere oder Giersch sind Pflanzen, die ganz eigene Geschmackserlebnisse bieten. Für die Einrichtung eines kleinen Hofladens nutzte Sonja Schulze den zurückliegenden Winter mit der Corona-Zwangspause. Ein Duft wie auf einem Heuboden erfüllt den gesamten Raum. Räucherkräuter, Teekräuter, Kräutersalze, Kräuteröle und Kräuteressig stehen in den Regalen.

Die Kräuter-Mühle von Sonja Schulze ist nicht das, was man sich bei diesem Begriff vielleicht als Erstes vorstellt. Es geht nicht ums Zermahlen von Korn, sondern um ein Brettspiel, ein Mühle-Spiel. Die Spielfiguren bestehen aus kleinen Gläsern, gefüllt mit Kräutersalzen und verschraubt mit schwarzen und weißen Deckeln. „Die Kräuter-Mühle ist alles in einem: ein Reisespiel für unterwegs, ein Gourmet-Spiel, ein schönes Mitbringsel und eine Erinnerung daran, dass der Wildkräuterhof Landsprosse direkt an der alten Salzstraße liegt“, sagt Sonja Schulze.

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