Einsatz von Sensorsystemen

Automatische Brunsterkennung: Auf dem Punkt?

Ein automatisches Fruchtbarkeitsmonitoring bietet noch keine 100 % Sicherheit, aber sorgt für höhere Unabhängigkeit vom Personal und trägt zur Nachvollziehbarkeit aller betrieblichen Entscheidungen bei. (c) BAYERNWATCH
Tierhaltung
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Jede übersehene Brunst kostet über 60 Euro. Kann durch die Kombination verschiedener Parameter in Sensorsystemen die automatische Brunsterkennung verbessert werden?

Von Prof. Steffen Hoy, Universität Gießen

Die größte Bedeutung beim Einsatz von Sensorsystemen hat die Brunsterkennung. Seit einiger Zeit werden neben der Messung von Aktivität und Wiederkaudauer neue Parameter mit Aussagen zum Liegeverhalten und zur Futteraufnahme angegeben. Welche Kombinationsmöglichkeiten sind geeignet, die Brunsterkennung zu verbessern?

Zwei Systeme im Check

Die Untersuchungen fanden auf dem Oberen Hardthof (OH) der Universität Gießen statt. Hier werden die Systeme HeatimeTM HR (SCR bzw. Allflex) und Bayern-Watch (Track a cow, ENGS, Rosh Pina, Israel) eingesetzt. Für den Zeitraum eines Jahres wurden folgende Parameter erfasst:


  • mit HeatimeTM HR: Wiederkauen und Aktivität und
  • mit BayernWatch: Aktivität, Aufenthaltsdauer am Futtertisch, Anzahl Besuche am Futtertisch, Liegezähler, Liegedauer und Dauer des Stehens – alle Werte pro Tag.

Liegedauer und Stehen ergeben dabei zusammen 24 Stunden. Die Brunst wurde dann registriert, wenn die Monitoringsysteme einen Alarm gegeben hatten oder wenn das Stallpersonal eine brünstige Kuh entdeckt hatte und anschließend eine künstliche Besamung erfolgte – unabhängig davon, ob diese zur Trächtigkeit geführt hatte oder nicht.

Während der Brunst ist vieles anders

Viele Parameter sind während der Brunst verändert. Für die Untersuchungen wurden 76 Brunsten ausgewertet. Es wurde für jeden Parameter der Zeitraum 4 Tage vor der Brunst, der Tag der Brunst (= Tag der Besamung) und 4 Tage nach der Brunst betrachtet. Für jeden Tag wurde der Mittelwert für jede Kenngröße grafisch dargestellt.

Alle Messgrößen zeigten einen typischen Verlauf im brunstnahen Zeitraum – entweder mit einem Anstieg oder einem Rückgang des jeweiligen Parameters. Am deutlichsten war die brunstbedingte Auslenkung bei der mit Bayern-Watch gemessenen Aktivität zu erkennen: Die Aktivität am Tag der Besamung stieg um 78,7 % gegenüber dem Vergleichszeitraum (Mittelwert der Tage 4–2 vor und 1–4 nach der Brunst) an. Sehr ähnlich war die Dynamik der mit Heatime gemessenen Aktivität – der Anstieg war mit 34,7 % lediglich nicht so hoch (Abb. 1).

Sehr deutlich reagierte auch der „Liegezähler“ auf das Eintreten einer Brunst. Die Anzahl der Abliegevorgänge erhöhte sich am Brunsttag um 48,5 %. Die jeweilige Dauer des Liegens und Stehens verhalten sich spiegelbildlich. Der brunst bedingte Anstieg bzw. Rückgang lag bei beiden Kenngrößen in einer Größenordnung von etwa 20 % (Abb. 3).

Die Aufenthaltsdauer am Futtertisch nahm am Tag der Brunst lediglich leicht um 8,0 % ab. Zugleich stieg die Zahl der Besuche am Futtertisch um 15,6 %. Die Wiederkaudauer wurde am Brunsttag um 14,1 % kürzer (Abb. 4).

Brunsterkennung durch Messung  der Aktivitätsmuster mit dem  Pedometer am Fuß einer Kuh.
Brunsterkennung durch Messung der Aktivitätsmuster mit dem Pedometer am Fuß einer Kuh. (c) BAYERNWATCH

Welche Parameter für die Brunsterkennung?

Zur Beantwortung der Frage, welche Parameter die Brunst am deutlichsten anzeigen, wurden die prozentualen Abweichungen im jeweiligen Parameter am Tag der Brunst (Tag 0) gegenüber dem Vergleichszeitraum berechnet.

Bei manchen Parametern ist dieser Wert negativ (Wiederkaudauer geht am Tag der Brunst zurück), bei anderen positiv (die Aktivität nimmt am Brunsttag zu). Je höher dieser Wert (unabhängig vom Vorzeichen) ist, umso besser lässt sich die Brunst erkennen. In Abbildung 2 wurden die Werte für die einzelnen Parameter (ohne Vorzeichen) absteigend sortiert. Die höchste Auslenkung während der Brunst zeigte die mit Bayern-Watch (B) gemessene Aktivität, gefolgt vom Liegezähler und der durch Heatime (H) erfassten Aktivität. Die geringsten Veränderungen zur Brunst wurden beim Wiederkäuen und der Aufenthaltsdauer am Futtertisch („Fressdauer“) festgestellt.

Ein zweites Merkmal zur Charakterisierung der Qualität der Brunsterkennung ist der Anteil „falscher“ Anzeigen. Damit ist gemeint: Bei der Brunst ist normalerweise die Aktivität erhöht und die Wiederkaudauer vermindert. Es gibt jedoch Kühe, die während der Brunst in diesen Parametern überhaupt nicht oder in „die falsche Richtung“ reagieren. Derartige Brunsten wurden als „falsche Anzeige“ bezeichnet und es wurde die Häufigkeit dieser Werte berechnet (Abb. 2).

Bei beiden Aktivitätsmessungen traten die geringsten Häufigkeiten „falscher Anzeigen“ auf. Der Liegezähler besaß zwar im Mittel eine deutliche Auslenkung während der Brunst, aber auch vergleichsweise viele Fehlalarme. Die höchste Fehlerquote wurde bei der „Fressdauer“ gefunden. Die Aktivitätsmessung ist somit die sicherste Methode der Brunsterkennung.

Automatische Brunsterkennung: Wie die Messgrößen kombinieren?

Die beste Kombination ist die Messung von Aktivität und Wiederkaudauer: 95,8 % der Brunsten zeigten eine Erhöhung der Aktivität und/oder eine Verringerung der Wiederkaudauer (Heatime). Eine Trefferquote in gleicher Höhe (95,7 %) ergab sich bei der Kombination von Aktivität und „Fressdauer“ (BayernWatch).

Eine 100-prozentige Sicherheit der automatischen Brunsterkennung konnte auch dann nicht erreicht werden, wenn gleichzeitig die Aktivität, Fress-/Liegedauer und Liegezähler berücksichtigt wurden. Jede 20. Brunst zeigte in keiner der vier Messgrößen eine Auslenkung. Deshalb ist die Brunstbeobachtung weiterhin unverzichtbar.

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