Eine Mischung, die nicht nur satt machen soll
Schäferin Ulrike Wehrspohn aus Bernburg probiert in dieser Saison eine Neuansaat mit einer Grünlandmischung mit Spitzwegerich aus. Er soll Endoparasiten in Schach halten und positiv auf die Verdauung wirken.
Schafe fressen Gras. So einfach und zugleich so kompliziert. Die Beweidung von Grünland hat sich nämlich in den letzten Jahren stark verändert. Die althergebrachte Wanderschäferei nimmt immer weiter ab.
Auf eine Ursachenbewertung wird an dieser Stelle bewusst verzichtet. Fakt ist aber, dass die Beweidung mit Schafen unverzichtbar für den Erhalt von vielen Kulturlandschaften ist. Zudem können Schafe sehr rohfaserreiches Grundfutter mit entsprechend geringen Energiekonzentrationen gut verwerten. Je nach Rasse schaffen Schafe auch noch aus der extensivsten Fläche verwertbares Pflanzenmaterial zu entnehmen.
Auf der Suche nach Verbesserungen
Wenn es aber um mehr als nur die Landschaftspflege geht, braucht es auch Futterflächen mit höherer Energiekonzentration. Um diese Flächen auf einem hohen Leistungsniveau zu halten, muss regelmäßig nachgesät oder neu angesät werden.
Ulrike Wehrspohn, Schäferin aus Bernburg (Bauernzeitung 52/53/2020, S. 26), ist immer auf der Suche nach Verbesserungen und wurde aufmerksam auf eine Grünlandmischung, die Spitzwegerich als Mischungspartner enthält. Sie berichtet: „Mein Viehhändler hat mich auf diese Mischungen aufmerksam gemacht und mir Saatgut zum Probieren besorgt. Meine Futterflächen liegen größtenteils im Bereich der Bode. Düngung und Nachsaat kommen dort aufgrund von Landschaftsschutzprogrammen nicht infrage. Glücklicherweise habe ich aber eine Ackerfläche pachten können, auf der ich die Spitzwegerichmischung ansäen kann. Der Boden ist gut, und ich kann so mittelfristig hoffentlich energiereiches Futter für meine hochtragenden Schafe erzeugen.“
Spitzwegerich als Mischungspartner in Saatgutmischungen für Grünland und Futterbau ist in Deutschland bisher kaum verbreitet. In Neuseeland, Australien oder den USA hat die gezielte Nutzung von Spitzwegerich in Grünland- und Futterbaumischungen dagegen seit vielen Jahren „Tradition“. Dort weiß man die positiven pflanzen- und futterbaulichen Eigenschaften dieses anspruchslosen Krautes zu schätzen.
Spitzwegerich ausgesprochen trockenheitstolerant
Der Spitzwegerich ist im Grünland in gemäßigten Regionen weit verbreitet. Aufgrund seines tief reichenden Wurzelsystems ist er ausgesprochen trockenheitstolerant.
Auf Wiesen unter Schnittnutzung ist das aufrecht wachsende Grünlandkraut mit den charakteristisch nach oben spitz zulaufenden Blättern eher anzutreffen als auf intensiv genutzten Weiden. Dort kann es unter der Trittbelastung, der punktuellen Bodenverdichtung und durch tiefen Verbiss zurückgedrängt werden.
Deshalb wird in Neuseeland und Australien Spitzwegerich gezielt gezüchtet, um ihn toleranter gegen Tritt und Verbiss zu machen. Als typische Wiesenkennart entwickelt er sich schnell und kann somit problemlos in Grünlandmischungen mit konkurrenzstarken und schnell wachsenden Gräsern wie dem Deutschen Weidelgras integriert werden, ohne von diesen unterdrückt und verdrängt zu werden.
Voll aufgeladen mit Mineralstoffen
Viele Kräuter im Grünland sind aufgrund ihres hohen Mineralstoffgehaltes wichtige Bestandteile. Speziell der Spitzwegerich nimmt hohe Natriummengen auf. „Gut gewürzt“, verbessert er die Schmackhaftigkeit des Futters und kann so die gesamte Futteraufnahme erhöhen.
Der Spitzwegerich kann sich langfristig über seine Aussamung in Grünlandbeständen halten. Neben Natrium enthält Spitzwegerich hohe Mengen weiterer Mineralstoffe wie Magnesium, Phosphor, Kalzium, Zink und Kupfer. In der Summe wichtig für Gesundheit und Fruchtbarkeit der Muttertiere.
Daneben enthält Spitzwegerich eine Reihe biologisch aktiver Verbindungen, die oft in hohen Konzentrationen in den Blättern enthalten sind. Die antimikrobiellen Komponenten dieses Krautes können die Pansenfermentation sowie die flüchtigen Fettsäurezusammensetzungen günstig beeinflussen.
Verschiedene Kräuter wie Löwenzahn, Wilde Möhre, Bibernelle, Schafgarbe und Spitzwegerich sind in Grünlandnarben durchaus erwünscht und werden von den Weidetieren sehr gerne gefressen. Wie überall ist es auch hier eine Frage der Dosis. Ihr Anteil sollte 20 Prozent nicht überschreiten, da sonst Gräser zu stark verdrängt werden könnten. Zu viele Kräuter können zu Durchfall und Leistungsabfall führen.
Entzündungshemmend und antioxidativ
Die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe (Iridoidglycoside) des Spitzwegerichs wie Aucubin, Catalpol, Asperulosid, Schleimstoffe, Gerbstoffe, Kieselsäure und Saponin haben nachgewiesenermaßen auch bei Grasfressern eine antibiotische Wirkung. Den biologisch wirksamen Verbindungen dieser Heilpflanze werden entzündungshemmende und antioxidative Eigenschaften zugeschrieben. Ebenso soll die Harnsäureausscheidung angeregt werden.
Tief wurzelnde Kräuter wie Spitzwegerich (90–100 cm) wirken besonders bei geringerem N-Düngungsniveau sehr günstig in Grünlandnarben, da diese die Nährstoffe aus tieferen Bodenschichten erschließen und in Biomasse umsetzen.
Gräser wie Deutsches Weidelgras oder Lieschgras als Flachwurzler kommen so in den Genuss der Nährstoffe aus der Tiefe, denn über die Aufnahme des Futters und die Ausscheidungen von Weidetieren stehen diese Nährstoffe den flacher wurzelnden Partnern wie Gras und Klee wieder zur Verfügung.
Spitzwegerich: höchste Ertragsleistung in Sommeraufwüchsen
Aufgrund seiner hohen Trockenheitstoleranz kann Spitzwegerich in Dürrephasen zur Ertragsstabilität und -sicherheit beitragen. Er kann in Grünlandnarben sehr produktiv und durchsetzungsfähig sein. Narbenlücken auf Wiesen werden von ihm gerne geschlossen, wenn entsprechendes Samenpotenzial vorhanden ist.
In den Sommeraufwüchsen bringt er die höchste Ertragsleistung. Als ausgesprochene Langtagspflanze schiebt er aber auch die Blütenstände in den Sommeraufwüchsen. In Mischbeständen kann deshalb seine reproduktive Entwicklung langfristig eingeschränkt sein, wenn aufgrund hoher Nutzungsfrequenzen und früher Nutzungstermine die Aussamung nicht mehr möglich ist.
Über die Effizienz einer Nachsaat von Spitzwegerich in bestehende Grünlandnarben im Rahmen von Durch- und Übersaaten gibt es bislang laut Herstellern der Grünlandmischungen keine hinreichenden Erfahrungen. Beim Einmischen von Spitzwegerich in Grünlandmischungen sollte sein Anteil drei bis fünf Prozent aber nicht überschreiten. Trotz der hohen diätischen Wirkung sind Ertragsanteile von mehr als 15–20 Prozent laut wissenschaftlicher Ergebnisse von Tierernährern unerwünscht. Nicht zuletzt nehmen bei zu hohen Anteilen im Grünland die Energiekonzentration und die Verdaulichkeit der Aufwüchse ab.
Die Qualität der Aussaat ist entscheidend für den Erfolg und sollte deshalb unbedingt im Auge behalten werden. (c) Michele Lohreine Vor und nach der Saat sollte der Boden richtig bearbeitet werden. Besonders wichtig ist es, die Fläche nach der Saat ordentlich anzuwalzen. (c) Michele Lohreine
Man muss sich trauen, etwas auszuprobieren
Ulrike Wehrspohn, selbst viel in der Welt herumgekommen, ist sich sicher, dass krautige Bestandteile im Futter helfen können. „In Neuseeland wird das seit vielen Jahren mit Erfolg gemacht. Ich möchte wissen, ob wir das auch hinbekommen.“
Mithilfe eines Lohnunternehmers wurde ihre Fläche inzwischen bestellt. Ausgesät wurde die Mischung mit einer mechanischen Drillmaschine auf normaler Grastiefe. Ulrike ergänzt: „Wichtig für diese Mischung ist ein gutes Festwalzen nach der Saat in trockenem Boden, da feuchte Erde schmiert und die Grassaat nicht mehr genug Licht abbekommt.“
Idealerweise sollte Gerste zwischengesät werden. Sie bietet dem jungen Bestand während des Keimens Schutz. Nach dem Auflaufen sollte sie abgemulcht werden. „Die Zusammensetzung ist spannend. Die Weidelgräser liefern Energie für die Schafe, Klee bringt Sticksoff in den Boden und der Spitzwegerich hilft, den Endoparasitendruck in Boden und Schaf zu senken. Wenn das wirklich funktioniert und ich die Gabe von Wurmmittel reduzieren kann, wäre das genial. Dazu werde ich Ende des Sommers berichten.“
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