Kälber und Bullen: Sanfte Heilung für starke Kerle
Ein Teil der Gesundheitsstrategie kann die Naturheilkunde sein. Mehr zu Homöopathie in Kälber- und Fresseraufzucht oder Bullenmast.
Von Christiane Gromöller, Tierheilpraktikerin/Agraringenieurin, Saterland
Das Ziel in der Bullenmast, hohe Tageszunahmen bei gleichzeitig geringen Verlusten als ökonomische Grundlage zu erzielen, lässt sich nur mit gesunden Kälbern und Fressern erreichen. Gerade die Verluste im Bereich der Kälberaufzucht und hier in der frühen Phase dieser Periode können die Ökonomie des gesamten Betriebszweiges senken. Es gilt, entsprechende Strategien zum Erhalt der Gesundheit zu beachten. Ein Standbein kann auch die Naturheilkunde sein.
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Infektionsdruck senken
Nicht immer ist sicher, ob die Kälber genug und frühzeitig qualitatives Kolostrum erhalten haben. Betriebsindividuelle Faktoren wie Fütterung, Haltung und Hygiene sowie der Transport können zusätzliche Stressfaktoren mit Erhöhung des Erkrankungsrisikos darstellen. Abhängig davon ist die individuelle Anfälligkeit des Kalbes für Erkrankungen (Abb. 1). Es gilt, die Maßnahmen zur Senkung der Erkrankungsrate umzusetzen (Abb. 2):
- Gesundheitsmaßnahmen wie die notwendigen Impfungen nach Absprache mit dem Hoftierarzt,
- Haltung und Fütterung: Einsatz hochwertiger Milchaustauscher (MAT) in den ersten Tränkewochen, eine von Beginn an ausreichende Tränkewasserversorgung in guter Wasserqualität, 1:1 Tier-/ Fressplatzverhältnis, angepasste Belegdichte unter Beachtung des notwendigen Luftraumes je Kalb und der Temperatur-, Luftaustausch- und Kleinklimaansprüche und
- Stallhygiene: konsequentes Rein-Raus-Verfahren, Reinigung und Desinfektion mit adäquaten Desinfektionsmitteln, effektive Schadnager- und Stallfliegenbekämpfung. Die Desinfektionsmittel sind entsprechend der Anwendungsempfehlung der Deutschen Veterinärgesellschaft (DVG-Liste) passend für den betriebsspezifischen Leiterreger auszuwählen und nach Reinigung und vorherigem Einweichen mit fettlösendem Schaumreiniger einzusetzen. Gerade die parasitären Einzeller Kokzidien und Kryptosporidien lassen sich inzwischen mit Desinfektionsmitteln nur noch schwer bekämpfen. Das Stallmilieu kann positiv durch den Einsatz von Milchsäurepräparaten beeinflusst werden (Kanne Brottrunk oder Effektive Mikroorganismen). Diese können über Tränke oder Futter verabreicht werden. Nur wenn in diesen Bereichen bestehende Probleme behoben sind, kann sinnvoll im Erkrankungsfall mit naturheilkundlichen Maßnahmen behandelt werden.
Homöopathie
Bei der Anwendung von Homöopathie am lebensmittelliefernden Tier sind arzneimittelrechtliche Vorgaben einzuhalten. Es gibt für Nutztiere zugelassene Injektionspräparate (Kombinationsmittel aus mehreren Homöopathika). Die meisten Einzelmittel und auch Globuli haben keine Zulassung für Nutztiere. Bisher mussten sie vom Hoftierarzt umgewidmet werden. Im Januar 2022 muss die neue EU-Tierarzneimittel-Verordnung* in nationales Recht umgesetzt sein, dann können in diesem Bereich Änderungen möglich werden.
Homöopathische Arzneimittel sind nicht wie schulmedizinische Medikamente in der Lage, Bakterien abzutöten oder Krankheitssymptome wie Fieber sofort zu unterdrücken. Sie wirken mithilfe der körperlichen Abwehrkräfte, indem sie diese anregen und den Körper unterstützen, selbst eine Erkrankung zu bewältigen. Daher kann es unter Umständen geringfügig länger dauern, bis Symptome wie Fieber, Husten oder Durchfall komplett reduziert sind, jedoch bessert sich bereits direkt nach der Gabe des passenden Mittels das Allgemeinbefinden des Tieres und die Tränke- und Futteraufnahme erfolgt. Durch das Auseinandersetzen mit Erregern kann zudem die Immunkompetenz der Tiere langfristig geschult werden.
Grenzen im Einsatz der Homöopathie sind dort, wo aufgrund von negativen Einflüssen aus Haltung, Fütterung und Management die Erkrankungsraten und Neuinfektionen deutlich erhöht sind. Ohne Abstellen der auslösenden Faktoren ist keine Heilung zu erwarten schwerwiegende Gewebezerstörungen wie Knochenbrüche können nicht ausschließlich homöopathisch behandelt werden. Anzeigepflichtige Tierseuchen dürfen nicht behandelt werden.
Homöopathische Arzneien werden bei Kontakt mit Schleimhäuten aufgenommen. Daher können sie gut in Wasser aufgelöst und dorthin versprüht werden. Am Markt sind auch Injektionspräparate. Homöopathie kann in Kombination mit Antibiotika oder Impfungen verabreicht werden. Sämtliche Behandlungen sind schriftlich zu dokumentieren.
Einstallprophylaxe
Werden 14 Tage alte Bullenkälber, im Allgemeinen aus mehreren Herkünften, aufgestallt, erfolgt dies in einer Phase, in der bereits die ersten Antikörper aus der Biestmilch der Mutter abgebaut sind, aber die eigene Immunität noch nicht vollständig und belastbar ist. Es bietet sich eine homöopathische Einstallprophylaxe an. Bei Ankunft können die Kälber mit dem Kombipräparat Engystol ad us vet. versorgt werden, welches die Immunabwehr besonders gegen Viren anregt. In Kombination mit Echinacea D6 wird das Abwehrsystem gegen Bakterien gestärkt.
Cistus incanus D6 kann nachweislich das Ausbreiten von Viren aus dem Nasen-Rachenraum in tiefere Atemwege eindämmen. Es ist jedoch zu beachten, dass es bei anstehenden Impfungen über die Nasenschleimhaut nicht angewendet werden darf. Der Zeitpunkt einer Impfung sollte gut geplant sein. Werden die Kälber bei Ankunft oder am nächsten Tag geimpft, kann es durch den Transport- und Umstellungsstress zu einer mangelnden Antikörperantwort kommen und der Impfschutz ist nicht belastbar. Wartet man jedoch länger mit der ersten Impfung, sind die Kälber länger schutzlos. Einen Kompromiss kann die Impfung innerhalb der ersten Woche auf dem neuen Betrieb darstellen. Eine homöopathische Begleitung der Impfung mit Thuja C30 kann stärkere Impfreaktionen wie Mattigkeit, Fress-/Saufunlust vermeiden. Tritt bei einigen Kälbern trotzdem nach der Impfung Fieber auf, kann dies nach Thuja C30 mit Silicea C30 behandelt werden.
Nux vomica C30 kann für Kälber, die bereits mit Durchfall anreisen oder sich mit dem Umstellen auf den neuen MAT schwertun, geringen Appetit zeigen und unter Durchfall leiden, eine Option sein.
Für das Anlernen an einen Tränkeautomaten haben sich zwei Arzneimittel bewährt: Calcium phosphoricum (C30) bei unkonzentrierten Kälbern, die beim Anlernen den Nuckel nicht finden und Calcium carbonicum (C30) für Kälber, die träge erscheinen.
„Wenn ein Chemiker die homöopathische Arznei untersucht, findet er nur Wasser und Alkohol. Wenn er eine Diskette untersucht, nur Eisenoxid und Vinyl. Beide können jedoch jede Menge Informationen bergen.“
DR. PETER FISHER, Forschungsleiter am Royal London Homeopathic Hospital
Durchfälle
Bei Durchfall ist zwischen fütterungs- und erregerbedingten Erkrankungen zu differenzieren. Bei ernährungsbedingten Durchfällen hat sich Nux vomica bewährt. Sind Erreger wie Rota- und Corona-Viren oder parasitäre Einzeller wie Kokzidien und Kryptosporidien grundlegend, sollten Arzneimittel wie Mercurius solubilis, Aloe, Arsenicum album oder China angewendet werden. Mercuris solubilis C30 wird genutzt bei akuten Verläufen mit starkem, das Kalb schnell austrocknendem Durchfall, der mit Darmschleimhautentzündungen einhergeht und daher auch blutig ist. Die Haut am After wird vom Kot schmerzhaft gereizt. Dieser stinkt und kann schleimig sowie weiß-grau erscheinen.
Die Kälber sind schnell apathisch mit Trinkunlust und haben eine kalte Körperoberfläche. Arsenicum album C30 ist für geschwächte Kälber mit wässrig- schleimigen Kot. Es können sich unverdaute Futterreste darin befinden und der Geruch ist faulig. Trotz der Auszehrung sind die Tiere unruhig, sie trinken zunächst noch oft, aber wegen der zunehmenden Schwäche nur kleine Mengen. Der Bauch ist aufgetrieben. Die Augen liegen tief in den Höhlen und das Fell wirkt struppig. Die Körperoberfläche ist kalt.
Neben infektiösen Ursachen kann kalte Milch Durchfall verursachen. Aloe kann bei leichte Durchfall mit Blähungen und schleimig-wässrigem bis breiigem Kot eingesetzt werden. Es wirkt besser in Niedrigpotenzen (D6). Zur (Mit-)Behandlung und Nachsorge von infektiösem Durchfall bewirkt China in niedrigeren Potenzen wie D6 eine Stärkung.
Atemwegserkrankungen
Auslöser für eine Atemwegsinfektion kann Zugluft oder trockene Kälte sein. In früher Phase mit Fieber und trockenem Husten wird Aconitum C30 empfohlen. Nach einem Tag, Fieberanstieg und sobald der Husten produktiver wird (Atemrasseln), ist der Wirkungsbereich beendet. Oft kann anschließend Belladonna C30 verabreicht werden. Die Kälber haben tränende Augen, die Pupillen sind weit und reagieren schlecht auf Licht. Daher sondern sich die Kälber in dunklere, ruhigere Bereiche ab. Die Atmung wirkt pumpend, der Husten bellend. Wegen der Halsentzündung können die Kälber die Tränke verweigern. Dulcamara C30 hilft, wenn die Kälber nach „Durchnässung“ in einem feuchten, klammen Stall erkranken. Hier ist der Infekt nicht sofort mit schnell steigendem Fieber verbunden. Antimonium tartaricum C30 wird verwendet, wenn die Kälber hochgradig verschleimt sind. Neben Fieber können sie aufgrund der schlechten Kreislaufsituation zu Untertemperatur neigen. Die Futteraufnahme wird eingestellt.
Phytotherapie
Kräuter können alternativ und zusätzlich zur homöopathischen Therapie bei Durchfall- und Atemwegserkrankungen genutzt werden. Wegen des Gehaltes an wirksamen ätherischen Ölen haben sich Pfefferminze, Anis, Fenchel, Kamille und Oregano bei Durchfallgeschehen bewährt. Sie wirken entzündungshemmend, schleimhautberuhigend, krampflösend, leicht desinfizierend auf pathogene Bakterien sowie teilweise blähungsreduzierend. Sie können als Tee mit Elektrolyten (Kochsalz/NaCl, Traubenzucker, Natriumbicarbonat) zur Flüssigkeitsergänzung verabreicht werden (Pfefferminze, Fenchel, Kamille).
Anis, Pfefferminze, Oregano und Fenchel haben zudem eine schleimlösende Wirkung. Aufgrund seiner Zusammensetzung kann Thymian bei trockenem Reizhusten auch schleimhautberuhigend wirken. Zu beachten ist wie bei Homöopathika, dass die Zusatzfuttermittel für die Tierart Rind zugelassen sein sollten.
Ätherische Öle können als Vernebelung im Stall und teilweise als Eingabe angewendet werden. Sie können aber auch die Wirkung von Homöopathika herabsetzen und sollten deshalb vorbeugend oder zur Nachbehandlung eingesetzt werden. Zimtöl wirkt gegen Bakterien, Pilze und Viren bei Durchfall- und Atemwegserkrankungen. Pfefferminzöl kann abschwellend auf die Atemwegsschleimhäute wirken, Eucalyptus zudem schleimlösend und entzündungshemmend. Thymianöl ist zur Vorbeugung und Behandlung von Atemwegsproblemen gut. Oreganoöl ist wiederum wegen seiner starken Wirkung gegen Viren, Bakterien und einigen Endoparasiten ein hilfreiches Öl zur Prophylaxe von Durchfall.
Behandlung von Bullen
Da man homöopathische Arzneimittel gut praktikabel mit einer Sprühflasche in die Nasenlöcher auf die Schleimhäute oder auf das Flotzmaul sprühen kann, ist es durchaus möglich, auch ältere Tiere im Bedarfsfall damit zu versorgen, ohne die Bucht betreten oder das Tier fixieren zu müssen. Durch den Alkoholgehalt in oralen Homöopathie- Mischungen ist die Akzeptanz bei den Bullen recht hoch.
Bei frischen Schwanzspitzenverletzungen, Gelenkschwellungen oder Lahmheiten kann Traumeel ad us vet. mit verschiedenen Arzneimitteln für Verletzungen/Gelenkschmerzen in den ersten drei Tagen möglichst zweimal täglich gegeben werden. Schwanzspitzenverletzungen bitte immer beobachten, um eine aufsteigende Entzündung frühzeitig zu erkennen. Damit sich die Entzündung nicht weiter im Gewebe ausbreitet, hat sich die Kombination mit Tarantula cubensis C30 bewährt. Bei Lahmheiten durch Vertreten kann mit Traumeel schnell eine Besserung beobachtet werden, sodass die Tiere in der Bucht verbleiben können und nicht separat aufgestallt werden müssen Fressunlust oder Pansenprobleme können häufig mit Nux vomica C30 behandelt werden. Ist der Pansen gebläht, hilft zusätzlich Carbo vegetabilis C30 kreislaufunterstützend und darmfördernd, aber nur wenn keine mechanische Ursache wie eine Schlundverstopfung oder ein Fremdkörper vorliegen.
Da homöopathische Arzneimittel keine Wartezeit erzeugen, können auch erfolglos behandelte Tiere der Vermarktung zugeführt werden, sofern sie noch aufgrund der Erkrankung schlachttauglich sind. Die Transportfähigkeit ist vorher abzuklären.
Fazit zur Homöopathie bei Kälbern
- Kälberverluste sind mit allen Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen, zu vermeiden.
- Neben der Verbesserung der Stallhygiene und einem betriebsangepassten Impfmanagement können bei Kälbern auch Homöopathie, Kräuter und deren ätherische Öle sowie Milchsäurebakterienpräparate hilfreich sein.
- Auch in der Fresseraufzucht und Bullenmast ist es möglich, mit homöopathischen Arzneimitteln Erkrankungen zu behandeln.
- Den Vorgaben des Arzneimittelrechts muss Genüge getan werden. Beim Einsatz der genannten Mittel entfallen die Wartezeiten.