Bis zu 30.000 Landwirte und Tausende Traktoren – das ist die Bilanz, die die Organisatoren der Bauerndemo in Berlin am 15. Januar 2024 vorweisen können. Vor der Kundgebung herrschte Volksfest-Stimmung, danach Enttäuschung. Hier ein Rückblick in Bildern und Videos.
Von Claudia Duda, Sandra Marquardt/Bilder und Videos von Sabine Rübensaat
Es war eine machtvolle Demonstration, die die Landwirtinnen und Landwirte, Spediteure, Handwerker und Gastronomen am Montag, 15.1., in Berlin zeigten. Der Deutsche Bauernverband (DBV) bilanzierte am Ende 30.000 Teilnehmer an der Kundgebung am Brandenburger Tor. Lesen Sie hier, was in den Reden gesagt wurde. Und im folgenden Beitrag haben wir nochmal eindrucksvolle Bilder und Redaktionen von Demo-Teilnehmern zusammengestellt.
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Videozusammenschnitt, der die Atmosphäre bei den Bauernprotesten in Berlin am 15. Januar 2024 einfängt – ein Rückblick:
Verfügbar auch auf unserem YouTube-Kanal Bauernzeitung – jetzt besuchen (anschauen in höherer Qualität).
Auf der Bühne am Brandenburger Tor: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) musste Buh-Rufe und Pfiffe ertragen. Auch Rufe wie „Lügner“ und „Hau ab!“ wurden laut. Seine Rede ging teilweise im Protest unter. Und die, die hörten, was er ins Mikrofon brüllte, waren damit überhaupt nicht einverstanden.
Die Kolonne um Tilo von Donner vom Hof Breiteneiche ist aus Schleswig-Holstein, aus dem Kreis Plön und aus dem Kreis Schleswig-Flensburg zusammen nach Berlin angereist. Sie sind Sonntagmorgen, den 14. Januar, um 8 Uhr gestartet und haben zehn Stunden bis zum Brandenburger Tor gebraucht. Neben der eisigen Kälte haben Diskussionen die Fahrt in die Hauptstadt erschwert, da diese bereits sehr voll war. Tilo berichtet, dass es beeindruckend gewesenen sei, dass seit Sonntagabend schon so viele Schlepper, Lkws und Handwerkerfahrzeugen zu sehen. Kolonnen fuhren überall durch Berlin – kreuz und quer. „Überall war die Demo eigentlich schon präsent“, so der Landwirt.
“Wir wollten nicht zu Hause sitzen. Es gibt in der Landwirtschaft noch viel mehr Probleme – auch für uns Schäfer“, erklärte Schäfermeister Ronald Rocher nach der Kundgebung. Er wünscht sich auch eine bessere Kommunikation.
Der Fleisch-Sommelier Olaf Mahr aus Brandenburg unterstützt das Anliegen der Bauern. Er erklärt: “Wir sind von den Streichungen ebenfalls betroffen. Die Kostenspirale dreht sich weiter. Wir sind von den Energiekosten, der CO2-Abgabe und Überbürokratisierung direkt betroffen.“
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Update 17.30 Uhr: Es war der vorläufige Höhepunkt einer Aktionswoche der Bauernproteste gegen die Kürzungen der Bundesregierung zum Agrardiesel: An diesem Montag (15.1.) kamen Tausende Menschen mit Traktoren zu einer großen Demonstration. Live-Ticker von den Protesten in Berlin.
Von den Redakteuren der Bauernzeitung
Seit mehr als einer Woche protestieren Landwirte in ganz Deutschland gegen die Sparpläne der Landesregierung. Mit dem Protest fordern die Bauern eine vollständige Rücknahme der Streichung der Agrardiesel-Beihilfe. An diesem Montag, 15.1., nun der vorläufige Abschluss: Am Brandenburger Tor gab es eine große Kundgebung.
Zu der Demo wurden Tausende Menschen und Schlepper erwartet. Bereits am Wochenende machten sich Hunderte Fahrzeuge auf den Weg in die Hauptstadt, viele Landwirte campieren bereits seit Tagen auf der Straße des 17. Juni in Berlin. Aus Angst nicht mehr rechtzeitig zur Kundgebung zu kommen, sind viele Landwirte, Handwerker und Spediteure aus Brandenburg bereits in der Nacht gestartet.
Das ist laut einer Mitteilung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) geplant:
18.22 Uhr: Die Ampelkoalition räumt Versäumnisse in ihrer Agrarpolitik ein, lässt aber beim Agrardiesel keine Bereitschaft zu weiteren Zugeständnissen erkennen. Das ist das Ergebnis des Verbändegesprächs im Anschluss an die Großdemonstration am Montag (15.1.), zu dem die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und FDP eingeladen hatten. Zwar wies SPD-Fraktionschef Dr. Rolf Mützenich nach dem Treffen darauf hin, dass man bis zur abschließenden Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses am Donnerstag über den Entwurf der Bundesregierung für ein Haushaltsbegleitgesetz und die darin enthaltenen Sparvorschläge beraten werde.
Weder Mützenich noch seine Grünen-Kollegin Britta Haßelmann oder FDP-Fraktionschef Christian Dürr deuteten jedoch ein mögliches Entgegenkommen beim Agrardiesel an.
Mützenich kündigte an, dass die Ampel bis zur Sommerpause einen Fahrplan für eine veränderte Agrarpolitik vorlegen werde. Dabei werde man sich an den Empfehlungen der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) orientieren. Für beide Vorlagen werde man konkrete Umsetzungsschritte formulieren, versicherte der SPD-Politiker. Dabei gehe es um Planungssicherheit und Entlastungen für die Betriebe. Wettbewerbsfragen würden ebenso aufgegriffen wie Entwicklungen auf dem Bodenmarkt und die Gemeinsame Agrarpolitik. Anlässlich der Debatte des Agrarberichts am Donnerstag im Bundestag will die Koalition einen entsprechenden Entschließungsantrag beschließen. Ob sich die Ampel auf eine Tierwohlabgabe zur Umsetzung des Borchert-Plans verständigen kann, blieb offen. Laut Haßelmann will man auch darüber diskutieren. Für die Liberalen stehen nach den Worten von Dürr faire Wettbewerbsbedingungen für landwirtschaftliche Unternehmer im Vordergrund.
17.33 Uhr: Rund 30.000 Menschen mit fast 10.000 Fahrzeugen haben in Berlin friedlich gemeinsam am Brandenburger Tor demonstriert, teilte der Deutsche Bauernverband (DBV) am Abend mit. Die Landwirtinnen und Landwirte hätten Unterstützung vom Transportgewerbe, von Bäckern, Metzgern, Gastronomen und dem Handwerk bekommen. Enttäuscht reagierte DBV-Präsident Joachim Rukwied auf das Gespräch mit den Fraktionsspitzen der Ampel, das nach der eindrucksvollen Demonstration stattfand. Das Gespräch sei ergebnislos verlaufen, so Rukwied. Er erklärte: „Nur eine Lösung beim Agrardiesel wird die Traktoren von der Straße bekommen. Wir hoffen sehr, dass noch Vernunft bei der Ampel-Koalition einkehrt und man uns in dieser Frage bei der Haushaltbereinigungssitzung entgegenkommt. Der Ball liegt im Spielfeld der Koalitionäre.“
16.10 Uhr: Langsam fahren die Traktoren vom Brandenburger Tor wieder ab.
14.10 Uhr: Auch nach dem Ende der Kundgebung sind noch viele Teilnehmende vor Ort. Schäfermeister Ronald Rocher aus Brandenburg macht sich Gedanken, wie es weitergehen kann.
13.30 Uhr: Die Versammlung löst sich auf. Die umliegenden Cafés füllen sich, viele Teilnehmer müssen sich nach den langen Stunden in der Kälte erstmal aufwärmen. Zahlreiche Landwirte sind enttäuscht von der Rede des Finanzministers. Auch Christian Braune, der junge Landwirt vom Kürbishof Riecke in Philippsthal nahe Potsdam, der für die Bauernzeitung berichtet.
12.50 Uhr: Zum Abschluss seiner Rede ruft Lindner: „Lassen Sie uns gemeinsam groß denken und über die Situation in der Landwirtschaft insgesamt sprechen.“ Vor allem die ideologische Bevormundung müsse beendet werden. Wie viel davon bei den Teilnehmern der Demonstration tatsächlich ankam, ist ungewiss. Seine Rufe verhalten in den allgemeinen Buh-Rufen.
12.49 Uhr: Lindner erklärt, die Politik müsse mit dem vorhandenen Geld auskommen. Dabei müsse es fair zugehen, aber alle müssten einen Beitrag leisten, ruft er kämpferisch. Er habe den Neubau des Finanzministeriums gestoppt. Er machte das Angebot, mit den Landwirten darüber zu sprechen, was passiert, wenn die Förderung für den Agrardiesel endgültig auslaufe. Versprechungen, die Kürzungen beim Agrardiesel zurückzunehmen, machte er nicht. Aus seiner Sicht gehe es darum, die Bürokratie abzubauen. Bei der Steuer müsste berücksichtigt werden, dass Landwirte sehr unterschiedliche Einkommenssituationen hätten – auch abhängig vom Wetter.
12.45 Uhr: Der Finanzminister nimmt Bezug auf den Schuldenhaushalt und erklärt, dass Deutschland zurzeit jedes Jahr 44 Milliarden Euro an Zinsen zahlen müsse. Grund dafür seien die Ausgaben wegen der Corona-Pandemie und auch wegen des Ukrainekrieges. Das Land müsse in die Sicherheit investieren. Er könne aber den Protest der Landwirte verstehen. Sie seien ja nicht nur wegen des Agrardiesels vor Ort, sondern weil sich über Jahre etwas aufgestaut habe.
12.34 Uhr: Lindner ist sichtlich beeindruckt vom Zusammenhalt der Bauern. „Ihr Protest ist legitim und friedlich!“, ruft er. Er habe Angst vor schrecklichen Bildern gehabt und bedankt sich dafür, dass alles so friedlich abläuft.
12.31 Uhr: Lindner brüllt gegen die Masse an. Er versucht, den Unmut der Landwirte auf die Klimakleber zu lenken und versichert, er habe Verständnis für die Landwirte, die friedlich demonstrierten. Er sagt: „Ich höre sie!“
12.25 Uhr: Als Bundesfinanzminister Christian Lindner zum Rednerpult tritt, ertönt ein lautes Hupen, Pfiffe und Rufe: „Lügner“. Davon unbeirrt beginnt er seine Rede, doch Bauernpräsident Rukwied schiebt ihn beiseite und appelliert erneut an die Teilnehmer der Kundgebung, zuzuhören.
12.21 Uhr: Mit einer gelben und einer roten Karte tritt Theresa Schmidt, die Vorsitzende des Bund Deutscher Landjugend, an Christian Lindner heran. Als Buh-Rufe ertönen fordert sie Respekt für Lindner. Sie erklärt dem Minister: „Es gibt die gelbe Karte als Verwarnung. Sollten die Kürzungen nicht zurückgenommen werden drohe die rote Karte.“
12.11 Uhr: Claus Hochrein nimmt Bezug auf die Streichung der Subventionen und ruft: „Wir bringen jeden Tag Leistung!“ Die Subventionen seien dafür ein Ausgleich.
12.05 Uhr: Es ertönen Rufe: „Wir sind das Volk“, als Claus Hochrein von Land schafft Verbindung (LsV) spricht. Er fordert die Landwirte auf, sich an den Händen zu nehmen und ein Zeichen zu setzen. Er nimmt Bezug auf den Ausbau der Kanzleramtes für eine Milliarde Euro – das stehe in keinem Verhältnis zur Landwirtschaft.
12.03 Uhr: Auch Dirk Engelhardt droht, wenn die Beschlüsse für die Transportbranche nicht zurückgenommen werden, kommen auch die Lkw wieder.
11.57 Uhr: Als nächster spricht Professor Dirk Engelhardt – Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. Er erklärt sich solidarisch. 800.000 Lkw die für die Transportunternehmen stehen – und wir stehen an der Seite der Landwirtschaft. Er betont die Wichtigkeit der Branche – 80 Prozent der Güter würden per Lkw transportiert. Er nimmt Bezug auf den Mittelstand, der langsam und leise stirbt.
11.55. Uhr: Rukwied beendet seine Rede mit den Worten: „Ohne Landwirtschaft hat unser Land keine Zukunft!“
11.50 Uhr: Finanzminister Christian Lindner (FDP) erscheint auf dem Podium – und wird heftig ausgepfiffen und ausgebuht. Er lächelt das weg. Joachim Rukwied verspricht dennoch ein fairen Umgang und appelliert an die Teilnehmer, zuzuhören.
11.45 Uhr: „Die Bevölkerung steht hinter uns! Dafür ein Dankeschön – das ist großartig“, ruft Rukwied. „Die Politik muss raus aus der Berliner Blase – hin zu Bäuerinnen und Bauern!“, setzt er fort. Er betont aber auch, dass die Bauern zur Demokratie stehen.
11.43 Uhr: Die Regierung soll die Pläne zurücknehmen, dann „gehen wir wieder von der Straße – sonst nicht“, sagte Rukwied.
11.42 Uhr: Der Bauernpräsident fordert faire Kompromisse. Die Vorschläge der Bundesregierung seien jedoch faule Kompromisse, so Rukwied.
11.40 Uhr: Rukwied ruft: „Wir haben mit Hunderten von Veranstaltungen gezeigt, dass der Bauerstand lebt und für seine Interessen, aber auch für die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln eintritt. Ohne uns keine Essen!“
11.35 Uhr: Bauernpräsident Joachim Rukwied begrüßt die Teilnehmer. Er schätzt, dass sich 30.000 Menschen versammelt haben. Er ruft kämpferisch: „So kann es nicht weitergehen. Mit dieser Präsenz zeigen wir ein wichtiges Zeichen in Richtung Berliner Politik.“ Er wieder holt seine Forderung: „Nehmen Sie die Vorschläge zurück“.
11.30 Uhr: Die Kundgebung soll losgehen – aber auf der Bühne ist zurzeit noch nichts los. Die Reporterin des Fernsehsenders Phönix berichtet von einer friedlichen Stimmung. Allerdings machen die Bauern lautstark auf sich aufmerksam. Auch aus Bayern und Nordrhein-Westfalen haben sich zahlreiche Landwirte auf den Weg nach Berlin gemacht.
10.00 Uhr: Die Landwirte sind unterwegs zum Brandenburger Tor und zur Siegessäule.
8.50 Uhr: Die Traktor-Kolonnen rollen weiter nach Berlin rein.
8.10 Uhr: Bauernzeitungsreporterin Alexandra Cerbe hat die Nacht bei den Landwirten aus Löwenberg an der Deutschen Oper verbracht. Sie beschreibt die Situation so: „Die Stimmung ist trotz allgegenwärtigem Schlafmangel super. Es herrschte die ganze Nacht ein fröhliches Gehupe, gelegentliches Feuerwerk und allgemein etwas Unruhe. Aber die Leute stehen und grillen, machen Feuerschalen an. Man lädt sich gegenseitig zum Essen ein. Es herrscht Tauschwirtschaft von Lebensmitteln. Eben kamen Anwohner vorbei und haben Kaffee und Tee verteilt. Sie haben ihren Respekt gezollt.“
0 Uhr: Am Pariser Platz herrscht in der Nacht auf Montag (15.1.) Volksfeststimmung. Das berichtet Christian Braune. Der junge Landwirt vom Kürbishof Riecke in Philippsthal nahe Potsdam ist live vor Ort und berichtet für die Bauernzeitung.
14.1., 22.30 Uhr: Ein Konvoi von 24 Traktoren und 5 Lkw war bereits am Sonntagabend, gegen 21.30 Uhr in Löwenberg (Oberhavel) in Richtung Berlin gestartet. Die Fahrzeuge kamen bis zum Ernst-Reuter-Platz. Die Polizei Berlin hatte um 22 Uhr mitgeteilt, dass keine Traktoren mehr auf die Straße des 17. Juni gelassen werden.
Finanzminister Lindner (FDP) ist nach Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) das zweite Regierungsmitglied, das sich in Berlin den protestierenden Landwirten stellt. Özdemir hatte bei der ersten Kundgebung vor Weihnachten das Wort ergriffen, wird aber diesmal nicht dabei sein. Inzwischen hat die Bundesregierung ihre Pläne abgemildert. Die Streichung der Kfz-Steuerbefreiung ist vom Tisch, der Abbau der Agrardieselvergünstigung soll in drei Jahresschritten erfolgen.
Der DBV fordert aber weiter eine vollständige Rücknahme der Beschlüsse. Eine Förderung von Agrardiesel sei ebenso wie die Kfz-Steuerbefreiung unerlässlich für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft. Diese Forderung wird von mehr als 30 Verbänden aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft unterstützt. Diese fordern die Bundesregierung auf, die Branche nicht weiteren massiven Kostenbelastungen auszusetzen.
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Seit Wochen warten die Landwirte in Sachsen auf ihr Geld. Für den Ärger um die Agrarzahlungen wird Agrarminister Wolfram Günther (Grüne) verantwortlich gemacht. Jetzt fordert der Sächsisches Landesbauernverband (SLB) den Rücktritt des Ministers.
In Sachsen geht der Ärger um die Agrarzahlungen weiter. Die Verbandsspitze des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB) hat am Freitag (12.1.) auf ihrer Klausurtag in Limbach-Oberfrohna den Rücktritt des sächsischen Landwirtschaftsministers Wolfram Günther (Grüne) gefordert, wenn die Auszahlung der Betriebsprämien nicht bis zum 31. Januar erfolgt.
SLB-Präsident Torsten Krawczyk sagte, während Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) auf der Landwirte-Demonstration am Mittwoch in Dresden Demut gezeigt habe und sich für die Verspätung entschuldigte, sehe man beim Agrarminister nicht, dass er sich die Kritik annehme. „Wir glauben nicht mehr an eine Aufarbeitung“, so Krawczyk.
Bisher habe der Bauernverband von Rücktrittsforderungen abgesehen, was offenbar dazu beigetragen habe, dass es Wolfram Günther an Selbstkritik und ernsthaftem Bemühen mangele, an einer schnelleren Auszahlung der Gelder zu arbeiten oder sich wenigstens um einen Abschlag zu bemühen. Der letzte Innenminister sei aus geringeren Gründen aus dem Amt gegangen. Man wolle gemeinsam mit anderen landwirtschaftlichen Verbänden einen anderen Politiker der Grünen für den Posten vorschlagen, erklärte der Präsident weiter. Dies sei notwendig, um nicht den Bruch der bestehenden Koalition in Sachsen herbeizuführen. „Chaos können wir sächsischen Landwirte nicht gebrauchen“, so Krawczyk.
Das Ausbleiben der Agrarzahlungen in Sachsen bis Jahresende ist dem Bauernpräsidenten zufolge ein wesentlicher Grund, dass sich sächsische Landwirte sehr vehement an den aktuellen Bauernprotesten beteiligen.
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Schlepper-Demos, Kundgebungen, Mahnwachen – mit einer Aktionswoche bringen die deutschen Bauern ihren Protest zum Ausdruck. Und jeder hat dazu etwas zu sagen. Warum das so ist und warum die Gefahr der Unterwanderung so groß ist, kommentiert Claudia Duda.
Es ist schon interessant, wer sich jetzt alles zu Wort meldet. Gefühlt werden die Proteste der Landwirtinnen und Landwirte von rechts, von links, von oben und von unten kommentiert. Solange die Läden voll sind und der Alltag für die meisten Menschen ohne Einschränkungen abläuft, spielen die Sorgen und Nöte vieler Betriebe der Agrarwirtschaft in der Wahrnehmung der Politik und der meisten Medien kaum eine Rolle.
Jetzt spiegeln sich die Proteste in den Schlagzeilen wider und es gibt anscheinend genauso viele Experten, wie es Leser oder Konsumenten gibt. Ein realistisches Bild und vor allem eine korrekte Bewertung findet nur selten statt. Und einige Parteien oder Strömungen, die sich anscheinend für die Landwirtschaft einsetzen, gehen eigentlich auf Stimmenfang und wollen selbst von der Not der anderen profitieren.
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Mit der Protest-Woche und allen Aktionen gegen die Streichung der Agrardiesel-Hilfe zeigen die Landwirte eine Geschlossenheit, wie sie einzigartig ist. Es geht den meisten schon lange nicht mehr nur um die Rücknahme der Beschlüsse der Ampel-Regierung, sondern es geht darum, gehört zu werden. Nicht nur die Pandemie, die Kriege und eine Vielzahl von politischen Entscheidungen haben zu einem Gefühl der Erschöpfung, der Ohnmacht und der Perspektivlosigkeit geführt, das sich jetzt in Wut wandelt. Das Vertrauen in die Regierenden – egal ob auf Bundes-, Landes- und vielfach auch auf kommunaler Ebene – ist geschwunden. Und weil das nicht nur den Landwirten so geht, sondern vielen Menschen in diesem Land, deshalb ist das Verständnis bei der Bevölkerung auch groß. Diejenigen, die jetzt Straßen blockieren, mit Treckern demonstrieren und Mahnwachen halten, stehen stellvertretend für alle, die mit den Gegebenheiten nicht zufrieden sind.
Das allerdings birgt eben auch die Gefahr für Trittbrettfahrer – insbesondere von rechts –, die unsere Demokratie in Gefahr bringen. Dass sich die Verbände klar davon distanzieren und abgrenzen, ist richtig und notwendig. Wichtig ist aber auch, dass sich die Demonstrierenden nicht vereinnahmen lassen und Grenzen kennen. Darstellungen wie eine Ampel am Galgen oder Aktionen, die als Eingriff in den Straßenverkehr gewertet werden, können strafrechtlich relevant sein. Dabei sind auch politische Parteien nicht davor gefeit, merkwürdige Symbole zu verwenden. Wenn auf einem CDU-Plakat aus Sachsen auf einem inszenierten Foto ein junger Mann mit Mistgabel seine Umsturzfantasien demonstriert, kann das als Aufruf zu Gewalt gewertet werden. Aggressive Drohgebärden stacheln die Stimmung an und entladen sich dann möglicherweise gegen einzelne Personen – wie bei der Ankunft der Fähre mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in Schleswig-Holstein. Der Vergleich mit dem Sturm auf das Kapitol in Washington 2021 ist zwar weit hergeholt, aber nicht ganz von der Hand zu weisen.
Tatsächlich ist es bei der Vielzahl der Aktionen nicht immer ganz leicht, den Überblick zu behalten. Vor allem bei Aufrufen in sozialen Netzwerken ist es ratsam zu prüfen, wer da eigentlich einlädt und welche Ziele er verfolgt. Dennoch: Die Bilder aus den vergangenen Tagen sind imposant. Wenn die Proteste auch friedlich verlaufen, werden sie ernst genommen. Die Chance auf Veränderung war selten so realistisch. Dass die Landwirte eine echte Macht sind, haben sie eindrucksvoll bewiesen.
Kommentar aus der Ausgabe 02/2024
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Update 18.30 Uhr: Die Bauern-Proteste gegen die Streichung der Agrardiesel-Beihilfe gehen weiter. Am Donnerstag, 11.1., fanden sie einen Höhepunkt mit einer Kundgebung in Cottbus. Dort wurde auch Bundeskanzler Scholz erwartet. Am Ende traf er Bauernpräsident Henrik Wendorff. Das wurde besprochen.
Es war ein aufregender Tag für die Landwirte in Brandenburg. Kurzfristig hatten sie sich entschlossen, mit einer Kundgebung in Cottbus auf sich aufmerksam zu machen. Dort wurde am Donnerstag, 11.1. das neue ICE-Bahnwerk eröffnet.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurde zur Eröffnung des neuen ICE-Instandhaltungswerks erwartet. Begleitet wurde der Besuch von Protesten von Landwirten, die sich vor den Produktionshallen versammelt haben. Der Kanzler wurde mit Hupen und Trillerpfeifen begrüßt. Der Kreisverband Spree-Neiße des Bauernverbandes hatte zu der Protestkundgebung aufgerufen. Wie Vorstandsmitglied Bernd Starick dem rbb vorab mitteilte, waren 500 Fahrzeuge angemeldet, die die Zufahrt zum Bahnwerk blockieren sollten.
Das ständige Hupen von Autos und Traktoren sei auch in den Hallen zu hören gewesen, in denen der Bundeskanzler mit den Mitarbeitern des Werkes ins Gespräch kam.
Nach Angaben der Bild-Zeitung hatte Scholz eine direkte Konfrontation mit den Landwirten abgelehnt.
Aber mit dem brandenburgischen Bauernpräsidenten Henrik Wendorff hat sich Scholz am Rande der Werkseröffnung getroffen. Wie der Bauernverband am Abend mitteilte, kam es zu einem Acht-Augen-Gespräch. In dem 45-minütigen Austausch, bei dem neben Henrik Wendorff auch der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), sowie der Geschäftsführer des Berliner und Brandenburger Verkehrsgewerbes (LBBV), Eberhard Tief, zugegen gewesen sei, habe der Kanzler die Position der Bundesregierung hinter den geplanten Sparmaßnahmen erklärt.
Auf die Forderung der Landwirtinnen und Landwirte, nach der Korrektur bei der KFZ-Steuer für landwirtschaftliche und Forstfahrzeuge auch von der geplanten schrittweisen Abschaffung des vergünstigten Agrardiesels abzusehen, sei der Bundeskanzler zunächst nicht eingegangen, hieß es vom Bauernverband. Stattdessen habe er zugesichert, verstärkt nach Möglichkeiten wirksamer Entlastungen für die Landwirtschaft zu suchen.
Wendorff hätte im Gespräch deutlich machen können, dass der Berufsstand nach wie vor an der Rücknahme der Sparpläne beim Agrardiesel festhält und dass eine Lösung nur in tragfähigen Angeboten für eine zukunftsfeste Landwirtschaft auszumachen sei. Themen wie die Stilllegungspflicht von vier Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche oder die bürokratische und kostenintensive Doppelbelastung bei der Stoffstrombilanzierung lieferten gute Ausgangspunkte.
Dies brauche jedoch eine nötige Vorlaufzeit, so Wendorff. Gleichzeitig müsse verstärkt in die Etablierung alternativer Antriebe und Kraftstoffe in der Landwirtschaft investiert werden. Dietmar Woidke hätte dies sofort aufgenommen und das Präsidium des Landesbauernverbands kurzfristig zu einer gemeinsamen Sitzung in die Staatskanzlei eingeladen, um aktuelle agrarpolitische Themen auch der Landesebene zu diskutieren.
Dietmar Woidke stellte sich den Bauern vor dem Werk. Er sagte, er sei überzeugt, dass die Kürzungen komplett zurückgezogen werden sollten, um einen Dialogbasis mit dem Berufsstand zu machen. Dafür bekam der Ministerpräsident viel Beifall.
„Die Bundesregierung muss ihren Kurs ihrer Agrarpolitik überdenken und anpassen“, erklärte Henrik Wendorff. „Dabei muss sie die Bauernverbände, die Landwirtinnen und Landwirte mitnehmen. Sie muss verlässlich werden, da Unsicherheit kein guter Berater für Innovationen ist. Einen Überraschungscoup wie im vergangenen Dezember darf es nicht wieder geben.“
Mit Unverständnis reagiert der Bauernbund Sachsen-Anhalt e.V. auf das Verhalten der Bundesregierung, die sich von den Protesten der Bäuerinnen und Bauern eher unbeeindruckt zeigt. Der Präsident des Bauernbundes Martin Dippe nennt es „taktlos“.
Es sei ein Affront gegen den gesamten Berufsstand, wenn ausgerechnet am ersten angekündigten bundesweiten Protesttag das Bundeskabinett grünes Licht für seine weiteren Sparvorhaben zur Entlastung des Bundeshaushaltes 2024 gibt. Dazu gehöre auch das Auslaufen der Steuerbegünstigung für Agrardiesel.
Abgesehen davon, dass das Vorgehen der politischen Akteure einem Affront gegen die gesamte Branche gleichkomme, ist eine sachliche Begründung für die Streichung beim Agrardiesel aufgrund des zunehmenden Wettbewerbsnachteils der deutschen Landwirte, fehlender Alternativen für die notwendige Prozessenergie in einer systemrelevanten Landwirtschaft sowie einer weitgehend zweckfremden Steuer schlichtweg nicht gegeben.
Zudem sei die aktuelle „Agrardieseldiskussion“ nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Für die gesamte Branche gehe es um noch sehr viel mehr: Kostenbelastungen, die im Laufe der Jahre enorm angestiegen sind und von den Bäuerinnen und Bauern nicht mehr weitergegeben bzw. aufgefangen werden können, haben in den letzten Jahren zu einer deutlichen Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit der Betriebe geführt.
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Die Bundesregierung reagiert auf die Proteste der Landwirte und nimmt die Sparpläne der Ampel bezüglich der Streichung der Agrardiesel-Subvention und der Kfz-Steuerbefreiung teilweise zurück. Reicht das? Oder geht der Bauern-Protest weiter?
Nach den massiven Protesten der Landwirte in ganz Deutschland und der angekündigten Aktionswoche, die am Montag beginnen sollte, hat die Bundesregierung die Haushaltspläne bezüglich der Streichung der Agrardiesel-Subvention und der Kfz-Steuerbefreiung geändert.
Laut einer gemeinsamen Presse-Mitteilung vom Donnerstag, 4. Januar, von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Dr. Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wurden konkret folgende Änderungen vereinbart:
Die Streichung der Kfz-Steuerermäßigung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge ist vom Tisch. Grund: Der zum Teil erhebliche bürokratische Aufwand für die betroffenen Unternehmen soll vermieden werden, heißt es in der Erklärung.
Die Abschaffung der Steuer-Begünstigung für Agrardiesel erfolgt nicht in einem Schritt. Stattdessen erfolgt ein schrittweiser Abbau der Begünstigung, um den betroffenen Unternehmen mehr Zeit zur Anpassung zu geben. Das grüne Nummernschild bleibt.
Demnach erfolgt im Jahr 2024 eine Reduzierung des Entlastungssatzes um 40 Prozent. In den Jahren 2025 und 2026 soll jeweils eine weitere Reduzierung um 30 Prozent erfolgen, so dass für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen keine Subvention mehr erfolgt. Die Rück-Vergütung der im Jahr 2023 verbrauchten Mengen im Jahr 2024 erfolgt unverändert.
Die Überweisung der Plastik-Abgabe an die EU erfolgt ab 1. Januar 2025. Dies sei notwendig, um mehr Zeit für die Erarbeitung einer effizienten und möglichst unbürokratischen Lösung zu gewinnen.
In einer ersten Reaktion erklärte Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, die Nachbesserungen der Bundesregierung seien unzureichend: „Dies kann nur ein erster Schritt sein. Unsere Position bleibt unverändert: Beide Kürzungsvorschläge müssen vom Tisch. Es geht hier ganz klar auch um die Zukunftsfähigkeit unserer Branche und um die Frage, ob heimische Lebensmittelerzeugung überhaupt noch gewünscht ist. An unserer Aktionswoche halten wir daher weiter fest.“
Auch in den Bundesländern gehen die Proteste weiter. So hieß es am Donnerstagabend vom Thüringer Bauernverband, dass die Demonstration in Erfurt am Montag wie geplant stattfinden wird. In der Landeshauptstadt werden bis zu 1000 landwirtschaftliche Fahrzeuge erwartet. Marco Gemballa, Vorsitzender des Land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes Mecklenburg-Vorpommern e. V., erklärte in den sozialen Netzwerken: „Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrte Minister Habeck und Lindner: Das reicht nicht!“
Am Nachmittag dann auch die Reaktion des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir: „Wir haben gemeinsam eine Lösung gefunden, die eine überproportionale Belastung der Land- und Forstwirtschaft abwendet. In den letzten Tagen habe ich dazu viele intensive Gespräche geführt, auf die Schlagseite zulasten des Agrarsektors hingewiesen und Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht“, sagte Özdemir. Die überproportionale Belastung der Land- und Forstwirtschaft im Rahmen der notwendigen Haushaltskonsolidierung sei damit vom Tisch.
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Lebensmittel-Produktion aus Pflanzen: Auf dem Pflanzenprotein-Symposium „Local Heroes!“ ging es um die Chancen und Möglichkeiten beim Anbau von Leguminosen als Ersatz für Fleisch.
Von Catrin Hahn
Die zweite Ausgabe des Pflanzenprotein-Symposiums „Local Heroes!“ wurde in Berlin und online von über 180 Enthusiasten besucht, die um den Wert und das Potenzial der Eiweißpflanzen wissen. Der stellvertretende Ufop-Vorsitzende Dietmar Brauer zeigte sich in seinen Begrüßungsworten erfreut vom großen Interesse: „Wir alle hier wissen, wie wichtig diese Pflanzen für den Ackerbau und in der Lebensmittelkette sind. Wir sehen, wie das Angebot an Plantbased Food (Anm. d. Red: pflanzenbasierten Lebensmitteln) ständig wächst. Allerdings stammen die Rohstoffe für diese Lebensmittel noch viel zu selten vom deutschen Acker. Der Leguminosenanbau für Lebensmittelnutzung liegt erst bei 2,5 Prozent. Das muss sich ändern!“
Zudem ging Brauer auf die unsichere Situation der Finanzierung von Fördertöpfen ein. Zwar hätte die Politik in Deutschland und der EU offenbar die Bedeutung von Körnerleguminosen erkannt. Dennoch sei von der Bundesregierung der Etat der Eiweißpflanzenstrategie für 2024 schon wieder gekürzt worden. Und welche weiteren Kürzungen nun angesichts des schwindelerregenden Haushaltsloches drohten, sei nicht annähernd abzusehen.
Zu diesem Thema konnte auch die nächste Rednerin nichts sagen: Eva Bell vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Die laufenden Beratungen erlaubten es nicht, hier konkrete Aussagen zu machen. Dennoch betonte sie, dass die Bundesregierung um die Rolle der Leguminosen wisse: „Hülsenfrüchte in der Ernährung sind ein vielfacher Gewinn in Ernährung und Landwirtschaft. Jeder Burger aus Leguminosen reduziert den Treibhauseffekt. Zudem machen es mehr Pflanzen auf dem Speiseplan einfacher, sich gut und ausgewogen zu ernähren.“
Nach dem Willen der Bundesregierung sei ein Ansatz, um diese Strategie zu fördern, die Gemeinschaftsverpflegung, essen doch täglich bis zu 16 Millionen Menschen täglich in Kantinen, Mensen oder ähnlichen Einrichtungen. Der Land- und Ernährungswirtschaft bieten sich nach Bells Worten große Chancen durch den vermehrten Anbau von Körnerleguminosen: „Schon heute nutzt der Ökolandbau sie sehr intensiv zur N-Versorgung und tierischen Ernährung. Ab 2026 müssen im Ökolandbau alle Tiere zu 100 Prozent mit Futtermitteln aus Ökoerzeugung ernährt werden – das gilt natürlich auch für Proteinfuttermittel.“
Auch die konventionelle Landwirtschaft könne sehr viel Nutzen aus dem verstärkten Anbau ziehen. Ein weiterer Punkt: Lieferketten zu sichern und zu schützen, sei nach den Erfahrungen der letzten Jahre ein erstrebenswertes Ziel. Das gelte sowohl für heimische Futter- als auch Lebensmittel.
Mit der Thematik: „Alternative Proteine in Deutschland – Marktentwicklung und politischer Handlungsbedarf“ beschäftigte sich Ivo Rzegotta vom Good Food Institute Europe. Das 2015 in den USA gegründete Good Food Institute beschäftigt weltweit über 190 Mitarbeiter in den Schwerpunkten Wissenschaft und Politikberatung. Klar sei, beginnt Rzegotta seinen Vortrag, dass mit den heutigen Ernährungssystemen keine zehn Milliarden Menschen zu ernähren seien. Dafür sind sie zu ineffizient: „Wir können es uns nicht leisten, acht Kilokalorie zu investieren, um eine Kilokalorie Hühnerfleisch zu erzeugen.“ Gleichzeitig steige aber die globale Fleischnachfrage. In Europa ginge sie zwar leicht zurück (in Deutschland aktuell 52 Kilogramm/Jahr), aber ob der Trend dauerhaft ist, vermöge er nicht zu sagen. „Wenn man ehrlich ist, sind die wesentlichen Punkte Geschmack und Preis. Wir brauchen demzufolge Produkte, die bezahlbar sind und nahe an dem, was die Menschen kennen und gewohnt sind.“ In Sachen Proteinalternativen, die für viele Regionen eher neu seien, gäbe es hier drei Säulen, erklärte der Referent: Plant-based-Produkte, fermentierte Produkte und kultiviertes Fleisch.
Bei Plant-based-Produkten sei bereits sehr viel passiert. Im Moment sehe er eine gewisse Stagnation: „Wir brauchen eine neue Generation, neue Produkte wie likeEi oder Steak. Und wir brauchen clean label, also kürzere Zutatenlisten, saubere Produktion und weniger Konservierungsstoffe.“
Deutschland sei der mit Abstand größte Plant-based-Markt in Europa. Die absoluten Zahlen seien dennoch nicht besonders hoch: Jeder Deutsche hat im vergangenen Jahr 23 Euro für Plant-based-Produkte ausgegeben, vor allem für Fleisch- und Milchalternativen.
Eine junge Branche, wenn auch eine sehr alte Technologie, sei die Fermentation, fuhr Rzegotta fort. Hier seien extrem interessante Produkte zu erwarten, die im Moment allerdings noch in den Kinderschuhen steckten. Fleischersatz aus Pilzkulturen gehöre dazu oder auch Produkte, die mittels Präzisionsfermentation hergestellt würden.
Die Deutschen, das hätten Umfragen gezeigt, sind offen für Produkte dieser Art. Das gilt auch für kultiviertes Fleisch, von dem 82 Prozent der Jüngeren sagen, dass sie es kaufen würden. Und das, obwohl hier einige Jahre lang durch eher abschreckende Wortwahl wie „Laborfleisch“ nicht eben Vertrauen aufgebaut worden sei. Der weltweit erste Snack, ein seit 2020 in Singapur zugelassener Chicken Nugget, sei dort derzeit für etwa 14 Dollar in Restaurants zu haben und sehr beliebt.
Wichtig war Rzegotta noch, zu betonen, dass es künftig keine getrennt nebeneinander existierenden Ernährungsweisen geben werde: „Hybriden Produkten gehört die Zukunft.“ Deutschland stünde im Wettbewerb nicht schlecht da, es habe starke Start-ups in dem Bereich. Die eigentliche Stärke Deutschlands läge aber, wie schon zuvor in anderen Bereichen, in der Maschinenherstellung. Auch die etablierte Lebensmittelindustrie investiere in diesem Segment. Allerdings beobachte er, dass sich der Wagniskapital-Bereich in Europa nicht so gut entwickele wie in anderen Regionen.
An die Politik richtete Rzegotta den Aufruf, Innovation voranzubringen: „Egal wo, wir sind mit Verzicht nie weitergekommen. Immer nur mit anderen technischen Lösungen. Alternative Proteine sind für uns der Weg in die klimafreundliche Ernährung, also sollte die Politik sie fördern.“
Im Vergleich zu erneuerbaren Energien oder anderen Klimaschutzinvestitionen sei hier aber in Deutschland deutlich zu wenig passiert. Anders sei das in anderen Ländern, etwa in Israel, wo alternative Proteine das zweitwichtigste Forschungsfeld seien oder in den USA, wo die Forschung per Präsidentenerlass unterstützt wird. Dänemark habe seit Kurzem die weltweit erste Plant-based-Strategie. In Deutschland sei dagegen kaum eine Strategie zu erkennen. „Warum machen wir das nicht unter dem Dach der Eiweißpflanzenstrategie?“ Eine gemeinsame Anstrengung müsse dann auch die Zulassung beinhalten: Wegen der zu langen Zulassungsprozesse in Europa kommerzialisieren heute viele Start-ups anderswo.“
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Im Verlauf des Symposiums stellten Unternehmen ihre Produkte vor. Den Anfang machte Sören Rossmann von der Rügenwalder Mühle. „Auch wir waren mal ein Start-up“, so beschrieb er das 190 Jahre alte Unternehmen. „Seit 2014 stellen wir Fleischalternativen her, seit 2020 übersteigt unser Umsatz mit veganen Produkten den der tierischen Erzeugnisse.“ Make something people want – das sei das Motto ihrer Forschungs- und Entwicklungsbemühungen, erklärte er: „Wir wollen Geschmackserlebnisse ohne Fleisch bieten. Viele neue Produkte haben wir in diesem Jahr auf den Markt gebracht, darunter Weiß- und Bratwürste oder Pulled Pork. Daneben sei aber auch die Nachhaltigkeit ein Ziel, weswegen seit Anfang 2022 erste Produkte mit 100 Prozent deutschem Soja angeboten würden. Bis 2025 habe man sich vorgenommen, nur noch pflanzliche Proteine aus Europa zu verwenden. Soja sei dabei die Hauptproteinquelle, erklärte Rossmann. „Die Qualität der Sojaproteine ist hervorragend, Geschmack und Farbe sind super.
Allerdings werden nur zehn Prozent des hierzulande angebauten Sojas für die Humanernährung genutzt. So haben wir 2020 ein Pilotprojekt gestartet, in dem wir Anbauverträge mit Landwirten geschlossen haben.“ 500 Hektar Vertragsanbau mit Landwirten aus Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern seien es in diesem „sehr guten Sojajahr“ gewesen. Die 2.500 Tonnen deckten 30 Prozent ihres Sojabedarfs. „Da geht noch mehr“, betont Rossmann und fordert Landwirte aus ganz Deutschland auf, sich bei Interesse an Vertragsanbau beim Unternehmen zu melden.
Auch die BayWa hat vor vier Jahren angefangen, in Start-ups zu investieren und sich dabei auf den Schwerpunkt Pflanzenproteine konzentriert. Jasmin Dold, BayWa AG, und Achim Budemann von der Greenforce Future Food AG stellten die Zusammenarbeit vor, bei der elf Landwirte 300 t Erbsen produzieren, aus denen Greenforce später 74,5 Tonnen Erbsenprotein über verschiedene Produktionswege – als Konzentrat oder Isolat – herstellt.
Die nächste Referentin, Laura Ignatzy vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, stellte eine Entwicklung vor, mit deren Hilfe die Entwicklung neuer Lebensmittel auf Basis pflanzlicher Proteine einfacher werden sollte. Sie ist Bestandteil des vom Bundesforschungsministerium geförderten Innovationsraumes NewFoodSystems, in dem mehr als 60 Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft an Ansätzen für die Ernährung von morgen arbeiten. Das Unterprojekt „Nachhaltige Proteinzutaten“ sei, erklärte Ignatzy, nachhaltigen und alternativen Proteinquellen gewidmet.
Eines der drei Innovationsfelder sei die Entwicklung einer Proteindatenbank zur ganzheitlichen Charakterisierung von Proteinzutaten. Warum ist eine solche Datenbank überhaupt nötig? „Wir sehen ein attraktives Marktumfeld und ein gestiegenes Interesse bei Herstellern“, erklärte Ignatzy. „Diese Vielfalt bringt aber Herausforderungen mit sich, haben doch alle Rohstoffe unterschiedliche Eigenschaften und Wirkung. Deshalb stellt sich den Herstellern die Frage: Was ist denn nun „mein“ Protein?“
Zurzeit enthalte die Datenbank 87 Proteinpräparate unterschiedlichster Herkunft, darunter neben pflanzlichen Rohstoffen auch beispielsweise Algen oder Insekten. Sie alle wurden auf ihre Zusammensetzung, ernährungsphysiologische Eigenschaften, Nachhaltigkeitsfaktoren, sensorischen Attribute und weitere Kriterien untersucht. In der Datenbank, die nach Projektende im Frühjahr 2024 öffentlich zugänglich sein soll, könnten sich dann Lebensmittelhersteller nach den für sie wichtigen Kriterien auf die Suche nach dem richtigen Proteinrohstoff machen.
Die Rohstoffe, die in die Untersuchung aufgenommen würden, stammten von verschiedenen Anbietern, erklärt Ignatzy: „Wir kaufen Mehle, Isolate oder Konzentrate ein, die wir zunächst daraufhin untersuchen, ob sie sich über verschiedene Chargen hinweg ausreichend ähneln. Danach bestimmen verschiedene Projektteilnehmer Dutzende Inhaltsstoffe und weitere Kriterien. Wer sich schließlich entscheidet, eines der Proteinprodukte nutzen zu wollen, bekommt von uns Auskunft über dessen Herkunft.“
Welche Ansprüche und Wünsche der Verbraucher nun an Produkte aus pflanzlichen Proteinen stellt, damit hat sich die Sensorikerin Hannah Schebesta von der Symrise AG beschäftigt. Das Unternehmen verkauft Duft- und Geschmacksstoffe für Lebensmittel, Kosmetik und weitere Produkte. Für die Entwicklung von Geschmacksstoffen, erklärt sie, sei es unerlässlich zu wissen, was genau der Verbraucher denn wünsche. „Welche Sensorik sollen Fleischalternativen denn mitbringen? Um das herauszufinden, haben wir eine Umfrage gemacht. Dabei kam zum einen heraus, dass 80 Prozent die einfache Verfügbarkeit der Produkte wichtig ist – sie also nicht zum Beispiel umständlich irgendwo bestellt werden müssen. In Sachen Geschmack ergab sich, dass zwei Drittel der Verbraucher von ihrem Fleischersatz erwarten, dass er auch wie Fleisch schmeckt. Ein Drittel hingegen ist eher neugierig auf alternative Geschmackserlebnisse und freut sich über mehr Gemüse- oder Gewürznoten.“
Sensorik mache Geschmack messbar, fährt die Referentin fort. Die Palette der Symrise-Geschmacksstoffe entspreche den verschiedenen Kundenansprüchen. An Hersteller richtet Schebesta daher die Aufforderung, in Sachen Sensorik nichts dem Zufall zu überlassen. Die Expertise von Symrise bei Beratung und Produktauswahl helfe bei der Suche nach der eigenen Marktnische. „Kenn deine Zielgruppe!“, mit diesem Aufruf beendete Hannah Schebesta ihren Vortrag.
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Mit einer Eilverordnung hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Rechtssicherheit geschaffen: Glyphosat darf auch künftig in Deutschland eingesetzt werden. So sind die Regeln ab dem neuen Jahr.
Eigentlich sollte in Deutschland der Einsatz von Glyphosat ab 2024 verboten sein. Doch nachdem die EU-Kommission Mitte November die Zulassung von Glyphosat für weitere zehn Jahre angekündigt hatte, musste auch die Gesetzeslage hierzulande geändert werden – denn EU-Recht schlägt Deutsches Recht. Deshalb hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Mitte Dezember eine sogenannte Eil-Verordnung erlassen, mit der Rechtssicherheit für den weiteren Einsatz von Glyphosat geschaffen ist.
Die Glyphosat-Eilverordnung wurde im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Sie tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2023 in Kraft. Die Eilverordnung gilt für ein halbes Jahr. Das teilte das BMEL mit. Sie sieht vor, dass die bestehenden Beschränkungen für die Anwendung von Glyphosat und die damit verbundenen Sanktionen übergangsweise weiter gelten.
Zuvor hatte bereits das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat bis zum 15. Dezember 2024 verlängert.
Hintergrund ist die bis zum 15. Dezember 2033 verlängerte Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat in der Europäischen Union. So steht es in der Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660. Laut BVL bedeutet das konkret: Sofern ein Produkt mit Glyphosat eine Zulassung bis zum 15. Dezember 2023 hat, wird das Zulassungsende um genau ein Jahr verlängert – auf den 15. Dezember 2024. Firmen, die eine Zulassung haben, können innerhalb von drei Monaten (ab Erneuerung der Wirkstoffgenehmigung) einen Antrag auf Erneuerung der Zulassung stellen.
Das BMEL erarbeitet eine Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung, um eine Anschlussregelung an die Eilverordnung zu schaffen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bekräftigte seine Kritik, das umstrittene Herbizid wieder zuzulassen. „Ich halte die Entscheidung der EU-Kommission für falsch, Glyphosat bis 2033 zu genehmigen und sehe sie auch nicht vom Votum der EU-Staaten gedeckt“, erklärte der Minister. Laut Özdemir schade Glyphosat „ohne Zweifel“ der Artenvielfalt.
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Die Agrarminister der Länder haben sich am Freitag mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ausgetauscht. Es ging um die Streichung der Agrardiesel-Subvention und der Kfz-Steuerbefreiung. Welche Forderungen wurden gestellt und wie war die Reaktion?
Die Agrarministerinnen und -minister der Länder haben sich am Freitag (22.12.2023) in einer Videokonferenz mit Cem Özdemir (Grüne) ausgetauscht. Einhellig lehnten sie die geplanten Belastungen für die Landwirtschaft ab. Sie sind der Meinung: Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen, konkret die Abschaffung der Agrardiesel-Rückerstattung und der Befreiung von der KfZ-Steuer, müssen vom Tisch. Das teilte das Agrarministerium von Mecklenburg-Vorpommern am Abend mit.
Auf Vorschlag des Ost-Bundeslandes soll es eine weitere Zusammenkunft der Ministerinnen und Minister noch vor dem 08. Januar geben. „Bis dahin sind die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder aufgerufen, auf die Minister Lindner, Habeck und den Bundeskanzler zuzugehen und dafür zu werben, die geplanten Kürzungen einzustampfen und Alternativen in den Blick zu nehmen“, erklärte Agrarminister Till Backhaus (SPD).
Der Deutsche Bauernverband (DBV) setzt seinen Protest gegen die Sparpläne der Bundesregierung im neuen Jahr fort. DBV-Präsident Joachim Rukwied kündigte am Freitag (22.12.2023) auf der Plattform X, vormals Twitter, eine bundesweite Aktionswoche an. Sie werde am 8. Januar beginnen und mit einer neuerlichen Großkundgebung am 15. Januar in Berlin enden.
Für den Fall, dass keine Lösung gefunden wird, haben die Landwirte für den 8. Januar 2024 zu einem Generalstreik aufgerufen. Das teilte das Agrarministerium Mecklenburg-Vorpommern an. An den landesweiten Protesten sollen sich nicht nur Landwirte beteiligen, sondern auch Transportunternehmen, Bäcker, Metzger und Handwerker. „Insgesamt wächst die Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft“, erklärte Agrarminister Till Backhaus (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern. Er hat folgende Vorschläge ausgearbeitet:
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In Brandenburg wurde ein Mensch im Wald von einem Tier gebissen. Der schwere Beißangriff löst erneut Spekulationen über den Verursacher aus. Jetzt liegt das Ergebnis der Gen-Untersuchung vor.
Von Ralf Stefan und Claudia Duda
Bei einem Waldspaziergang wurde am Mittwoch (13.12.) ein Mann nahe Doberlug-Kirchhain in Südbrandenburg von einem Tier angefallen und schwer verletzt. Ob es sich bei dem als wolfsähnlich beschriebenen Angreifer tatsächlich um einen Wolf gehandelt hat, war lange unklar.
Der 47-Jährige war im Wald zwischen Prießen und Dübrichen im Elbe-Elster-Kreis unterwegs, als das Tier seinen Hund angegriffen haben soll. Beim Versuch, den Hund zu schützen, wurde der Mann mehrfach gebissen. Er konnte danach Familienangehörige anrufen, die Hilfe organisierten und ihn ins Krankenhaus brachten. Dort wurde er auf der Intensivstation behandelt.
Die Polizei und das Landesamt für Umwelt Brandenburg (LfU) ermittelten. Das LfU beauftragte das Senckenberg-Zentrum für Wildtiergenetik, den Vorfall mit einer Gen-Untersuchung aufzuklären. Die Untersuchungsergebnisse liegen seit Mittwoch, 20. Dezember, vor. Sie beweisen, dass ein unbekannter Hund den Spaziergänger angefallen hat.
Nach Angaben des LfU konnten bereits auf der Intensivstation des Krankenhauses Finsterwalde dem Verletzten genetische Proben entnommen werden, um Klarheit über die angreifende Hundeart zu erhalten. Dabei gelang es dem Team, ausreichend Material zu sichern. Das Ergebnis sei eindeutig: Alle untersuchten Proben enthielten genetische Spuren eines anderen Hundes. Bei dem angreifenden Tier handelte es sich also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um einen Haushund. Dass ein Wolf beteiligt war, gilt als ausgeschlossen, schreibt das LfU.
In der polizeilichen Anzeige hatte der Geschädigte immer wieder von einem Hund gesprochen, der ihn angegriffen habe. Auch bei einer Befragung im Landesamt für Umwelt anlässlich der Entnahme einer genetischen Probe seines eigenen Hundes bestätigte er dies. Mit dem entnommenen Material wurde auch die genetische Probe des Hundes des Verletzten verglichen. Es konnte eindeutig festgestellt werden, dass es sich um zwei verschiedene Individuen handelt. Vom eigenen Hund stammen die Verletzungen nicht. Damit werden auch die Aussagen des Verletzten als richtig bestätigt, teilte das LfU mit.
Der Vorfall fachte umgehend die Diskussion über die Ausbreitung der Wölfe im Land wieder an. Der Landesjagdverband Brandenburg nahm ihn zum Anlass, eine Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht zu fordern. Zum Schutz der ländlichen Bevölkerung müsse der aktuelle Wolfsbestand in Brandenburg „dramatisch reduziert“ werden. Der Landesbauernverband sprach sich dafür aus, neben den üblichen Untersuchungen im Senckenberg-Zentrum für Wildtiergenetik eine zweite labortechnische Auswertung der Bissspuren und Gen-Proben zu veranlassen. Es sei auch in anderen Forschungsbereichen üblich, jemand Drittes einen Fall prüfen zu lassen.
Das LfU indes verwies auf die Kompetenz des Senckenberg-Instituts und hält eine weitere Untersuchung für nicht notwendig. Ein Sprecher des Amtes hatte in einer Stellungnahme erklärt, dass „alle bisher bekannten Fakten, einschließlich der Schilderung des Verletzten und des Polizeiberichtes, derzeit die Annahme nahelegen, dass es sich um einen Hund handelt.“ Nach seinen Angaben gibt es in der Region bislang auch keine Hinweise auf die Existenz von Wolfshybriden. Somit könnte der Vorfall – wie beim vermeintlichen Wolfsangriff auf einen Menschen im Frühjahr in Mecklenburg erneut auf einen wildernden Hund zurückgehen.
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UPDATE 22.12.2023: Der Protest gegen die Streichung der Agrardiesel-Subvention und der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft gehen weiter. Eine Petition gegen die Sparpläne der Bundesregierung hat bereit mehr als 1 Million Unterstützer gefunden.
In der Petition heißt es: Wir fordern eine unveränderte Beibehaltung der Agrardieselrückvergütung nach § 57 Energiesteuergesetz „Steuerentlastung für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft“ und der KfZ-Steuerbefreiung für Land- und Forstwirte. Sie wurde Sonntag, am 17. Dezember 2023, eingereicht und bis Mittwochmorgen, 20. Dezember, hatten bereits mehr als 851.000 Menschen unterzeichnet. Am Freitagmorgen waren es 1.018.813. Das nächste Ziel ist die Marke von 1,5 Millionen.
Mit der Petition soll erreicht werden, dass die Bundesregierung die geplante Streichung der Agrardieselvergünstigung und den Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge vollständig zurücknimmt.
Bereits am Montag hatte es landesweite Proteste der Bauern gegen die Pläne der Regierung gegeben. Mehr als 10.000 Landwirte aus dem gesamten Bundesgebiet, davon schätzungsweise rund 1.700 mit Traktoren, haben im Berliner Regierungsviertel gegen die Sparpläne der Bundesregierung im Bereich der Landwirtschaft demonstriert.
Bauernpräsident Joachim Rukwied hatte dort für Januar „weitere kraftvolle Aktionen“ in ganz Deutschland angekündigt. Bereits am 8. Januar soll es die nächste Demo in Berlin geben.
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Landwirte sind gleich doppelt von den Sparplänen der Bundesregierung betroffen. Jetzt machen die Bauern mobil: Hunderte Traktoren rollen am Montag, den 18. Dezember 2023, zum Brandenburger Tor nach Berlin. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wurde ausgebuht.
Von Claudia Duda und Sabine Rübensaat
Mit einer großen Demonstration am Brandenburger Tor protestieren Deutschlands Landwirte gegen die Kürzungen im Agrarhaushalt. Die ersten Traktoren standen schon in der Nacht am Brandenburger Tor. Die Bauern wehren sich gegen die geplante Streichung der Agrardiesel-Subvention und der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft. Unter dem Motto: „Zu viel ist zu viel! Jetzt ist Schluss“ mobilisieren die Verbände geschlossen gegen die Pläne der Bundesregierung.
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Alle Landwirtinnen und Landwirte, alle Berufsvertretungen sowie die gesamte Agrarwirtschaft waren aufgerufen, sich am Brandenburger Tor einzufinden, um ihre Empörung über die Pläne der Bundesregierung, den Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung für die Land- und Forstwirtschaft zu streichen, zum Ausdruck bringen, teilte der Bauernverband mit.
Mit Hupen und Trillerpfeifen machten die Bauern lautstark auf sich aufmerksam. Bauernpräsident Joachim Rukwied erklärte: „Das ist eine Ansage, dass es so nicht weitergehen kann!“ Der Aufruf zur Demonstration war nicht nur vom Deutschen Bauernverband (DBV) ausgegangen, sondern auch die Verbände von „Land schafft Verbindung“ (LsV) sowie Freie Bauern hatten sich angeschlossen. Rukwied sagte, wenn die Regierung die Landwirtschaft mit zusätzlich einer Milliarde Euro belasten wolle, dann sei das eine Kampfansage. Wenn die unzumutbaren Vorschläge nicht zurückgenommen würden, dann versprach der Bauernpräsident einen „heißen Januar“. Er rief den Protestierenden zu: „Vieles ist der Landwirtschaft zugemutet worden – aber wir nehmen das nicht mehr hin!“
Während der Rede stand Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) mit versteinerter Mine neben Rukwied, der ihm Respekt dafür zollte, dass er sich den Bauern stellte. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sei auch eingeladen gewesen, doch er habe wegen der „Kurzfristigkeit abgesagt“. Rukwied forderte von Özdemir, dass er sich mit ganzer Kraft und mit Herzblut für die, für die er Verantwortung trägt, einsetzt. „Im Notfall erwarten wir, dass Sie Ihr Amt zur Disposition stellen, wenn die Regierung nicht zuhört. Wir setzen auf Sie!“ Wenn die Maßnahmen nicht gestrichen würden, „dann kommen wir wieder“, versprach Rukwied.
Als Özdemir ans Rednerpult trat, wurde er von den Landwirten mit lautstarken Buhrufen empfangen. Der Minister äußerte Verständnis über den Unmut wegen der vorgesehenen Streichung von Steuervergünstigungen für die Landwirtschaft. „Ich weiß, dass Sie mit einer Riesenwut hier nach Berlin gekommen sind“, sagte der Grünen-Politiker bei der Kundgebung am Brandenburger Tor. Es sei klar, dass nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts mehr gespart werden müsse – aber eben nicht überproportional in der Landwirtschaft. „Ich halte nichts von den Streichungen in diesem Umfang“, bekräftigte Özdemir. „Deshalb kämpfe ich im Kabinett dafür, dass es in dieser Härte nicht kommt.“ Seine Worte gingen in einem dröhnenden Pfeifkonzert unter.
Nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Teilen des Landes wurde am Montag demonstriert – so unter anderem in Leipzig und in Chemnitz. Bereits am vergangenen Donnerstag hatte es eine spontane Demo in Magdeburg gegeben.
Die Sparpläne der Bundesregierung erschüttern das Vertrauen in deren agrarpolitische Handlungsfähigkeit. „Wir zweifeln inzwischen stark daran, ob die Bundesregierung überhaupt noch zu einer Gestaltungsleistung fähig ist, wie sie eine Umsetzung der Vorschläge der Zukunftskommission Landwirtschaft erfordert“, sagt der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und Präsident des Landvolks Niedersachsen, Dr. Holger Hennies.
Und der Protest zeigt erste Wirkungen: Bundesfinanzminister Christian Lindner zeigt sich jetzt offen für eine Änderung der Sparpläne in der Landwirtschaft. Er nehme die Kritik ernst, sagte der FDP-Politiker am Sonntag (18.12.) in der ARD zu Äußerungen von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und aus den eigenen Reihen. Lindner versicherte, er werde Alternativvorschläge prüfen, wenn sie einen vergleichbaren Spareffekt hätten.
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