Rhönschafe: Rasenmäher per Mausklick
Lämmer für den Garten, die den Aufwuchs kurz halten, sind gefragt. Der Thüringer Thomas Kümpel verkauft seine überzähligen Rhönschafe deshalb sehr erfolgreich übers Internet.
Von Birgitt Schunk
Auch in diesem Frühjahr hat Thomas Kümpel „Rasenmäher“ im Internet angeboten. Mit Gartentechnik handelt er jedoch nicht. „Seit zwei Jahren verkaufe ich so meine Lämmer, die ich nicht für die eigene Zucht brauche“, sagt er. Von seinem Vater, der gleich nach der Wende mit der Zucht von Rhönschafen begonnen hatte, übernahm er einst die Herde. Heute hält der Nebenerwerbslandwirt aus dem südthüringischen Hermannsfeld, das zur Gemeinde Rhönblick gehört, 23 Muttern plus Nachzucht – alles Herdbuchtiere.
Vor Jahren nahm die Züchterfamilie noch an Auktionen teil. „Doch für einen Nebenerwerbler ist der zeitliche Aufwand recht hoch. Ich denke da an die Untersuchungen, Auflagen und Vorbereitungen. Und dann sind die Tiere noch nicht mal am Veranstaltungsort. Deshalb haben wir einen anderen Weg gesucht.“ Hinzu kam, dass die Händler weniger stark an den Rhönschaflämmern interessiert waren. Zwar ist die Rasse robust, genügsam und wie geschaffen für die Mittelgebirgsregion der Rhön, aber die Tiere bringen nun mal weniger Kilos auf die Waage. „Das erreiche ich auch nicht über mehr Kraftfutter. Rhönschafe sind eben keine Fleischrasse.“
Rhönschafe: Riesige Resonanz
In dieser Saison hat Thomas Kümpel bereits alle Lämmer über ebay-Kleinanzeigen online verkauft. Sie gehen ab Mai an die neuen Besitzer, die die Tiere auf dem Hof in Hermannsfeld abholen. Die Anzeige nahm er nach vier Wochen vom Netz, denn die Resonanz war 2021 wieder riesig. Über 1.500 Mal wurde sie aufgerufen und über 50 Mal auf die Merkliste gesetzt. Dies zeige das große Potenzial dieses Vermarktungswegs. „Ich hätte die doppelte und dreifache Anzahl verkaufen können“, berichtet der Züchter. Dabei fiel ihm erneut auf, dass sich sogar Interessenten von weit her wie etwa aus dem Vogtland oder dem unterfränkischen Dettelbach bei Würzburg meldeten. Letztes Jahr ging ein Tier in den Harz: „Auf dem Weg zu mir fahren die künftigen Besitzer ganz sicher an einigen Züchtern vorbei, die sie aber nicht kennen können, da sie nicht im Internet zu finden sind“, sagt der 49-Jährige. „Hier gibt es also auch für andere Züchter noch viel Potenzial beim Lämmerabsatz.“ Vor Jahren lief der Nachwuchs den Sommer über in der Herde mit und wurde erst im Herbst vermarktet. Doch die letzten beiden trockenen Jahre mit sehr geringem Futteraufwuchs beförderten Kümpels Gedanken, die Lämmer bereits im Mai an den Mann oder die Frau zu bringen. 18 ha Grünland bewirtschaftet der Nebenerwerbsbetrieb – unter anderem am ehemaligen Grenzstreifen. „Auf einer Fläche von vier Hektar hatten wir vor drei Jahren 70 Rundballen Heu, ein Jahr später war es gerade mal die Hälfte.“ Nicht nur durch die fehlenden Niederschläge, sondern auch durch die Extensivierung ging der Ertrag des Grünlande stetig zurück.
Ganz ohne Aufwand geht allerdings auch der Verkauf übers Internet nicht. „Da muss man schon täglich nachschauen und Anfragen beantworten“, weiß Kümpel. Es passiert auch, dass man fünfmal hin- und herkorrespondiert und der Interessent am Ende abspringt. Stutzig wird Kümpel immer dann, wenn ganz spezielle Fragen kommen. „Wenn jemand ein Schaf kaufen will und gleichzeitig wissen möchte, was solch ein Tier überhaupt frisst, dann wird man hellhörig.“ Kümpel begrüßt natürlich, wenn Leute mit der Schafhaltung beginnen wollen. „Das führt wieder zu etwas mehr Bindung an die Landwirtschaft und zur Achtung vor den Mühen – wer ein Lamm hält, wird sich außerdem sicher nicht beschweren, wenn morgens mal der Hahn des Nachbarn kräht.“ Vielen Menschen sei die Nähe zum Landleben abhandengekommen. Sie wollten zwar die Ruhe auf dem Dorf, aber auf keinen Fall Traktorengeräusche oder gar Düngergeruch. Auch in seinem Ort habe sich viel verändert. „Heute halten hier noch drei Höfe ein Schwein und schlachten. Bis zur Wende war unser Metzger in einer Saison über 100 Mal im Einsatz.“
Ratschläge gibt es gratis
Ein Erlebnis ist Kümpel ganz besonders im Gedächtnis geblieben. Vor vielen Jahren hatte er einem Bekannten zwei Lämmer verkauft. Nach zwei Wochen kam der neue Besitzer und meinte, dass die Tiere herumdrucksten und nicht fräßen. Als der Züchter fragte, ob sie denn wenigstens saufen würden, schaute der Mann ungläubig. „Dass die Tiere neben Gras natürlich auch Wasser brauchen, wusste er nicht.“ Und so versucht Kümpel, den künftigen Gartenlammbesitzern auch ein paar Ratschläge mit an die Hand zu geben.
Nicht alle seine abgegebenen Lämmer arbeiten nur als „Rasenmäher“ und landen im Herbst als Braten auf dem Teller. „Teilweise haben die neuen Besitzer, wenn es Züchter waren, die Herdbuchtiere dann in ihren Verbänden angemeldet.“ Und dass, obwohl Kümpel nur jene Tiere anbietet, die etwa Fehlzeichnungen aufweisen und in seiner Herdbuchzucht nicht zum Einsatz kommen. Am Anspruch, alle Rassemerkmale zu erfüllen, macht der Hermannsfelder keine Abstriche. „Eine Punktlandung gelingt natürlich in der Zucht nicht immer.“ Für sich selbst hat er allerdings noch ein weiteres wichtiges Zuchtziel ausgegeben. „Ich verzichte auf das Schwanzkupieren und konzentriere mich darauf, Tiere mit kürzeren Schwänzen zu züchten.“ Höheren Infektionsdruck oder vermehrte Krankheiten gibt es dadurch in seiner Herde nicht. Auch der Bock verrichtet erfolgreich seine Arbeit und kommt bei den Muttertieren, die ebenso den Schwanz behalten, gut zum Zuge. „Wir haben die Diskussion bei den Schweinen und werden sie bald bei den Schafen haben – solche Eingriffe werden immer mehr hinterfragt“, sagt Kümpel. „Wir sollten uns mit dem Thema rechtzeitig befassen.“
Vor allem bei den Böcken gibt es seiner Ansicht nach keinen Grund fürs Schwanzkupieren. So hält er immer wieder Ausschau nach Tieren mit kürzeren Schwänzen, um sie einsetzen zu können und letztendlich Zentimeter für Zentimeter zu einer geringeren Länge zu kommen. „Das würde das Kupieren überflüssig machen. Ärgerlich ist nur, dass bei den Bockauktionen eigentlich keine unkupierten Böcke angeboten werden – fehlt der Schwanz, kann man nicht mehr gezielt die passenden Vererber aussuchen.“ Kümpel weiß, dass dies in einer kleinen Herde leichter umzusetzen ist als in einem großen Betrieb. „Trotzdem muss man über solche Ansätze nachdenken.“
Von Kuh bis Katz’
Einst erlernte Kümpel den Beruf des Facharbeiters für Tierproduktion mit Abitur. Neben den Schafen und zwei Mutterkühen hält er auf dem Hof zudem vier Ziegen, die den Heckenaufwuchs kurz halten. Enten, Gänse, Puten, Hühner, Thüringer Schildtauben, Hund und Katzen gibt es ebenso – ums Federvieh und dessen Zucht kümmern sich seine Frau und einer der beiden Söhne.
Mit der Wiedervereinigung sah Kümpel einst allerdings wenig Zukunftsaussichten, in der Landwirtschaft einen guten Job zu finden. Überall wurden seinerzeit Stellen abgebaut. Er orientierte sich neu und studierte Vermessung. Heute ist der dreifache Familienvater in einer Behörde der Flurbereinigung tätig. Auf die Rhönschafe setzt er vor allem wegen des vorzüglichen Fleisches. Das übrigens wusste schon Napoleon zu schätzen. Bekanntschaft damit machte er, als er einst mit seinen Soldaten durch die Rhön zog. Er war so begeistert, dass er – zurück in Frankreich – befahl, auch dort regelmäßig für Rhönschaffleisch zu sorgen. Daraufhin wurden jedes Jahr riesige Schafherden aus der Rhön nach Paris getrieben.
Doch neben dem Fleisch fasziniert Thomas Kümpel natürlich das Erscheinungsbild seiner Rhönschafe. „Wenn ich mit den Tieren am Dachsberg bin und Koppel baue, dann ist das für mich nicht Arbeit, sondern Ausgleich und Entspannung.“