Rationen für Milchkühe: Füttern, nicht heizen!

Bei Hitze fangen Milchkühe an, Grobfutter zu selektieren (c) Sabine Rübensaat

Kühe gibt es auf der ganzen Welt: sogar in der Wüste oder in Nord-Skandinavien. Hitze und Kälte scheinen sie nicht zu stören. Doch auch Rinder regulieren ihren Wärmehaushalt. Bei den Rationen für Milchkühe ist einiges zu beachten.

Von Prof. Olaf Steinhöfel und Dr. Tobias Gorniak

Rinder fühlen sich in einem Temperaturbereich von -15 bis 15 °C am wohlsten. Bei lang anhaltenden Wärmeperioden von über 25 °C gelingt es den Kühen immer weniger, die überschüssige Wärme über die Haut abzustrahlen. Die Wärme muss zunehmend über Verdunstung durch Schwitzen und Atmen abgegeben werden. Das Problem ist: Wiederkäuer sind per se schlechte Futterverwerter und produzieren, insbesondere bei steigenden Fasergehalten im Futter, durch ihre Stoffumsetzungen in den Vormägen viel Wärme.

Optimale Bedingungen in der Haltung schaffen

Die wichtigsten Einflussfaktoren sind neben der Temperatur die Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung und Wind, wobei Temperatur und Feuchte bei Stallhaltung die wichtigsten sind. Von Bedeutung ist, dass kritische Temperaturen nicht konstant sind, sondern sich situationsbedingt ändern können. So sind Tiere zum Beispiel in Abhängigkeit von Leistung, Genetik und Alter unterschiedlich empfindlich. Insbesondere ist bei der Betrachtung von Hitzestress zu berücksichtigen, dass für die unterschiedlichen Klimazonen unterschiedliche Grenzwerte für Hitzestress gelten.

So wurden in amerikanischen Publikationen Temperatur-Luftfeuchte-Indizes über 72 (25 °C bei 55 % relativer Luftfeuchte) als moderater Hitzestress beschrieben. Jüngere Untersuchungen aus Deutschland zeigen jedoch, dass Hitzestress schon bei Temperatur-Luftfeuchte-Indizes von 60 (16 °C bei 55 % relativer Luftfeuchte) einsetzt und mit einem Rückgang von Futteraufnahme und Milchleistung zu rechnen ist. Die Übertragbarkeit von Daten aus internationalen Publikationen ist also nicht immer ohne Weiteres gegeben und alleine die klimatischen Verhältnisse sagen noch nichts über Hitzestress aus. Es ist immer die Reaktion des Tieres zu berücksichtigen. Folgende Anzeichen können auf Hitzestress zurückzuführen sein:

  • reduzierte Bewegungsaktivität und weniger Futtertischbesuche,
  • reduzierte Futteraufnahme (4-6 kg TM),
  • Verschlechterung der Kotkonsistenz (unter anderem durch verrin- gerte Faseraufnahme)
  • deutlich erhöhte Wasseraufnahme (+ 5 l/kg TM Futter bei > 25 °C beziehungsweise + 3-5 l / °C)
  • Rückgang der Milchleistung (minus 3-4 kg) und Milchinhaltsstoffen (circa minus 0,5 %-Punkte),
  • vermehrtes Stehen (Stehen : Liegen = 2 : 1)
  • Anstieg der Körpertemperatur (rektal > 39 °C),
  • vermehrte Maulatmung und erhöhte Atemfrequenz (von 30 auf 80/min)
  • deutlich verringerte Brunstintensität (häufig nur in den Abendstunden, unter Umständen azyklisch bis in den Herbst),
  • vermehrt Geburtsprobleme (mehr Totgeburten, geringere Ge- burtsgewichte, häufigerer embryonaler Frühtod),
  • schlechtere Kolostrumqualität,
  • Schwächung des Immunsystem,
  • Anstieg der Zellzahl der Milch.

Strukturfutter ausbremsen

Die Verdauung faserreicher Futtermittel setzt mehr Wärme frei als die Verdauung von Kraftfutter. So reduzieren die Tiere (sofern sie die Möglichkeit haben) gezielt die Grobfutteraufnahme. Wenn keine Selektion möglich ist, wird die Gesamtfutteraufnahme gedrosselt. Strukturfutter sollte in TMR-Mischungen dehalb restriktiv verwendet werden. Die Fütterung gleicht dann eher einer Ansatzfütterung (Mastration) als der üblichen Umsatzfütterung (Milchration). Gerade im Sommer sollte nur bestes rohfaserarmes Grobfutter eingesetzt werden.

Es müssen überwiegend Grobfuttermittel gefüttert werden, welche nicht mehr als 40 % Wärmeverluste provozieren. Dies kann durch die Differenz von Umsetzbarer Energie (MJ ME) und Netto-Energie-Laktation (MJ NEL) grob überschlagen werden. Auf faserreiches Heu oder Stroh sollte man möglichst verzichten.

Es muss zielgerichtet an die untere Grenze von 350-400 g strukturwirksame Rohfaser je 100 kg Körpermasse herangefüttert und gegebenenfalls mit Pansenpuffersubstanzen unterstützt werden. Zur Unterstützung der Strukturwirksamkeit können pektinreiche Futtermittel wie Rüben und deren Produkte eingesetzt werden.

Bei Hitzestress ist oft auch mit metabolischer Acidose zu rechnen. Dies ist einerseits durch die Depression der Strukturaufnahme und das falsche Gegensteuern mit Kraftfutter bei Milchleistungsabfall und andererseits durch verstärkten Verlust an Puffersubstanzen wie Natriumbicarbonat über Schweiß und Harn begründet. Zu beachten ist auch, dass die Acido- segefahr nach Beendigung einer Hitzeperiode nicht vorbei ist. Oft steigen die Futteraufnahme und damit die Säurebildung in den Vormägen bei sinkenden Temperaturen sprunghaft an.

Hier ist eine Übergangsfütterung zur Adaptation an die veränderte Aktivität des Pansenstoffwechsels angebracht. Insbespondere bei Transponder- und/oder Melkstandfütterung muss die Kraftfuttermenge gezielt verringert werden, da die Aufnahme der faserhaltigen Futtermittel sinkt und die des Kraftfutters meist nicht. Bei TMR-Fütterung ist daher dafür zu sorgen, dass die Futterselektion minimiert wird. Jeder Bissen muss unter Beachtung der Grundfutterqualität ausreichend strukturwirksame Faser enthalten. Hier kann man die TMR durchaus etwas stärker Vermusen (Kompakt-TMR) und den Wassergehalt der Ration erhöhen (bis 40 % der TM).

Rationen für Milchkühe: Mehr in den Darm füttern

Die Kenntnis über die Wirkung von Einzelfuttermitteln ist zur Hohen Schule der Milchkuhfütterung geworden. In Hitzeperioden sollte der Pansen, entgegen der sonstigen Forderung, eher unterfordert werden.

Das heißt, der Anteil an Durchflussnährstoffen (pansengeschützte Fette (300-500 g/Tier/ Tag), geschützte Proteinkonzentrate, Körnermais statt Getreidestärke (bis zu 1,2 kg beständige Stärke je Tier und Tag) sollte er- höht werden, um die wärmeproduzierende Mikrobentätigkeit in den Vormägen zu begrenzen. Der Einsatz von Eiweißfuttermitteln mit einem hohen Anteil an Durchflussprotein entlastet zusätzlich die Leber, da weniger Ammoniak anflutet.

Da Fette die höchste Energiedichte aller Futtermittel besitzen, – 1 kg liefert durchschnittlich 19-26 MJ NEL – ist es für die energetische Aufwertung von Futterrationen für Hochleistungskühe besonders interessant. Zudem reduziert der Einsatz pansengeschützter Fette nicht nur die Fermentationswärme. Auch die Wärmeverluste im Stoffwechsel sind bei Fett deutlich geringer, als bei Kohlenhydraten. Da ungeschützte Fette ab circa 800 g je Kuh und Tag zu Fermentationsstörungen in den Vormägen führen, sollten geschützte Fette eingesetzt werden.

Bei der Gabe von geschütztem Fett kann die Gesamtfettaufnahme auf bis 1.600 g (davon 50 % geschützt) gesteigert werden. Diese Grenze sollte jedoch in der Sommerfütterung nicht pragmatisch ausgereizt werden. Die Futteraufnahme muss besonders beobachtet werden, da die Futteraufnahmeregulation beim Milchrind stark lipostatisch gesteuert wird. Das heißt, der Spiegel freier Fettsäure im Blut spielt eine wichtige Rolle bei der Begrenzung der Futteraufnahme und eine Überdosierung von Fett kann hier kontraproduktiv wirken. In der Praxis haben sich Gaben von 1,5-2 % pansengeschützter Fette in der Trockenbsubstanz oder 300-500 g pro Tier und Tag als sicher bewährt.

Im Hinblick auf die Konditionierung der Tiere ist zu berücksichtigen, dass der überwiegende Teil der Fettsäuren im Blut zwar aus dem Pansenstoffwechsel stammt, überkonditionierte Kühe und Kühe, die aufgrund der einschränkten Futteraufnahme Körperfettreserven einschmelzen, aber immer einen höheren Blutfettsäurespiegel haben und daher weniger fressen. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, erstens alle Maßnahmen zu ergreifen, die eine ausreichende Futteraufnahme sicherstellen, und zweitens Kühe optimal konditioniert in den Sommer zu schicken.

Neben der Entlastung des Pansens ist auch das (Fütterungs-) Management an die Hitzestresssituation anzupassen. Vielfältig zusammengesetzte Rationen werden oft besser gefressen als Monodiäten. Neben der Überlagerung von sensorischen Mängeln sind insbesondere die futtermittelspezifisch unterschiedlichen Abbaugeschwindigkeiten der Nährstoffe in den Vormägen dafür verantwortlich. Die Gesamtration sollte nicht mehr als 50 % TM haben.

Eine Wasserzugabe zur Futtermischung ist grundsätzlich möglich. Es ist aber zu berücksichtigen, dass dies „leeres“ Wasser ist, welches nicht mit dem Zellsaft der pflanzlichen Futtermittel gleichzusetzen ist. Insbesondere die geringen Säuremengen, welche in trocknen Silagen vorhanden sind, reichen nicht aus, um den pH-Wert im sauren Bereich zu halten. Die Futteraufnahme und die aerobe Stabilität der Futtermischung sinken. Nacherwärmte Silagen beziehungsweise Futtermischungen sindgrundsätzlichzuvermeiden, da sie schlecht gefressen werden und die Wärmeregulation der Kuh weiter belasten.

Außerdem ist bei der Zubrereitung der TMR auf hohe Misch- und Verteilgenauigkeit zu achten, da die Tiere, wie bereits erwähnt, selektieren, um die Grobfutteraufnahme zu reduzieren.

Wichtig für die Futtervorlage: In den Sommermonaten nimmt die Milchkuh bis zu zwei Drittel des Futters in den Nachtstunden auf. Um dies zu berücksichtigen, dürfen insbesondere in den Abend- und Nachtstunden die Futtertröge niemals leer sein. Die Bereitstellung frischer Silage beziehungsweise TMR ohne Zwischenlagerung aus dem Silo, die Restfutterbeseitigung und die Trogreinigung sollen daher am Abend erfolgen. Dies ist auch schon deshalb sinnvoll, da die aeroben Veränderungen in der Futterkrippe am Tag deutlich höher sind als in den kühleren Nachtstunden.

Generell ist es bei Futter-Rationen für Milchkühe notwendig, in den Sommermonaten häufiger zu füttern. Dabei sollte abends mehr vorgelegt werden als morgens. Auf keinen Fall sollte Futter zwischengelagert werden. Außerdem sollte häufiger Futter rangeschoben werden (möglichst auch nachts), um die Kühe zum Fressen zu animieren. Schließlich ist das richtige Silomanagement wichtig, um den Vorschub an das Silo anzupassen. Reichen im Winter 1,5 m/Woche, sollten im Sommer 2,5 m/Woche angestrebt werden. Darüber hinaus empfiehlt es sich speziell in den Sommermonaten, sofern möglich, die Silos an der Nordseite zu öffnen.

Rationen für Milchkühe: Mineralstoffverluste ausgleichen

Nicht zuletzt gehören zur Fütterung auch Wasser und Mineralstoffe. Bereits bei Temperaturen um die 25 °C werden 1,5 l Wasser je Stunde ausgeschwitzt. Dies führt zwangsläufig auch zu einem verstärkten Mineralstoffverlust. Zudem sollte Mineralfutter mit höheren Gehalten an Vitamin E und Selen eingesetzt werden, um den erhöhten Bedarf an Antioxidantien zur Vermeidung von oxidativem Stress Rechnung zu tragen.

Der um etwa 15 % erhöhte Bedarf an Natrium kann durch Viehsalz gedeckt werden. Durch den erhöhten Wasserbedarf (5 l/kg TM) empfiehlt es sich, zusätzliche Tränken bereitzustellen beziehungsweise die verfügbare Tränkefläche zu vergrößern, sowie die Tränken häufiger zu kontrollieren und zu reinigen.


FAZIT: Um Milchkühen mit höheren Leistungen den Sommer angenehmer zu gestalten, ist neben der Wasser- und Mineralstoffversorgung das Zusammenspiel von optimierter Haltung, Rationsoptimierung und Futterangebot wichtig. Man muss stärker in den Grenzbereich der Wiederkäuerfütterung gehen und mehr als gewohnt die Darmfütterung in den Mittelpunkt stellen. Durch mehr stabile Fette, beständige Stärke und Protein sowie hochverwertbare Mineralstoffergänzungen wird die Rationsoptimierung nicht nur anspruchsvoller sondern auch erfolgreicher. Die Milchkühe sollten parallel zu den steigenden Temperaturen an das Futter angepasst und der Fütterungserfolg in Phasen der grenzwertigen Versorgung stetig kontrolliert werden.