Wagyus im Oberspreewald: Der Tierarzt als Züchter
Dr. Bernd Henning ist nicht nur Veterinär im Unruhestand. Seit 30 Jahren züchtet er im Oberspreewald Mutterkühe, hat vieles ausprobiert und ist letztlich bei Wagyus angekommen – vor allem aus kulinarischen Gründen.
Familie Henning in Hollbrunn ist eine Familie von Tierärzten: Vater Bernd, Mutter Angelika, Sohn Felix Franz und Schwiegertochter Dana – alles Tierärzte, und die Praxis in Hollbrunn eine Hausnummer für Groß- und Kleintierhalter im Oberspreewald. Aber deswegen sind wir nicht hier. Hennings hatten sich im Herbst mit einem Grünlandproblem an die Bauernzeitung gewandt, das wir an dieser Stelle in einer der nächsten Ausgaben der Bauernzeitung besprechen werden.
Heute wollen wir die Geschichte von Dr. Bernd Hennings Nebenerwerb erzählen, die mit einem Schwarzbunten Niederungsrind begann, über Galloways und interessante züchterische Versuche bis zu einer kleinen Fast-Wagyu-Herde mit zwei Stammkühen, einer Färse und drei Ochsen führt.
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Wagyus im Oberspreewald: Die erste eigene Kuh
Die Tiere stehen recht scheu auf der nasskalten Weide hinter einem stromführenden Zaun und lassen uns nur über das Teleobjektiv näher heran. Weiter hinten ein Unterstand, der im Winter das Heu trocken hält und Schutz bietet. Fast täglich ist Henning hier draußen, seit er die Tierarztpraxis seinem Sohn übergeben und endlich mehr Zeit hat, Bauer zu sein.
Zu seiner ersten eigenen Kuh kam Bernd Henning 1990, es war ein Schwarzbuntes Niederungsrind. Zuvor hatte er 15 Jahre als Tierarzt im Auftrag des Rates des Kreises Schweine und Milchkühe betreut. „Fast alle meine Betriebe gingen innerhalb von vier Wochen in Konkurs. Es fehlte an Mut, Verantwortung zu übernehmen, die Ställe aus den 60ern waren heruntergewirtschaftet, die Schweine für den westdeutschen Markt zu fett, wurden fast verschenkt, 1.500 Milchkühe innerhalb von vier Wochen über die Viehhändler abgeholt“, erinnert sich Henning.
Auf Anraten seines Arbeitgebers machte er sich selbstständig. „Damals hielten alle die frische D-Mark fest und holten den Tierarzt nur in größter Not“, erinnert sich Henning. Er war 40, hatte gemeinsam mit seiner neuen Partnerin acht schulpflichtige Kinder zu versorgen und im Jahr nach der Währungsunion nur 17.500 DM Einnahmen.
Hennings schafften sich eine Kuh mit Kalb an, die jeden Tag gemolken wurde und neben ihrem Kalb die Familie mit Milch, Sahne und Quark versorgte. „Drei Liter haben wir abgenommen, das Kalb hat nachgemolken“, so Henning. „Ein halbes Jahr hat uns die Kuh über Wasser gehalten.“
Galloway-Rinder auf dem Grünland
Dann entdeckte er die Galloways. „Unser Grünland ist nicht das beste, zum Teil haben wir stauende Nässe und Sauergräser. Für schwerere Mastrinder ist es nicht geeignet, für Galloways schon.“ Gemeinsam mit einem Freund, der wusste, wie in der Schwäbischen Alb Landschaftspflege mit Rindern funktioniert, stieg er in die Galloway-Zucht ein.
Außerdem beteiligt waren zwei Galloway-Kühe und der Bulle Papageno mitsamt Zauberflöte. Zu fünf Hektar eigenem Land konnten vier von der BVVG gekauft und weiteres gepachtet werden: Auf 50 ha Dauergrünland wuchs die Herde auf 25 Tiere. „Es hat unheimlichen Spaß gemacht“, erinnert sich Henning.
Galloways seien mehr Individuen als Herdentiere und leicht zu händeln, zumal da der Faktor Wolf noch zu vernachlässigen war. „Andere Züchter haben uns die Absetzer gern abgenommen. Auf dem Höhepunkt unserer Reproduktionsleistung kam die BSE.“
Auf Kreuzungswegen mit Shorthorn Rinder
Galloway mit Shorthorn zu kreuzen, war schon ein länger gehegter Plan, um die Galloways etwas größer und leichtwüchsiger zu machen, sodass sie nicht erst nach drei, sondern nach zwei Jahren schlachtreif sind. „Just an dem Tag, an dem BSE losging, gab es ein Züchtertreffen in Norddeutschland“, erzählt Bernd Henning. Er kaufte einen hornlosen, umgänglichen Shorthorn-Bullen und erzeugte mit ihm ein F1-Produkt, das von den Mästern angenommen wurde.
„Galloways werden alt, wir haben sie behalten, bis sich die ganze Sache beruhigt hatte“, so Henning. Er behielt die weiblichen Tiere aus den Kreuzungen und experimentierte mit ihnen weiter: Sie bekamen einen Blonde-d’Aquitaine-Bullen namens Egon zum Decken: „Umgänglich, lieb und von Statur wie ein Bodybuilder. Da kam ein ganz tolles Produkt raus“, schwärmt Henning. Seine Züchtermaxime: „Das Vatertier muss reinrassig sein und dem Markt entsprechen, das Muttertier dem Standort.“
Wagyu Geschmacksexplosion
Die Tierarztpraxis wuchs nebenbei weiter, auch, weil Henning mit der Mutterkuhhaltung so erfolgreich war. Ein Paradox, denn für die blieb immer weniger Zeit. In der Folge trennten sich die Geschäftspartner, der Tierarzt verfolgte auf seinen elf Hektar Eigenland im kleinen Stil seine Ideen vom robusten, leckeren Weiderind weiter. Nach weiteren Züchtungsexperimenten, u. a. mit Angus, hatte er ein kulinarisches Bekehrungserlebnis auf einer Grünen Woche.
Nach Investition von zehn Euro in eine Wagyu-Bratwurst haute den durchaus schon verwöhnten Rindfleisch-Gourmet eine „Geschmacksexplosion“ um: „Das Geheimnis des Geschmacks ist und bleibt das Fett, und das ist beim Wagyu in der kettigen Zusammensetzung ganz anders als bei anderen Rindern.“ So sei der Schmelzpunkt wesentlich niedriger, was man bereits beim Verarbeiten merkt: Die Hände sind fettig. Und auch in einem Steak beispielsweise bleibe das Fett länger geschmacklich wirksam.
Das neue Zuchtziel stand fest: Die Herde auf Wagyu umstellen! Ernüchterung stellte sich nach dem Besuch des Zuchtleiters Wagyu-Deutschland ein, den Bernd Henning in Chemnitz besuchte. Er sah sich den Betrieb an und erfuhr etwas über Embryonentransfer mit Angus als Träger. Aber vor dem eigentlichen Ziel der Reise, mit einem Bullen nach Hause zu kommen, schreckte er dann doch zurück: 8.000 Euro sollte das sieben Jahre alte Tier kosten.
Wagyu mit Holstein
Henning ging einen anderen Weg: Inzwischen gab es einen Wagyu-Bullen in der Besamungsstation des Rinderzuchtverbandes Berlin-Brandenburg (RBB). Einige Betriebe hatten bereits ein paar Tiere mit ihm besamt und die F-1-Tiere waren auf dem Markt. Henning kaufte drei dieser Färsen und tastete sich über Besamung weiter an die Wagyu-Genetik heran.
Die Kälber der F1-Färsen hatten bereits einen Wagyu-Anteil von 75 %, bei den jetzigen Kälbern liegt er über 80 %. „Die Bedingungen auf der Weide stecken die Tiere ganz gut weg“, beobachtet Henning. „Und da in den Mutterkühen noch Holstein steckt, ist die Milchleistung so gut, dass auch die Kälber gut versorgt aufwachsen.“
Zuletzt der Weideschuss
Am anderen Ende eines Wagyu-Lebens in Hollbrunn steht der Weideschuss, der Bernd Henning als Jäger genehmigt wird. Innerhalb von 20 Minuten bringt er das getötete Rind zehn Kilometer zu einem EU-zertifizierten Schlachthof. Nach seiner Wunschliste zerlegt, bekommt er es in Kisten zurück, konfektioniert es nach Vorbestellung und verteilt es im Familien- und Freundeskreis: u. a. acht Kinder, 25 Enkel und ein Urenkel sind dankbare Abnehmer.
Zwar ist beim Wagyu-Rind die Ausbeute an Edelfleisch größer, doch fallen auch rund 50 kg Talg an. Das eignet sich gut, um Pfannkuchen auszubacken oder abgehangenens, sauberes Fleisch in lauwarmem Fett einzubetten und es reifen zu lassen, hat Bernd Henning in seinem jüngsten Gourmet-Experiment herausgefunden. Jetzt muss es nur noch mit dem Grünland klappen.
Probleme gibt es mit Ackerkratzdistel und Gänsefingerkraut, die Kulap-Förderung schränkt die Bekämpfungsmöglichkeiten ein. Was man tun kann, beschreibt unser Grünlandexperte Erik Pilgermann bald in der Bauernzeitung.