A2-Milch – was ist dran am Mythos?

© Sabine Rübensaat
Tierhaltung
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A2-Milch soll gesünder sein als gewöhnliche A1-Milch. Sie wird daher in Australien, Neuseeland oder in der Schweiz sogar teuer vermarktet, obwohl dieser Mehrwert wissenschaftlich nicht erwiesen ist.

Von Andreas Höflich, Christine Höflich und Anke Römer

Milch ist vor allem wegen des Eiweißgehaltes für die menschliche Ernährung so wertvoll. Mit der Tierzucht hat sich die größte Eiweißfraktion – das Kasein – durch eine Mutation verändert. Das beta-Kasein (circa 36 % aller Kaseine) trat früher nur in der Variante A2 auf. Durch geringfügige Veränderungen in der Aminosäurestruktur lässt sich heute auch der Typ A1 nachweisen. Während bei Büffelmilch immer noch ausschließlich beta(ß)-Kaseine des Typs A2A2 auftreten, kann die Milch von Deutsch-Holstein-Kühen sowohl die Typen A1 als auch A2 in den Kombinationen A2A2, A2A1, A1A1 enthalten. Breite Untersuchungen an Holstein-Kühen ergaben eine Verteilung von 55 % A2A2-Typ und 45 % A2A1 und A1A1-Typen.  Bei Fleckvieh ist der Anteil A2A2 etwas höher und liegt bei etwa 70 %. Dagegen ist die Verteilung bei Jersey-Kühen 50:50 % und bei Guernsey 96:4 % (van Eenennaam et al. 1991). 

A2-Milch: Studien sind nicht signifikant

Erforscht wurden die ß-Kaseine der Kuhmilch intensiv bereits in den 90er-Jahren.  Einen Hype um diese Eiweißfraktionen gab es, als die australische Firma A2-Corporation sich den Namen A2-Milch lizensieren ließ und Milch von Kühen des A2A2-Typs (genetisch determiniert) als „Gesundheitsmilch“ zu deutlich höheren Preisen vermarktete und dies bis heute tut. Hintergrund dieser Deklaration ist die Annahme, dass A1-Kaseine durch das bei der Verdauung gebildete Peptid Casomorphin-7 (BCM-7) Krankheiten wie Diabetes Typ 1, Herz-Kreislauf und neurologische Erkrankungen (unter anderem Autismus, Schizophrenie) begünstigen. Das wäre natürlich ein guter Grund, die Zucht auf A2A2-Träger auszurichten. Jedoch konnten die gesundheitlichen Beeinträchtigungen von A1-Milch bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden, somit auch nicht die Vorteile der A2-Milch. Umfangreiche Auswertungen aller bisher publizierten Studien zu dieser Thematik ergaben, dass ein Teil der Studien nicht umfangreich, andere nicht exakt genug für signifikante, belastbare Ergebnisse waren. Relevante Studien konnten keine negativen Auswirkungen auf die oben genannten Krankheiten feststellen (Kapp et al., 2017; de Gaudry et al., 2019). 


Die Autoren

Andreas Höflich
Institut für Genombiologie am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN)

Christine Höflich
Ligandis Biomarker Diagnostik

Anke Römer
Institut für Tierproduktion der LFA MV


Das Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (MRI) bestätigt, dass ein normaler Verzehr von Milch und Milchprodukten kein erhöhtes Krankheitsrisiko birgt, sondern sogar das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten, Bluthochdruck und Altersdiabetes leicht verringert. In einigen Artikeln wird von einer besseren Verträglichkeit der A2-Milch bei Laktoseintoleranz berichtet. So zum Beispiel in einem Versuch mit 600 Chinesen. Jeder trank zunächst 300 ml normale Milch (A2A1) und nach einer siebentägigen Pause 300 ml A2A2-Milch. Nach der A2-Milch gaben die meisten Probanden an, weniger Blähungen und Darmbeschwerden zu haben und weniger häufigen Stuhlgang mit besserer Konsistenz (He et al., 2017). In einer ganz aktuellen eigenen Pilotstudie wurden Effekte von BCM-7 in menschlichen Darmzellen untersucht (Ballentin, 2019). Die Effekte waren jedoch nicht verschieden von den Effekten der verwendeten Kontrollsubstanz. 

A2-Milch Nicht besonders gesundheitsfördernd 

Aufgrund der nicht bewiesenen gesundheitlichen Vorteile der A2-Milch ist die Bewerbung und Auslobung dieser Milch innerhalb der Europäischen Union (EU) untersagt. Diese Milch darf in den EU-Ländern nicht als besonders gesundheitsfördernd verkauft werden. Trotzdem verkauft sich die namentlich geschützte A2-Milch in Australien, Neuseeland, den USA und anderen nichteuropäischen Staaten sehr gut. Allein der Glaube an positive gesundheitliche Wirkungen lockert die Portemonnaies. Auch in der Schweiz ist A2-Milch seit November 2019 im Handel. Die Landwirte bekommen für die Milch ihrer reinrassigen A2A2-Kühe einen leicht höheren Preis als für Schweizer Biomilch (73 cr). 

Auf A2-Genetik umzüchten?

Regional wird auch in Deutschland Milch mit der Eiweißstruktur A2A2 höherpreisig verkauft. Im Allgäu wird beispielsweise A2-Urmilch von Rewe und Edeka zu einem Preis von 1,69 € angeboten, in Niedersachsen sollen sogar 1,99 € für einen Liter A2-Milch ausgelobt worden sein.

Falls irgendwann eine gesundheitsfördernde Wirkung der A2-Milch nachgewiesen werden kann oder unsere Molkereien mit diesem Produkt außereuropäische Märkte erschließen, wäre eine Umzüchtung auf reinrassige A2A2-Vererber sinnvoll. In Bullenkatalogen wird die jeweilige Eiweißgenetik ausgewiesen. 

Allerdings – wenn jeder A2-Milch produziert, ist sie nichts Besonderes mehr und verdient auch keinen höheren Preis. Wie oben erwähnt enthält Büffelmilch ausschließlich beta-Kasein der Variante A2. Aus diesem Grund wurde in Niedersachsen ein bestehendes Schulmilchprojekt bereits auf Büffelmilch umgestellt.

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