Rapsanbau Bestandesführung: Praktiker im Interview
Eine Nachwinterbonitur im Raps hilft bei Planung der Frühjahrsmaßnahmen. Doch der Wind wird rauher. Landwirtin Doreen Schäfer und Rapsfachmann Rainer Kahl teilen ihre Erfahrungen mit uns.
Doreen, auf wie viel Prozent Eurer Fläche baut Ihr Raps im Schnitt an und wie viel Hektar sind es in dieser Saison?
Doreen Schäfer: Im Schnitt sind es zwischen zwölf und fünfzehn Prozent. In diesem Jahr steht bei uns Raps auf 235 von unseren 2.000 ha. Hauptkultur ist bei uns aber weiterhin der Weizen mit 30 Prozent Flächenanteil. Insgesamt bauen wir zehn Kulturen an und haben den Raps aufgrund von Kohlhernie und der Ertragsstagnation in den letzten Jahren stark reduziert. Vor 20 Jahren hatte unser Betrieb noch 650 ha Raps im Anbau.
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Raps extensiv bewirtschaften
Wie intensiv führt Ihr den Raps?
Doreen Schäfer: Der Winterraps ist bei uns eine relativ extensive Kultur, worauf ich auch sehr stolz bin. Wir sind auch Referenzteilnehmer an der Betriebszweigauswertung der Landesforschungsanstalt und sorgen dort hin und wieder für Staunen, wenn wir sagen, dass wir auf ansonsten typische Maßnahmen der Bestandesführung im Raps verzichten.
Was genau bedeutet extensiv?
Doreen Schäfer: Bei Stickstoff, Grunddünger und Mikros machen wir all das, was wir nach Analyse müssen und gesetzlich auch dürfen. Im Pflanzenschutz sind wir aufgrund unserer Lage in einem Urlaubsgebiet schon seit ein paar Jahren vollständig von Clomazone weg und machen alles im Nachauflauf beziehungsweise mit der Hacke.
Allerdings muss ich sagen, dass vor allem in den letzten zwei, drei Jahren das Hacken aufgrund von Starkregenereignissen oft zwingend notwendig gewesen wäre, aber wir im Herbst mit der Hacke nicht auf den Acker gekommen sind. Mal war es zu nass, dann wieder zu trocken mit zu viel Kluten und Stroh. Und in diesem Frühjahr wiederum ist es bis jetzt noch zu nass zum Hacken, obwohl es für den Bestand längst höchste Eisenbahn wäre.
Erfahrungen sammeln beim Hacken im Raps
Weil die Bestände jetzt in die Höhe gehen und die Reihen schließen?
Doreen Schäfer: Genau. Die Hacke wird eigentlich per Kamera durch den Bestand geführt. Das funktioniert aber nur solange, wie es erkennbare Reihenzwischenräume gibt. Auch Fehlstellen im Bestand führen dazu, dass unser Fahrer die Hacke per Hand steuern muss. Das setzt dem System mechanische Unkrautbekämpfung eindeutig Grenzen.
Rainer Kahl: Man sollte keine zu hohen Erwartungen an das Hacken haben. Wenn man zum Einstieg ein Drittel seiner Fläche anstrebt, kann man gut Erfahrungen sammeln. Anfangen sollte man auf bekannten Durchwuchsstandorten. Gerade bei ungünstiger Witterung können die Arbeitszeitspannen sehr kurz sein.
Wer dann auf Lohnunternehmer angewiesen ist, muss evtl. einen (schlechten) Kompromiss eingehen. Hacken ist längst nicht auf allen Böden möglich und erhöht in hängigen Lagen das Erosionsrisiko. Auch erfordert es weite Reihenabstände. Raps auf Sandböden schafft bei Trockenheit und Hitze aber nicht die nötige Verzweigung, um die weiten Reihen dicht zu ziehen. Die Unkrautunterdrückungskraft ist auch eingeschränkt. In der Reihe stehen die Pflanzen zu eng. 25 cm Reihenabstand werden selten verwendet. Aber 25er Reihe mit 25–30 Pflanzen/m2 ergibt eine gute Bestandesdichte mit optimaler Standraumverteilung.
Doreen Schäfer: Wir haben es 2019, 2020 und 2021 geschafft, unsere komplette Rapsfläche zu hacken. Es herrschten optimale Bedingungen im Herbst und alles lief perfekt. Das ging sogar soweit, dass ich dachte, wir können komplett auf Herbizide im Raps verzichten. Aber die letzten zwei Jahre haben uns das Gegenteil bewiesen. Auch unsere Bodenbearbeitung zu Raps haben wir mehrmals angepasst.
In unseren anfänglichen Großparzellenversuchen zum Hackeinsatz haben wir gesehen, dass pfluglose Bestellung nicht dazu passt, vor allem, wenn Quecken und Stroh zusammen auftreten. Also haben wir ab 2018 wieder komplett zu Raps gepflügt. Dann aber kamen die Starkregenereignisse und ließen den Raps im Herbst total untergehen.
Im letzten Jahr hatten wir die Nase voll, und wir sind wieder auf pfluglos zurückgeschwenkt, denn vor allem das Problem der Verschlämmung ist so minimiert. Nun konnten wir aber letzten Herbst nicht hacken und auch jetzt sieht es so aus, als ob der Raps schneller wächst als der Acker trocknet …
Abwägen zwischen mechanischer und chemischer Unkrautregulierung
Also ein Argument für den Einsatz von Herbiziden?
Doreen Schäfer: Ja, Chemie geht immer. Wir halten uns durch die Nachauflaufbehandlung zwar immer die Option offen, zu hacken. Aber wenn die Bedingungen es nicht zulassen, müssen wir Herbizide einsetzen. Toll, dass wir diese Möglichkeit noch haben. Aber wir müssen uns auf 2030 vorbereiten, wenn der Pflanzenschutzmitteleinsatz halbiert wird. Wer weiß, was wir dann alles nicht mehr haben werden.
Rainer Kahl: Der Referenzzeitraum für die Halbierung wird noch diskutiert. Das Jahr mit dem geringsten Einsatz als Bezug für die Halbierung wäre der schlechteste Fall. Aber noch weiß keiner, was am Ende beschlossen wird.
Was bedeutet diese Reduktion für Euch als Betrieb konkret?
Doreen Schäfer: Ich versuche es am stark vereinfachten Beispiel unserer Pflanzenschutzmittelausgaben zu erklären: In der Region Greifswald gibt es auf Bestreben unserer öffentlichen Verpächter (Stadt, Universität, Stiftungen) bereits seit geraumer Zeit ein Pflanzenschutzmittelreduktionsprogramm.
Wir als Betrieb haben aufgrund unserer Anbaudiversität in den letzten zehn Jahren unsere Ausgaben für Pflanzenschutz halbieren können. Statt das zu honorieren, werden wir über den Referenzzeitraum im Gegenteil noch bestraft, weil wir ab 2030 dann noch mal um die Hälfte runter müssen. Genauso ist es mit den roten Gebieten.
Wir setzen seit 2004 in den Hauptkulturen den N-Sensor ein. Auf vier Flächen liegen die Referenzflächen unserer Fachbehörde (LFA). Seit 1996 sind wir Referenzfläche für Nmin. Wir haben im Laufe der ganzen Jahre, spätestens seit der Düngeverordnung von 2006 ganz bewusst den Stickstoffeinsatz zurückgefahren. Wir waren immer zielstrebig, das zu schaffen und haben es auch.
Und jetzt?
Doreen Schäfer: Wir bauen auf 40 Prozent der Fläche Sommerkulturen an. Wir sind mit unseren Ertragsniveaus immer unter dem Mittel. Das ist aber in Ordnung, solange die Ökonomie stimmt. In jedem Fall haben wir das Stickstoffniveau unheimlich gesenkt und bekommen jetzt noch 50 Prozent rote Gebiete. Schönen Dank auch!
Diejenigen, die vorangehen, werden bestraft. Wir investieren in Technik und machen uns einen Kopf. Erst danach kommen die Förderprogramme, von denen wir nie profitieren. Initiative wird nicht belohnt, sondern bestraft. Wir machen gerade eine Rolle rückwärts im Raps.
Saattermin entscheidet über Maßnahmen
Die Rahmenbedingungen sind also alles andere als günstig. Wie schätzt Ihr die Bestände aktuell ein?
Rainer Kahl: Das Frühjahr ist sehr nass. An vielen Stellen hat die Frühjahrsbestellung immer noch nicht angefangen. Im Hinblick auf den Raps sind diejenigen Bestände die gesündesten, die Ende August, Anfang September in die Erde gekommen sind. Für mich beginnt die Bestandesführung mit der Wahl des Saattermins.
Macht man Einzelkornsaat? Wird eine kleine Startgabe unter Fuß gegeben? Bis zu 30 Kilo N im Herbst sehen meist sehr gut aus. Zwar muss man die zu 100 Prozent im Frühjahr abziehen, aber die Bestände danken es einem. Ich befürchte, dass diejenigen, die sehr früh drillen, immer wieder von den Starkregenereignissen Ende August getroffen werden. Zudem fördern Wärme plus Feuchtigkeit die Infektionsbedingungen für Verticillium.
Die Infektion erfolgt bereits im Herbst, wird aber erst zur Abreife sichtbar. Ich vermute also, dass die Frühsaaten in Mecklenburg Vorpommern dieses Jahr stärker gefährdet sind. Was die Sortenwahl betrifft, kann ich für unser Rapool-Material sagen, dass die Sorten im Herbst brav am Boden bleiben und nicht zu schnell aufstängeln. Wüchsigkeit kann einem Bestand auch zum Verhängnis werden.
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Wie sieht es mit den Beständen in Groß Kiesow aus?
Doreen Schäfer: Was ich mich noch nicht traue, obwohl die amtlichen Versuche es so schlussfolgern lassen, ist im Herbst auf Wachstumsregler zu verzichten. Neben der Nachauflaufbehandlung Herbizid fahren wir im Herbst noch ein Fungizid. Da beobachte ich aber noch weiter, was die einzelnen Sorten bringen. Im Frühjahr gucken wir sehr genau und sehr entspannt darauf, was die Insekten machen.
Wir gucken in den Schlag hinein und warten auf die Ankunft der Käfer. Wir behandeln nur, wenn es notwendig ist. Dabei gab es in der Vergangenheit Jahre, in denen wir im Frühjahr nur zur Stickstoffdüngung auf dem Raps waren. Auch die Blütenbehandlung hat für mich nicht mehr den Stellenwert. Die Beachtung der Fruchtfolge ist hier besonders wichtig. Außerdem arbeiten wir sehr intensiv mit Prognosemodellen und beobachten die Wetterlage.
Wie sieht es mit den Nachbarn in der Bevölkerung aus? Steht Ihr unter Beobachtung?
Doreen Schäfer: Wir haben in unserem Betriebsbereich mit einem Durchmesser von gut 15 Kilometern insgesamt zehn Imker, die ich kenne und mit denen wir zum Teil zusammenarbeiten. Aber die Dunkelziffer bei den Hobbyimkern ist so hoch, und von denen meldet sich auch keiner bei uns. Allein deshalb müssen wir sehr aufpassen, wann und was wir tun. Wir stehen unter Beobachtung.
Kohlhernie: Nicht nur auf resistente Sorten bauen
Kohlhernie ist auf Euren Flächen ein Thema. Standfestigkeit und Winterhärte sind wichtig. Was zählt bei der Sortenwahl?
Doreen Schäfer: Wir sind in der Vergangenheit relativ konservativ gewesen. Aber jetzt sind gerade über Rapool viele neue Sorten zugelassen worden, die sehr gut sind. Leider haben wir in diesem Jahr auch viele Kohlhernieflächen im Anbau, sodass wir hier Crocodile angebaut haben. Gerade Crocodile macht bei uns unter fast allen Umständen einen brauchbaren Ertrag.
Rainer Kahl: Die Sorte ist genetisch verwandt mit der Sorte Smaragd.
Doreen Schäfer: Und Smaragd war bis letztes Jahr unsere Hauptsorte, die bei uns immer sehr gut funktioniert hat.
Aber Ihr baut resistente Sorten nur auf Kohlhernieflächen an, richtig?
Doreen Schäfer: Ja, denn ich bin froh, wenn ich möglichst viel von den Sorten anbauen kann, die alles mitbringen, Ertrag, Gesundheit und Öl. Nur befallene Flächen bekommen eine resistente Sorte.