Tag des Milchviehhalters: Ein Format mit Tradition
Der diesjährige Tag des Milchviehhalters am Zentrum für Tierhaltung und Technik im altmärkischen Iden wartete mit einem Fachvortrag zur Tierzucht und einer Reise zu Milchviehbetrieben auf fünf Kontinenten auf.
Der Tag des Milchviehhalters in Sachsen-Anhalt bietet Praktikern alljährlich im Frühjahr und im Spätherbst die Möglichkeit, sich zu speziellen fachlichen Themen weiterzubilden und Erfahrungen auszutauschen. Am 10. November erlebte die traditionsreiche Gemeinschaftsveranstaltung der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau (LLG), des Landeskontrollverbandes für Leistungs- und Qualitätsprüfung und der Rinder-Allianz GmbH ihre 50. Auflage.
Angesichts der aktuell sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation der Milcherzeuger wurde aber auf eine Jubiläumsveranstaltung verzichtet. Stattdessen gab es am Zentrum für Tierhaltung und Technik (ZTT) der LLG in Iden eine Tagung mit zwei Vorträgen, die Mut machen sollten in einer Zeit, in der die Branche unberechtigterweise in „schwere See“ geraten ist, wie RinderAllianz-Geschäftsführer Dr. Matthias Löber bei der Begrüßung der Teilnehmer sagte.
Tiergesundheit im Blick
Im ersten Vortrag ging Hermann Swalve, Professor für Tierzucht und amtierender Direktor am Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Martin-Luther-Universität in Halle/S., auf den „Beitrag der Züchtung zu Gesundheit und Wohlergehen von Rindern“ ein.
Grundlage seiner Ausführungen war eine Stellungnahme des Genetisch-Statistischen Ausschusses der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ), dem Swalve vorsteht. Unter Verweis auf andauernde gesellschaftliche Debatten zu Fragen der Tierzucht sagte er, anfangs habe die züchterische Steigerung der Produktionsleistungen im Vordergrund gestanden, längst stünde aber auch die Verbesserung der Gesundheit und Robustheit der Nutztiere im Fokus.
Schließlich liege die Tiergesundheit auch im ökonomischen Interesse der Tierhalter. Moderne Zuchtprogramme wichteten die Leistung im Zuchtziel häufig schon zu weniger als 50 %. Gesellschaftliche Vorstellungen von Tierwohl gingen aber teils deutlich über die Mindestanforderungen des Tierschutz- und des Tierzuchtgesetzes hinaus und seien zudem sehr heterogen, was eine Konsensfindung erschwere.
Naturnahe Haltungssysteme
Swalve betonte, moderne Tierzüchtung müsse auch die Umweltbedingungen beachten. Naturnahe Haltungssysteme stellten meist hohe Anforderungen an die Tiere hinsichtlich Gesundheit, Fitness und Robustheit. Es sei notwendig, Tiere für die Umwelten zu züchten, in denen sie typischerweise gehalten werden. Innerhalb einer Tierart habe dies zur Differenzierung in unterschiedliche Rassen mit unterschiedlichen Ansprüchen geführt.
Ein wichtiges Anliegen der Tierzüchtung sei zudem der Erhalt der genetischen Variation der Nutztierpopulationen. Eine möglichst große natürliche genetische Variation sei ein Wert an sich, sichere die Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Haltungs- und Umweltbedingungen und ermögliche zukünftige Zuchterfolge. Hierzu müssten sowohl bedrohte Nutztierrassen als auch die genetische Variation in modernen Nutztierrassen geschützt werden.
Darüber hinaus müsse Tierzüchtung dem Ressourcenschutz dienen. Das Verbessern der Effizienz der Nährstoffverwertung sei möglich und sinnvoll. Zudem könne dies zum Vermindern des Ressourcenverbrauchs und einer besseren Umweltverträglichkeit der Tierhaltung beitragen.
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Milchviehbetriebe: Von Europa bis Amerika
Danach nahm Bauernzeitungsredakteur Fritz Fleege die Teilnehmenden zum Tag des Milchviehhalters in Sachsen-Anhalt mit auf eine Reise zu Milchviehbetrieben auf fünf Kontinenten, die er dienstlich oder privat besucht hat.
Stationen waren neben Deutschland u. a. die Niederlande samt ausgefeilter Grünlandwirtschaft, Dänemark und seine roten Kühen, Schweden mit den vielen Melkrobotern, Norwegen mit den höchsten Milchpreisen in Europa (> 60 ct/kg), Russland mit in Aktiengesellschaften umgewandelten Kolchosen, Kanada mit den teuersten Milchquotenpreisen (ca. 30.000 $/kg Milchfett), die USA mit ihrem Milchland Wisconsin, Kolumbien mit seinen Wald-Weide-Systemen, Argentinien mit der kostengünstigsten Milcherzeugung, Südafrika und seine Spitzenzucht am Fuße des Tafelbergs, Israel mit der höchsten mittleren Laktationsleistung (gut 12.000 kg), Saudi-Arabien mit dem größten Kuhstall der Welt (40.000 Stallplätze), Indien als weltgrößter Milchproduzent sowie Australien und Neuseeland als größte Milchexportländer.
Rund 60 Staaten hat Fritz Fleege inzwischen besucht. Eine Zusammenfassung eines großen Teils seiner Reiseeindrücke bietet sein derzeit leider vergriffenes Fachbuch „Menschen. Milchvieh. Melkroboter: Begegnungen in 38 Ländern auf fünf Kontinenten“.
Standort Iden stärken
LLG-Präsident Dr. Falko Holz freute sich, dass der Milchviehhaltertag den Standort Iden in den Blickpunkt rückt. Das sei wichtig, vor allem für die vor Ort vermittelte Überbetriebliche Ausbildung für angehende Land- und Tierwirte sowie Fachkräfte Agrarservice aus Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.
Hans-Jürgen Schulz, Abteilungsleiter im Agrarministerium, sicherte zu, dass das Land die in Iden geplanten Investitionen, darunter den Neubau eines Kuhstalles, zu Ende bringen werde, um den Standort als Kompetenzzentrum für art- und umweltgerechte Nutztierhaltung zu entwickeln. Dem Zentrum für Tierhaltung und Technik bescheinigte er „hervorragende Arbeit“. Matthias Löber dankte am Tag des Milchviehhalters in Sachsen-Anhalts schließlich den Sponsoren für deren Beitrag zum Gelingen der Tagung und die Unterstützung der Milcherzeugerbranche.