Schweinezucht in Sachsen-Anhalt: Vorwurf der Tierquälerei
Video-Aufnahmen der Tierrechtsorganisation Animal Equality in einem Schweinezucht-Betrieb im Jerichower Land legen den Verdacht von Verstößen gegen den Tierschutz nahe. Die Ermittlungen zur Tierquälerei laufen.
Von Detlef Finger
In einer Sauenanlage in Kleindemsin im Landkreis Jerichower Land (Sachsen-Anhalt) soll es zu schweren Verstößen gegen das Tierschutzgesetz gekommen sein. Darüber berichtete am 27. Juni 2024 das ARD-Magazin Kontraste. Dabei ausgestrahlte Filmaufnahmen der Tierrechtsorganisation Animal Equality zeigen unter anderem, wie Tiere umhergeworfen, getreten, geschlagen oder mit Viehzeichenstiften bemalt werden.
Bericht im ARD-Magazin Kontraste
Über vier Monate hatte ein Aktivist der Tierrechtsorganisation demnach in diesem Zuchtbetrieb gearbeitet und undercover gefilmt. Die Videoaufnahmen, die dem Sender RBB zugespielt wurden, sollen im Zeitraum von Sommer bis Winter 2023 entstanden sein.
Vorwurf Tierquälerei: Video soll „inszeniert“ sein
Verantwortlich für den Betrieb der Schweinezuchtanlage in der fraglichen Zeit war die DEMVA GmbH. Diese soll ein Gespräch mit den Journalisten abgelehnt, auf schriftliche Anfrage aber erklärt haben, dass die Bilder aus Sicht der Firma „inszeniert“ seien, „extra für eine Kamera produziert“. Gleichwohl wolle der Betrieb nach eigenem Bekunden gegen mittlerweile identifizierte Personen Strafanzeige erstatten. Der DEMVA zufolge ist eine Person bereits im Jahr 2023 entlassen worden.
Mehrere Strafanzeigen erstattet
Animal Equality hat gegen die Verantwortlichen und einige Mitarbeiter des Betriebes wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz Strafanzeige gestellt. Die Staatsanwaltschaft Stendal hat dies gegenüber der Bauernzeitung bestätigt. Auch, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Dieses werde wegen der umfänglichen Anzeige allerdings voraussichtlich nicht mehr in diesem Jahr abgeschlossen werden.
Außerdem teilte die Staatsanwaltschaft mit, es lägen vier Strafanzeigen von Privatpersonen in der Sache vor, auch sei das zuständige Veterinäramt des Landkreises Jerichower Land informiert.
Sachsen-Anhalt: Letzte Kontrolle war 2020
Für ein Interview mit Kontraste stand das Veterinäramt nicht zur Verfügung. Auf Nachfrage des MDR soll der Landkreis erklärt haben, nichts von den Missständen gewusst zu haben. 2020 soll die letzte Kontrolle in dem Betrieb in Kleindemsin stattgefunden haben, bei der auch Mängel bei der Haltung, Behandlung und Versorgung von kranken oder verletzten Tieren festgestellt wurden.
Aufgrund von Personalmangel und der Corona-Pandemie fanden seitdem keine Kontrollen mehr statt, wird eine Sprecherin zitiert. Eine nächste Prüfung werde demnach vorbereitet, ein konkreter Termin sei aber noch nicht festgelegt.
Betreiber wechselte mehrfach
Bis Ende Juli vorigen Jahres, also kurz bevor der Tierrechtsaktivist die mutmaßlichen Missstände dokumentierte, war dieser Betrieb der LFD Holding GmbH (Landwirtschaftliche Ferkelzucht Deutschland) unterstellt. Letztere war 2015 aus dem ehemaligen Imperium des Niederländers Adrianus Straathof hervorgegangen. Gegen ihn war 2014 wegen gravierender Tierschutzverstöße in einem seiner Betriebe ein bundesweites Tierhaltungsverbot verhängt worden. 2020 wurde die LFD Holding an einen Schweizer Investor, die Terra Grundwerte AG, verkauft.
Mit der Geschäftsleitung wurde die Lindhorst-Gruppe mit Sitz in Winsen an der Aller (Niedersachsen) beauftragt. Ende Juli 2023 ist der auf das Jahr 2014 datierte Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag der DEMVA GmbH mit der LFD allerdings durch Aufhebung beendet worden. Das deutet darauf hin, dass es möglicherweise zwischenzeitlich einen Betreiberwechsel gegeben hat.
Bestand an Tieren hat sich vergrößert
Laut einem Genehmigungsbescheid des Landesverwaltungsamtes (LVwA) Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2013 sollten die Tierhaltungskapazitäten der Anlage damals auf knapp 8.000 Sauen- und rund 1.500 Ferkelplätze mehr als verdoppelt bzw. vervierfacht werden. Die Zahl der ursprünglich 1.200 Jungsauenplätze sollte sich dagegen in etwa halbieren.
Der zulässige Gesamttierbestand vergrößerte sich damit von rund 1.250 Großvieheinheiten (GVE) auf 2.700 GVE. Antragsteller im Jahr 2010 war die Agrar Invest B.V. 2012 übernahm die Schweinezucht Demsin GmbH den Betrieb der Anlage als Mieter, die anderthalb Jahre später mit Gesellschafterbeschluss in DEMVA GmbH umbenannt wurde.
2017 gab es in dem Betrieb einen Brand
Die DEMVA GmbH war bereits einmal in den Schlagzeilen: Im April 2017 war es aufgrund eines technischen Defekts zu einem Großbrand in einem modernisierten Stallkomplex der Schweinezuchtanlage in Kleindemsin gekommen. Damals starben rund 300 Schweine in den Flammen, es entstand nach Firmenangaben ein Schaden von zwei bis zweieinhalb Millionen Euro.