Landmaschinenfabrik Sack: Vergessenes Juwel der Landtechnik
Auf dem Gelände des Robert-Koch-Parkes in Leipzig befand sich die Versuchsstation der Landmaschinenfabrik Sack. Hier wurde kürzlich auf die Firmengeschichte zurückgeblickt.
Von Wolfgang Rudolph, Bad Lausick
Kenner der Landtechnikgeschichte gedenken in diesem Jahr einem Hundertjährigen. 1921 startete die 1863 gegründete und heute zum Hersteller Amazone gehörende Landmaschinenfabrik Rudolph Sack in Leipzig mit der Produktion des Anhängepfluges Harras. Unter Leitung von Firmennachfolger Paul Sack hielt damit die Automatisierung auch in der Bodenbearbeitung Einzug. Harras, der an die großen Erfolge der Sack’schen Pflüge anschließen konnte, erfüllte zwar noch nicht alle Anforderungen an ein vollautomatisch arbeitendes Gerät. Doch schon beim Nachfolgemodell musste keine Arbeitskraft mehr auf dem Pflug mitfahren. Das Einsetzen und Ausheben erfolgte nun per Zahnbogenautomat.
Landmaschinenfabrik Sack: Musterbetrieb verdoppelte Ertrag
Wie alle Neukonstruktionen der Firma Sack hatten die Ingenieure auch den Anhängepflug zuvor in der landwirtschaftlichen Versuchsstation ausgiebig getestet. Sie wurde 1877 von Rudolph Sack in Grünau eingerichtet, heute ein von Plattenbausiedlungen dominierter Leipziger Stadtteil.
Das später zum Musterbetrieb ausgebaute, insgesamt fast 200 ha umfassende Areal beherbergte alles, was der technische Fortschritt und die Agrarwissenschaft zu jener Zeit zu bieten hatten. Denn in der Versuchsstation wollte man nicht nur die neuen Sack’schen Geräte testen. Darüber hinaus sollte aufgezeigt werden, wie sich durch landwirtschaftliche Kreisläufe sowie das Zusammenwirken organisatorischer und technischer Maßnahmen die Erträge steigern und die Kosten senken ließen. Zum Gut gehörten daher Stallungen für 100 Milchkühe mit Nachzucht. Ebenso 100 Schweine und reichlich Kleinvieh sowie eine Gärtnerei für Obst und Gemüse.
Tatsächlich gelang es – so berichtet eine Festschrift von 1913 –, auf den überwiegend leichten und zu Staunässe neigenden Böden des Gutes die Ernteerträge zu verdoppeln. Neben der Nährstoffversorgung mit Natur- und Kunstdünger trug dazu ein ausgeklügeltes Be- und Entwässerungssystem bei. Durch das Feldgebiet führte eine doppelspurige Gleisanlage für Feldbahnwagen und die Lokomobile zum Antrieb der Dampfpflüge. Die Großdreschanlage mit Staubabsaugung, Häckselaggregat und Quaderpresse arbeitete weitgehend automatisch.
Von den Leipziger Abfuhrinstituten angelieferte Mischungen aus Straßenkehricht und Fäkalschlamm wurden auf dem Gelände zusammen mit Abfallkalk aus der nahe gelegenen Spinnerei kompostiert und zur Bodenverbesserung in der Gärtnerei eingesetzt. Überliefert sind zudem Berichte von Experimenten, um durch Vergärung der biogenen Abfälle Biogas, damals als Laubgas bezeichnet, herzustellen.
größter Hersteller von Bodenbearbeitungsgeräten in Deutschland
Rudolph Sack starb am 24. Juni 1900. Unter Leitung seines Sohnes Paul Sack stieg das Unternehmen zum größten Hersteller von Bodenbearbeitungsgeräten in Deutschland auf. Der Firmennachfolger erweiterte das Gelände der Versuchsstation um eine Parkanlage mit schlossartiger Villa, Sommerhäusern für die Fabrikantenfamilie und mehreren Gebäuden für leitende Angestellte.
In der Villa wohnte später die dritte Unternehmergeneration: die Familie Otto Sack mit sieben Kindern und die Familie Hans Sack mit fünf Kindern. Sie wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aus ihrem Wohnsitz vertrieben, enteignet und flohen nach der Verbüßung von Haftstrafen, u. a. wegen des illegalen Tausches von Maschinenteilen gegen Lebensmittel für die Werkskantine, in den Westen Deutschlands.
Otto Sack gründete in Hannover ein Werk für die Fertigung von Pflügen, das aber nur bis 1953 bestand. Hans Sack wurde nach einigen Jahren der Tätigkeit als Entwicklungsleiter bei der Hanomag an die TH Aachen als Professor für Landtechnik berufen, wo er ein entsprechendes Institut aufbaute.
Landmaschinenfabrik Sack: Familienwohnsitz wurde zum Klinikgelände
Die Produktion und Weiterentwicklung der Landmaschinen in Leipzig erfolgte durch den nun volkseigenen Betrieb für Bodenbearbeitungsgeräte (VEB BBG). Dies allerdings zunächst unter erschwerten Bedingungen, da insbesondere moderne Maschinen von der Besatzungsmacht demontiert und abtransportiert wurden. Ebenso gingen die Kartoffelvorratsroder Schatzgräber, die der von Hans Sack eigenständig gegründete Sondermaschinenbau fertigte, in den ersten Nachkriegsjahren als Reparationsleistung in die Sowjetunion.
Mit dem Ende der DDR und dem Konkurs eines über die Treuhand vermittelten Investors geriet die BBG in schweres Fahrwasser. 1998 erwarb der Unternehmensverbund Amazone-Werke H. Dreyer GmbH Co. KG, der selbst auf eine fast 140-jährige Firmengeschichte zurückblicken kann, den Traditionsbetrieb. Nach Modernisierung und Erweiterung der Produktionskapazität am Standort kehrte mit der Aufnahme des Cayron in die BBG-Erzeugnispalette die Pflugherstellung nach Leipzig zurück.
Das Versuchsgut wandelte sich in der DDR-Zeit erst zum Volksgut, dann – nach Verfall und Abriss der Anlagen – zum Sportplatz. Der Park mit den villenartigen Gebäuden wurde schließlich zum städtischen Robert-Koch-Klinikum. Die agrarhistorische Bedeutung der beiden Areale geriet in Vergessenheit.
Park soll nach Paul Sack benannt werden
Dem wollen Leipziger Bürger, Unternehmen und Institutionen entgegenwirken. „Für die meisten Grünauer ist die Sack’sche Villa nur das Schloss im Robert-Koch-Park. An die Landtechnikpioniere Rudolph und Paul Sack, die mit ihren innovativen Maschinen maßgeblich zur Modernisierung der Landwirtschaft und damit zur Ernährungssicherung beitrugen, oder an die fortschrittliche Versuchsstation denkt da kaum einer“, bedauert Evelin Müller, Vorsitzende des KOMM e. V. Leipzig-Grünau.
Der Bürgerverein, der dafür wirbt, die Parkanlage in Paul-Sack-Park umzubenennen, gehörte im Herbst 2020 zu den Organisatoren der Veranstaltung „Ein Schloss in Grünau – auf industriekultureller Spurensuche von der Landmaschinenfabrik Rudolph Sack bis Amazone“ mit einer Ausstellung und Vorträgen in den Räumen des Parkschlosses sowie einer Schau historischer und aktueller Landtechnik vor dem Gebäude.
Leitsatz: „Wir müssen den Bauern die Knochenarbeit abnehmen“
Zu den Gästen der trotz Corona-Einschränkungen gut besuchten Veranstaltung gehörte Dr. Wieland Sack, einer der Söhne von Hans und Urenkel von Firmengründer Rudolph Sack. „Ich habe in diesem Haus eine wunderschöne Kindheit erlebt“, zeigt der heute in Osnabrück lebende 85-Jährige auf das Fenster seines früheren Zimmers in der Sack’schen Villa.
Nachdem die Familie Heiligabend 1945 das Haus verlassen musste und 1951 nach Westdeutschland übersiedelte, habe er Physik studiert und sei bis zum Ruhestand in der Forschung tätig gewesen. Er sieht das Erbe der Firma Sack und deren Erfindergeist bei Amazone in guten Händen. Eines bewege ihn jedoch, angesichts der kontroversen Debatte um Bioprodukte, Insektenschutz und vegane Ernährung: „Ein Leitsatz von meinem Vater war: Wir müssen den Bauern die Knochenarbeit abnehmen. Das ist ja mittlerweile gelungen. Mich würde interessieren, welche Perspektiven er heute für die Zukunft der Landwirtschaft sähe und auf welches Pferd er jetzt setzen würde, was die Landtechnik anbelangt.“
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