Milchviehhaltung EuroTier: Guter Start ins Leben
Die diesjährige EuroTier fand zwar ohne Besucher statt, doch sie hat digital für große Aufmerksamkeit gesorgt. Wir haben zur Milchviehhaltung noch eine kleine Nachlese erstellt.
Von Fritz Fleege
Für Milcherzeuger und Rinderhalter gab es auf der EuroTier ein umfangreiches Angebot. In 55 DLG-Spotlights befassten sich Wissenschaftler und Praktiker mit aktuellen Themen. Da ging es um neue Haltungs- und Stallkonzepte sowie Fütterungskontrollen. Über die wichtigsten Vorträge berichteten wir in der Bauernzeitung 7/2021, S. 40 bis 44. Nun folgt noch eine kleine Nachlese zu den Online-Informationen der DLG über Geburtshilfe, Gesundheitsvorsorge und Klauenpflege.
Geburt und Geburtshilfe – damit fängt es an
„Die Kälberverluste sind immer noch zu hoch“, erklärt Prof. Dr. Axel Wehrend, Justus-Liebig-Universität Gießen im Rahmen der EuroTier. Durch optimale Geburtsüberwachung können sie deutlich gesenkt werden. So sollte man die Kühe vor dem Kalben in eine bequeme Box mit sauberer Einstreu unterbringen, wo sie möglichst Sichtkontakt zu anderen Tieren haben. Anzeichen einer nahenden Geburt sind die Lockerung der breiten Beckenbänder, die Biegsamkeit der Schwanzspitze und die Veränderung der Vulva. Zur Geburtsüberwachung ist der Mensch unentbehrlich, auch wenn es immer bessere technische Hilfsmittel gibt. Besonders wichtig ist eine keimarme Umgebung, um Infektionen von Kuh und Kalb zu vermeiden.
Die Geburt verläuft am besten, wenn die Kuh liegt. Nur so ist ihr eine maximale Kraftentfaltung möglich und der Durchmesser der Geburtswege ist am größten. Nach der Öffnung folgen Austreibungs- und Nachgeburtsphase. Bei nötiger Geburtshilfe ist sehr behutsam umzugehen. Beim Einsatz des mechanischen Geburtshelfers ist auf eine ausreichende Dehnung zu achten. Das Kalb sollte keine Lageanomalien aufweisen und der Muttermund vollständig geöffnet sein. Zuerst ist ein wechselseitiger Zug empfehlenswert. An beiden Gliedmaßen ist gleichzeitig zu ziehen, wenn die Schultern im Becken sind. Beim Austreten des Brustkorbs vom Kalb muss der Zug in Richtung Euter der Kuh verändert werden, damit sich die Hintergliedmaßen strecken können. Maximal dürfen zwei Personen ziehen.
Nach wie vor sind Schwergeburten ein Problem. Sie lassen sich auch durch sorgfältige Beobachtung nur schwer erkennen. Bei solchen Kühen sind vor der Geburt Scharren, Harnabsatz und Scheuern häufiger zu beobachten. Deutliche Anzeichen sind, wenn die Zeit vom Platzen der Fruchtblase bis zum Durchtritt des Kopfes über 1,5 Stunden dauert oder Teile der Nachgeburt schon sichtbar werden, bevor das Kalb da ist. In dieser Situation ist schnelle Hilfe erforderlich.
Optikuh2 bringt neue Perspektiven
Die Milchproduktion mit ihrem hohen Ressourceneinsatz und deren Umweltwirkung wird vom Konsumenten mit Fokus auf das Tierwohl kritisch betrachtet. Dazu kommen in der Praxis der Diskurs von Ökonomie mit sinkenden Erzeugerpreisen und eine rasante Digitalisierung der Produktionsprozesse. In diesen Bereichen werden allerlei Daten zusammengeführt. So hat man schon 2014 das Netzwerk OptiKuh geschaffen, berichtet Prof. Dr. Marion Schmicke von der Universität Wittenberg im Rahmen der EuroTier. Daraus sind unter anderem Empfehlungen zu einem effizienten Kraftfuttereinsatz oder auch zu den umweltrelevanten Elementen Stickstoff und Phosphor hervorgegangen.
Neue Forschungen im Netzwerk OptiKuh2 betreffen die Futteraufnahme, Effizienzmerkmale, digitale Gesundheitsvorsorge und die Zucht. So kommt es darauf an, wie effizient das Futter in tierische Produkte umgewandelt wird. Da stehen Lebendmasse- und Futtereffizienz im Fokus. Was noch fehlt, ist die Vorhersagbarkeit der Futteraufnahme während der Trockenstehzeit. Auch digitale Gesundheitsvorsorge-Apps, Kuhmarker und Managementsysteme werden eingebaut. So lassen sich Vorhersagen treffen, ob eine Hypercalcämie, Ketose oder Labmagenverlagerung auftreten könnten, um entsprechende Maßnahmen einzuleiten, bevor die Kuh erkrankt.
Verbesserung der Klauengesundheit nötig
Prof. Dr. Alexander Starke von der Universität Leipzig und Robert Otto von der Agrargenossenschaft Eibau sowie Klaus-Herrmann Haß, Klauenpfleger in Schleswig Holstein, berichteten, dass die Hälfte der Kühe in Deutschland Lahmheiten und Klauenerkrankungen aufweisen. Auch in der sächsischen Agrargenossenschaft Eibau ist das trotz verbesserter Haltungsbedingungen noch ein Problem. Unter den 30 Prozent der erkrankten Tiere waren 186 komplizierte Fälle, vor allem mit Sohlengeschwüren. Durch intensive Behandlung konnte die Zahl auf 56 Tiere gesenkt werden. Dadurch ist nicht nur die Milchleistung gestiegen, sondern bei den Abgangskühen auch der Schlachterlös. Tiergesundheit und Leistung lassen sich nur in der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit von Landwirt, Klauenpfleger und Tierarzt sichern.
Klauenpfleger Haß wurden immer wieder Tiere mit den gleichen Problemen vorgestellt. Doch wenn er sich intensiver um die einzelne Kuh kümmerte, verdiente er weniger Geld. Nun arbeitet er tierindividueller und nimmt eine Mischkalkulation vor. Prof. Starke bestätigte, dass die Qualität der Arbeit berücksichtigt werden sollte. Und Robert Otto machte darauf aufmerksam, dass der Landwirt dafür zu sorgen hat, dass erst gar nicht so viele Kühe an den Klauen erkranken.
Noch verfügbar: EuroTier 2021 als digitale Messe
Vom 09.-12. Februar fand die Messe EuroTier zum ersten Mal digital statt. Nachträglich kann man noch bis April das digitale Angebot verfolgen. mehr