Wenn die Glocken im Kirchturm läuten, ist mancher irdische Weg zu Ende. Dann stellt sich die Frage, wer den Traktor vor dem Hof und das Stroh auf dem Wagen bekommt. Brandenburg hat hier ganz spezielle Regeln. © Sabine Rübensaat

Eigentum in der Landwirtschaft: Was wird in Brandenburg vererbt?

Seit dem 1. Januar 2024 gilt in Brandenburg die neue Höfeordnung. Diese hat weitreichende Folgen für Landwirte, deren Betriebe bestimmte Größenordnungen erreichen. Was genau die neuen Regelungen zum Eigentum beinhalten und was Landwirte jetzt beachten müssen, erfahren Sie hier. (Teil 1)

Von Notar Thomas Woinar, Frankfurt (Oder), www.notar-woinar.de

Glauben Sie an Flaschengeister? Mit dem Korkenknall zum Neujahr 2024 könnte Ihnen ein solcher aus der Schaumweinflasche entwichen sein und Ihren gesamten Landwirtschaftsbetrieb in einen Hof im Sinne des Gesetzes über die Höfeordnung für das Land Brandenburg (BbgHöfeOG) verwandelt haben. Ob Ihnen dieser Dschinn Freude bereiten oder sich als Plagegeist entpuppen wird, hängt ganz vom Einzelfall ab. Wer Letzteres befürchtet, sei beruhigt: Man bekommt den Plagegeist in die Flasche zurück, muss dazu aber aktiv werden. Sie oder Ihr Berater sollten daher mit den Grundzügen des Höferechts vertraut sein.

Eigentum in Brandenburg: Entstehung und Ziel des Gesetzes

Bereits am 19. Juni 2019 trat das BbgHöfeOG in Kraft. Es entspricht fast wortgleich der Nordwestdeutschen Höfeordnung, welche noch unter der britischen Besatzungsmacht am 24. April 1947 entstand und in den Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gilt. Entsprechend enthält der Gesetzestext ungewöhnliches Vokabular. So ist beispielsweise im Höferecht von „Besitzung“ die Rede, obwohl der deutsche Jurist Besitz und Eigentum sauber unterscheidet. Höferecht gibt es auch in anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Von den fünf östlichen Bundesländern hat sich bislang nur Brandenburg für die Einführung eines Höferechts entschieden.

Ziel des BbgHöfeOG ist es, der Zerschlagung bäuerlicher Betriebe, der Zersplitterung des Bodens und der bei der Abfindung der weichenden Erben drohenden Gefahr der Überschuldung entgegenzuwirken. § 4 des BbgHöfeOG sieht deshalb vor, dass der Hof nur einem Erben zufällt. Die Abfindung weichender Erben erfolgt gemäß § 12 BbgHöfeOG nach dem Hofeswert, der deutlich unter dem Verkehrswert liegt. Ein im Gesetzgebungsverfahren vorgestelltes Beispiel kam zu einem Hofeswert, der nicht einmal ein Zehntel des Verkehrswertes ausmachte.

Der Hofbegriff: Größe und Eigentum

Thomas-Woinar
Rechtsanwalt Thomas Woinar (c) Privat

Hof im Sinne des BbgHöfeOG ist eine land- oder forstwirtschaftliche Besitzung mit einer zu ihrer Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle, die im Alleineigentum einer natürlichen Person oder im gemeinschaftlichen Eigentum von Ehegatten (Ehegattenhof) steht oder zum Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft gehört, sofern sie eine land- oder forstwirtschaftliche Fläche von mindestens 20 ha umfasst. Erreichen die Flächen diese Größe nicht, umfassen aber mindestens 10 ha, kann die Hofeigenschaft durch eine entsprechende Erklärung und Eintragung eines Hofvermerks im Grundbuch geschaffen werden.

Bislang war für die Begründung der Hofeigenschaft gemäß der Übergangsvorschrift in § 33 Absatz 1 BbgHöfeOG auch bei Besitzungen ab 20 ha Größe eine entsprechende „Opt-in“-Erklärung und die Eintragung eines Hofvermerks in den betroffenen Grundbüchern erforderlich. Mit dem Auslaufen dieser Übergangsvorschrift am 31. Dezember 2023 hat sich dies geändert. Ab 1. Januar 2024 fällt eine solche Besitzung mit mindestens 20 ha Größe automatisch und ohne Tun oder Wissen des Eigentümers in den Anwendungsbereich des BbgHöfeOG. Die Hofeigenschaft kann auch nachträglich entstehen, beispielsweise durch Zukauf von Flächen. Es muss sich aber immer um Eigentumsflächen handeln; Pachtflächen zählen nicht.

Historisches Erbe: Aus LPG wurde Genossenschaft

Neben der Flächengröße ist eine wesentliche Voraussetzung für die Hofeigenschaft, dass sich der Betrieb im Alleineigentum einer natürlichen Person oder im Miteigentum von Ehegatten befindet. Aufgrund der historischen Besonderheiten – Bodenreform und Zwangskollektivierung in LPGen sowie die nachfolgende Umwandlung der LPGen in Gesellschaften – stehen in Brandenburg viele, vor allem größere Betriebe im Eigentum von Gesellschaften oder Genossenschaften. Im Jahre 2020 gab es in Brandenburg 5.413 Landwirtschaftsbetriebe, davon waren 1.722, also ca. ein Drittel, in Gesellschaften oder Genossenschaften organisiert. In Nordrhein-Westfalen liegt dieser Anteil bei nur 12 %.

Neue Höfeordnung: Bewirtschaftungsart und Nebenbetriebe

Ist Träger Ihres Betriebes eine Gesellschaft, Genossenschaft oder Stiftung, können Sie an dieser Stelle die Lektüre beenden und sich Interessanterem zuwenden, und zwar auch dann, wenn Sie der einzige Gesellschafter sind (wie bspw. Ein-Personen-GmbH). Gehört der Betrieb mehreren Personen, z. B. einer Erbengemeinschaft oder einer Bruchteilsgemeinschaft, hat dieser keine Hofeigenschaft. Einzige Ausnahme ist der Ehegattenhof. Er setzt voraus, dass sich die Flächen im Miteigentum von Ehegatten befinden. Wird die Ehe geschieden, geht die Hofeigenschaft grundsätzlich verloren.

Eigentum in Brandenburg: Was gilt bei landwirtschaftlicher Nutzung?

Nur ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb kann Hof sein. Darunter fallen der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft, die Viehhaltung und Viehzucht, der Erwerbsgartenbau, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, sowie das Betreiben einer Gärtnerei. Die Bodennutzung muss dabei die wesentliche Grundlage bei der Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse bilden. Ein Betrieb, der mehr zugekaufte Produkte als eigene verarbeitet, wird in der Regel kein Landwirtschafts- sondern ein Gewerbebetrieb sein.

Das Gleiche gilt für Tierzucht und Tierhaltung, wenn hauptsächlich gekauftes Futter verwendet wird und die Bodennutzung nur von untergeordneter Bedeutung ist (wie häufig in Geflügelmastbetrieben). Auch die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht, die Wanderschäferei und die Saatzucht gelten als landwirtschaftliche Nutzung.

Windkraft- und Photovoltaikanlagen, die die erzeugte Energie (auch) in das Netz einspeisen, sind Gewerbe und keine Landwirtschaft. Biogasanlagen werden – auch wenn der erzeugte Strom in das Netz eingespeist wird – hingegen dem Landwirtschaftsbetrieb als Nebenbetrieb zugerechnet, wenn der Landwirt überwiegend seinen eigenen Aufwuchs verwendet. Gehört die Biogasanlage nicht dem Betriebsinhaber allein, sondern einer Gesellschaft, an der er beteiligt ist, kann diese Beteiligung als Mitgliedschaftsrecht im Sinne von § 2 Nr. 2 BbgHöfeOG zum Hof gehören.

Biogasanlage
Biogasanlagen gehören entweder direkt zum Hof oder bei Gesellschaftern zumindest das Mitgliedschaftsrecht. © Sabine Rübensaat

Als Nebenbetriebe gehören auch Straußenwirtschaften, Käsereien, Mühlen, Metzgereien und Pensionsbetriebe (Ferien auf dem Bauernhof) zum Hauptbetrieb und teilen dessen Schicksal, solange sie von untergeordneter Bedeutung sind. Das gilt auch für Hofläden, sofern sie ausschließlich Eigenprodukte vermarkten. Viele landwirtschaftliche Betriebe umfassen auch forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke. Das BbgHöfeOG bezieht forstwirtschaftlich genutzte Flächen in § 1 Abs. 2 ausdrücklich in ihren Anwendungsbereich mit ein. Das gilt selbst für reine Forstgüter.

Eigentum in Brandenburg: Hofstelle und Verpachtung

Die Flächen müssen gem. § 2 BbgHöfeOG regelmäßig von einer Hofstelle aus bewirtschaftet werden. Früher verstand man darunter ein Wohnhaus für den Landwirt und seine Angehörigen, Stallungen für Groß- und Kleinvieh, Unterstellmöglichkeiten für Landmaschinen und Fahrzeuge. In geringer Entfernung von dieser Hofstelle – meist sogar direkt umliegend – lagen die Bewirtschaftungsflächen. Mit den veränderten Strukturen in unserer modernen Gesellschaft hat sich dieses tradierte Verständnis gewandelt.

Die Wirtschaftsgebäude stehen heute im Mittelpunkt. Es genügt bereits eine Landmaschinenhalle mit Büro; eine Wohnmöglichkeit ist nicht erforderlich. Auch die Entfernung der Flächen von der Hofstelle wird heute großzügig gesehen. Selbst Flächen, die 50 km entfernt sind, können angesichts moderner Landmaschinen und Fahrzeuge problemlos erreicht und bewirtschaftet werden. Bei reinen Forstwirtschaftsbetrieben werden noch geringere Anforderungen gestellt.

Maßgeblich ist immer die tatsächliche Bewirtschaftung durch den Eigentümer; sei es im Haupt- oder auch im Nebenerwerb. Betreibt der Eigentümer selbst keine Landwirtschaft, sondern verpachtet die Flächen dauerhaft, ist kein Hof gegeben. Eine vorübergehende Verpachtung einzelner Flächen oder des ganzen Betriebes ist dagegen unschädlich. Verpachtet der Inhaber z. B. wegen einer Erkrankung oder weil er aus Altersgründen nicht mehr selbst wirtschaften kann, ist dies nur
vorübergehend, wenn damit gerechnet werden kann, dass ein Nachfolger, etwa der Hoferbe, die Bewirtschaftung alsbald wieder aufnehmen wird.

Ob Grundstücke, die nicht im Land Brandenburg liegen (sogenannte Ausmärkergrundstücke), zum Hof gehören, ist noch nicht geklärt, mit Blick auf die Rechtsprechung zu Höfeordnungen anderer Bundesländer aber wohl zu bejahen. Entscheidend ist die Lage der Hofstelle im Land Brandenburg.

Was gehört alles zum Hof?

Zum Hof gehören neben der Hofstelle und allen Grundstücken, die regelmäßig von der Hofstelle aus bewirtschaftet werden, auch Mitgliedschaftsrechte (z. B. an Einkaufs- oder Kreditgenossenschaften), Nutzungsrechte (wie Fischereirechte) und ähnliche Rechte (wie Agrarsubventionen), die dem Hof dienen. Das Hofeszubehör, also das lebende und tote Inventar wie Viehbestände, Landmaschinen, Bürogeräte, betrieblich genutzte Fahrzeuge, Hausrat mit Ausnahme von Luxusgegenständen (wie sehr wertvolle Gemälde) gehört gem. § 3 BbgHöfeOG ebenfalls zum Hof. Selbst Jagdwaffen können Hofeszubehör sein, wenn sie zur Jagdausübung auf einem Eigenjagdbezirk genutzt werden.

Hofeszubehör ist auch der vorhandene Dünger und die für die Bewirtschaftung bis zur nächsten Ernte dienenden Vorräte an landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Betriebsmittel. Noch nicht geerntete Erzeugnisse, z. B. Früchte auf dem Halm, gehören zu den Grundstücken und damit ebenfalls zum Hof. Betriebsmittel sind beispielsweise Heiz-, Kraft- und Schmierstoffe, Pflanzenschutzmittel, Tierarzneien und Baumaterial.

Inwieweit Finanzmittel, also insbesondere Bankguthaben, Bargeld und Forderungen zum Hof gehören, ist heftig umstritten. Soweit diese zur Erhaltung und Fortführung des Betriebes erforderlich sind und vom Inhaber von seinem sonstigen Vermögen getrennt gehalten werden (z. B. Guthaben auf einem Betriebskonto) wird die Zugehörigkeit zum Hof überwiegend bejaht.

Im zweiten Teil der Reihe zur Höfeordnung in einer der kommenden Ausgaben der Bauernzeitung erfahren Sie mehr zu den Details der Hofnachfolge und zu den Unterschieden zum allgemeinen Erbrecht, anschaulich illustriert mit vielen Beispielen.

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