Ernteausfall

Wenn der Sack leer bleibt

Viel Staub um nichts – auch in diesem Jahr sind die Aussichten auf eine reiche Ernte vielerorts getrübt. Hier hilft eine kluge Vertragsgestaltung. (c) Sabine Rübensaat
Unternehmen & Recht
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Wieder kein Regen, Ertragseinbußen sind programmiert und die Käufer der Feldfrüchte warten ungeduldig. Was tun bei Vertragsrisiken durch Ernteausfälle? Wichtige Hinweise lesen Sie hier.

Von Dr. Thomas Hänsch, Rechtsanwalt

Das Wetter hat erhebliche Einflüsse auf die Ernteerträge. Extreme Trockenheit, Spätfröste, Starkregenereignisse und andere Wetterkapriolen können zu Einbußen bei den Erntemengen oder -qualitäten führen. Bereits hierdurch entstehen, insbesondere wenn die Marktpreise nicht im entsprechenden Umfange ansteigen, nicht unerhebliche Umsatzeinbußen. Besonders ärgerlich für Landwirte wird es, wenn zu den Umsatzeinbußen auch noch Schadenersatzforderungen von Käufern der Ernteprodukte hinzutreten.

Insbesondere bei Abschluss mehrjähriger Lieferverträge (z. B. Substratlieferverträge mit Biogasanlagen) oder weit vor der Ernte geschlossenen Vorkontrakten kann es dazu kommen, dass die eigene Ernte nicht genügt, um die vertraglich geschuldeten Liefermengen zu erfüllen. Je nach Vertragsgestaltung kann die Lieferpflicht unabhängig vom eigenen Ernteergebnis bestehen. Ansprüche der Käufer lassen sich nur in Ausnahmefällen mit Hinweis auf höhere Gewalt wegen besonderer Wetterereignisse abwehren. Allgemein gilt der rechtliche Grundsatz: Verträge sind einzuhalten. Wer sich verpflichtet, Feldfrüchte gegen Entgelt an einen Dritten zu liefern, hat damit einen Kaufvertrag geschlossen.

Keine Lieferpflicht bei Unmöglichkeit

Wesentliche Pflicht des Verkäufers ist nach § 433 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die vollständige Lieferung der geschuldeten Ware. Der Käufer ist grundsätzlich berechtigt, vom Landwirt die Lieferung der vereinbarten Menge an Feldfrüchten in der vereinbarten Lieferqualität zu verlangen. Bei Minderlieferungen wird der Landwirt von seiner Lieferpflicht nur frei, wenn er sich auf Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) berufen kann. Wann Unmöglichkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls.

Ist weder aus dem Vertrag noch aus den sonstigen Vertragsumständen hinreichend erkennbar, dass der Landwirt ausschließlich die Lieferung selbsterzeugter Marktfrüchte schuldet, so kann sich der Landwirt nicht darauf berufen, dass ihm die Nichterfüllung seiner Lieferpflicht wegen Minderernten unmöglich ist. Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung ist dann eine sogenannte Gattungsschuld. Hier ist lediglich die Lieferung nach allgemeinen Merkmalen bestimmter Waren mittlerer Art und Güte geschuldet. Die Lieferpflicht kann auch dadurch erfüllt werden, dass der Verkäufer sich die geschuldeten Waren von Dritten beschafft und diese dann an den Käufer weiterliefert. Insbesondere bei mehrjährigen Lieferverträgen ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine Gattungsschuld vorliegt. Die Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel, welche als allgemeine Geschäftsbedingungen nicht selten in Lieferverträge einbezogen werden, gehen auch von der Vereinbarung einer Gattungsschuld aus.

Ersatzbeschaffung teuer, aber zumutbar

Eine Unmöglichkeit liegt bei einer Gattungsschuld erst vor, wenn die geschuldeten Feldfrüchte weltweit nicht mehr lieferbar wären. Für die gängigen in Deutschland angebauten Feldfrüchte dürfte dieser Zustand ausgeschlossen sein. Wenigstens aus dem Ausland können die Feldfrüchte beschafft werden. Sollten die Kosten eines notwendigen Ersatzerwerbs oberhalb des vereinbarten Kaufpreises liegen, führt dies nur in Ausnahmefällen zur Unzumutbarkeit der Ersatzbeschaffung. Grundsätzlich ist es Aufgabe des Verkäufers, dafür Sorge zu tragen, dass er seinen vertraglichen Pflichten nachkommt. Ihn trifft die Beschaffungspflicht.

Erst ab Ersatzbeschaffungskosten, die etwa dem Doppelten des vereinbarten Kaufpreises entsprechen, sprechen gute Argumente dafür, dass die Erfüllung der vertraglichen Hauptpflichten dem Verkäufer unzumutbar sind. Zu beachten ist aber, dass die bloße Unzumutbarkeit der Erfüllung der Lieferpflicht nicht dazu führt, dass gleichzeitig etwaige Schadenersatzansprüche entfallen.

Vorratsschuld begrenzt das Risiko

Haben sich die Parteien ausdrücklich oder zumindest auch für einen Dritten erkennbar darauf verständigt, dass die zu liefernden Feldfrüchte aus eigenem Anbau oder einem bestimmten Lager kommen sollen, spricht man von einer sogenannten Vorratsschuld. Eine solche liegt u. a. bei Lieferverträgen „ab Halm“ vor, wenn also schon im Vertrag festgelegt wird, von welchem konkreten Schlag die Feldfrüchte geliefert werden. Auch Zuckerrübenlieferverträge enthalten typischerweise durch die Vereinbarung des Feldrandes als Lieferort Regelungen, die auf eine Vorratsschuld schließen lassen und sind ferner auch noch über kontingentierte Lieferrechte („Zuckerrübenlieferrechte“) produzentenbezogen. 


Dr. Thomas Hänsch kommt von der Kanzlei Geiersberger Glas & Partner in Rostock.

Webseite: www.geiersberger.de


Es genügt aber auch, dass sich aus dem Vertrag ergibt, dass Gegenstand des Kaufvertrages Früchte aus eigenem Anbau sind. Neben eindeutigen Regelungen im Vertrag – wie z. B. „aus Eigenanbau“ – können die weiteren Umstände für die Vereinbarung einer Vorratsschuld stehen; etwa wenn der Verkäufer im Vertrag als Landwirt bezeichnet wird, die jährliche Vorlage des Anbauverzeichnisses geschuldet ist und auch noch als Liefertermin der Erntezeitpunkt vereinbart wird. Nochmals sei darauf verwiesen, dass die Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel bei der Bestimmung der Rechtsfolgen von Minderlieferungen – unabhängig von der vereinbarten Schuld – von einer Gattungsschuld ausgehen.

Schadenersatz ist meist fällig

Liegt eine Vorratsschuld vor, muss der Landwirt grundsätzlich die geschuldete Menge, höchstens aber die Gesamtmenge aus dem vertraglich bestimmten Vorrat liefern, was ein Schlag, ein bestimmtes Lager oder die gesamte eigene Produktion – unter Umständen an einem definierten Standort – sein kann. Ersatzbeschaffungen über den eigenen Vorrat hinaus zur Erfüllung der Lieferpflicht sind vom Verkäufer nicht geschuldet. Er wird dann von seiner Pflicht zur Lieferung frei. Er kann aber zur Leistung von Schadenersatz – also Kompensationszahlungen in Geld – gegenüber dem Käufer verpflichtet sein. 

Ein häufiger Fall von Schadenersatzansprüchen wegen Minderlieferungen aus Kaufverträgen über Vorratsschulden liegt vor, wenn der Landwirt sich gegenüber zwei Abnehmern zur Lieferung von Produkten aus eigener Erzeugung verpflichtet hat. Geht ein Landwirt z. B. von einer sicheren Erntemenge von 4.000 t Mais auf seinen Flächen aus und verkauft mit jeweils langfristigen Lieferverträgen 2.000 t an eine Biogasanlage und weitere 1.500 t an einen Viehbetrieb, kann er in einem Jahr wie 2018 bei einer Ernte von nur 3.000 t trotz vorsorglichen Puffers nicht seinen Lieferpflichten vollständig nachkommen und macht sich unter Umständen gegenüber mindestens einem seiner Vertragspartner schadenersatzpflichtig.

Die Rechtsgrundlagen für Schadenersatz wegen Minderlieferungen aus einem Kaufvertrag finden sich in § 437 Nr. 3 BGB. § 434 Abs. 3 BGB ordnet ausdrücklich an, dass die Lieferung einer zu geringen Menge einen Sachmangel darstellt. Die Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel haben in § 19 und hierauf verweisende Normen eigene Anspruchsgrundlagen. Diese gelten aber nur, wenn die Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel ganz oder in Teilen in den Vertrag unmittelbar oder durch einen Rahmenvertrag einbezogen wurden. Trotz des Namens gelten die Einheitsbedingungen nicht für jeden Vertrag über Getreide oder andere Feldfrüchte. In den Einheitsbedingungen gibt es vom Gesetz abweichende Regelungen etwa zu den Leistungsfristen, Nacherfüllungspflichten und Schadenersatzfeststellung. Bei vollständiger Anwendbarkeit der Einheitsbedingungen sind auch nicht die staatlichen Gerichte, sondern ein Schiedsgericht zur Streitentscheidung berufen.

Verschulden muss vorliegen

Neben dem Vorliegen eines Kaufvertrages und eines Mangels in Gestalt der Minderlieferung setzt ein Schadenersatzanspruch nach den Regelungen des BGB das Vorhandensein von Verschulden voraus; es sei denn, dass der Verkäufer ausnahmsweise eine Garantie zur Einhaltung seiner Lieferpflicht übernommen hat. Im Normalfall muss es der Verkäufer durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu verantworten haben, dass er seiner Lieferpflicht nicht nachkommt. Entgegen den üblichen Darlegungs- und Beweislastregeln sieht das Gesetz in § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, dass der Verkäufer darlegen und ggf. beweisen muss, dass ihn kein Verschulden trifft. Das Gesetz vermutet das Vorliegen von Verschulden; diese Vermutung muss der Schuldner widerlegen. 

Hier kommt es entscheidend darauf an, ob eine Gattungs- oder eine Vorratsschuld vereinbart war. Bei einer Gattungsschuld wird es einem Landwirt nur selten gelingen nachzuweisen, dass es ihm absolut unzumutbar war, die geschuldeten Früchte notfalls auf dem Weltmarkt zu beschaffen. Bei einer Vorratsschuld genügt es, wenn der Landwirt nachweist, dass er objektiv alles in seiner Macht Stehende getan hat, um seiner Lieferpflicht nachzukommen. Bei geschuldeter Lieferung von Produkten aus eigenem Anbau muss der Landwirt nachweisen, dass er die gute fachliche Praxis einhielt und die Lieferausfälle auf Umständen beruhten, die er auch unter Beachtung zumutbarer Vorsichtsmaßnahmen nicht beeinflussen konnte. Auch dies kann, insbesondere im aufgezeigten Beispiel von Belieferungen mehrerer Abnehmer mit Feldfrüchten, im Einzelfall sehr schwierig sein.


Im zweiten Teil dieses Beitrages erfahren Sie Näheres zur „höheren Gewalt“ beim Ernteausfall sowie zu sinnvollen Vertragsgestaltungen.