Weidetetanie vermeiden: Tipps für den Weidestart
Blähungen, Tetanie, Labmagenverlagerung und langfristig Klauenprobleme drohen, wenn melkende Kühe (Milchkühe, Mutterkühe) in kurzer Zeit zu viel nährstoffreiches Weidefutter aufnehmen, besonders bei kleereichen Beständen, aber auch bei sehr jungen, grasreichen Aufwüchsen.
Von Dr. Edmund Leisen, Öko-Team der Landwirtschaftskammer NRW
Bei frühem Auftrieb auf noch kurze Narbe: Keine Probleme. Wo die Kühe früh auf die Weide kamen, dort gab es auch in diesem Frühjahr keine Probleme. Und dass auch auf Betrieben, die innerhalb von 2–3 Wochen zur Vollweide übergingen, vorher im Stall vorwiegend Grassilage oder Heu gefüttert hatten. Bei der noch kurzen Narbe mussten sich die Tiere viel bewegen, um satt zu werden. Und mit jedem Bissen wurde nur wenig Futter aufgenommen und gut eingespeichelt. Das gibt stabile Pansenbedingungen.
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Weideaufwuchs: Risiko Viel Futter in wenig Zeit
Aufgrund von Nässe konnten viele Betriebe dieses Jahr erst spät auftreiben oder stehen noch davor. Doch dann sieht es ganz anders aus: Zwischenzeitlich steht verbreitet schon viel Futter. Auf Grünland sogar teils mehr als 20 dt/ha an Trockenmasse. Auf diesen Flächen können die Tiere in kurzer Zeit große Mengen sehr nährstoffreiches Futter aufnehmen, vor allem, wenn sie hungrig sind (Energiegehalte von bis zu 8 MJ NEL/kg TM, gleichzeitig hohe Proteingehalte). Dann drohen Blähungen, Tetanie, und Labmagenverlagerung.
Beim Höfestammtisch am 13. April berichtete hierzu Roland Labohm von seinen Erfahrungen aus seiner Zeit als Tierarzt in Schleswig-Holstein. Dort trat Tetanie jährlich in den ersten drei Wochen der Weidezeit auf Marschboden auf. Vielleicht das Besondere auf diesen Böden: Der Weideaufwuchs besteht im Frühjahr fast ausschließlich aus Deutschem Weidelgras. Besonders energie- und zuckerreich, aber bei großer Menge im Pansen in dieser Form kann es eine Bombe sein.
Gegenmaßnahmen sind: Ein langsamer Übergang von Stall- zu Weidefütterung und magnesiumhaltiges Mineralfutter (bei Mutterkühen Bolis verwenden). Auch in berichteten Fall half: Magnesiumgabe über Bolis. Nach Labohm waren in Schleswig-Holstein Milchkühe betroffen, nicht dagegen Aufzuchtrinder.
Der Autor berichtete von einem schweren Fall im Münsterland: Sechs tote Mutterkühe in einer Herde von 20 Tieren durch Tetanie. Und dass, obwohl genug Magnesium im Weideaufwuchs war. Entscheidend ist aber nicht nur der Gehalt im Futter sondern die Aufnahme im Pansen (Mg-Blutwerte). Bei nur kurzer Verweildauer ist die Aufnahme nur begrenzt. Begrenzend wirken wahrscheinlich auch niedrige pH-Werte im Pansen und hohe Proteingehalte im Futter.
Jerseys: Von Blähungen bis Verluste
Ein Praktiker mit einer Jersey-Herde auf Weide berichtet von seinen Erfahrungen: Vor sieben Jahren wurde auf altem Ackerland angesät und typisch für derartige Neuanlagen ist, dass aufgrund des noch niedrigen Humusgehaltes und der verhaltenen Stickstoffnachlieferung aus dem Boden das Gras weniger stark wächst und der Weißklee höhere Anteile im Aufwuchs hat. Lücken aus den Trockenjahren haben diesen Effekt verstärkt. Die Folgen in den letzten Jahren waren: Blähungen.
2021: Bei sonniger Witterung im Frühjahr gab es Blähungen und fünf tote Kühe. Die Weide wurde als Portionsweide gefahren, bei Auftrieb auf die neue Portion war der Aufwuchs 10–12 cm hoch. Eine Konstellation, wo auch in typischen Weideländern wie Neuseeland Blähungen gehäuft vorkommen können.
2022: Seit Anfang März wurde geweidet. Zuerst nur drei Stunden und auf sehr kurzen Aufwuchs. Nach 60 mm Niederschlag und anschließend viel Sonne (15–20 °C am Tag, nachts 4 °C), gab es starken Zuwachs. Der Weideanteil wurde auf 50 % angehoben, im Stall gab es Kleegrassilage (strukturreich, da 2021 spät geschnitten) und 0,5 kg Kraftfutter. Die Wuchshöhe war 5–6 cm bei Zuteilung der neuen Fläche. Trotz niedrigerem Wuchs traten Blähungen auf Morgens nach zwei Stunden Weide fingen die Kühe an zu blähen. Sie wurden dann für 1,5 Stunden in den Stall geholt, bis die Hungergrube wieder eingefallen war. Bis zum Abend gab es mehrmals rein und raus. Zuletzt nach sonnenreichen Stunden reichte eine Stunde und schon blähten die Tiere wieder.
2023: Zwei Kühe haben zwischenzeitlich wieder gebläht, was zum Glück rechtzeitig gesehen wurde.
So gelingt der Weidestart
Francis Jacobs aus Luxemburg beweidet fast ausschließlich Kleegras. Der Weideanteil liegt bei etwa 70 % der Gesamtration. Seit er nachfolgendes beachtet, hat er kaum noch mit Blähungen zu tun.
- Kühe nie hungrig auf die Weide mit viel Klee, Fläche kurzhalten (Kurzrasenweide), dann hat man auch mit viel Klee kaum Probleme, Maissilage, gutes Heu oder Kleegrassilage mit etwas Stroh gemischt zufüttern (0,5–1 kg/Kuh) (maximal 5 cm Länge).
- Die Darmpassage muss gebremst werden, sonst gibt es eine schlechte Verwertung des Futters und das Risiko von Blähungen.
- Tonerde zur freien Aufnahme anbieten. Dies wirkt beruhigend auf die Verdauung.
- Bei schon hohem Aufwuchs ist der Rhythmus einzuhalten – Kühe sind Gewohnheitstiere: Austrieb täglich zur gleichen Zeit und zuerst nur wenige Stunden, nachdem vorher im Stall gefressen wurde. Anfangs erfordert das Geduld, wenn die Kühe im Stall nicht fressen wollen und nach außen drängen.