Unterricht muss nicht trocken sein

Ausbildung: Gemeinsam lernen für die Landwirtschaft

Lernen kann auch Spaß machen. Konrad Haschenz (l.) gefällt an den Lehrveranstaltungen die Praxisnähe. Er ist im dritten Ausbildungsjahr zum Landwirt bei der Agropei Agrarprodukte Peickwitz genauso wie Felix Otto. © Sven Gückel
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Das Ausbildungsnetzwerk des Bauernverbandes Südbrandenburg koordiniert und organisiert die theoretische und praktische Ausbildung der Lehrlinge und gibt ihnen kompetente Hilfestellung. 

Von Klaus Meyer 

Es ist laut und staubig im Kartoffellagerhaus in Dahme/Mark im Süden Brandenburgs während Ellen Burkhard den zwölf Auszubildenden erklärt, welchen Weg die frisch geernteten Vermehrungskartoffeln nehmen, um letztendlich in Kisten lagernd, auf ihren Einsatz als Pflanzgut im Frühjahr zu warten. Sie werden unter anderem gewogen, schonend gereinigt und sortiert. Burghardt ist für die Vermarktung der Knollen zuständig. Sie ist eine der beiden Referenten an diesem Tage bei der Lehrunterweisung des Ausbildungsnetzwerkes, das angegliedert ist beim Bauernverband Südbrandenburg mit Sitz in Luckau. Die Lehrunterweisung erfolgt zum Thema Kartoffelanbau mit den Schwerpunkten:

  • Fruchtfolge und Boden
  • Bodenbearbeitung
  • Pflanzgut und Pflanzung
  • Düngung und Pflanzenschutz
  • Ernte, Lagerung und Vermarktung

Etwa zehn landwirtschaftliche Ausbildungsbetriebe aus den Landkreisen Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz, Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming haben sich 2009 zu dem Ausbildungsnetzwerk zusammengeschlossen, da einige Ausbildungsbetriebe nicht zufrieden mit der Ausbildungsqualität waren. Außerdem waren einige Betriebe relativ einseitig ausgerichtet und konnten deshalb den Auszubildenden nicht die volle Bandbreite an notwendigen Lerninhalten vermitteln.  

Chance beim Schopf gepackt

An wechselnden Betriebsstandorten werden seitdem zu wichtigen Ausbildungsinhalten gemeinsame Lehrunterweisungen und Exkursionen durchgeführt. Die Auszubildenden bekommen dadurch einen guten Einblick in unterschiedliche Betriebszweige und Produktionsausrichtungen. Aktuell beteiligen sich 30 bis 35 Agrarbetriebe am Ausbildungsnetzwerk. Die Anzahl schwankt, da nicht jeder Betrieb jedes Jahr Auszubildende hat. 

Lehrunterweisung Kartoffelanbau
Die Lehrunterweisungen beginnen meistens mit einem Theorieteil, in dem Grundlagen zum Thema vermittelt werden.

Referenten aus der Praxis

Ingrid Kühnel und Dagmar Petschick sind beim Bauernverband Südbrandenburg für das Ausbildungsnetzwerk zuständig.  Für die Lehrunterweisung sucht sich Kühnel Experten aus der Praxis und der Industrie. Jeden Monat von September bis Juni ist ein anderes Thema geplant. Im Laufe des Ausbildungsjahres stehen noch Themen wie die Tierbeurteilung, die Eutergesundheit, der Umgang mit Rindern, die Düngung und Bodenbearbeitung sowie der Getreideanbau und die Getreidevermarktung auf dem Plan. Die Lehrveranstaltungen zu einem Thema finden an mindestens zwei verschiedenen Tagen an verschiedenen Orten statt, damit die Gruppen nicht zu groß werden und der Anfahrtsweg für die Auszubildenden nicht zu weit ist. Die Lehrveranstaltungen finden meist auf teilnehmenden Ausbildungsbetrieben statt. An diesen Terminen wird dann gleichzeitig auch der Gastgeberbetrieb vorgestellt und auf Besonderheiten, zum Beispiel Biogaserzeugung oder seltene Fruchtarten eingegangen. Kühnel hält es für wichtig, dass sich die Betriebe bei den Lehrveranstaltungen mit einbringen, denn sie sind die Hauptverantwortlichen für die Lehrlingsausbildung. 

Regelmäßige Exkursionen in der Ausbildung

Im November besichtigen die Auszubildenden die Molkerei OdW Frischeprodukte in Elsterwerda. In der Vergangenheit ging es auch schon zum Landtechnikhersteller Claas in Harsewinkel oder zum Deutz-Werk nach Lauingen. Die Reisekosten übernehmen fast immer die Ausbildungsbetriebe. 

Die Lehrveranstaltungen werden laut Kühnel unterschiedlich angenommen. Manche Betriebe schicken ihre Auszubildenden zu jeder Veranstaltung, andere achten nicht so sehr auf eine regelmäßige Beteiligung. 

Alle Auszubildenden des Netzwerkes sind in einer WhatsApp-Gruppe. So kann die Netzwerkkoordinatorin die Jugendlichen mit Informationen versorgen und an die anstehenden Lehrunterweisungen erinnern.  

Werbung für die grünen Berufe 

Neben der Organisation der Weiterbildung der Auszubildenden nehmen die beiden Mitarbeiterinnen des Bauernverbandes Südbrandenburg mehrmals im Jahr an Ausbildungsmessen teil, um für die grünen Berufe zu werben. Mittlerweile sind es etwa acht Messen in der Region, auf denen sie sich präsentieren. Neben den Ausbildungsmessen ist der Bauernverband Südbrandenburg auch online sehr aktiv.  Es wird neben der regelmäßig aktualisierten Homepage auch eine Facebook-Seite gepflegt. Auf der Homepage gelangt man zum Beispiel zum Video „Aus Leidenschaft in der Landwirtschaft / Ausbildung als Landwirt/in im Landkreis Dahme-Spreewald“ von Benny Job, der auf seinem YouTube-Kanal verschiedenste Berufe vorstellt. In dem Video zeigen die Auszubildenden Hannah, Sharlen und Paul von der Agrargenossenschaft Goßmar Landwirtschaftslaien, wie ihr Alltag aussieht und weshalb sie den Beruf des Landwirts lernen und lieben.  

Da die Lehrer an den Berufsschulen, aber auch die Berufsberater nicht sehr viel von der aktuellen landwirtschaftlichen Praxis mitbekommen, hat das Ausbildungsnetzwerk schon mehrmals Praxistage organisiert, um anhand realer Agrarbetriebe zu zeigen, wie moderne Landwirtschaft wirklich funktioniert. 

Vermittlung von Ausbildungplätzen 

Falls ein Ausbildungsbetrieb mehr Bewerbungen bekommt als freie Ausbildungsstellen vorhanden sind, vermittelt der Bauernverband Südbrandenburg die Jugendlichen gerne an andere Betriebe weiter. Zu diesem Zweck wurde auch ein Katalog erstellt, in dem sich alle Ausbildungsbetriebe darstellen. Der Katalog liegt dann während den Ausbildungsmessen am Messestand aus. Damit können die Ausbildungskoordinatoren den Schülern und damit potenziellen Auszubildenden Empfehlungen geben, welcher Betrieb von der Ausrichtung oder hinsichtlich der Entfernung gut passen könnte.  

Lehrunterweisung KartoffelanbauDahme51
Eine App, die nach dem Prinzip des Karteikastensystems funktioniert, soll die Jugendlichen beim Lernen unterstützen.

Die Koordinatorin findet es teilweise erschreckend, wie wenig  Schüler und Schulabsolventen einen Plan bei der Berufswahl haben. Sie wissen nicht, in welche Richtung es beruflich irgendwann mal gehen soll, obwohl viel in den Schulen gemacht wird hinsichtlich Berufsorientierung. Die grünen Berufe sind in den Augen der Jugendlichen nicht sehr attraktiv. Es ist für Kühnel schon manchmal frustrierend zu sehen, wie sich auf den Ausbildungsmessen zwei Stände weiter die jungen Menschen am Stand der Bundeswehr oder der Polizei drängen. Insbesondere wenn es um die Höhe der aus Bildungsvergütung geht, können die grünen Berufe nicht mithalten. Für Landwirtschaft und Co. entscheiden sich meistens Schüler, die durch die Familie oder Freunde Einblick in die Berufe haben.  

Generell bleiben die Auszubildenden vom ersten bis zum dritten Ausbildungsjahr im gleichen Agrarunternehmen. Unter den Ausbildungsbetrieben dominiert die Rinderhaltung. Die meisten Jugendlichen machen eine Ausbildung zum Landwirt. Einige machen auch eine Ausbildung zum Tierwirt oder zur Fachkraft Agrarservice. Zugenommen haben laut Kühnel in letzter Zeit die Helfer-berufe. Die Anforderung an die Auszubildenden sind in den Helferberufen nicht ganz so hoch. 

Einige Teilnehmer des Ausbildungsnetzwerkes machen eine Ausbildung zum Landwirt mit Abitur. Deren Berufsschule ist das Oberstufenzentrum Prignitz in Pritzwalk. Wieder andere absolvieren ein duales Studium. Das heißt, dass sie Abitur gemacht haben und sie deshalb gleich im zweiten Lehrjahr einsteigen. Zur Berufsschule gehen sie ebenfalls nach Pritzwalk. Anschließend gehen sie zum dualen Studium nach Neubrandenburg, Dresden oder Bernburg. Das Besondere an dem Studiengang ist, dass neben dem Bachelor-Abschluss (B.Sc.) auch die Ausbildung zum Landwirt/zur Landwirtin abgeschlossen wird. Neben den üblichen Voraussetzungen zur Immatrikulation ist ein Berufsausbildungsvertrag mit einem staatlich anerkannten Ausbildungsbetrieb erforderlich. Die Verbindung zum Ausbildungsbetrieb bleibt zum Beispiel durch Praktika während des Studiums bestehen. Die teilnehmenden Ausbildungsbetriebe hoffen, dadurch qualifizierte Führungskräfte für später gewinnen zu können. 

Die anderen Auszubildenden Fachrichtung Landwirt im Netzwerk gehen zur Berufsschule nach Cottbus. Die Tierwirte müssen nach Seelow beziehungsweise nach Groß Kreutz fahren und die Landwirtschaftshelfer besuchen die Berufsschule in Cottbus oder in Bukow bei Eberswalde. 

Service: Individuelle Prüfungsvorbereitung 

Das Ausbildungsnetzwerk bietet auch Einzelunterstützung für die Prüfungsvorbereitung an. Die Ausbildungskoordinatoren bieten diesen Service an, doch den ersten Schritt dafür müssen natürlich die Auszubildenden machen und den Bedarf anmelden. Das größere Problem ist oftmals jedoch das gewissenhafte Führen des Berichtsheftes. „Das lassen manche etwas schleifen,“ betonte Kühnel und erklärte weiter: „Kurz vor der Angst, damit ist die Berichtsheftabgabe gemeint, haben wir manchmal noch ein bisschen zu tun, alles aufzubereiten, damit die Auszubildenden für die Prüfung zugelassen werden. Bei den meisten funktioniert es jedoch ohne Zutun.“ Zu den Lehrunterweisungen wird Arbeitsmaterial ausgegeben, zum Beispiel ein Fragenkatalog zum Thema, der auch gleich vor Ort besprochen wird und sich später auch im Berichtsheft wiederfinden sollte.  


Kartoffellagerhaus in Dahme  

Kartoffelhaus
© Sven Gückel

Knollen soweit das Auge reicht. In Dahme/Mark steht eines der größten Vermehrungszentren für die Brandenburger Kartoffel. Bis zu 8.000 t Pflanzkartoffeln lagern dort über den Winter, die in der Region vermehrt werden. Das 1984 erbaute Lagerhaus der ehemaligen LPG Pflanzenproduktion Dahme ist heute eine GbR der Bauerngenossenschaften Dahme, GeRoMe und der Agrargenossenschaft Görsdorf. Auf etwa 167 ha werden derzeit 35 verschiedene Sorten Speise- und Industriekartoffeln in 64 Partien vermehrt. Die Pflanzgutproduktion ist schwerpunktmäßig auf „Zertifiziertes Pflanzgut“ ausgerichtet. Das bereits auf Qualität geprüfte Ausgangsmaterial liefern vier Züchterhäuser (Europlant, Norika, Gut Bütow und Solana) aus Mecklenburg-Vorpommern. „Die Vermehrung ist ein aufwendiger Prozess, der Fingerspitzengefühl verlangt“, sagt Ellen Burghardt, die seit 1990 für die Vermarktung zuständig ist. 


Der Bauernverband Südbrandenburg hat für die Auszubildenden die Lern-App Agrarquiz entwickeln lassen. Die App soll mehr Spaß und Abwechslung in den Lernalltag bringen und den Auszubildenden einen spielerischen Zugang zum Thema Lernen ermöglichen. Für den Inhalt sind die Mitarbeiter des Bauernverbandes Südbrandenburg verantwortlich. Fragenkataloge haben auch Mitarbeiter des Ministerium (MLUL), sowie die Lehrer des Oberstufenzentrums in Cottbus erarbeitet. Zu jeder Lehrunterweisung wird ein neuer Fragenkatalog erstellt. Diese werden anschließend auch in die Lern-App eingepflegt. Die Inhalte orientieren sich am Rahmenlehrplan des Ausbildungsberufs Landwirt. Die Nutzer erhalten sofort eine Rückmeldung, ob sie mit ihrer gewählten Antwort richtig liegen oder falsch. Der eigene Lernfortschritt wird angezeigt. Neben den Multiple-Choice-Fragen zu den wichtigsten Themen gibt es zusätzlich Hintergrundinformationen. An den Berufsschulen wird die App im Unterricht vorgestellt und deren Handhabung den Schülern erläutert. Möglich gemacht hat das Pilotprojekt Lern-App eine in Brandenburg bisher einmalige Förderung des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft. Bis jetzt ist der Kreis der App-Nutzer noch auf das Ausbildungsnetzwerk und die Schüler des OSZ Cottbus begrenzt.

Ohne Förderung nicht möglich 

Das Ausbildungsnetzwerk wird zu 70 % durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie sowie das Ministerium für ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft aus Mitteln des europäischen Sozialfonds und des Landes Brandenburg gefördert. Für die restlichen 30 % zahlen die Betriebe pro Lehrling und Monat gut angelegte 20 € an das Ausbildungsnetzwerk. 

Der Bauernverband Südbrandenburg versucht, die Jugendlichen, nach der erfolgreichen Ausbildung abgeschlossen haben, für   die Gruppe „Junglandwirte“ zu begeistern. Eine kleine Gruppe trifft sich schon unregelmäßig in Agrarunternehmen und nimmt gemeinsam an Veranstaltungen teil. 

FAZIT

Der Bauernverband Südbrandenburg hat sich die Ausbildung qualifizierter Nachwuchskräfte auf die Fahne geschrieben. Derzeit kümmern sich in einem Ausbildungsnetzwerk mehr als 30 Landwirtschaftsbetriebe um den dringend benötigten Nachwuchs. Das Netzwerk organisiert Lehrunterweisungen und andere Bildungsangebote für die Auszubildenden.