Im Stroh wühlen und liegen die Schweine gerne und es erhöht das Tierwohl. (c) Sabine Rübensaat

Mehr Tierwohl für Schweine nach Stall-Umbau in MV

Wenn alle aufhören, soll man anfangen, heißt es. Ein erfolgreicher Neustart in der Ferkel-Erzeugung gelang der Andresen Siedenbollentin GmbH & Co. KG in Mecklenburg-Vorpommern. Nach dem Umbau fühlen sich die Sauen im Stall sichtbar wohl.

Von Fritz Fleege

Die Schweinehaltung in Deutschland steht oft in der kritischen Berichterstattung. Pauschal wird über Sauen in engen Kastenständen gesprochen. Für die Jungschweine und Sauen sind die Abteile oftmals klein-bemessen und nicht immer rosig für die Tiere, weil ihnen zum Beispiel Stroh als Beschäftigungsmaterial fehlt. Doch welcher Landwirt konnte in den letzten Jahren investieren, wo die Ferkelpreise unter 25 Euro je Tier abrutschten und es für das Mastschwein kaum noch 1  €/kg Schlachtgewicht gab?

Davon war auch die Andresen Siedenbollentin GmbH & Co. KG im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte betroffen. Dennoch gab Dirk Andresen, Eigentümer des Unternehmens, die Schweinehaltung nicht auf.
Dirk Andresen und die junge Geschäftsführerin Thea von Hartz empfangen uns am Eingang der Schweineanlage.

Biosicherheit steht an erster Stelle

Das Gelände ist mit zwei hohen Zäunen umgeben. Der Einlass erfolgt über eine Fahrzeugschleuse mit Wasserbecken und -matten zur Desinfektion. Besonders gefürchtet ist nämlich nach wie vor die Afrikanische Schweinepest. Diese traf 1997 auch Siedenbollentin, sodass man alle Schweine keulen musste. Biosicherheit steht auch heute oben an. Besucher müssen sich ins Gästebuch eintragen und der Zugang zur Anlage erfolgt über das Schwarz-Weiß-Prinzip.

Dirk Andresen, Eigentümer des Unternehmens, Thea von Hartz, Geschäftsführerin und Paul Hannig, Leiter des Pflanzenbaus
Dirk Andresen, Eigentümer des Unternehmens, Thea von Hartz, Geschäftsführerin und Paul Hannig, Leiter des Pflanzenbaus (c) Sabine Rübensaat

Im Büro angekommen, erhalten wir zunächst einen Überblick über die Geschichte und Entwicklung der Schweineanlage. Der Betrieb verfügt über 1.600 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und hält 1.250 Sauen zur Ferkelerzeugung.

Wichtig für das Unternehmen sind auch zwei Biogasanlagen mit je 600 KWel und drei Fermenter. Die Abwärme wird zur Beheizung der Schweineställe, Verwaltungsräume und Werkstätten und auch von Privathaushalten genutzt. Außerdem dient sie zur Trocknung von Getreide und Holz. Dazu investierte der Betrieb viel Geld in den Kauf von Landtechnik. So schaffte man auch im vergangenen Jahr eine neue Getreidetrocknung, drei Traktoren, einen Mähdrescher und eine Einzelkorndrillmaschine an.

Ein weiterer Betriebszweig ist die Erzeugung von Biogas. Demnächst soll auch eine Freilandsolaranlage mit einer Leistung von 115 MWel geschaffen werden, was mit der Gemeinde abgestimmt ist.

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Weitere Informationen

Tierwohl für die Schweine: Umbau der Sauen-Haltung

Im Mittelpunkt steht derzeit der Umbau der Schweinehaltung. Zunächst wurde die Anlage, in der man einst 1.650 Sauen mit Ferkeln hielt, komplett geräumt. Schließlich wollte man mit der Schweinehaltung wieder von vorn anfangen, also mit neuer Genetik tierwohlgerechter Aufstallung und neuem Management entsprechend der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Insgesamt investierte der Betrieb bisher 1,5 Mio. Euro in den Umbau, wovon noch 40 % aus Fördermitteln stammten.

Der Neustart im Schweinebereich ist in Siedenbollentin gut gelungen. Heute stehen 1.250 PIC-Sauen aus Dänemark im Stall. Die PIC-Genetik (Pig Improvement Company) ist eines der weltweit größten Unternehmen für Schweinezucht. Sie ist eine Ideale Rasse für spezialisierte Ferkelerzeuger. Die Sauen sind robust und recht fruchtbar. Sie haben mehr funktionsfähige Zitzen und bringen homogene Würfe (in der Regel 14 Tiere) zur Welt. Es gibt auch eine große Auswahl an Spitzen-DANIC -Vorstufenebern, die mit ihrem Sperma für robuste Ferkel mit guten Zunahmen sorgen.

Derzeit werden je Wurf etwa zwölf Ferkel abgesetzt. Bevor wir die Ställe betreten, müssen wir durch die Hygieneschleuse. Duschen und Kleiderwechsel sind angesagt.

Die tragenden Sauen kommen im Wartestall bis kurz vor dem Abferkeln in stabilen Gruppen in einer strukturierten Umgebung unter.
Die tragenden Sauen kommen im Wartestall bis kurz vor dem Abferkeln in stabilen Gruppen in einer strukturierten Umgebung unter. (c) Sabine Rübensaat

Deckzentrum der Sauen mit Außenauslauf auf Stroh

Dann geht es in den Stall. Erste Station sind die Deckzentren. Das erste Abteil, wo die Sauen nach dem Absetzen hinkommen, hat noch einen überdachten Außenauslauf mit dicker Stroheinstreu. Diesen suchen die Tiere gern auf. Sie wühlen und knabbern am Stroh und strecken sich auch zur Ruhe aus. Sie fühlen sich dort sauwohl.

Wichtiger für das Deckzentrum ist aber der Innenbereich. Dieser ist mit Spaltenböden ausgelegt und unterteilt. Links und rechts der Laufgänge sind Boxen eingerichtet, die sich bei Bedarf schließen lassen. 65 Sauen finden dort Platz. Außerdem gibt es noch einen Gang, wo die Eber laufen und die Sauen zur Brunst anregen. Je Sau stehen im Deckzentrum 5 m2 Fläche zur Verfügung. Diesen Platz brauchen sie für das Rauscheverhalten und auch, um Rangordnungskämpfe auszutragen.

Ausreichend Platz im Wartestall soll den Tieren freie Bewegung ermöglichen. (c) Sabine Rübensaat
Ausreichend Platz im Wartestall soll den Tieren freie Bewegung ermöglichen. (c) Sabine Rübensaat

Die Besamungen erfolgen wöchentlich von Donnerstag bis Sonnabend. Nach der erfolgten Besamung kommen die Sauen im zweiten Abteil des Deckzentums unter. Dort stehen sie weiter unter Beobachtung, denn sie könnten noch einmal umrauschen.

Drei Wochen nach der Besamung erfolgt ein Trächtigkeitstest. Fällt der positiv aus, kommen die Sauen in den Wartestall. Dort verbleiben sie während der Trächtigkeit in stabilen Gruppen in einer strukturierten Umgebung. Ein großer Unterschied zwischen dem Deck- und Wartestall ist das geringere Platzangebot. Dennoch ist der vorgeschriebene Platz von 2,5 m2 je Tier groß genug, um die Abteile gut in Fress-. Liege- und Kotbereich zu strukturieren. Im Wartestall verbleiben die Sauen bis etwa eine Woche vor dem Abferkeltermin. Dann kommen sie in den Abferkelstall.

Abferkelbucht mit beheiztem Nest

Auch im Abferkelstall ist vieles im Sinne des Tierwohls für die Schweine erneuert und großzügiger gestaltet. In jedem Abteil sind 76 Buchten, die 7,2 m2 groß sind. Der Schutzkorb bleibt nur eng an der Sau beim Ferkeln und wenige Tage danach, damit keine Jungtiere erdrückt werden. Danach wird er geöffnet und die Sau kann sich in ihrer Bucht umdrehen und frei bewegen.

Die Seitenwände der Buchten sind nur 50 cm hoch, sodass die Mitarbeiter bei Reinigung und Kontrolle sie bequem betreten können. Die Fütterung erfolgt sensorgesteuert, sodass jede Sau ihre bestimmte Ration erhält. Wasser erhält die Sau über eine Zuleitung mit Saugnippel. Die Ferkel können zwischen zwei Tränksystemen wählen. Zusätzlich haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, jede Box mit einem gesonderten Wasserschlauch zu reinigen.

Die Ferkel können einen geschützten Platz aufsuchen. Die Liegeplatte ist dort auf etwa 37 °C erwärmt. Darüber ist noch ein Deckel angebracht, von wo aus die Liegefläche beheizt wird. Die Ferkel gehen zum Ruhen gern dorthin. Noch in der ersten Lebenswoche bekommen alle Ferkel Impfungen und Ohrmarken. Unter leichter Isofluran-Narkose werden ihre Schwänze kupiert und die männlichen Ferkel fachgerecht kastriert. Danach kommen sie wieder wohlbehütet ins Nest zurück.

Damit sich die jungen Tiere zeitig ans Fressen gewöhnen, steht neben dem Nest noch ein kleiner Behälter mit einer speziellen Schrotmischung (Prestarter). Nach vier Wochen wiegen die Babyferkel etwa 8 kg und werden von der Mutter abgesetzt.

Der Schutzkorb wird schon wenige Tage nach dem Abferkeln geöffnet, sodass sich Sau und Ferkel frei bewegen können.
Der Schutzkorb wird schon wenige Tage nach dem Abferkeln geöffnet, sodass sich Sau und Ferkel frei bewegen können. (c) Sabine Rübensaat

Tageszunahmen von 500 Gramm

Die jungen Tiere kommen dann in Flatdecks unter. Dazu hat man Ställe so umgerüstet, dass dort im Winter die Luft erwärmt und im Sommer leicht gekühlt hineinströmt, also die Ferkel sich jederzeit wohlfühlen können. Der Fußboden ist im Liegebereich geschlossen und im Laufbereich mit einem Rostboden aus Kunststoff ausgestaltet. Je Bucht kommen etwa 20 Jungtiere unter, möglichst aus zwei Gruppen.

Neben einer speziellen Breifuttermischung können die Tiere noch jederzeit Wasser aufnehmen. Um ihren Spiel- und Fresstrieb zu befriedigen, sind Heuraufen aufgestellt und an den Wänden hängen Sisalstricke und Ketten. Die durchschnittlichen Tageszunahmen liegen bei etwa 500 g. Nach vier Wochen im Flatdeck wiegen sie dann 28 kg und stehen als Läufer zum Verkauf. Abnehmer ist die Vermarktungsgemeinschaft für Zucht- und Nutzvieh – ZNVG eG Neumünster, die sich um die Weitervermarktung kümmert.

Von den Ferkeln einmal abgesehen, erhalten alle Schweine eine fließfähige Futtermischung. Grundlage dafür sind verschiede Schrotgemische, die vom Futtermittellieferant BAT Agrar aus Ratzeburg angeliefert werden.

Die Absetzer kommen in geräumigen Flatdecks unter. Die Luft wird dort im Sommer gekühlt und im Winter erwärmt.
Die Absetzer kommen in geräumigen Flatdecks unter. Die Luft wird dort im Sommer gekühlt und im Winter erwärmt.
(c) Sabine Rübensaat

Sensortechnik für Silofüllung

Das Schweinefutter wird in Siedenbollentin in hohen und schlanken Silos aus Glasfaserkunststoff gelagert. Da diese Silos von außen kaum erkennen lassen, wie viel Futter enthalten ist, musste man bisher die Mengen schätzen oder die Silos abklopfen.

BAT Agrar hat nun ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, um die Füllstände der Futtersilos zu messen. Die zuverlässige Messung des Füllstandes in Kombination mit einer drahtlosen Datenübertragung aufs Handy und eine automatische Meldung, wann das Futter bestellt werden müsste, ist somit eine große Arbeitserleichterung für den Landwirt. Zusätzlich helfen die Daten dem Futtermittellieferanten, die Liefertermine optimal zu disponieren.

Für dieses Projekt wurden erst kürzlich Sensoren auf allen Silos montiert. Diese messen nun von außen mit Radartechnologie den Füllstand auch bei Staubentwicklung. So können künftig die Mitarbeiter den Lagerbestand des Futters komfortabel in selbst gewählten Abständen auf dem Handy ablesen und Bestellungen möglichst genau und kostengünstig organisieren.

Dirk Andresen ist zufrieden mit dem Umbau des Schweine-Stalls im Sinne des Tierwohls. In allen Bereichen ist jetzt zumindest die Haltungsstufe 2 erreicht, die der Initiative Tierwohl entspricht. Das bedeutet, die Schweine haben mindestens 10 % mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben und es steht ihnen zusätzliches Beschäftigungsmaterial zur Verfügung. Und was wesentlich zum Erfolg beiträgt: Endlich sind auch die Erzeugerpreise wieder auf ein Niveau angestiegen, auf dem sich auch in Deutschland wirtschaftlich Schweinefleisch erzeugen lässt.

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Trotz schwieriger Bedingungen wollen die meisten Sauenhalter in Ostdeutschland in den Umbau ihrer Deckzentren investieren. © Sabine Rübensaat

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