Interview mit Lorenz Eskildsen: Ceres Award Gewinner 2023
Sein Unternehmen produziert die Hälfte aller deutschen Gänseküken, am Standort Wermsdorf vereint Lorenz Eskildsen Produktion mit Vermarktung und Erlebnis. Ein Gespräch mit einem preisgekrönten Gänsezüchter.
Das Interview führte Karsten Bär
Vor mehr als 30 Jahren kam er nach Sachsen und baute hier ein Unternehmen auf, das alle Stufen der Gänseproduktion unter einem Dach vereint. Für seinen innovativen und nachhaltigen Ansatz ist Lorenz Eskildsen (59) jetzt in der Kategorie „Bester Geflügelhalter“ mit dem Ceres Award 2023 ausgezeichnet worden. Wir trafen den Gänsezüchter auf seiner Gänsefarm im sächsischen Wermsdorf.
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Ceres Award Gewinner 2023: Was hat sich verändert?
Ceres Award 2023: Lorenz Eskildsen ist bester Geflügelhalter
Herr Eskildsen, Sie sind zum besten Geflügelhalter Deutschlands gekürt worden. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Das ist natürlich eine große Freude für mich. Es ist aber auch eine Anerkennung für meine Mitarbeiter, für meine Kollegen, auch die ehemaligen. Das, was hier entstanden ist, das ist über Jahrzehnte gewachsen. Daran haben alle einen Verdienst. Wermsdorf ist ein Betrieb mit langer Tradition. Anerkannte Leute haben hier viel Arbeit für Forschung und Entwicklung geleistet. Ich glaube, nirgendwo auf der Welt wurde so viel Wissenschaft über Gänse betrieben, wie hier.
Sie stammen aus Schleswig-Holstein und aus einer Familie, die Gänsezucht betrieben hat. Konnten Sie gar nicht anders, als Gänsezüchter zu werden?
Das wurde mir in die Wiege gelegt. Ich habe schon als Kind im Krabbelgitter in der Brüterei meine Zeit verbracht, als meine Mutter die Küken abgesammelt hat.
Reicht die Tradition der Gänsezucht in ihrer Familie schon länger zurück?
Wenn wir 2026 in Wermsdorf den neuen Gänsemarkt eröffnen, dann begehen wir auch 100 Jahre Geflügelzucht Eskildsen in Deutschland. Meine Familie kommt eigentlich aus Tondern in Nordschleswig und hat nach dem Ersten Weltkrieg ihre Heimat verloren. Nachdem das Gebiet an Dänemark ging, gab es dort große Spannungen. Meine Urgroßeltern haben deshalb den Hof verkauft und sind 1926 nach Dithmarschen übergesiedelt. Dort wurde dann der Grundstein gelegt für unsere Marke „Dithmarscher Gänse“. An den Deichen an der Nordsee wurden seit Jahrhunderten Schafe und Gänse gehalten. Daher kommt diese Verbundenheit zu den Gänsen.
Als modernster Zuchtgänsestall in Europa gilt die vor drei Jahren eingeweihte Anlage in Wermsdorf, die höchste Tierwohlstandards aufweist. Dazu gehören Wintergärten mit viel Tageslicht, dick eingestreute Legenester und ein natürlichen Lichtverhältnissen nachempfundenes Beleuchtungssystem. (c) Sabine Rübensaat
Gänsezucht im sächsischen Wermsdorf
Was hat Sie nach Sachsen geführt?
Kurz nach der Wende suchten Leute von der Geflügelproduktion Wermsdorf, damals der größte Gänsezuchtbetrieb Europas, Kontakt zu unserem Familienbetrieb. Darunter war als Veterinäringenieur auch der spätere Landrat des Muldentalkreises, Dr. Gerhard Gey. Wir haben deren Anliegen sehr ernst genommen. Schon vor der Wende haben wir uns sehr für die Bücher von Dr. Schneider und Professor Pingel von der Universität Leipzig interessiert. Das Know-how war wirklich hoch. Hier war ja die Keimzelle für die Geflügelwissenschaft weltweit. Wir haben uns also die Sorgen dieser Leute angehört. Ich war 24, hatte Geflügelzucht und Kaufmann für Groß- und Außenhandel gelernt und ein BWL-Studium begonnen. Ich dachte, ich schaue mir das an und helfe ein bisschen.
Das war sicher eine abenteuerliche Zeit?
Das war ein echtes Abenteuer! Man konnte nicht richtig telefonieren. Es gab keine Tankstellen, EC-Automaten oder Hotels. Das war äußerst schwierig und parallel hatte ich zunächst auch den Ehrgeiz, mein Studium abzuschließen. Aber es hat auch viel Spaß gemacht. Dann ging es auf einmal ruckzuck und es hieß von der Treuhand: Sie müssen kaufen.
Ist die heutige Eskildsen-Gans eine sächsische Kreation?
Ja. Dank des hohen wissenschaftlichen Niveaus hatte man in der DDR eine leistungsfähige Hybridgans gezüchtet. Da haben wir dann noch mal Hand angelegt und mit der Dithmarschen Gans eine weitere weibliche Linie reingebracht. Den weiblichen Hybrid aus dieser Linie paaren wir mit dem Radeburger oder Dithmarschen Ganter an. Und das Ergebnis daraus sucht weltweit seinesgleichen. Heute kommen 50 Prozent aller Zuchtgänse in Ungarn von uns. Wir sind auch aktiv in anderen Ländern in Europa. Pro Jahr verkaufen wir 600.000 Gänseküken, das ist die Hälfte der deutschen Produktion. Aber im Vergleich zur Weltproduktion an Gänsen ist das so gut wie nichts. Die findet zu 95 Prozent in Asien statt. Aber es ist schon so, hier in Sachsen steht eine Gänsepopulation, die im Weltmaßstab einmalig ist.
Gänse- und Erlebnishof lockt Besucher
Ihr Unternehmen produziert nicht nur Zuchtgänse. Was bewegte Sie, auch Gastronomie- und Erlebnisangebote zu offerieren und Federbetten zu verkaufen?
Ich habe bei allem immer auch Ideale verfolgt. Der Weihnachtsmarkt in Wermsdorf mit mittlerweile jährlich bis zu 60.000 Besucher ist so ein Beispiel. Die Idee hatte ich schon als Kind. Das war eine Leidenschaft, bei der das Geld erst einmal nicht im Vordergrund stand. Wir haben inzwischen auch Gänsemärkte in Königswartha in Ostsachen und in Schleswig-Holstein.
Die „Daunenstube“ haben wir begonnen, weil ich mich über die Abzüge geärgert habe, die wir beim Verkauf der Daunen an Großabnehmer bekommen haben. Am Anfang haben wir falsch gemacht, was man falsch machen kann. Aber wir wurden dann immer besser und konnten das Know-how dann auch nach Schleswig-Holstein transferieren. Mit diesen Elementen haben wir ein Alleinstellungsmerkmal entwickelt. Jetzt sind wir in einer Phase, das alles in die nächste Stufe zu überführen.
Sie meinen den neuen Gänsemarkt, von dem Sie bereits sprachen?
Wir bauen in Wermsdorf einen Gänse- und Erlebnishof. Am 1. Oktober 2026 ist Eröffnung. Mit unserem Markt habe ich damals zur gleichen Zeit begonnen, wie Robert Dahl mit „Karls Erlebnishof“ in Rövershagen. Wir haben andere Schwerpunkte setzen müssen und sind nicht so explodiert wie „Karls“. Aber inzwischen platzt unser Gänsemarkt aus allen Nähten. Eigentlich wollte ich mit dem Neubau schon längst fertig sein, aber wegen der Vogelgrippe haben wir immer wieder Investitionen verschieben müssen.
Geflügelpest schlägt mehrfach zu
Sie waren mehrfach von Geflügelpest betroffen. Wie übersteht man solche Tiefschläge?
Allein in Wermsdorf war ich zweimal betroffen, an anderen Standorten ebenfalls mehrmals. Ich sage Ihnen, das brauchen Sie nicht öfter. Der ganze Bestand wird gekeult, alle Zuchtgänse sind weg. Dass Genetik und Produktion auf drei Standorte verteilt sind, war daher goldrichtig. Hinzu kommt, dass die Entschädigungsansprüche über die Tierseuchenkasse nur die Hälfte des Wertes einer Zuchtgans abdecken. Da muss politisch was passieren. Denn es gibt keine Versicherung, die Gänse abdeckt. Andererseits bekommen die Firmen, die bei Seuchenausbrüchen auf den Betrieben agieren, oft ein Vielfaches von dem, was der Tierbestand wert war.
Welche Probleme sehen Sie aktuell noch für deutsche Gänseproduzenten?
Deutschlands Selbstversorgungsgrad bei Gänsen beträgt nur 15 Prozent. Etwa die Hälfte des Gänseverbrauchs in Deutschland sind importierte Keulen und Brüste, die aus der Stopfleberproduktion stammen. Das muss nicht deklariert werden und ist für den Verbraucher nicht zu erkennen. Man fragt sich, warum das in der Politik und in den Tierschutzverbänden keinen interessiert.
Ein weiteres Thema bei uns ist die Futtermittelproduktion, die wir langfristig selbst abbilden wollen. Wir haben kein Verständnis dafür, dass wir trotz unserer Innovations- und Investitionsbereitschaft, unserer besonderen Tierhaltung und unserer Arbeitsintensität bei der Flächenvergabe durch die BVVG überhaupt nicht berücksichtigt werden. Das sind alles genug Themen, um mal mit Cem Özdemir zu reden. Ich habe ihm geschrieben und ihn eingeladen, bin aber skeptisch, ob er die Einladung annimmt.
Video: Lorenz Eskildsen
Gänsezucht Eskildsen: Betrieb mit Zukunft
Bleiben Sie trotzdem optimistisch?
Wir sind auf einem schwierigen Feld unterwegs. Aus diesem Grund beschäftigen wir uns auch mit anderen Dingen und bauen andere Geschäftsbereiche aus. Das ist auch meine Botschaft an meine Familie: Wir wachsen nicht mehr bei der Menge an Tieren. Wir wollen bei der Wertschöpfung besser werden, Premiummarken entwickeln, das Marketing forcieren.
Stichwort Familie: Ist Ihre Nachfolge gesichert?
Meine beiden Töchter, 19 und 15 Jahre alt, haben sich entschieden, das fortzuführen. Ich traue es ihnen auch zu. Sie bringen die nötige Gelassenheit mit, um sich auf das Wichtige zu fokussieren. Das freut mich und ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg.
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