2023 in ganz neuem Licht?
Auch in diesem Jahr sind wieder zahlreiche rechtliche Änderungen für landwirtschaftliche Unternehmen zu beachten. Im zweiten Teil unseres Fachbeitrages klären Experten weiter auf.
Die rechtlichen Neuerungen bei der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik, bei Tierarzneimitteln sowie im Arbeits- und Sozialrecht standen im Mittelpunkt des ersten Teils dieses Beitrages (Bauernzeitung 1/2022, S . 46/47). Jetzt liegt der Schwerpunkt auf dem Steuerrecht und dem Komplex Erneuerbare Energien.
Bereits im Oktober hatte der Bundestag beschlossen, dass der Pauschalierungssatz in der landwirtschaftlichen Umsatzbesteuerung zum 1. Januar 2023 von derzeit 9,5 auf 9,0 % sinkt. Unter diesen Vorzeichen kann sich für einige Betriebe ein Wechsel in die Regelbesteuerung lohnen.
Gebäude-AfA und Homeoffice-Pauschale
Für die Abschreibung neuer Wohngebäude wird der lineare AfA-Satz von 2 auf 3 % erhöht. AfA bedeutet übrigens Absetzung für Abnutzung. Die im Regierungsentwurf noch beabsichtigte Streichung der Ausnahmeregelung zum Ansatz einer kürzeren Nutzungsdauer für Gebäudeabschreibung (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG) wurde nicht Gesetz. Diese Regelung trat bereits zum Jahresanfang 2023 in Kraft und gilt für nach dem 31. Dezember 2022 erstellte Wohngebäude.
Die Homeoffice-Pauschale wurde auf 6 € pro Tag erhöht und dauerhaft entfristet. Der maximale Abzugsbetrag wurde von 600 auf 1.260 € pro Jahr angehoben – erreicht bei Ausübung der betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit an 210 Tagen im Jahr am häuslichen Arbeitsplatz. Diese Regelung gilt seit dem 1. Januar 2023.
Ab dem Jahr 2023 ist außerdem ein vollständiger Abzug von Altersvorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Sonderausgaben möglich. Diese Regelung gilt erstmals für den Veranlagungszeitraum bzw. Lohnsteuerabzug 2023.
Kalte Progression und neue Zahlungswege
Um eine Steuererhöhung aufgrund der Inflation zu verhindern („kalte Progression“), sind mit dem Inflationsausgleichsgesetz die Tarifeckwerte im Einkommenssteuertarif für die Jahre 2023 und 2024 angepasst worden. Es kommt zu einer Erhöhung des Grundfreibetrages (steuerfreies Existenzminimum), des Kinderfreibetrages, des Spitzensteuersatzes sowie der Freigrenzen für den steuerlichen Solidaritätszuschlag.
Am 1. Januar beginnt zudem der voraussichtlich letzte Fristmonat zur Abgabe der neuen Grundsteuererklärung. Finales Datum für die Einreichung ist der 31. Januar 2023. Wichtig für Landwirtinnen und Landwirte kann auch der mit dem Jahressteuergesetz 2022 geschaffene direkte Auszahlungsweg für öffentliche Leistungen sein.
Hierbei wird die steuerliche Identifikationsnummer genutzt. Dadurch soll die Auszahlung bestimmter zukünftiger Leistungen des Bundes wie zum Beispiel Nothilfen oder Klimagelder erleichtert werden.
Ertragsteuerbefreiung für Photovoltaikanlagen
Rückwirkend ab 2022 werden kleinere Photovoltaikanlagen (PV) auf Einfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien steuerfrei gestellt. Für Einnahmen aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen bis zu einer Bruttonennleistung (laut Marktstammdatenregister) von 30 kW auf Einfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien bzw. 15 kW je Wohn- und Gewerbeeinheit bei übrigen Gebäuden (z. B. Mehrfamilienhäuser oder gemischt genutzte Immobilien) wird in § 3 Nr. 72 EStG Ertragsteuerfreiheit eingeführt.
Begünstigt sind auch Photovoltaikanlagen auf überwiegend zu betrieblichen Zwecken genutzten Gebäuden bis zu 15 kW je Wohn-/Geschäftseinheit. Die noch im Regierungsentwurf enthaltene Voraussetzung „überwiegend zu Wohnzwecken“ wurde gestrichen.
Die Steuerbefreiung in der Einkommensteuer gilt für den Betrieb einer einzelnen Anlage oder mehrerer Anlagen bis max. 100 kWpeak. Dabei gilt die 100-kWpeak-Grenze pro Steuerpflichtigem bzw. pro Mitunternehmerschaft. Die Steuerbefreiung gilt unabhängig von der Verwendung des erzeugten Stroms.
Sofern in einem Betrieb nur steuerfreie Einnahmen aus dem Betrieb begünstigter Photovoltaikanlagen erzielt werden, muss hierfür kein Gewinn mehr ermittelt werden. Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften (z. B. Vermietungs-GbR) soll der Betrieb von Photovoltaikanlagen, die die begünstigten Anlagengrößen nicht überschreiten, nicht zu einer gewerblichen Infektion der Vermietungseinkünfte führen.
Keine Umsatzsteuer bei Solaranlagen
Auch die Umsatzsteuer auf PV-Anlagen soll komplett entfallen. Mit der Neuregelung ist deshalb für die Lieferung, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie die Installation von Photovoltaikanlagen einschließlich der Stromspeicher ein Nullsteuersatz eingeführt worden. Damit soll der Vorsteuerabzug als Grund für einen Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung entfallen, weil die Lieferung von Photovoltaikanlagen nun nicht mehr mit Umsatzsteuer belastet ist.
Voraussetzung für den Nullsteuersatz in der Umsatzsteuer ist, dass die Photovoltaikanlage auf und in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen oder anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird.
Davon kann ausgegangen werden, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage nicht mehr als 30 kWpeak beträgt. Diese Regelung gilt ab Januar 2023.
Förderung im EEG neu geregelt
Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2023 wird die Förderung für PV-Anlagen auf Gebäuden erhöht. Neu ist die Differenzierung zwischen Teileinspeiser und Volleinspeiser. Die EEG-Vergütung für eine Volleinspeisung zwischen 10 und 40 KWp beträgt zum Beispiel 10,9 ct/KWh, bei Teileinspeisung entsprechend 7,1 ct/KWh. Es ist ein jährlicher Wechsel zwischen Voll- und Teileinspeisung möglich. Deutlich erweitert wurde die EEG-Förderung für PV-Freiflächenanlagen einschließlich Agri-PV.
Bei Biogasanlagen sind die Förderbedingungen für Gülle-Kleinanlagen bis 150 KW erweitert worden; bei den übrigen Biogasanlagen wird diese durch einen weiter abgesenkten „Maisdeckel“ allerdings unattraktiver. Die bereits seit dem 1. Juli 2022 nicht mehr zu zahlende EEG-Umlage wurde ab Januar 2023 auf Dauer abgeschafft. Das gilt auch für die ehemals anteilige EEG-Umlage auf Eigenverbrauchsstrom.
Baurecht und Preisbremsen
Zum 1. Februar 2023 tritt eine Änderung des Baugesetzbuches in Kraft, wonach Photovoltaik-Freiflächenanlagen auf einem 200 Meter breiten Streifen entlang von Autobahnen und Schienenwegen unter die Privilegierung nach § 35 Baugesetzbuch fallen. Demnach entfällt die Steuerung mittels Bebauungsplan und eine ungeordnete Flächeninanspruchnahme zu Lasten der Lebensmittelerzeugung droht.
Ebenfalls baurechtlich erleichtert wird die Errichtung von Anlagen zur Elektrolyse an vorhandenen Windparks im Außenbereich. Ab Januar 2023 gelten, aber erst im März umgesetzt werden die Gesetze zur Strom- und Gaspreisbremse. Entnahmestellen mit einem Stromverbrauch von bis zu 30.000 kWh bzw. einem Gasverbrauch bis 1,5 Mio. kWh werden ein Kontingent von 80 % des Vorjahresverbrauchs zu brutto 12 ct/kWh (Gas) und brutto 40 ct/kWh (Strom) beziehen können.
Verbrauchsstellen, die oberhalb der genannten Grenzen liegen, erhalten 70 % ihres Vorjahresverbrauchs an Energie zu einem Netto-Garantiepreis von 7 ct/kWh (Gas) bzw. 13 ct/kWh (Strom). Darüberhinausgehende Mengen werden zum deutlich höheren Marktpreis abgerechnet.
Maßgeblich ist nicht der tatsächliche Verbrauch, sondern der Verbrauch im Referenzzeitraum 2022. Das soll Energieeinsparung anregen. Die Abwicklung der Förderung erfolgt über die jeweiligen Strom- und Gasversorger. Es ist also keine Antragstellung der Energieverbraucher bei staatlichen Stellen nötig.
LKV-Beiträge steigen moderat
Der Beitrag aktiver Landwirte zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung (LKV) steigt um durchschnittlich 2 %. Nur in den Beitragsklassen 1 und 2 steigt der Beitrag aufgrund gesetzlicher Vorgaben um ca. 4,2 %. In der Beitragsklasse 20 beträgt der Beitrag dagegen aufgrund gesetzlicher Vorgaben unverändert 692,24 €.
Für 27 % der versicherten Unternehmer führen allerdings die gestiegenen Einkommenswerte der AELV 2023 zum Wechsel in eine höhere Beitragsklasse und so zu einer Beitragserhöhung.
Die vollständigen Beitragstabellen können auf der Seite der SVLFG eingesehen werden (www.svlfg.de/beitraege-lkk). Der Beitrag zur landwirtschaftlichen Pflegekasse wird für Landwirte und ihre mitarbeitenden Familienangehörigen in Form eines Zuschlags zum Beitrag zur Krankenversicherung erhoben. Seit dem neuen Jahr wird für jedes Kind der bisherige Höchstsatz von 250 €/Monat gezahlt. Für eine Familie mit zwei Kindern sind das 744 € jährlich mehr, für eine Familie mit drei Kindern 1.044 €.
Unternehmensnummer und Lieferketten
Unternehmen, die Mitglied einer Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse sind, erhalten vor dem Jahreswechsel eine neue fünfzehnstellige Unternehmensnummer (UNR.S). Zum 1. Januar 2023 löst diese die bisher elfstellige Mitgliedsnummer ab. Die Unternehmen benötigen die Nummer unbedingt, um zum Beispiel Sozialversicherungsdaten zu melden oder Lohnnachweise zu übermitteln.
Wer noch einen pinkfarbenen oder grauen Führerschein hat und zwischen 1959 und 1964 geboren wurde, braucht spätestens ab 19. Januar 2023 den neuen, fälschungssicheren EU-Führerschein im EC-Karten-Format.
Das zum Jahreswechsel in Kraft getretene Lieferkettengesetz wird in der Landwirtschaft wahrscheinlich wenig direkte Wirkung entfalten. Betroffen sind zunächst nur Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern. Es ist aber möglich, dass größere Unternehmen im Lebensmittelhandel und in der Verarbeitung von den Landwirten als Vorlieferanten neue Nachweise verlangen möchten. Der Deutsche Bauernverband weist solche Forderungen unter Verweis auf vorhandene Dokumentations- und Qualitätssicherungssysteme zurück.
Deutscher Bauernverband, Berlin