Milch-Tour in Brandenburg: Futter-Effizienz und gesunde Kälber-Aufzucht
Zum vierten Mal auf Milch-Tour waren Vertreter der Rinderproduktion Berlin-Brandenburg GmbH (RBB) und des Landeskontrollverbandes (LKV). Schwerpunkte waren Futter-Effizienz, Inzucht und gesunde Kälber.
Von Fritz Fleege
Die Rinderproduktion Berlin-Brandenburg GmbH (RBB) hat kürzlich gemeinsam mit dem Landeskontrollverband (LKV) eine Milch-Tour organisiert, an der vor allem Praktiker aus der Umgebung teilnahmen. Erste Station der Tour war Wachow bei Nauen und die zweite Görlsdorf bei Luckau. An beiden Tagen wurden zunächst Vorträge zur Verbesserung der Rinderzucht gehalten, wozu man -namhafte Referenten gewinnen konnte.
Das ist sehr wichtig, weil sich die Rinderzucht im Wandel der Zeit befindet und sich stets den neuesten Erkenntnissen anpassen muss. Schwerpunkte der diesjährigen Vorträge waren Futtereffizienz, Inzuchtsituation und gesunde Kälberaufzucht.
Futter-Effizienz berechnen: Mehr Milch aus dem Futter
Im 1. Vortrag berichtete Dr. Christin Schmidtmann vom VIT Verden (Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung) aus Niedersachsen über den neuen Zuchtwert RZFutter-Effizienz. Schließlich kommt es in den Betrieben vor allem darauf an, mehr Milch aus dem Futter zu machen, es also effizient zu verwerten. Es geht somit um das Verhältnis von Futteraufwand zu Einkommensertrag aus der Milch.
Rechnerisch ist das ein Quotient, wobei die beteiligten Komponenten unterschiedliche Skalen haben, was sich so bisher in keinem Zuchtwert widerspiegeln ließ. Die Futtereffizienz sollte sich auf das gesamte Leben einer Kuh beziehen, also wie viel sie an Futter (TMR) aufgenommen, Milch (ECM) gegeben bzw. an Gewicht (BWC) zugenommen hat. Für hochleistende Holsteinkühe kann man mit folgenden Basiswerten rechnen:
- 1 kg TS TMR entspricht 7 MJ NEL
- 1 kg ECM benötigt 0,4 kg TS
- 1 kg Körperzuwachs = 5,5 kg TM
Unterschiedliche Kombinationen von ECM und Zuwachs (Output-Merkmale) und/oder Futteraufwand können zu gleichem Ergebnis für Futter-Effizienz führen. Futter-Effizienz ist vom Prinzip her unabhängig von der Leistungshöhe. So sind vom gleichen Tier zum gleichen Zeitraum (möglichst erste, zweite und dritte Laktation) Futteraufnahme, Milchleistung und Körpergewicht zu ermitteln. Dies erfordert einen sehr großen Aufwand und lässt sich nur von einem kleinen Anteil an Tieren ermitteln. Deshalb ist dafür ein gemeinsamer Datenpool aus sechs führenden Ländern der Holsteinzucht vorgesehen.
Futter-Effizienz: Selektion lohnt sich
Dabei zeigte sich, dass Top-Bullen im Rinderzuchtwert RZG (gesamt) die ganze Bandbreite von deutlich negativen bis positiven Bullen im Rinderzuchtwert Futtereffizienz ausmachten. Es lohnt sich also, auch eine Selektion der Futter-Effizienz unter den Top-RZG-Bullen vorzunehmen. Schließlich ist sie für die Ökonomie in der Haltung von Holsteinkühen sehr wichtig. Genetisch ist sie weitgehend unabhängig von den bisherigen wichtigen Zuchtziel-Merkmalen. Der Rinderzuchtwert Futtereffizienz (RZFE) soll demnächst offiziell eingeführt werden.
Die Holsteinzucht in Brandenburg ist in den vergangenen Jahrzehnten hervorragend vorangekommen. Dank konsequenter Anpaarungsstrategien ist die Leistung je Kuh und Jahr auf etwa 10.000 Kilogramm Milch mit 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß gestiegen. Als ein Problem in der Zucht wird aber oftmals die Inzuchtdepression und damit die Verminderung der Fitness sowie an genetischer Varianz angesehen. Da konnte Dr. Matthias Simon vom RBB in seinem Vortrag die Gemüter beruhigen.
Paarung: Junge Inzucht möglichst vermeiden
Inzucht bedeutet allgemein die Verpaarung miteinander Verwandter Individuen. Deren Nachkommen haben also mindestens einen gemeinsamen Vorfahren, der sowohl auf der mütterlichen als auch auf der väterlichen Seite vorkommt. Inzucht führt zu einer Verringerung der Heterozygotie und zu einer Zunahme der Homozygotie.
Bei Großneffe mal Großnichte macht das allerdings nur 3,125 % aus. In Brandenburg liegt die Inzuchtquote unter 5 % und damit niedriger als in führenden Zuchtländern. Der Anstieg der Inzuchtquote sollte je Generation weniger als 1 % betragen bzw. je Jahr unter 0,25 % liegen.
Eine Inzucht-Depression besteht, wenn ein ingezogenes Tier nicht die Leistung erbringt, die aufgrund seines Zuchtwertes zu erwarten ist. Das wird vor allem für Fruchtbarkeits- und Gesundheitswerte unterstellt. Ein Zuchtfortschritt ohne Inzuchtsteigerung ist nicht möglich. Höchste Leistungen in Brandenburg bringen Holsteinkühe mit einer Inzuchtquote von 4–8 %. Mögliche negative Folgen der in der Holsteinzucht gegebenen Inzuchtwerte werden meist völlig überschätzt, auch im Verhältnis zum allgemeinen Zuchtfortschritt.
Der Inzucht-Anstieg in der Population sollte von den Verantwortlichen für das Zuchtprogramm unter Kontrolle gehalten werden. In Brandenburg ist man gut aufgestellt, sollte aber möglichst sogenannte junge Inzucht, also gleiche Vorfahren bis zur dritten oder vierten Generation vermeiden. Daher ist bei der Anpaarung besonders auf die Spermaauswahl zu achten.
Gesunde Kälber-Aufzucht zahlt sich aus
Wie wichtig eine gesunde Kälberaufzucht ist, darüber informierte Prof. Dr. Martin Kaske aus der Schweiz. Schließlich sind die Kälber die Kühe von morgen. So wirkt sich schon die Tränkeintensität in den ersten Lebenswochen auf die spätere Milchleistung und auf die Nutzungsdauer der Kühe aus. Daher sind ältere Aufzuchtkonzepte zu revidieren. Heute gilt die Schaffung optimaler Bedingungen, Vermeidung von Krankheiten und intensives Tränken. Vieles spricht auch für eine längere Laktationsdauer der Kühe, um weniger Abkalbungen und damit Kälber zu haben. So ist eine freiwillige Wartezeit zur Besamung bis zu 180 Tagen bei Hochleistungskühen durchaus möglich.
Laktationsdauer tierindividuell festlegen
Der Aufwand für eine Trächtigkeit sinkt dadurch drastisch. Deshalb sollte man Fruchtbarkeitskennzahlen künftig auf die produzierte Milchmenge beziehen und nicht auf das erzeugte Kalb. Die Verlängerung der freiwilligen Wartezeit ist allerdings nur sinnvoll für Betriebe mit hoher Leistung und einem herausragenden Management. Im Idealfall sollte die Laktationsdauer tierindividuell festgelegt werden. Die Verlängerung der Laktation ist insbesondere für hochleistende Erstkalbinnen sinnvoll. Allgemein kann es eine Maßnahme sein, um tierschutzrelevante Probleme im Zusammenhang mit zu vielen Kälbern zu vermeiden.
Um die wenigeren Kälber muss man sich dann aber intensiv kümmern, denn was man vorn versäumt, kann man hinten nicht aufholen. So bewirkt eine intensive Fütterung mit Milch mehr Wachstum und Gesundheit. Auch Euterentwicklung, Erstkalbealter und Milchleistung werden positiv beeinflusst. Deshalb sollte man ältere Aufzuchtkonzepte revidieren, also optimale Bedingungen schaffen, Erkrankungen vermeiden und intensiv tränken. Die Aufzuchtperiode ist von zentraler Bedeutung für die spätere Leistungsfähigkeit der Milchkuh.
Kälbergesundheit – Was noch wichtig ist
Wichtig für die Kälberaufzucht sind ein guter Immunstatus, gute Ernährung, viel Platz, ausreichend Luft und Licht sowie eine gute Betreuung. In den meisten Betrieben weiß man allerdings von den Kälbern nur wenig. Deshalb sollten sie nach der Geburt und am Tag des Abtränkens gewogen werden. Schließlich sollen sie während der Tränkeperiode mindestens 750 Gramm je Tag zunehmen. Auch Betriebsblindheit kann Ursache für unzureichende Aufzuchtergebnisse sein. So werden Probleme oft nicht erkannt, unterschätzt und auch ignoriert. Deshalb sollte man stets Umschau bei den Besten seiner Branche suchen, Vergleiche mit den eigenen Ergebnissen ziehen und Schwachstellen abstellen.
Nach den Vorträgen hatten die Teilnehmer der Milch-Tour die Möglichkeit, sowohl die Genossenschaft Wachower Landwirte als auch das Milchgut Görlsdorf zu besuchen und sich einen Praxisüberblick zu verschaffen. Beide Milchviehbetriebe zeichnen sich durch gute Haltungsbedingungen, hohe Leistungen und gute Arbeitsorganisation aus. Schließlich verfügen sie über Melkkarussells mit viel Automatik.
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