Risikofaktoren für Euterentzündungen

Mastitis: Die Millionäre im Stall

Beim Schalmtest wird die Anzahl der somatischen Zellen geschätzt. Eine Leitkeimbestimmung sollte mindestens einmal jährlich erfolgen. (c) Sabine Rübensaat
Tierhaltung
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Die Suche nach den Ursachen für hohe Zellzahlen und Mastitis ist sehr zeitaufwendig, denn sie können zahlreich sein. Wir geben Hinweise, wie man die Risikofaktoren für Euterentzündungen minimieren kann.

Von Dr. Ulrike Nebel, Leiterin Mastitislabor

Es ist wichtig, sich immer vor Augen zu führen, dass Mastitis eine multifaktorielle Erkrankung ist. Die Euterentzündungen sind nicht nur abhängig von der Pathogenität des Infektionserregers, sondern auch von beeinflussenden Risikofaktoren, wie der Fütterung, den Haltungsbedingungen, Mängeln in der Melkhygiene sowie von der allgemeinen und lokalen Immunitätslage des Tieres.

In den Sommermonaten spielt vor allem die Wärme eine entscheidende Rolle. Die Wohlfühltemperatur für Milchkühe liegt zwischen 4 – 15 °C, bereits ab 16 °C müssen laktierende Tiere Stoffwechselwärme abgeben. Abhängig von der Luftfeuchtigkeit können die Kühe schon ab 22 °C erste Symptome von Hitzestress zeigen. Zusätzlich begünstigt das warme Wetter die Vermehrung von umweltassoziierten Mastitiserregern in der Einstreu, was vor allem in Tiefstreuställen zum Problem werden kann.

Mastitis: Ursachenforschung mit Zellzahlen und Leitkeim

Die somatischen (körpereigenen) Zellen sind ein Indikator für die Eutergesundheit. Zu den somatischen Zellen gehören Abwehrzellen (Lymphozyten, Makrophagen und Granulozyten) sowie Epithelzellen des Eutergewebes.

Bei einer Mastitis erhöht sich die Zahl der Abwehrzellen, somit können aus der Höhe der Zellzahl Rückschlüsse auf die Eutergesundheit gezogen werden. Als Grenze für eine Störung der Eutergesundheit wird eine Zellzahl von 100.000 Zellen/ml Milch zugrunde gelegt. Der physiologische Normalwertbereich liegt rasseunabhängig bei 20.000 bis maximal 100.000 Zellen/ml Milch.

Mit fortschreitender Laktation und steigender Laktationsnummer steigt zwar die tolerierbare Zellzahl an, sollte jedoch nicht den Wert von 100.000 Zellen/ml Milch überschreiten. Es ist eine bekannte Tatsache, dass die meisten Milchgeldverluste durch den Bereich von 100.000 bis 200.000 Zellen/ml Milch verursacht werden.

Euterkranke Kuh, Euterviertel hinten links  stark geschwollen und leicht gerötet.
Euterkranke Kuh, Euterviertel hinten links stark geschwollen und leicht gerötet. (c) Sabine Rübensaat

Die Ursache von erhöhten Zellzahlen in einem Bestand zu finden, ist oft zeitaufwendig und es müssen immer verschiedene Faktoren mitberücksichtigt werden. Bei der Ursachensuche hilft es, den Erreger zu kennen, daher sollte der Leitkeim bekannt sein.

Der Leitkeim ist der wichtigste, meist auch der häufigste Mastitiserreger im Bestand. Grundsätzlich wird zwischen umweltassoziierten und euterassoziierten Leitkeimen unterschieden. Bei einem sehr häufigen Nachweis von koagulasenegativen Staphylokokken (KNS) ist zu überprüfen, ob sie sekundär bei den Probenahmen in die Milchproben gelangen. Nur sehr selten stellen KNS wie Staphylococcus chromgenes den Leitkeim in einem Bestand.

Leitkeimbestimmung einmal jährlich

Die Leitkeimbestimmung liefert wichtige Informationen zur Mastitisbekämpfung. Im Laufe der Jahre kann sich der Leitkeim in einem Bestand verändern. Eine Leitkeimbestimmung sollte mindestens einmal jährlich durchgeführt werden. Der Goldstandard für die Bestimmung des Leitkeims ist eine Gesamtherdenuntersuchung, da hierbei alle laktierenden Kühe einer Herde erfasst werden. Alternativ können 10 – 20 % der Kühe (mindestens zehn Tiere) ausgewählt werden, dabei ist es wichtig, dass alle Gruppen vom Frischabkalben bis hin zu den Kühen kurz vor dem Trockenstehen vertreten sind.

Der Leitkeim gibt eine wichtige Orientierung sowohl bei Einzeltierbehandlungen als auch bei Bestandssanierungen. Das Wissen um den Leitkeim in der Herde ist – sowohl in der Therapie als auch beim Trockenstellen – die Grundlage für die Auswahl der passenden antibiotischen Präparate. In regelmäßigen Abständen sollten Antibiogramme (circa alle drei Monate) erstellt werden, um zu bestimmen, welche Antibiotika aufgrund der Resistenzlage in der Herde eingesetzt werden sollten.

Werden die Kühe unter antibiotischem Schutz trocken gestellt, sollte auch die Auswahl der Trockenstellpräparate je nach Symptomatik und Leitkeim im Betrieb erfolgen. Es ist zu beachten, dass beim Einsatz von Antibiotika der Gruppe der Cephalosporine der dritten und vierten Generation (z. B. Wirkstoffe Cefquinom oder Cefoperazon) oder Fluorchinolonen (z. B. Marbofloxacin oder Enrofloxacin) gemäß der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken ein Antibiogramm erstellt werden muss.

Klinische und subklinische Mastitis

Das Keimspektrum der akuten klinischen Mastitiden kann sich vom Leitkeim unterscheiden. Die zeitnah durch bakteriologische Untersuchungen gewonnenen Ergebnisse bei klinischen Mastitiden ergänzen die Leitkeimbestimmung.

Bei klinischen Mastitiden treten neben sensorischen Veränderungen der Milch wie Flocken, Eiter, Blutbeimengungen bis hin zum vollständigen Verlust des Milchcharakters, auch allgemeine Krankheitssymptome bei dem betroffenen Tier auf. Das Euter ist geschwollen und schmerzhaft, bei schweren Verläufen kommt es auch zu Fieber und Fressunlust.

Die meisten Euterentzündungen sind subklinische Mastitiden. Diese Form zeigt weder eine sinnfällige Veränderung der Milch noch sichtbare Entzündungssymptome. Diese Tiere fallen in der Milchleistungsprüfung (MLP) durch einen Anstieg des Zellgehalts von unter auf über 100.000 Zellen/ml Milch auf. Auch mikrobiologische Untersuchungen von Viertelanfangsgemelken können mit dem Nachweis von pathogenen Infektionserregern subklinische Euterentzündungen aufdecken.

Staph. aureus, Galt, Strep. dysgalactiae, Strep. canis und Mykoplasmen gehören zu den euterassoziierten Erregern. Diese Erreger verursachen hauptsächlich subklinische Mastitiden, sodass die Tiere erhöhte Zellzahlen, aber wenige klinische Erkrankungen aufweisen. Die Übertragung erfolgt vor allem beim Melken von Tier zu Tier.

Hygiene ist das A und O

Bei der Bekämpfung von euterassoziierten Erregern liegt der Schwerpunkt auf der Melkhygiene. Es sollte immer ein Eutertuch pro Tier verwendet werden, dabei ist es wichtig, dass die Eutertücher sauber im Melkstand gelagert werden, das heißt vor Kot und Schmutzwasser geschützt.

Die Melker sollten saubere Einmalhandschuhe tragen, die bei Verschmutzung gereinigt bzw. gewechselt werden sollten. Insbesondere bei Problemen mit Staph. aureus sollten die Handschuhe nach jedem Tier zwischendesinfiziert werden.

Eine Melkzeugzwischendesinfektion sollte vorhanden sein, wobei immer auf die Einwirkzeit geachtet werden muss, z. B. 1.000 ppm Peressigsäure für 30 Sekunden. Gegebenenfalls muss eine Sanierung von Galt-, S. aureus- und Mykoplasmen-Infektionen eingeleitet werden. Generell sollten Kühe mit einem positiven bakteriologischen Befund gesondert in einer Euterkrankengruppe gehalten und nach allen anderen Tieren gemolken werden.

Die auf Blutagar in einer Petrischale angezüchtete Mastitiserreger Staphylococcus epidermidis, Escherichia coli und Staphylococcus aureus (o. l.).

Die auf Blutagar in einer Petrischale angezüchtete Mastitiserreger Staphylococcus epidermidis, Escherichia coli und Staphylococcus aureus (o. l.). (c) Sabine Rübensaat

Antibiogramm zur Testung von Mastitiserregern, welche Antibiotika in-vitro-sensibel bzw. resistent sind (o. r.)

Antibiogramm zur Testung von Mastitiserregern, welche Antibiotika in-vitro-sensibel bzw. resistent sind (o. r.) (c) Sabine Rübensaat

Mastitis ist eine schmerzhafte Belastung für die Kühe und hinterlässt merkliche Spuren auf dem Betriebskonto. Die Leitkeimbestimmung liefert wichtige Informationen zur Mastitisbekämpfung.

Mastitis ist eine schmerzhafte Belastung für die Kühe und hinterlässt merkliche Spuren auf dem Betriebskonto. Die Leitkeimbestimmung liefert wichtige Informationen zur Mastitisbekämpfung. (c) Sabine Rübensaat

Zu den umweltassoziierten Erregern der Mastitis gehören Strep. uberis, Enterokokken, coliforme Keime und E. coli. Koagulase-negative Staphylokokken werden von einigen Autoren zu den umweltassoziierten Erregern gerechnet und von anderen in der Sondergruppe der Hautbesiedler eingeordnet. Koagulase-negative Staphylokokken haben eine geringe Pathogenität, das heißt sie sind weiniger krankmachend als die anderen Erreger und sollten nur beim Auftreten von klinischen Symptomen antibiotisch behandelt werden.


Kühe im Melkkarussell der Agrargenossenschaft Reichenbach
(c) Sabine Rübensaat, Fritz Fleege

Karussellfahrt für 280 Kühe pro Stunde

Tierwohl in der Milchkuhhaltung spielt in der Agrargenossenschaft Reichenbach im Vogtland eine besondere Rolle. Die Milchviehanlage dort wurde nach neuesten Erkenntnissen errichtet. Davon haben sich auch Milcherzeuger des IVM ein Bild gemacht. mehr


Stallhygiene: Saubere und trockene liegeboxen

Umweltassozierte Erreger, insbesondere E. coli und coliforme Keime, führen zu vielen klinisch kranken Kühen und stark verändertem Milchsekret. Bei der Bekämpfung von umweltassoziierten Erregern liegt der Schwerpunkt auf der Stallhygiene. Hierzu gehören saubere und trockene Liegeboxen. Die Liegeboxen sollten täglich gereinigt werden, das heißt Kot entfernen und Deckschicht auffüllen. Bei dem Einsatz von Kalk ist darauf zu achten, dass der pH > 9 ist.

Überbelegung führt neben Stress für die Tiere auch zu einer größeren Verschmutzung im Stall. Wenn nicht genügend Liegeboxen vorhanden sind, legen sich die Kühe in die verdreckten Laufgänge. Auch die Laufgänge sollten sauber sein, beim Laufen sollte kein Schmutz an das Euter gespritzt werden.

Nach dem Melken sollte ausreichend schmackhaftes Futter angeboten werden, sodass die Kühe nach dem Melken stehen bleiben und fressen. Vor dem Melken ist eine gute Zitzenreinigung notwendig, um eine Verschleppung auf andere Tiere über die Melkbecher zu vermeiden.

Quorum Sensing – Bakterien organisieren sich

Schon lange ist bekannt, dass Bakterien miteinander kommunizieren. Einfach gesagt: Sie senden spezielle Signalmoleküle aus, so können sie sich gruppieren und gemeinsam Prozesse starten, um dem Wirtstier zu schaden. Diese Kommunikation wird als „Quorum Sensing“ (QS) bezeichnet.

Zudem bilden Bakterien gemeinsam einen Biofilm, eine schleimige Schicht, welche sie vor den Immunzellen des Wirtstiers sowie vor Antibiotika schützt. Somit sind Bakterien nur dann bekämpfbar, wenn sie außerhalb des Biofilms sind. Die Natur stellt Moleküle bereit, die – in richtiger Dosierung – mit dem Quorum Sensing der Bakterien wechselwirken und den Biofilm auflösen. Ohne den schützenden Biofilm kann das Immunsystem des Tieres die Bakterien wirksam bekämpfen und beispielsweise das Euter nachhaltig reinigen. Das wirkt sich logischerweise positiv auf die Eutergesundheit sowie die Milchproduktion aus.
Von Dr. Uwe Scheper

FAZIT

Jeder Milchviehhalter sollte versuchen, die Risikofaktoren für Mastitis zu minimieren. Denn eine alleinige antibiotische Therapie kann das Infektionsgeschehen nicht langfristig tilgen. Hilfe kann der Landwirt dabei durch Beratungen und in Zusammenarbeit mit Hoftierarzt, diagnostischem Labor und im Bedarfsfall auch mit dem Eutergesundheitsdienst erhalten. Für Fragen zur Mastitisdiagnostik steht zudem die Autorin gern zur Verfügung.

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