Was muss man beim Beschäftigen von ukrainischen Kriegsflüchtlingen beachten?
Der Krieg in Osteuropa bringt ungekannte Herausforderungen mit sich. Eine Form der Unterstützung ist die Beschäftigung ukrainischer Kriegsflüchtlinge, die jetzt unkompliziert möglich ist.
Von RA Steffen Pasler, Benjamin Hummel, ETL Agrar & Forst Berlin
Seit 2017 besteht die EU-Visafreiheit für ukrainische Staatsbürger, sofern sie über einen biometrischen Reisepass verfügen. Ist dies nicht der Fall, wird ihnen ein Schengen-Visum erteilt. In beiden Fällen dürfen sich ukrainische Staatsangehörige an 90 Tagen im Halbjahr in der EU und damit in Deutschland rechtmäßig aufhalten, jedoch keine Erwerbstätigkeit ausüben. Dies war die Rechtslage vor Kriegsbeginn und ist es auch aktuell.
Was besagt die neue Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung?
Mit Beginn des Krieges und der einsetzenden Fluchtwelle genügten diese rechtlichen Möglichkeiten nicht mehr. Am 8. März ist daher die Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung in Kraft getreten, die bis zum Ablauf des 23. Mai 2022 gilt. Nach dieser Vorschrift sind Ausländer, die sich am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben und die bis zum Außerkrafttreten dieser Verordnung in das Bundesgebiet eingereist sind, ohne den für einen langfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel zu besitzen, von der Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit.
Dies gilt auch für ukrainische Staatsangehörige, die am 24. Februar 2022 einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Ukraine hatten, aber die sich zu diesem Zeitpunkt vorübergehend nicht in der Ukraine aufgehalten haben sowie für in der Ukraine anerkannte Flüchtlinge und Personen, die in der Ukraine internationalen oder gleichwertigen nationalen Schutz genießen. Selbstverständlich gilt diese Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels auch für ukrainische Staatsangehörige, die sich am 24. Februar 2022 bereits rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, ohne den für einen langfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel zu besitzen.
Landwirte helfen in Not geratenen Ukrainern
Felix und Stephanie Kremerskothen sowie Rüdiger und Kerstin Wessel organisieren in Dumsevitz auf Rügen einen Hilfskonvoi mit 28 Fahrzeugen. mehr
Das Recht zur Aufnahme einer Beschäftigung
Grundsätzlich dürfen nur Ausländer, die einen Aufenthaltstitel besitzen, eine Erwerbstätigkeit ausüben. Dies gilt auch für ukrainische Kriegsflüchtlinge. Die Zulassung ausländischer Beschäftigter orientiert sich an den Erfordernissen des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Deutschland unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und ist unter den Voraussetzungen der Fachkräfteeinwanderung möglich. Diese Regelungen orientieren sich jedoch an der Migration unter normalen Umständen und werden der besonderen Situation bei Flucht und Vertreibung nicht gerecht. Die Europäische Union hat als Konsequenz des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien für solche Krisen schon im Jahr 2001 Regelungen getroffen und die Richtlinie 2001/55/EG (Massenzustromrichtlinie) verabschiedet, die von der Bundesrepublik mit § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in nationales Recht umgesetzt wurde. Der Anwendungsfall dieser Vorschrift ist nun erstmals in der Geschichte beschlossen worden.
Einem Ausländer, dem aufgrund eines Beschlusses des Rates der Europäischen Union gemäß der Massenzustromrichtlinie vorübergehender Schutz gewährt wird und der seine Bereitschaft erklärt hat, im Bundesgebiet aufgenommen zu werden, wird für die Dauer von zunächst einem Jahr eine Aufenthaltserlaubnis erteilt (§ 24 AufenthG). Dieser Beschluss des Rates der Europäischen Union ist am 4. März 2022 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden und am gleichen Tag in Kraft getreten. Der Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG ermöglicht zwar grundsätzlich nicht die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung. Es besteht jedoch ausdrücklich die Möglichkeit, dass die zuständige Ausländerbehörde hiervon eine Ausnahme macht und die Beschäftigung erlaubt.
Aufenthaltstitel vereinfacht beantragen
Nach Art. 12 der Massenzustromrichtlinie gestatten die Mitgliedstaaten Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, die Ausübung einer abhängigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit nach für den jeweiligen Berufsstand geltenden Regeln sowie von Tätigkeiten in Bereichen wie zum Beispiel Bildungsangebote für Erwachsene, berufliche Fortbildung und praktische Erfahrungen am Arbeitsplatz. Diese Vorgaben des europäischen Rechts dürften das Ermessen der Ausländerbehörden auf die Pflicht zur Erteilung eines Aufenthaltstitels mit der Erlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit reduzieren.
Nach der Massenzustromrichtlinie können die Mitgliedstaaten EU-Bürgern, Staatsangehörigen der Vertragsparteien des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum sowie Drittstaatsangehörigen mit rechtmäßigem Aufenthalt, die Arbeitslosengeld beziehen, aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik Vorrang einräumen. Davon hat die Bundesrepublik jedoch keinen Gebrauch gemacht. Nach § 31 der Beschäftigungsverordnung bedarf die Erteilung der Erlaubnis zur Beschäftigung an Ausländerinnen und Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis, die unter anderem nach § 24 AufenthG erteilt worden ist, keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit.
Auch für die nach den beschriebenen Regeln aufenthaltsberechtigten ukrainischen Kriegsflüchtlinge gilt: Eine Beschäftigung ohne Aufenthaltstitel, der die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausdrücklich erlaubt, ist unzulässig und strafbar! Bei der zuständigen Ausländerbehörde kann jedoch unbürokratisch mit Hinweis auf § 24 AufenthG ein Aufenthaltstitel mit Erwerbsberechtigung beantragt werden.