Streit um FFH-Gebiete
Extrakt einer Anhörung im Bundestag: Umweltexperten möchten beim Insektenschutz noch mehr Verbote für die Landwirtschaft, Praktiker vermissen den kooperativen Ansatz.
Sachverständige haben am Montag vergangener Woche (19. April) in einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses im Bundestag die Insektenschutzpolitik der Bundesregierung bewertet. Dabei wurde nach Angaben der Bundestagspressestelle „insbesondere das Spannungsfeld zwischen Landwirtschaft und Insektenschutz thematisiert“.
Regelungen laufen an der praxis vorbei
Klare Zustimmung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf für ein ergänztes Bundesnaturschutzgesetz äußerte der Vertreter der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Er wies allerdings darauf hin, dass der Insektenschutz in den Kommunen umgesetzt und überwacht werden müsse, wofür es ausreichend Personal brauche.
Die Sicht der Praktiker vertrat der Landwirt Georg Mayerhofer aus Niederbayern. Er sprach sich gegen mehr Gesetze und Regelungen und für gemeinsame Anstrengungen zur Umsetzung von Maßnahmen zur Biodiversität aus, da die Regelungen häufig an der Praxis vorbeiliefen.
Das Aktionsprogramm Insektenschutz der Bundesregierung setze zu sehr auf Verbote und Auflagen, kritisierte auch Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband (DBV). Erforderlich sei, alle gesellschaftlichen Gruppen einzubeziehen und nicht nur die Landwirtschaft. Als „nicht sachgerecht und nicht verhältnismäßig“ bezeichnete Pingen das Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten.
FFH-Gebiete: Kooperativer ansatz
Es sei bedauerlich, dass der Gesetzentwurf FFH-Gebiete nicht das Verbot von „Pestiziden“ einbeziehe, kritisierte Carsten Brühl vom Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. Das jetzt vorgesehene Verbot betreffe nur 0,35 Prozent der Ackerfläche und gefährde damit die Landwirtschaft nicht.
INSEKTENSCHUTZPAKET
Verbändeallianz fordert Neustart
Ein breites Bündnis aus Land- und Forstwirtschaft, vor- und nachgelagerten Unternehmen und aller Landnutzer fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestags in einem gemeinsamen Positionspapier auf, das Insektenschutzpaket eindeutig auf Kooperation zwischen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Naturschutz auszurichten. Der Schutz von Insekten und die Förderung der Biodiversität sei ein ureigenes Anliegen, heißt es darin. In der Praxis würden bereits zahlreiche Anstrengungen zur Förderung der Artenvielfalt und von Insekten unternommen.
Die geplanten Maßnahmen im Insektenschutzpaket werden nach Auffassung der unterzeichnenden Verbände dazu führen, dass Landwirte in Schutzgebieten ihre Ackerkulturen nicht mehr ausreichend vor Schädlingen und vor der Konkurrenz durch Unkräuter schützen können. Zudem werden die landwirtschaftlichen Betriebe in ihrer Wirtschaftlichkeit weiter massiv geschwächt.
Die 21 Verbände, darunter Deutscher Bauernverband (DBV), Deutscher Bauernbund (DBB) und Land schafft Verbindung (LsV), erwarten Vertrauensschutz und Rechtssicherheit. Der Zielkonflikt zwischen dem Schutz von Nützlingen und Bestäubern einerseits und der notwendigen Bekämpfung von Schädlingen zum Schutz der Kulturpflanzen und Wälder andererseits bedürfe der Abwägung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und keiner pauschalen Verbote. Außerdem sollten Kooperationen zwischen Land-, Forstwirtschaft und Naturschutz sowie freiwillige Maßnahmen Vorrang vor Verboten und Auflagen haben, was gesetzlich verankert werden sollte. AGE/RED
Die Einbeziehung der FFH-Gebiete „wäre aus Sicht der Landwirtschaft eine Katastrophe gewesen“, sagte hingegen Hubert Heilmann von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern. Den Gesetzentwurf kritisierte er, da er keinen kooperativen Ansatz verfolge und den Graben zwischen Landwirtschaft und Naturschutz vertiefe, statt ihn zuzuschütten.
langfristige verbesserungen
Der Gesetzentwurf gehe zwar erste wichtige Schritte, hieß es vom Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL). Aber die vorgesehenen Instrumente passten noch nicht. In der Umsetzung müssten Spielräume gewährt und fachlich begründete Ausnahmen ermöglicht werden. Um Gemeinwohlleistungen von Landwirten zu fördern, seien zudem attraktive Anreize nötig.
Der Insektenrückgang sei eine Tatsache, die durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt sei, erklärte Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz. Sie begrüßte den Gesetzentwurf, betonte aber, dass noch deutlich weiterreichende Schritte notwendig seien, um die Lebensbedingungen für Insekten langfristig zu verbessern. Dabei komme der noch ausstehenden Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung besondere Bedeutung zu. red