Fleckvieh-Hof Hansel: Heraldik und die Havel rückwärts
Ein Markenzeichen sind die imposanten Bullen vom Fleckvieh-Hof Hansel in Alt Madlitz. Doch der Familienbetrieb hat noch mehr zu bieten. Wir besuchten ihn, um hinter das Geheimnis einer Erfolgsgeschichte zu kommen.
Von Wolfgang Herklotz
Es war schon eine Sensation, die sich vor genau 20 Jahren im neu errichteten Vermarktungszentrum der RBB Rinderproduktion GmbH in Groß Kreutz ereignete. Nachdem Züchter Dr. Ulrich Hansel seinen Fleckviehbullen Hussein P im Vorführring präsentiert hatte, überschlugen sich die Angebote.
Der gut bemuskelte Vererber weckte so großes Interesse, dass der Auktionator Mühe hatte, die rasch aufeinander folgenden Gebote sofort zu erfassen. Als die Grenze von 5.000 Euro überschritten war und immer noch vereinzelte Zurufe ertönten, wurde es still in der gut gefüllten Halle. „Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten …“ Bei 5.500 Euro gab es schließlich den obligatorischen Hammerschlag, und der Auktionator verkündete, dass der Zuschlag erteilt war. Aber nicht an einen der zahlreichen Züchter aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt, sondern an eine Besamungsstation in Bayern. Diese, im Heimatland der Fleckviehzucht ansässig, wollte unbedingt den rassetypischen Bullen haben, der ausgerechnet in Brandenburg aufgezogen worden war. „Das ist so, als ob die Havel rückwärts fließt“, kommentierte seinerzeit RBB-Geschäftsführer Bernd Adler.
Bullen vom Fleckvieh-Hof Hansel international gefragt
Mit einem Lächeln quittiert Ulrich Hansel die Erinnerungen des Bauernzeitungs-Redakteurs, der damals über diese Veranstaltung berichtet hatte. „Mit solch einem Ergebnis hatten wir dann doch nicht gerechnet“, bekennt der inzwischen pensionierte Tierarzt aus Alt Madlitz bei Fürstenwalde.
Ebenso wie sein Sohn Christoph, der den Bullen führig gemacht und das Geschehen dann am Ring aufmerksam mitverfolgt hatte, hatte er keinerlei Zweifel an Husseins Qualitäten. „Die Frage ist ja nur, wie andere das einschätzen und dafür zu geben bereit sind.“ Dies allerdings ist längst geklärt, weil mittlerweile sage und schreibe 19 Bullen vom Fleckvieh-Hof Hansel an Besamungsstationen deutschlandweit verkauft wurden und auch international Furore gemacht haben. Kurioserweise findet man allerdings Hussein P nicht mehr in den Zuchtannalen. Er bekam den Namen Heraldik.
ein Markenzeichen in der Fleischrindszene
Der Betrieb aus dem kleinen märkischen Ort ist seit vielen Jahren schon ein Markenzeichen in der Fleischrindszene. Zur Erfolgsstatistik gehört beispielsweise Marian P, von 2005 bis 2007 die Nummer 1 der Gesamtliste Fleckvieh Fleisch nach RZF in Deutschland. Auf Brandenburgs Landwirtschaftsausstellung BraLa 2015 wurde der Bulle Master PS Gesamtsieger über alle Rassen. Und bei der Körung 2019 in Groß Kreutz heimste Bombala PP die Traumnoten 9/9/8 ein. Mit dem Bullen Harald PP wurde nun im letzten Jahr ein Hallas-Sohn sowie Enkel des Bullen Heraldik nach München-Grub verkauft.
Alter Schafstall als Domizil
Ihren Anfang nahm die Geschichte des Fleckvieh-Hofes Hansel im Jahre 1993. Damals begann Ulrich Hansel, stellvertretender Amtstierarzt im Altkreis Fürstenwalde, nun Oder-Spree, eine Rinderhaltung aufzubauen – zunächst als Hobby, dann im Nebenerwerb. Aber warum gerade Fleckvieh? Die Tiere hatten es dem gelernten Rinderzüchter mit Abitur sofort angetan, als er nach der Wende die Verwandtschaft in der bayerischen Oberpfalz besuchte. „Ich sah die Rinder auf der Weide stehen und fand sie faszinierend, nicht nur wegen ihrer umgänglichen Art. Diese Rasse steht ja traditionell für eine Zweinutzung, also die Gewinnung von Fleisch und Milch. Das war zu DDR-Zeiten nicht üblich“, erinnert sich der Veterinär, der damals Großanlagen mit Schwarzbunten Milchrindern betreut hatte.
Es reizte ihn, nach geeigneten Zuchttieren zu suchen und hornlose Bullen mit den sogenannten Doppelnutzungstypen anzupaaren. Für die ersten drei aus Bayern „importierten“ Rinder standen seinerzeit sechs Hektar zur Verfügung. Als Domizil diente ein alter Schafstall am Rande des Dorfes, der aber umgesetzt werden musste. Dafür sorgte ein Zimmermann, und Hansel Junior half kräftig mit.
Der damals jugendliche Christoph wurde beizeiten von Vaters Passion angesteckt, verbrachte nach der Schule viel Zeit auf dem Hof, packte zu, sooft es ging. Nach dem Abitur studierte Christoph Hansel Agrarwirtschaft an der Fachhochschule Neubrandenburg und absolvierte mehrere Praktika, so auch bei der RBB Rinderproduktion Berlin-Brandenburg, um im Jahre 2003 den Hof zu übernehmen.
das erfolgrezept für vitale, widerstandsfähige Jungtiere
Zu dem gehörte mittlerweile ein 1998 gebauter Offenfrontstall, der den Rindern viel Auslauf in den feuchtkalten Wintermonaten bietet. Von Mai bis Dezember stehen den 60 Mutterkühen mitsamt Nachzucht rund 40 Hektar stallnahe Weide zur Verfügung. Während dieser Zeit wird lediglich etwas Raufutter und Mineralstoff zugefüttert, erklärt Christoph Hansel. Verzichtet werde ebenso auf eine spezielle Kälberzufütterung während der Säugeperiode. „Die Milch ist das günstigste Kraftfutter“, ergänzt Ulrich Hansel.
Die Kälber werden zehn Monate damit versorgt, ehe die Trennung von der Mutter erfolgt. „So hat es die Natur eingerichtet, und das Resultat sind vitale, widerstandsfähige Jungtiere.“ In den Wintermonaten werden den Rindern Rationen aus besten Grundfutterkomponenten angeboten. Wichtiges Prinzip auf dem Hansel-Hof ist es, eine hohe Grundfutterqualität zu sichern. „Es zahlt sich aus, äußerst sorgfältig beim Werben von Heu und Silage vorzugehen“, betont Christoph Hansel. Denn mindere Silagequalität würde sich sofort bei den Tageszunahmen der Kälber niederschlagen. Diese betragen bei den männlichen Nachkommen (200 Tage) 1.668 g, bei den weiblichen 1.487 g.
Und auch diese Zahlen sind ein Gütemerkmal: 2021 stand für den Fleckvieh-Hof ein Erstkalbealter von 24 Monaten und eine Zwischenkalbezeit von 371 Tagen zu Buche. Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit sind auf dem Hansel-Hof deshalb untrennbar.
An die Futterqualität stellt Christoph Hansel höchste Ansprüche. Der Züchter ist gleichzeitig ein passionierter Ackerbauer, der sehr zur Freude seines Vaters alle Register zieht, um die Rinder gut zu versorgen.
Geprüfte Genetik aus Afrika und Australien
Auf den rund 370 Hektar, darunter 110 ha Grünland, wird das Futter für die Fleckviehtiere angebaut. Zudem stehen Getreide, Lupinen und Sonnenblumen auf dem Anbauplan des ebenfalls passionierten Ackerbauers Christoph Hansel. Zurzeit werden 12 verschiedene Kulturen angebaut, darunter neuere Züchtungen sowie alte erhaltenswerte Getreidearten, die wieder zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Der durch die Rinderhaltung reichlich anfallende organische Dünger wird ausgebracht, um den Boden wieder mit Nährstoffen zu versorgen und Humus aufzubauen. Synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel auszubringen, ist tabu, denn der Betrieb wurde 2014 komplett auf ökologischen Landbau umgestellt. Zwei Jahre später wurde der Fleckvieh-Hof Mitglied im Naturland-Verband. Geschlachtet werden die nicht für die Zucht geeigneten Tiere im nur wenige Kilometer entfernten Heinersdorf, um einen möglichst kurzen und stressfreien Transport zu sichern.
Im ebenfalls nahe gelegenen Gut Hirschaue wiederum gibt es eine Metzgerei, die das Fleisch aus Alt Madlitz zerlegt und nach 30-tägiger Reifezeit für die anspruchsvollen Kunden verpackt. Abnehmer sind Gastronomiebetriebe der Region, ein Teil wird direktvermarktet. Auf dem Hof wurde ein Verkaufsraum eingerichtet, wo Wurst und Fleischwaren nach Vereinbarung erworben werden können. Zugleich besteht die Möglichkeit, Steaks, Filets oder Gulasch online zu bestellen. Weitere Absatzschienen laufen über den Naturland-Verband, die Biomanufaktur Havelland und den Märkischen Wirtschaftsverbund „Fair & Regional“.
„Meine kleine Farm“: Einblicke vom Fleckvieh-Hof Hansel
Seit einiger Zeit beteiligt sich Christoph Hansel auch an der Online-Plattform „Meine kleine Farm“. Sie gibt Verbrauchern Einblicke in die Abläufe auf dem Hof und ist ein wichtiger Partner, um Produkte aus der Region zu vermarkten. „Es ist wichtiger denn je, transparent zu machen, wie wir unsere Tiere halten und nachhaltig unsere Grundnahrungsmittel produzieren.“
Dazu gehören auch, Führungen für Schulklassen. Die Mädchen und Jungen erfahren dabei nicht nur, was artgerechte Haltung bedeutet und was auf dem „Speiseplan“ der Wiederkäuer steht. Unter sachkundiger Anleitung werden beispielsweise auch Bodenproben entnommen, um deren Wasserhaltefähigkeit zu testen. Diese ist bei den meist sandigen Böden sehr gering und sorgt in Zeiten zunehmender Wetterextreme für immer größere Probleme. „Deshalb ist es gerade auf unserem Standort wichtig, ein funktionierendes Bodenleben zu fördern und viel Humus aufzubauen.“
klimaangepasste Zuchtstrategie
Vor mehr als zehn Jahren wurde bereits die zukunftsorientierte, klimaangepasste Zuchtstrategie durch den Einsatz sogenannter alternativer Genetik begründet. Hier nahm der Fleckvieh-Hof eine Vorreiterrolle ein. Gerade die Dürresommer 2018 und 2019 bestärkten die Hansels darin, bei der züchterischen Ausrichtung weiterhin auf geprüfte Fleckviehgenetik aus Namibia und Südafrika sowie Australien zu setzen.
Das von dort bezogene Sperma wird gezielt eingesetzt, um vor allem Natürlichkeit und Anpassungsfähigkeit weiterzugeben und eine extensive und nachhaltige Fleischproduktion aus Gras und Milch zu stärken. Nicht die Leistungssteigerung sollte im Fokus stehen, sondern die Verbesserung von Robustheit und Tiergesundheit, betont Ulrich Hansel. Er verweist auf einen gegen Ende vergangenen Jahres in der Bauernzeitung veröffentlichten Beitrag über eine Veranstaltung im alt-märkischen Iden. Dort hatte Prof. Hermann Swalve von der Martin-Luther-Universität Halle einen viel beachteten Vortrag über die Tierzucht gehalten. Diese müsse auf die jeweiligen Umweltbedingungen zugeschnitten sein und zugleich eine möglichst große genetische Variation sichern. „Genau darum geht es uns“, versichert Ulrich Hansel.
Wir stehen vor dem Auslauf des Stalles, wo zwischen den Mutterkühen und Jungrindern ein hart bemuskelter Bulle hin und her marschiert. Er gibt ein tiefes Brummen von sich und stampft mit den Vorderbeinen auf. Doch dann lässt sich Herold, der mehr als 1.200 kg schwere Vererber mit australischen Wurzeln, genüsslich am Kopf kraulen. „Unser tägliches Ritual“, erklärt der pensionierte Tierarzt, für den es unerlässlich ist, jeden Morgen nach der Herde zu sehen. Zum Programm des 74-Jährigen gehören die Brunstbeobachtung und die Besamung ebenso wie die Trächtigkeitsuntersuchung. Diese Arbeiten sind ihm wichtig, um den Sohn zu entlasten, der den Fleckvieh-Hof Hansel allein bewirtschaftet. „Es ist für mich auch eine Art Lebenselixier!“