Anderen Getreidearten überlegen

Gute Gründe für Roggen im Trog

Roggen im Trog - anderen Getreidearten überlegen. ©Sabine Rübensaat
Futter
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Vor allem für Mastschweine ist dieses Getreide interessant. Anderen Futtermitteln oft ernährungsphysiologisch überlegen, ist es auch billiger. Mutterkorn sorgt mitunter für Bedenken. 

Von Johannes Hilgers (Sonsbeck) und Prof. Uwe Hühn (Wölfershausen) 

Roggen ist wichtig für die  Fütterung. In den typischen Anbaugebieten wird er an fast alle Tierarten verfüttert. Teilweise mit hohen Rationsanteilen. In der Schweinemast führt die Getreideart zu gleichen Leistungen wie etabliertere Rationskomponenten, beispielsweise Futterweizen. Das bestätigen zahlreiche wissenschaftlich begleitete Praxisversuche der vergangenen Jahrzehnte.

In der Endmast der Schweine ist ein Roggenanteil von bis zu 70 % möglich. Richtwert-Tabellen geben aber auch niedrigere Höchstmengen (maximale Anteile) von Roggen in Futtermischungen an  (Tabelle 1).

Betriebswirtschaftlich interessant  

Roggen konnte in den letzten sechs Jahren in der Schweinefütterung auch betriebswirtschaftlich punkten. Diese Getreideart ist – je nach Sojapreis –  0,50 bis 1 € günstiger als Futterweizen. In Preisbetrachtungen der Agrarmarkt Informations-GmbH (AMI) konnten fast immer Futterkosten durch den Roggeneinsatz eingespart werden. In betriebswirtschaftlichen Berechnungen von dänischen und deutschen Schweineproduzenten wurden die Kostenvorteile durch den Roggeneinsatz auf den Mastbetrieben mit circa 1,30 €/Tier angegeben.  

Anderen Getreidearten überlegen 

Aufgrund von vielen positiven Effekten kann sich Roggen gegenüber anderen Getreidearten als überlegen erweisen. Dazu gehört: 

  • Entzündungen im Darm werden reduziert und die Vermehrung von Salmonellen gehemmt. Das geschieht durch Buttersäure. Denn Roggen besitzt einen höhere Gehalt an Nicht-Stärke-Polysacchariden (Ballaststoffe), denen auch die Fruktane und Arabinoxylane zugeordnet werden können. Das Schwein besitzt für diese Kohlenhydrate keine besonderen Enzyme, sodass sie nahezu unverdaut in den Dickdarm gelangen, wo Bakterien sie insbesondere zu Buttersäure (Butyrat) fermentieren (Tabelle 2). Letzteres ist für die Ernährung der Darmschleimhaut von Bedeutung und fördert zugleich die Ausreifung beziehungsweise Differenzierung der Darmzellen.  
  • Roggen in den Mastrationen kann die Skatol- und Ebergeruchsbildung mindern. Er ist somit eine preiswerte Alternative zu Futterzusätzen, die beispielsweise Inulin beinhalten. In Form von fermentierten  

Kohlenhydraten stellt Roggen zum Beispiel Polyfruktane und Arabinoxylane zur Verfügung, die den Bakterien als leicht verfügbare Energiequellen dienen. Dadurch werden die Bakterien davon abgehalten, die Aminosäure L-Tryptophan zum Zwecke der Energiegewinnung abzubauen, wobei Skatol – eine unerwünschte Komponente des Ebergeruches – entsteht. Überdies forciert Butyrat eine verringerte Apoptoserate, wodurch eine reduzierte Menge an Tryptophan für mikrobielle Stoffwechselprodukte anfällt. 

  • Roggen zeichnet sich durch eine sehr gute Phosphorverdaulichkeit aus. Er verfügt über eine höhere korneigene Phytaseaktivität gegenüber anderen Getreidearten. Wird Roggen den Schweinen in fermentierter Form verabreicht, so ist die Phosphorverdaulichkeit annähernd so hoch wie bei mineralischem Phosphor. 
  • Roggen ist gut für die Ebermast. Aufgrund der Produktion von Buttersäure wirkt er beruhigend und fördert das Wohlbefinden der Tiere. Denn neben der lokalen Wirkung im Dickdarm weist Butyrat auch systemische (zentrale) Effekte auf, wenn die kurzkettigen Fettsäuren im Dickdarm absorbiert werden und in den Blutkreislauf gelangen.  

Im jüngsten Jahresbericht des Rheinischen Erzeugerringes für Mastschweine e.V. wurde über eine seit 2017 laufende Feldstudie berichtet, die noch bis zum Sommer 2019 läuft. Sie soll Aufschlüsse darüber liefern, inwieweit Roggen das Potenzial für eine nachhaltige, gesunde und regionale Schweinefütterung unter besonderer Berücksichtigung des Tierwohles bietet. Daran beteiligt sind insgesamt 18 Betriebe, von denen auch neun unkastrierte Eber mästen. Voraussetzungen für die Teilnahme an der Studie waren mindestens 300 vorhandene Mastplätze, die Erzielung täglicher Zunahmen von mindestens 800 g sowie eine betriebsinterne Dokumentation auf QS-Standard. Bezüglich des Fütterungskonzeptes waren als zusätzliche Kriterien zu erfüllen:

  • Das Futter muss grob vermahlen werden, sodass nicht mehr als 20 % der Partikel kleiner als 0,25 mm ausfallen.
  • In der Vormast (Tiergewicht von 28–60 kg) soll der Roggenanteil in der Ration 20 % und in der Mittelmast (60–80 kg Tiergewicht) 25 % betragen.
  • 40 % Roggenanteil in der Endmast (über 80 kg) bei gleichzeitiger Einhaltung eines Verhältnisses von 0,75 g Brutto-Lysin je MJ umsetzbare Energie (ME).  

Befall mit Salmonellen verringert sich 

Die zu Jahresbeginn 2019 erzielten Zwischenergebnisse der Feldstudie ergaben in den roggenbasierten Mischungen in der Endmast einen Fruktangehalt von  

6,5 %. In der Testphase wurden tägliche Zunahmen von 917 g erreicht bei einer Futterverwertung von 1:2,72 bei den Ebern. Die Tierverluste konnten währenddessen im Vergleich zur Vorlaufphase halbiert werden. Der Anteil positiver Salmonellenbefunde verringerte sich über einen Zeitraum vom  

1.1. bis zum 1.10.2017 bei elf von 16 beteiligten Mastbetrieben um 35 % in dieser Testphase. Auch das Auftreten von Ebergeruch wurde bei acht von neun Betrieben auf 0 % gesenkt. Weitere Ergebnisse werden nach Abschluss der Studie noch in diesem Jahr erwartet. 

Weitere voraussichtlich interessante Ergebnisse lässt das 6-R-Projekt erwarten, welches am 18. Juli 2018 in Berlin vorgestellt wurde. Dabei steht „6-R“ für den Projekttitel „Regionale Renaissance von Roggen und Raps zur Reduktion von Problemen in Pflanzenbau und Tierproduktion durch Reevaluation der Inhaltsstoffe und deren gezielte Nutzung zur Förderung des Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzes.“  

Auch in diesem Projekt spielt der Roggen eine zentrale Rolle. Dies liegt begründet in seiner hohen Resistenz gegenüber verschiedenen Pflanzenkrankheiten, in der guten Stoffeffizienz und Toleranz gegenüber trockenen Sommern. Darüber hinaus sind aufgrund der Bildung von Butyrat lokale und systemische Effekte im Tierkörper zu erwarten. 

Mutterkorn als begrenzender Faktor? 

Eine mögliche Mutterkornbelastung ist jedoch ein entscheidender Faktoren für oder gegen Roggen in der Schweinefütterung (Kasten). Das ergaben Meinungsumfragen. Doch ist es wirklich so gefährlich? Fakt ist, dass Schweine gegenüber Rindern und Pferden weniger empfindlich für eine Mutterkornvergiftung sind. Trotzdem darf mutterkornhaltiges Getreide – auch nicht in geringen Konzentrationen – auf keinen Fall an tragende und säugende Sauen verfüttert werden. Bereits der futtermittelrechtlich zulässige Gehalt von 0,1 % ist für diese  Tiere gefährlich. Sollte es dennoch dazu kommen, reagieren sie mit Milchlosigkeit (Agalaktie der Sauen), reduzierter Futteraufnahme und -verwertung (bereits ab Mutterkornmengen von 0,1 bis 0,9 % der Ration) sowie Gewichtsverlust.Die Toxine beeinträchtigen bei graviden Sauen die Bildung des Trächtigkeitshormons Progesteron. Entsprechende klinische Anzeichen wurden schon bei Mutterkorngehalten ab 0,1 % der Ration beobachtet. Sie können auch mit vermehrten Aborten einhergehen (Bauernzeitung 36/2018, S. 55–57: „Herbst-Fehlgeburten vorbeugen“).

Ebenso sind Symptome des SMEDI-Syndroms (Totgeburten, Embryonaltod, Unfruchtbarkeit) möglich. Muttertiere, die während des Puerperiums von Ergotalkaloiden geschädigt werden, weisen häufiger eine Endometritis (Anzeichen: Ausfluss, Fieber) und nachfolgend vermehrtes Umrauschen auf. Dagegen können Mastschweine in jedem Alter befallenes Getreide unbedenklich verwerten. Erfreulicherweise arbeiten die Roggenzüchter mit Hochdruck an weniger anfälligen und dabei trotzdem leistungsfähigen Sorten.  Neue Hybridsorten sollen deutlich weniger anfällig gegenüber Mutterkorn seien. 

Pflanzenbauliche Aspekte

Roggen ist eine unbespelzte Getreideart und gehört zur Familie der Gräser. In der DDR war es die Hauptgetreideart. Im Weltgetreideanbau steht Secale cereale, wie der lateinische Name lautet, allerdings an letzter Stelle. In Deutschland baute  man zwischen 2011 und 2016 durchschnittlich 654.000 ha an.  Das sind elf Prozent der gesamten Getreideanbaufläche.  

Wie mit Futtermangel umgehen?

Hauptanbaugebiete in Deutschland sind Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Roggen ist auf leichten Böden und in Lagen mit strengen Wintern und Vorsommertrockenheit wegen seiner geringen Ansprüche nicht zu ersetzen. Es ist die Getreideart mit den geringsten Wärmeansprüchen. Selbstverträglich gilt er auch als gute Vorfrucht, da er das Feld früh räumt. Die früher üblichen Populationssorten wurden fast völlig durch leistungsfähigere Hybridsorten verdrängt. Wegen des möglichen Auftretens von Mutterkorn und eventueller Befruchtungsprobleme werden in der Praxis den Hybriden in geringem Anteil Populationssorten beigemischt.  

Roggen ist robust gegenüber Krankheiten wie Rost und Mehltau. Er hat ein ausgeprägtes Wurzelsystem, welches zu einer guten Anpassungsfähigkeit und Toleranz gegenüber Trockenheit führt. Zudem zeichnet den Roggen ein sehr hohes Ertragspotenzial aus. Unter Umständen sind die Erträge  sogar höher als die von Weizen. Und das, obwohl der Wasserverbrauch je Kilogramm Erntegut um rund 25 % niedriger liegt als beim Weizen, wie die Landessortenversuche 2011–2017 in Nordrhein-Westfalen zeigten. Des Weiteren hat Roggen eine hohe Stickstoff- und Phosphor-Nutzungseffizienz. Das Korn braucht pro 100 kg Ertrag etwa ein halbes Kilo weniger Stickstoff als Weizen, was den Roggenanbauern auch die Einhaltung der novellierten Düngeverordnung erleichtert. 

FAZIT

Roggen ist eine hochwertige und kostengünstige Futterkomponente. Aufgrund der Züchtungserfolge für Ertragsfortschritt, Pflanzengesundheit und Trockentoleranz ist er eine immens attraktive Getreideart – vornehmlich für die Endmast der Schweine. Insbesondere für diejenigen Landwirte, die auf eigener Fläche Getreide veredeln, erschließt Roggen durch seine robuste Anbauweise weiteres Einsparpotenzial für die Erzeuger.