Seit wann gibt es den Kastenstand?
Bis in die 1950er-Jahre galt die Anwesenheit des Ebers in der Schweinezucht als alternativlos. Dann hörten Jenenser Wissenschaftler von chinesischen Kollegen, die es anders machten. Bald darauf hielt die künstlichen Besamung Einzug – und mit ihr der Kastenstand.
Das Ende des Kastenstandes in der Sauenhaltung ist beschlossene Sache. Wann und warum wurde diese heute so umstrittene Haltungsform in die Schweinezucht eingeführt? Wir haben Zeitzeugen danach gefragt und erfahren: Der Weg führt von Changsha in China über Jena nach Dummerstorf.
Denn vor der Einführung des Kastenstandes im Besamungsstall stand die „Entdeckung“ der künstlichen Besamung beim Schwein. Nahezu parallel hielt der Rohrrahmen Einzug in den Abferkelbereich in der DDR-Schweinehaltung. Prof. Dr. Ingo König, einst Abteilungsleiter Schweinezucht am „Forschungszentrum für die Tierproduktion“ Dummerstorf-Rostock (heute Leibniz-Institut für Nutztierbiologie), war als junger Assistent am Lehr-und Versuchsgut der Universität Jena in Zwätzen mit dabei, wie er der Bauernzeitung berichtet.
Besamung: Die Kunst, schwere russische Eber zu verpaaren
Noch bis Ende der 1950er-Jahre hielt man es aufgrund der Anatomie und Physiologie nicht für möglich, Schweine zu besamen. Der bedeutende Jenenser Tierzuchtforscher Prof. Dr. Fritz Hofmann war schon an der Einführung der Rinderbesamung in Thüringen maßgeblich beteiligt, hielt aber von der Schweinebesamung nichts. Dennoch reiste er 1959 nach China. Hier war erfolgreich Sperma großer russischer Eber auf kleinwüchsige chinesische Sauen übertragen worden. Ihn interessierte, auf welche Weise.
Noch aus China sandte Hofmann seinem jüngsten Assistenten König den Auftrag, ein Phantom zur Spermagewinnung zu bauen.
Nun begann die Forschungsarbeit. Schon im November 1960 erschien in der Zeitschrift „Tierzucht“ ein Fachbeitrag Königs, der bereits in der Überschrift nüchtern, für die Fachwelt aber spektakulär genug verkündete: „Künstliche Besamung auch bei Schweinen“.
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Die „planmäßige Belegung großer Sauengruppen innerhalb von wenigen Tagen“ (Raus-Rein-Prinzip) wurde dann in den 1960er-Jahren in Thüringer Betrieben erprobt und 1966 in der Dummerstorfer Versuchsanlage für Schweinezucht und -produktion mit 200 Zuchtsauen im mecklenburgischen Pankelow erprobt. Hier kamen König zufolge Kastenstände zum Einsatz. Dafür gab es zwei Gründe: Einerseits hatte man gelernt, dass die Sau für die Besamung fixiert sein sollte, und andererseits wollte man die Sauen in dieser Phase keinem Stress in der Gruppe aussetzen.
Kastenstände für die Typenställe
Bis Mitte der 1970er-Jahre wurden diverse, in Dummerstorf entwickelte Kastenstandstypen erprobt. Ab 1976 stand dann ein Standard-Kastenstand für Jungsauen (0,55 m x 1,60 m) und für Altsauen mit (0,65 m x 1,80 m) zur Verfügung. Auch bei den Abferkelbuchten gab es eine Entwicklung (Förster; Schwedisches Modell) bis zum „Standard-Typ 044“, welcher arbeitswirtschaftliche Vorteile bot und die Ferkelverluste deutlich minimierte.
Was macht den „Schweinestall von morgen“ aus?
Die Antwort der Experten, die diese Frage auf dem Köllitscher Stallbautag diskutierten, lautet etwa so: Der „Schweinestall von morgen“ muss Kupierverzicht erlauben und wird meist eine Hülle nutzen, die heute schon steht. mehr
Diese TGL-gerechten Einrichtungen fanden sich dann auch in den 1970er-Jahren in den sogenannten „Angebotsprojekten“ (Fertigställe) wieder. Wie der Veterinärmediziner Prof. Hartwig Prange berichtet, wurden diese Anlagen von der Bauakademie Berlin (Bau), dem Forschungszentrum Dummerstorf (Zucht und Organisation), dem zentralen Betrieb Landtechnik Potsdam-Bornim (Ausrüstung) und dem Institut für angewandte Tierhygiene Eberswalde (Tierhygiene und Veterinärwesen, der DDR-Vorläufer des heute oft geforderten „Stalltechnik-TÜVs“), wo Prange bis 1975 kommissarischer Abteilungsleiter Schweineproduktion war, erarbeitet.
Schweinezucht: Weltspitze beim künstlichen Besamen
Die Betriebsgrößen der ersten Generation arbeiten zum Teil bis heute. 575 Anlagen mit 1.275 bzw. 2.550 Sauenplätzen wurden insgesamt errichtet, daneben 55 Anlagen mit 6.000 bzw. 12.480 Mastplätzen. Problematisch, so Prange, waren erst die „Übergrößen“ der 1980er-Jahre mit Platz für 6.500 bzw. 13.000 Sauen und 42.000 bzw. 84.000 Mastschweinen.
Ingo König zufolge hatte die DDR-Schweineproduktion im Jahr 1988 eine Besamungsdichte von gut 86% bei einer Trächtigkeitsrate von etwas mehr als 80 % sowie 10,4 lebendgeborenen Ferkeln je Wurf erreicht. Im Weltmaßstab gesehen nahm die DDR mit etwa 1,8 Mio. Erstbesamungen den zweiten Rang hinter der UdSSR ein. Im Jahr 1991 betrug in Westdeutschland der Anteil der Würfe aus künstlicher Besamung 26 %. Heute beträgt der Anteil künstlicher Besamungen an den kontrollierten Belegungen in Deutschland schätzungsweise 91 %. fh