Hitzestress bei Trockenstehern: Warm und trocken …
… heißt es wieder in der Wetteransage, und der richtige Sommer mit den Hundstagen kommt noch. Das Thema Hitzestress wird dabei oft auf die Kuh in der Laktation beschränkt. Was aber passiert mit den Trockenstehern?
Von Helmut Pförtner, ATR Produktmanagement Rind
Der Klimawandel führt auch hierzulande zu langen und heißen Hitzeperioden. Die Temperaturen wie in den letzten Sommern belasten auch unsere Nutztiere.
Eine Vielzahl von Fachartikeln befasst sich mit dem Thema Hitzestress der Milchkuh. Hersteller von Zusatzstoffen bieten den Mineral- und Mischfutterherstellern Produkte an, die dem Hitzestress entgegenwirken. Dabei beschränkt sich die Diskussion überwiegend auf die Kuh in der Laktation, die hohe Stoffwechselleistungen erbringen muss und durch hohe Temperatur und Luftfeuchtigkeit vermeintlich am stärksten beeinträchtigt wird.
Fachberater Helmut Pförtner und seine Kollegen der Futtermittelberatung betonen, dass es genauso wichtig ist, zu wissen, was mit den Trockenstehern im Sommer passiert, um ihnen optimale Bedingungen zu schaffen.
SO ERKENNEN SIE HITZESTRESS:
■ schnellere Atmung bis hin zu starkem Hecheln
■ langgestreckter Hals und geöffnetes Maul
■ erhöhte Wasseraufnahme
■ Liegezeiten verringern sich
■ reduzierte Futteraufnahme
Nach Hitze wenig Milch im Herbst
In den Jahren 2018 bis 2020 konnten wir ausgeprägte Hitzeperioden im norddeutschen Raum beobachten. Über längere Zeiträume herrschten Temperaturen von über 30 °C am Tag und über 20 °C in den Nächten. Diese Temperaturen sind für Milchkühe stark belastend. Trotzdem produzierten die Tiere in dieser Zeit häufig sehr gleichmäßig weiterhin hohe Milchmengen, wenn auch mit reduzierten Inhaltsstoffen.
Negative Auswirkungen auf die Trockenmasseaufnahme werden in vielen Betrieben durch die guten Stallbedingungen und ein gutes Management für laktierende Kühe reduziert und dadurch die Milchmengen lange Zeit stabil gehalten. Allerdings bestand Ende Juli 2018 zusätzlich eine hohe Luftfeuchtigkeit.
Bei den hohen Temperaturen erkannte man anhand der Tankmilchdaten in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern einen deutlichen Milchmengeneinbruch und einen Anstieg des Milchharnstoffgehaltes, welcher auf einen kurzfristigen Energiemangel hindeutete.
Warum werden wir gerade in den Folgemonaten bis Oktober mit einem Milchmengenrückgang konfrontiert? In den ausgewerteten Milchleistungsprüfungen und im Austausch mit Rinderspezialberatungsringen wurde festgestellt, dass im August 2020 noch hervorragende Milchmengen ermolken wurden, die September- und Oktoberkontrollen aber bis auf wenige Ausnahmen niedrigere Milchmengen je Kuh aufwiesen.
Dabei blieben die gefütterten Rationen größtenteils unverändert, sodass dieses nicht als Grund für einen Rückgang herangezogen werden konnte.
Viele Betriebe hatten mit erhöhten Zellzahlen und einem gestiegenen Anteil an akuten Mastitiserkrankungen zu kämpfen. Dies machen die Folgen die Wärme deutlich.
Auf der Sonnenseite, aber nicht auf dem Trockenem stehen
Da der Wasserbedarf bei Hitze für die Regulierung des körpereigenen Wärmehaushalts ansteigt, müssen ausreichend Tränken mit entsprechender Durchflussgeschwindigkeit vorgehalten werden. Kühe gehen im Schnitt neun Mal am Tag zur Tränke und saufen dabei 18 bis 25 l Wasser pro Minute. Täglich benötigen Kühe rund 120 l Wasser, im Sommer auch deutlich mehr.
Fütterung: In der Vergangenheit kam es wegen fehlender Aufwüchse und geringerer Futterqualität bei ungünstigen Erntebedingungen zu Engpässen und Auswirkungen auf die Grundfutterversorgung.
(Quelle: Bundesverband für Tiergesundheit (BfT))
Was passiert mit den Sommertrockenstehern?
In vielen Betrieben sind die Trockensteher in Altgebäuden untergebracht. Während man den Laktierenden durch die Unterbringung in Ställen mit großem Luftvolumen, eine bessere Durchlüftung durch offene Seitenwände und den Einsatz von Ventilatoren verbesserte Bedingungen geschaffen hat, lässt das bei den Trockenstehern häufig zu wünschen übrig.
Die Aufstallung der Vorbereiter vor und um die Kalbung herum auf Tiefstreu verbessert zwar den Liegekomfort, die Belastung mit Schadgasen wie Ammoniak aus der Einstreumatte wird dagegen erhöht. Fütterungsberater stellen oft fest, dass die geforderten 10 m²/Kuh in der Abkalbebox nicht realisiert werden.
Im Journal of Dairy Science wurde schon 2003 eine Vielzahl von Versuchen zitiert, die ein erhöhtes Gewicht der neugeborenen Kälber, eine bessere Milchleistung in der frühen und mittleren Laktation und eine verringerte Ketosehäufigkeit von „gekühlten“ Trockenstehern belegten. Trotzdem fehlt es häufig am Bewusstsein für die notwendige Verbesserung der Luft- und Wasserverhältnisse für Trockensteher und Vorbereiter.
Sind die Bedingungen in den letzten sechs bis acht Wochen vor der Kalbung möglicherweise die Begründung für die Milchdepression im Herbst? Viele Berater sind davon überzeugt.
TIPP
In Phasen großer Hitze ist das Stallmanagement von besonderer Bedeutung. Rinderduschen finden deshalb häufiger Einzug in die Kuhställe. Anpassungen im Stallbau, beispielsweise bei Beschattung und Luftführung, verbessern das Stallklima.
Quelle: Bundesverband für Tiergesundheit (BfT)
Gut investiert und strukturiert am Thema
Gerade bei einer angespannten wirtschaftlichen Situation können relativ überschaubare Investitionen für Trockensteher positive Auswirkungen haben. Ein einziger Lüfter, richtig platziert im Vorbereiter- und Abkalbebereich, wird durch Luftbewegung einen Kühleffekt zur Folge haben und transportiert Schadgase ab.
Auf einen Betrieb mit 100 Kühen und mit kontinuierlicher Abkalbung wird dieser Lüfter über einen Zeitraum von fünf bis sechs Monaten mit suboptimalen Temperaturen einen positiven Einfluss auf über 50 abkalbende Kühe haben.
Die Kosten werden sich über höhere Leistungen und eine verbesserte Tiergesundheit schnell amortisieren. Bei 800 Euro Investitionskosten müssten diese Kühe nur jeweils circa 50 kg mehr Milch erzeugen, um die Kosten innerhalb eines Jahres zu erwirtschaften. Sicher sind sowohl bei den Trockenstehern im Sommer, als auch im gesamten Jahresverlauf die Luftverhältnisse ein entscheidender Faktor.
Mit einem externen Berater sollten folgende Punkte beleuchtet werden:
- Lüftung optimieren (Lüfter, Seitenwände, Aufstallung)
- Tränkwasserangebot kontrollieren (Anzahl Tränken und Wasserqualität)
- Fütterung überdenken (System, Milchfiebervorbeuge)
- Tiergesundheit beachten (Klauen-/Eutergesundheit)
- Stress vermeiden (Kuhkomfort, Gruppengestaltung)
- Management prüfen (Tierkontrolle, Umgang Trockensteher).
Zu den ersten beiden Punkten gibt es konkrete Empfehlungen, die man im eigenen Betrieb überprüfen kann. Die folgenden Punkte werden kurz erläutert.
Trockensteher: Fütterung und Tiergesundheit beachten
Die Fütterung der Trockensteher sollte in Genauigkeit und Intensität nicht hinter der Fütterung der laktierenden Kühe anstehen. Dabei muss nach der Entscheidung für ein System (einphasig oder zweiphasig mit frühen Trockenstehern und Vorbereitern) die Rationsgestaltung ausgerichtet und möglichst ohne Kompromisse durchgeführt werden.
Gerade in der Vorbereitungszeit ist die hygienische Beschaffenheit und genaue Fütterung von Bedeutung. Weiterhin sollte man die Prophylaxe von Milchfiebererkrankungen bedenken und diese konsequent durchführen. Neben einem Klauenschnitt zum Trockenstellen der Kuh ist eine kontinuierliche Tierkontrolle unerlässlich. Früh erkannte Störungen können größere Probleme vermeiden.
Um das Wohlbefinden der Milchkühe zu bewerten, kann die Kontrolle der Hungergrube herangezogen werden. Die aktuelle Futteraufnahme wird so schnell abgeschätzt. Denn nur gesunde Kühe fressen ausreichend und weisen einen vollgefüllten Pansen auf. Ist das nicht gegeben, muss dieses Tier kontrolliert werden. Ist eine größere Anzahl an Tieren zu wenig ausgefüttert, muss die Ration überprüft werden.
Stress vermeiden und Management prüfen
Der Spruch „Milch ist die Abwesenheit von Stress“ wird in der Praxis verstärkt berücksichtigt. Stressvermeidung ist in der Haltung der hochtragenden Kühe noch viel wichtiger. Die Kuh muss ein gesundes Kalb ausbilden und sich auf die folgende Laktation vorbereiten. Das heißt:
- maximaler Kuhkomfort (optimale Stall – und Luftverhältnisse)
- möglichst stabile Gruppen
- immer Zugang zu ausreichend Futter und Wasser
Gerade der letzte Punkt rückt immer mehr in den Vordergrund. Eine Kuh oder Färse, die kurz vor der Kalbung vor einem leeren Futtertisch steht, erleidet Stress. Dieser Stress kann nachhaltige Auswirkungen auf die Tiergesundheit haben (Leaky Gut Syndrom).
Der Umgang mit den Trockenstehern sollte im Hinblick auf Stressvermeidung und eine möglichst hohe Futteraufnahme umsichtig erfolgen. Daher sind der täglichen Tier- und Rationskontrolle mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Viele Betriebsabläufe sind selbstverständlich. Eine täglich durchgeführte Kontrolle der frühen Trockensteher auch? In kleineren Tiergruppen ist die genaue Trockenmasseaufnahme schwierig zu ermitteln. Das Hungergruben-Scoring kann eine Orientierung über eine gute oder schlechte Futteraufnahme geben. Diese Maßnahme, täglich zur gleichen Zeit durchgeführt, sollte als Standard in den Betriebsablauf integriert werden.
Fazit
Die Motivation, sich verstärkt mit den trockenstehenden Kühen und Färsen vor der Kalbung auseinanderzusetzen, sollte nicht nur aufgrund der Auswirkungen der warmen Sommermonate bestehen.
Besprechen Sie als Landwirt mit einem Berater, welche Reserven vorhanden sind. Intensivieren Sie als Berater die Arbeit auf diesem Gebiet. Es geht um einen Bereich, in dem ohne großen Aufwand die wirtschaftlichen Ergebnisse verbessert werden können. Alle Beteiligten auf einem Milchviehbetrieb sollten sich für das Wohlergehen der Tiere verantwortlich fühlen. Die trockenstehenden Kühe sollten dabei besondere Beachtung erfahren.
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