Kälberhaltung – vom Offenfrontstall über Großraumhütten werden gute Konzepte angeboten. (c) Werkbild

Haltungssysteme Kälberaufzucht: Atemwegserkrankungen vermeiden

Das Stallklima ist für die Vermeidung von Atemwegserkrankungen von großer Bedeutung. Wir erläutern Vor- und Nachteile der Haltungssysteme für die Kälberaufzucht bis zu einem Alter von vier Monaten.

Von Dr. Hans Peter Heckert, Oberarzt a. D. an der Klinik für Klauentiere der FU Berlin

Die Fachartikelreihe zum Thema Atemwegserkrankungen ging mit Teil sieben auf die Haltungssysteme während der Kolostralphase, also auf die Bedingungen der bis etwa drei Wochen alten Kälber ein. Die in diesem Beitrag der Bauernzeitung 16/2023, S. 38 besprochenen Grundsätze zur Physiologie der Kälber, die zunächst aufgrund der mangelnden Pansentätigkeit sehr wenig Wärme entwickeln sowie die Eckdaten zu den Parametern für die Bewertung des Stallklimas gelten auch für die Altersgruppe bis vier Monate.

Im folgenden Beitrag werden die Vor- und Nachteile von Haltungssystemen vorgestellt. Aufgrund der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (Kälberhaltungsverordnung) dürfen Kälber nach der Geburt je nach Kälberboxengröße nur eine begrenzte Zeit einzeln gehalten werden, jedoch maximal acht Wochen.

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Haltungssysteme Kälberaufzucht: Gruppenzwang

Die meisten Betriebe setzen ihre Kälber aus diesen und arbeitswirtschaftlichen Gründen daher mit etwa zehn bis 14 Tagen in die Gruppenhaltung um. Voraussetzung für diese Aktion ist allerdings, dass das Kalb stabil ist, um sich in der Gruppe zu behaupten.

Die Umstellung der Fütterung auf das geplante Tränkkonzept (Milchaustauscher) in der Gruppenhaltung soll noch in der Einzelhaltung erfolgen, ehe die Kälber nach weiteren zwei bis drei Tagen umgesetzt werden. Dieses ist umso wichtiger in Betrieben, wo die Kälber wegen geringer Abkalbungen ständig in die Gruppe nachgeschoben werden. Schwache und jüngere Kälber werden häufig vom Nuckel oder Futter abgedrängt oder finden sich zunächst nicht zurecht.

Für die Stallklimagestaltung haben Lufttemperatur, -feuchte, -qualität, -bewegung und Luftrate sowie Raumabmessungen eine unterschiedliche Gewichtung, sind aber voneinander abhängige Größen. So ist eine niedrige Temperatur grundsätzlich bei entsprechender Aufstallung kein Problem. Besteht jedoch zusätzlich eine hohe Luftfeuchtigkeit (> 80 %) und gleichzeitig eine hohe Windgeschwindigkeit, erhöht sich das Erkrankungsrisiko für Kälber.

Die derzeit gängigen Systeme für die Gruppenhaltung sind vom Grundsatz: der Warmstall, alternativ der Außenklimastall mit den Möglichkeiten eines Großraumiglus, einer Großraumhütte oder eines Frontoffenstalles. Wichtig bei der Wahl des Systems ist es, die gleiche Verfahrensweise bis wenigstens zum Alter von sechs Monaten durchzuhalten. Ein Wechsel vom Warm- zum Kaltstall oder umgekehrt birgt ein hohes Erkrankungsrisiko.

Der Warmstall

Bei einem Warmstall handelt es sich um einen geschlossenen Raum, der unabhängig von der Witterung ist. Er wird klimatisiert durch vorgegebene Lüftungskonzepte, wobei der Luftaustausch durch Zwangsbelüftung erfolgt. Manche Ställe sind zusätzlich beheizbar, je nachdem ob mit oder ohne Einstreu aufgestallt wird. Der Stall kann als Einraum- oder Mehrraumstall angelegt sein.

Die Vorteile sind die Unabhängigkeit vom Außenklima mit gleichbleibender Stallklimagestaltung, wenig bis kein Strohbedarf, kalkulierbare Futterkosten und angenehmes Arbeiten. Auch ist die Stalltechnik meist einfacher ausgelegt. Er gibt insbesondere als Mehrraumstall den Tieren die Wahlmöglichkeit, wo sie sich aufhalten und ist sicher geeignet, ein hohes Tierwohl und eine artgerechte Haltung zu gewährleisten.

Nachteilig ist, dass der Warmstall mit hohen Investitionskosten behaftet ist. Das Be- und Entlüftungssystem ist generell aufwendig, wobei durch die notwendigen Ventilatoren in manchen Bereichen extrem hohe Windgeschwindigkeiten entstehen können und eine problematische Luftführung die Folge ist. Der Stall hat relativ hohe Energiekosten und erfordert einen höheren Anteil an Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen. Nachteile durch Heizen oder Senkung der Durchlüftung sind:

  • Wärme fördert die Vermehrung von Bakterien (Keimdruck),
  • Erhöhung bakterieller Stoffwechselprozesse bedingt eine erhöhte Ammoniakproduktion,
  • Reduktion der Lüftung ist ein Risiko für Faktorenkrankheiten (Atemwege und Durchfall).

Warmställe werden einhäusig oder mehrhäusig betrieben. Im Gegensatz zum einhäusigen Stall hat der mehrhäusige einen Durchbruch mit Auslauf. Mehrhäusige Ställe geben Tieren mehr Bewegungsfreiheit, führen aber zu einer schlechteren Tierbeobachtung, die Durchbrüche haben im Stall oft Durchzug zur Folge und die Außenfläche muss zusätzlich gepflegt werden. Derzeit geht beim Stallneubau der Trend in Richtung Außenklimastall.

Warmstall
Warmstall mit Einstreu und als Mehrraumstall möglich. (c) Fritz Fleege

Der Außenklimastall

Durch reichlich Stroheinstreu und ausreichend trockene Liegefläche haben die Kälber die Möglichkeit, ihre Körperwärme zu halten. Nur so sind neben einer energiereichen Fütterung Tageszunahmen von 700–1.000 g realisierbar. Bei der Stallplanung ist davon auszugehen, dass Kälber bis zum Alter von vier bis sechs Monaten noch nicht die ausreichende Pansenentwicklung vollzogen und somit noch relativ wenig Wärmeentwicklung haben. Sie entwickeln im Stall wenig Thermik und haben auch kein Wärmepolster über dem Rückenbereich.

Herabfallende Kaltluft oder Luftgeschwindigkeit von > 0,2 m/sec führen zu vermehrter Auskühlung und Krankheitsanfälligkeit. Zwar ist ein wesentliches Ziel einer guten Stallklimagestaltung, viel keimarme Frischluft zuzuführen, andererseits ergeben sich hieraus hohe Anforderungen an die Luftbewegung und Luftführung. Die Luftzufuhr soll zugfrei und langsam fließend von der halben Höhe erfolgen und nicht aus dem oberen Stallbereich.

Die in der Milchviehhaltung bewährte Trauf-First-Lüftung wird daher bei Kälbern und Fressern jünger als sechs Monate zum Problem. Die entstehende Wärme reicht nicht aus, einen kontinuierlichen Abluftstrom Richtung First zu entwickeln, sodass bei höheren Differenzen der Innen-und Außentemperatur eher ein Umkehreffekt zu erwarten ist und Kaltluft in den Liegebereich der Tiere einfällt. Bei einem Außenklimastall herrscht im Gebäude annähernd die Außensituation. Die Be- und Entlüftung erfolgt nach dem Schwerkraftprinzip. Die Liegefläche muss immer mit trockener Einstreu versehen sein und alle zehn Tage entmistet werden.

Großraumiglu oder -hütte

Bei einem Großraumiglu wird vom Hersteller eine höhere Kälberzahl angegeben, als aufgrund der Platz-und Luftraumverhältnisse realistisch ist. Dennoch stellt dieses System durchaus eine mögliche Alternative zu begrenzter Stallfläche oder einem Warmstall dar. Insbesondere für Betriebe, die schlechte Stallverhältnisse für ihre Aufzuchtkälber haben, schlechtes Stallklima oder wenig Platz.

Großraumiglus mit Auslauf
Für Großraumiglus mit Auslauf sind die Bau- und Unterhaltkosten gering. (c) Fritz Fleege

Vorteile sind, dass sowohl geringe Bau-und Unterhaltkosten entstehen und mit entsprechender Technik eine einfache Bewirtschaftung ermöglicht wird. Voraussetzung ist allerdings, dass genügend Fläche auf dem Hof und eine befestigte Fläche als Untergrund vorhanden ist. Auch müssen die Kälber schon vorher mit der Außenklimahaltung vertraut sein (Konditionierung). Daher bietet sich auch für die vorangehende Kolostralphase eine Igluhaltung oder Einzelboxen-Außenhaltung an.

Nachteile sind ein hoher Anschaffungspreis, hoher Kälberplatzpreis, beengter Luftraum für die Tiere und je nach Witterung ungünstige Arbeitsbedingungen. Frostsichere Tränktechnik und Wasser müssen zur Verfügung stehen und die Tierbeobachtung gestaltet sich schwierig. Bei der Großraumhütte mit Auslauf gelten die gleichen Vor- und Nachteile entsprechend einem Großraumiglu. Im Handel werden mehrere gut konzipierte Systeme angeboten.

Der Offenfrontstall

Bei der Entscheidung, einen neuen Kälberstall für die Gruppenhaltung zu bauen, steht auch die Konstruktion eines Offenfront- bzw. Dreiseitenstalles zur Diskussion. Dieser wird meist als einhäusiges System mit einer 100-%-Öffnung auf einer Seite konzipiert.

Der Stall ist für die Altersgruppe 14 Tage bis vier/fünf Monate vorgesehen. Die offene Stallseite soll möglichst in südlicher Himmelsrichtung oder südöstlicher Richtung zeigen. Allerdings können regionale klimatische Situationen auch eine andere Ausrichtung erforderlich machen. Befinden sich Altgebäude in der Nähe des Stalles, Baumreihen oder handelt es sich um eine hügelige Landschaft, müssen die vorherrschende Windrichtung und das mögliche Auftreten von Scherwinden geprüft werden.

Als Dachform wird ein Pultdach empfohlen mit etwa 8–10 % Anstieg zur Öffnungsseite. Bei dieser Neigung – sie entspricht etwa 5,7 ° – fließt die warme, schadgasreiche Abluft ganz langsam aus dem oberen Stallbereich ab. Auf diese Weise bildet sie zur einfließenden kalten Frischluft einen Gegendruck. Durch die absolute Dichte der Rückwand und der Seitenwände wird die einströmende Frischluft durch den bestehenden Widerstand zunehmend verlangsamt.

Wichtig ist daher bei der Planung des Stalles auch, dass die Öffnung zur Tiefe des Gebäudes passt. Da jeweils ein Meter Öffnungshöhe einen ungehinderten Luftaustausch für drei Meter Tiefe ergibt, muss ein neun Meter tiefer Stall vorne eine Öffnungshöhe von wenigstens drei Metern aufweisen. Schlägt man einen Halbkreis um den vorderen unteren Punkt des Stalles mit der Öffnungshöhe des Daches, kann man den Bereich erkennen, in dem die einfallende Luft noch ungebremst herabstürzt. Daher ist das Anbringen des Futtertisches parallel zur Öffnung notwendig, um dieses Feld als klimatischen Puffer auszunutzen.

Offenfrontstall
Der Offenfrontstall wird meist als einhäusiges System mit einer 100-%-Öffnung auf einer Seite konzipiert. (c) Hans Peter Heckert

Kälberschlupf und Bodenprofil

Das Gleiche gilt für den Fressbereich. Je nach Außenklimasituation liegen die Kälber im vorderen Liegebereich oder weiter hinten. Dennoch kann bei sehr widrigen Umständen ein teilweise vorübergehendes Verschließen der vorderen Öffnung notwendig werden. Dies kann mit Windnetzrollos oder Curtains erfolgen. Alternativ kann dann auch (bei noch sehr jungen Kälbern, geringer Stallbelegung) ein sogenannter Kälberschlupf eingebaut werden, der vor herabfallender Kaltluft schützt.

Das Bodenprofil soll im Fressbereich 5 % Gefälle haben, gefolgt von einer 25 cm hohen Stufe zum Strohbett. Das relativ steile Gefälle veranlasst die Tiere, ausschließlich zum Fressen auf dieser schrägen Fläche zu verweilen und dann in das Strohbett zurückzukehren. Eine entsprechende Abgitterung in Form der „Dänischen Aufstallung“ erleichtert das Entmisten von der Seite. Meist wird durch Durchschieben entmistet. Die Lauffläche wird bei Bedarf mit einem Gummiabzieher gereinigt und der Kot vor dem Ausmisten ins Strohbett geschoben. Die 2 % Gefälle im Liegebereich sind ausschließlich dafür gedacht, dass das Reinigungswasser beim Säubern der Fläche zur Rinne abfließt.

Bei der Aufteilung der Gruppen hat sich eine Größenordnung von 10–15 Kälbern bewährt, die von einer Tränkestation versorgt werden. So können z. B. zwei Tränkegruppen und eine Fressergruppe als Einteilung gewählt werden. Der Platzbedarf eines Tieres wird mit 1,5 m2 angegeben. Wasser muss mittels beheizbarer Tränken und frostsicher verlegten Leitungen angeboten werden. Der Stall kann jederzeit seitlich mit dem gleichen Profil erweitert werden.

Haltungssysteme Kälberaufzucht – ein Fazit

Der Trend in der Kälberhaltung geht:

  • zum Mehrraumstall
  • zu mehrhäusigen Stallsystemen mit Auslauf,
  • zum einhäusigen Offenfrontstall mit 100-% -Öffnung auf einer Seite,
  • zur Außenklimahaltung.

Die Vor- und Nachteile sind betriebsindividuell abzugleichen. Wichtig bei der Wahl des Systems ist es, die gleiche Verfahrensweise bis wenigstens zum Alter von sechs Monaten durchzuhalten.

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