Seit Jahrzehnten bewirtschaften Torsten Roder und sein Bruder Holger im Familienbetrieb der Armin Roder & Söhne GbR in Behren-Lübchin im Landkreis Rostock einen Betrieb mit Sauen- und Schweinemastplätzen im geschlossenen System. Als „Mecklenburger Strohschweine“ wurde das Schweinefleisch erfolgreich vermarktet und seit 2013 für die Ludwigsluster Fleisch und Wurstwaren vertraglich gemästet.
Nachdem der Betrieb im gleichen Jahr vom Deutschen Tierschutzbund für seine besonders tierartgerechte Haltung zertifiziert wurde, habe man mithilfe von Fördermitteln noch mal richtig viel Geld in die Hand genommen und für 1,3 Mio. Euro zwei neue Mastställe gebaut, so Torsten Roder. Im Jahr 2020 gewann er den wohl wichtigsten Preis für die Landwirtschaft, den Ceres Award, und wurde zu Deutschlands bestem Schweinehalter gekürt.
Nun gibt der Landwirt die Schweinehaltung auf. Nach dem ersten finanziellen Tiefschlag während Corona, bei dem der Fleischabsatz in der Gastronomie gänzlich zusammenbrach, folgte der Ukraine-Krieg. „Plötzlich sind alle Kosten explodiert“, erzählt Roder. In dieser schwierigen Zeit habe die Ludwigsluster Fleisch und Wurstwaren weiterhin seine Schweine zu halbwegs akzeptablen Preisen vermarktet.
Die Umsätze seien zwar gesunken, aber der eigentliche Grund, warum er nun die Schweinehaltung einstelle, liege ganz woanders. „Es ist die ausufernde Bürokratie, das ewige Hin und Her. Ich frage mich wirklich, wer sich zum Beispiel das mit der Tierhaltungskennzeichnungsverordnung hat einfallen lassen“, so Roder.
Seine 4.500 Schweine, vom Ferkel bis zum schlachtreifen Tier, und die 300 Zuchtsauen leben tierartgerecht in Tiefstreuställen, haben mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben und rohfaserreiches Beschäftigungsmaterial in Form von Stroh als Einstreu und Raufutter, zählt Roder die Pluspunkte auf. „Wir füttern GVO-frei, wir kastrieren nicht und wir haben riesige Buchten, wo sich die Tiere bewegen und wühlen können. Und trotzdem bekommen wir die Verträge gekündigt, weil es sich um die Haltungsform 2 handelt und den Tieren laut Definition die Außenklimareize fehlen.“ Mittlerweile werde mindestens Haltungsstufe 3 vom Handel verlangt.
„Die Discounter werden in Zukunft nicht nur deutsches Schweinefleisch der Haltungsstufen 3 und 4 anbieten. Das sind reine Lippenbekenntnisse“, ist sich Roder sicher. Davon ist auch Antje Menz, Fachkoordinatorin Schweinehaltung/Betriebswirtschaft von der LMS Agrarberatung überzeugt. „Was tun, wenn Fleisch der Stufen 3 und 4 aus dem europäischen Ausland kommt? Von dort, wo die zusätzlichen Anforderungen, die wir hier in Deutschland haben, nicht noch on top zu den europäischen Anforderungen kommen. So machen wir uns die eigene Schweinehaltung in Deutschland kaputt“, sagt die Beraterin. „Wenn wir den Schweinebestand in MV in den Jahren 2020 bis heute betrachten, haben wir ein Drittel der Betriebe verloren. Wir betreuen noch ungefähr 60 Betriebe mit abnehmender Tendenz.“ Sie könne heutzutage keinem Schweinehalter anraten, in eine höhere Haltungsstufe zu investieren, wenn da nicht ein mittel- oder langfristiger Vertrag dahinter stehe.
Der Betrieb Roder sei immer einer der Betriebe gewesen, der sehr engagiert vorweg gegangen sei und der nun durch die neue Kennzeichnungspflicht aus dem System falle. Schätzungsweise im Herbst des kommenden Jahres werden die Stallungen bei Roder geräumt sein – dann, wenn der letzte Mastvorgang beendet ist und die Schweine zur Schlachtung gehen.
Noch denkt der 60-jährige Landwirt nicht ans Aufhören, aber die Hofnachfolge sei schon geklärt. „Die Söhne werden sich zukünftig auf unseren 1.000 Hektar großen Marktfruchtbetrieb konzentrieren. Denn ich möchte ihnen die Verantwortung für die Schweinehaltung, gerade vor so einem unsicheren politischen Hintergrund, nicht zumuten.“
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Update 15.11.: Die traditionsreiche DMK-Molkerei Dargun in Mecklenburg-Vorpommern schließt ihre Tore: Ab Januar 2025 wird dort kein Käse mehr produziert. Grund sind die stark gesunkenen Milchliefermengen. Was passiert mit den Beschäftigten?
Von Nicole Gottschall und den Redakteuren der Bauernzeitung
Ende Januar 2025 ist Schluss: Dann beendet die Zentralkäserei der Deutschen Milchkontor GmbH (DMK) ihre Käse-Produktion in Dargun (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte), wie der Norddeutsche Rundfunk berichtet. Nach Angaben einer Unternehmenssprecherin soll das Werk Ende Juni 2025 geschlossen werden. Damit gehe eine mehr als 130-jährige Tradition zu Ende.
Für die rund 100 Beschäftigten am Standort Dargun seien „gute individuelle Lösungen“ gefunden worden. In Gesprächen zwischen dem Betriebsrat und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) wurden Abfindungen für die Mitarbeiter ausgehandelt. Zudem bestehe die Möglichkeit, in den Werken Altentreptow und Waren weiterbeschäftigt zu werden. In Waren sollen auch die Auszubildenden ihre Arbeit fortsetzen können.
Wie es mit dem Werk in Dargun weitergeht, ist nach Angaben der Molkerei noch unklar. Es würden Gespräche mit der Stadt Dargun geführt.
Im März 2024 wurde bekannt, dass die Deutsche Milchkontor GmbH (DMK) plante, seine Produktionskapazitäten zu straffen und die Produktion am Standort in Dargun (Mecklenburg-Vorpommern) einzustellen. Das teilte das Unternehmen am Donnerstag (21.3.2024) auf Nachfrage der Bauernzeitung mit. Als Grund nannte Deutschlands größte Molkereigenossenschaft verringerte Milch-Mengen in der Rohstoffversorgung und Veränderungen in der wertschöpfenden Sortimentsentwicklung.
Dargun ist neben Altentreptow und Waren einer von drei Standorten des DMK in Mecklenburg-Vorpommern. Im dortigen Werk wird Käse in Blockform und als Brote produziert. Die Kapazität umfasst rund 40.000 Tonnen Käse pro Jahr.
Bei den Mitarbeitern führte die Bekanntgabe der Pläne im März 2024 indes zu Unruhen. Und auch der Bürgermeister der Stadt, Sirko Wellnitz, zeigte sich überrascht. Vermittelte die Betriebsleitung in den vergangenen Jahren doch immer wieder, dass das Unternehmen in Dargun trotz teils schwerer werdender Rahmenbedingungen wirtschaftlich arbeite.
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Die Amerikanische Roteiche (Quercus rubra) ist Baum des Jahres 2025. Das hat die „Baum des Jahres – Dr. Silvius Wodarz Stiftung“ am 25. Oktober bekanntgegeben. Die leuchtend orange bis rote Färbung im Herbst ist ihr Markenzeichen: Zum Titel haben ihr jedoch, wie die Stiftung erklärt, ihre weiteren besonderen Eigenschaften verholfen, die dem Baum besonders in Zeiten des Klimawandels Bedeutung verleihen.
Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates und Schirmherr des Baum des Jahres 2025 erklärte dazu: „Ihre Fähigkeit, auch auf trockenen Standorten zu gedeihen, macht sie zu einem wichtigen Bestandteil der deutschen Wälder. Sie steht für Resilienz und nachhaltige Forstwirtschaft.“
Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) beschreibt die Roteiche als schnellwachsende Baumart, die sowohl resistent gegen Schädlinge als auch schattenverträglich ist. Vor mehr als 400 Jahren kam die bis zu 35 Meter hohe Roteiche aus dem östlichen Nordamerika nach Europa. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird sie wegen Fraßschäden als Ersatz für heimische Eichen angepflanzt. Die SDW verweist auf die Nutzung als fremdländische Baumart in Rein- oder Mischbeständen mit Buche in weiten Teilen Europas. Aufgrund ihrer besonderen Herbstfärbung und attraktiven Blattform hat die Roteiche in vielen Parks einen Platz gefunden. In Kiefernbeständen sollen Pflanzstreifen mit Roteichen als sogenannte Feuerriegel das flächige Waldbrandrisiko minimieren: Die Blätter der Roteiche sind nur schwer entzündlich.
Trotz der positiven Eigenschaften ruft die Entscheidung des Baum des Jahres Kuratoriums Kritik hervor, denn als durchsetzungsstarker Neophyt ist die Roteiche aus ökologischer Sicht umstritten. Der Bund deutscher Forstleute (BDF) ist der Meinung, mit der Auswahl provoziere das Kuratorium eine polarisierende Diskussion. Der Bundesvorsitzende Dirk Schäfer ist sich sicher: „Naturschützer werden die Roteiche wegen ihrer schlechten ökologischen Eigenschaften scharf kritisieren. Forstbetriebe sehen ihr Zuwachspotenzial und die Stresserträgnis im Klimawandel auf den nicht so gut nährstoffversorgten Böden. Die Holzwirtschaft wird ihre Holzqualität und die Verwertungsmöglichkeiten loben.“
Dabei nehme die Roteiche bisher nur eine geringe Waldfläche ein. Gemäß der aktuellen Bundeswaldinventur wachsen die acht Gastbaumarten aus Nordamerika und Japan insgesamt nur auf fünf Prozent der Waldfläche. Die Niedersächsischen Landesforsten planen laut der Veröffentlichung „Klimaangepasste Baumartenwahl in den Niedersächsischen Landesforsten“ aus dem Jahr 2019 den Anteil der Roteiche bis 2055 auf ein Prozent der Waldfläche auszuweiten. Dabei gehe es stets um eine Mischung mit heimischer Buche und weiteren Begleitbaumarten.
Wie Schäfer erklärt, sei die Roteiche für den BDF mit Blick auf den Klimawandel und die Wiederbewaldung vieler Kalamitätsflächen durchaus interessant. Er betont jedoch: „Wir sehen die Herausforderung, die Roteiche sinnvoll in Mischwaldstrukturen zusammen mit heimischen Baumarten zu integrieren.“ Es gehe darum die ökologischen Risiken der Roteiche genauer auszuleuchten und Chancen für CO2-Speicherung und Holzzuwachs zu erkennen.
Prof. Andreas Bitter, Präsident der AGDW – Die Waldbesitzer begrüßt die Wahl der Baum des Jahres Stiftung: „Mit der Entscheidung für die Roteiche ist die Wahl auf eine waldbaulich wie ästhetisch attraktive Baumart gefallen, die zugleich im Klimawandel ein großes Potenzial bietet.“ Mit ihrer Sturmfestigkeit und relativ hohen Trockentoleranz sei die Roteiche angesichts zunehmender Wetterextreme eine vielversprechende Baumart. Er sieht die Wahl der Roteiche als wichtigen Fingerzeig, dass das Spektrum der Baumarten für den Wald der Zukunft erweitert werden muss.
Der Baum des Jahres wird seit 1989 gekürt. Das heute 34 Mitglieder umfassende Kuratorium Baum des Jahres gibt es seit 1991. Die Mitglieder stammen aus den Bereichen Forstwirtschaft, Naturschutz, Dendrologie und Gartenbau. Zu den 34 Bäumen des Jahres gehören bisher nur vier Gastbaumarten: die Rosskastanie, die Walnuss, die Esskastanie und die Robinie. Alle diese Arten sind allerdings schon lange eingebürgert.
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Update 12.11.: Nach dem Ende der Ampel-Koalition steht der Termin für Neuwahlen fest. Gesetzesvorhaben werden gestoppt. Cem Özdemir übernimmt auch das Bildungsministerium. Was wird aus dem Haushalt?
Von Claudia Duda
Im politischen Berlin herrscht nach dem Bruch der Ampel-Koalition große Verunsicherung und Ratlosigkeit. Am Mittwochabend (7.11.) hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen. Beide machen sich gegenseitig Vorwürfe. Nach den momentanen Plänen wollen SPD und Grüne mit einer Minderheitsregierung weiterregieren. Scholz bleibt Kanzler und Robert Habeck (Grüne) will als Vize-Kanzler weitermachen.
Eigentlich hatte Scholz angekündigt, am 15.1. die Vertrauensfrage zu stellen. Doch nach der heftigen Kritik von allen Seiten – von der Opposition, Verbänden, Wirtschaft, Landwirtschaft und Medien – soll es jetzt schneller gehen. Nach übereinstimmenden Medienberichten soll der Bundeskanzler nun schon am 16. Dezember die Vertrauensfrage stellen. Die Bundestagswahl könnte dann am 23. Februar stattfinden. Der Termin wurde von Politikern von Union, SPD und Grünen bestätigt. Die endgültige Entscheidung trifft Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Auch der Bauernverband hatte in einer ersten Reaktion am Donnerstag (7.11.) zügige Neuwahlen gefordert. „Das Ende der Ampel war absehbar und folgerichtig. Dieser ständige Streit in der Regierung musste beendet werden. Es muss jetzt schnellstmöglich Neuwahlen geben, eine Hängepartie können wir uns nicht leisten“, erklärte Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Einer Minderheitsregierung erteilte Rukwied eine Abfuhr: „Die Wirtschaft und auch die Landwirtschaft brauchen Perspektiven und eine Agenda, wie unsere Unternehmen wieder wettbewerbsfähig gemacht werden können“, erklärte er.
Noch ist unklar, was aus dem Bundeshaushalt 2025 wird. Denn dafür gibt es keine Mehrheit mehr in der Ampel. Das Zustandekommen einer Mehrheit mit Hilfe der Union ist unwahrscheinlich.
Sollte es zu keinem Haushalt kommen, würde ab Januar die so genannte vorläufige Haushaltsführung in Kraft treten. In diesem Fall sind zunächst nur Ausgaben möglich, die zur Aufrechterhaltung der Verwaltung und zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen notwendig sind.
Praktisch kann das Finanzministerium den Ministerien jedoch erlauben, monatlich einen Prozentsatz der Mittel des nicht verabschiedeten Haushaltsentwurfs auszuschöpfen. Ein neuer Bundeshaushalt würde dann erst vom neuen Bundestag beschlossen.
Der Geschäftsführer des Bundesverbandes der gemeinnützigen Landgesellschaften (BLG), Udo Hemmerling, rechnet damit, dass der Haushalt erst im kommenden Sommer beschlossen wird. Keinesfalls dürfe das zu einer Unterbrechung laufender Förderprogramme führen, sagte Hemmerling gegenüber AGRA Europe. Im Bundeslandwirtschaftsministerium geht man davon aus, dass die Bereitstellung der Mittel beispielsweise für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK), das Bundesprogramm zum Umbau der Tierhaltung (BUT) sowie die Energieeffizienz-Förderungauch bei vorläufiger Haushaltsführung gewährleistet ist.
„Die denkwürdigen Ereignisse des gestrigen Tages haben Menschen, Unternehmen und Märkte stark verunsichert“, kritisierte Martin Courbier, Geschäftsführer des Verbandes DER AGRARHANDEL (DAH) am Donnerstag in einer Stellungnahme. Der Bruch der Koalition erfolge zu einem Zeitpunkt, in dem von Deutschland Führung erwartet wird, um die Geschlossenheit der EU-Länder zu stärken, erklärte er mit Blick auf den Wahlsieg von Donald Trump in den USA.
Nach Informationen Agra Europa hat das Aus der Ampelkoalition gleichzeitig wichtige Gesetzesvorhaben beendet. Das gilt insbesondere für Änderung des Tierschutzgesetzes sowie die Novelle des Bundeswaldgesetzes. Letzteres sei sachgerecht, denn „die Waldbesitzer haben immer betont, dass eine Novelle in der vom Bundeslandwirtschaftsministerium geplanten inhaltlichen Ausrichtung keine zusätzliche Unterstützung für die Bewirtschaftung und die Klimaschutz-Funktion des Waldes bedeuten würde“, erklärte der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW), Prof. Andreas Bitter in einer Stellungnahme. Ob beide Vorhaben in der nächsten Legislaturperiode wieder auf die Tagesordnung kommen, sei ungewiss.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) musste das Geschehen in Berlin aus der Ferne beobachten. Özdemir befindet sich gerade auf Afrika-Reise. „Jetzt ist es an der Zeit, dass alle ihre persönlichen und parteipolitischen Interessen zurückstellen und stattdessen die Interessen des Landes in den Vordergrund rücken“, sagte Özdemir in Sambia. Überraschend wurde bekannt, dass Agrarminister Özdemir zusätzlich das Bildungsressort übernimmt. Das verkündete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue. Der Grünen-Politiker übernimmt das Amt von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP).
Laut einer Mitteilung erklärte Özdemir: „Ich habe mich – auch nach enger Abstimmung mit den grünen Kabinettsmitgliedern – entschieden, diese Aufgabe anzunehmen. Ich will mich in dieser schwierigen Lage der Verantwortung für unser Land stellen. Eine gute Bildung und die Sicherung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes sind für die Zukunft Deutschlands von überragender Bedeutung. Ich will dazu meinen Beitrag leisten.“
Sein Amt als Landwirtschaftsminister werde er fortführen. „Wir werden weiter entschieden daran arbeiten, Perspektiven und Planungssicherheit für die Betriebe anzubieten, unnötige Bürokratie abzubauen und die Weichen für eine zukunftsfeste Landwirtschaft stellen“, erklärte er.
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Seit Ende der 1970er-Jahre findet der Künstler Hans-Eckardt Wenzel in einem Dorf in Vorpommern Ruhe zum Arbeiten. Die Bauernzeitung sprach mit ihm über Landwirtschaft, Bauernproteste, Corona und die Kühe vom Nachbarn.
Von Heike Mildner
Er ist keiner, der ein Blatt vor den Mund nimmt. Er legt es vor sich auf den Tisch und schreibt auf, was raus will: Geschichten, Essays, Gedichte, Liedtexte – und auch mal ein offener Brief. Als Clown machte sich Hans-Eckardt Wenzel über die DDR-Elite lustig, als politisch denkender Liedermacher dieser Tage über Kriegsgewinnler und stramme Verfechter falsch verstandener Wokeness. Er sei eben ein „alter weißer Mann“, singt er, was rein statistisch auch auf viele Leser unserer Zeitung zutrifft. Und da er noch dazu seit den späten Siebzigern das Landleben kennt und schätzt, fragten wir, ob er seine diesbezüglichen Erfahrungen mit uns teilt, freuten uns über die Zusage und trafen uns vor seinem Konzert am 17. Oktober im historischen Bahnhof Gadebusch, der „Station Burgsee“ zum Gespräch.
Das Konzert hier war lange ausverkauft, Sie spielen zum 15. Mal hier. Ein besonderer Ort?
Ich kenne Holger schon sehr lange, er ist großer Bahnhofs- und Eisenbahnen-Freund, hat mit viel Durchhaltevermögen und kreativem Humor den Bahnhof saniert. Und er ist ein verlässlicher Partner, wenn es darum geht, politisch etwas gegen die andauernde Kriegshetze zu unternehmen. Darum spiele ich hier immer wieder gern. Außerdem fahre ich zu Solokonzerten gern mit dem Zug. Da bietet sich ein Bahnhof an. Aber von Berlin hätte ich knapp sechs Stunden gebraucht – länger als in China für die tausend Kilometer von Peking nach Shanghai!
Gerade ist mit „Strandgut der Zeiten“ Ihre 49. CD erschienen, Sie haben Hunderte Lieder geschrieben: Kommt darin, um mal mit der Tür ins Haus zu fallen, irgendwo ein Bauer vor?
Das Landwirtschaftliche kommt schon vor. Seit 1976/77 führe ich ja so eine Art Doppel-Existenz, lebe einen Teil des Jahres auf dem Land, und da hab ich als alter Städter stückchenweise gelernt, mit den Leuten im Zyklus der Natur zu leben: Wann müssen die Kartoffeln rein, welche Sorten, wann kann ich ernten – solche Sachen. Für Tiere fehlt es an Beständigkeit. Ich habe mir so eine Dreiteilung angewöhnt: hundert Tage Land, hundert Tage Berlin, hundert Tage Tournee und 65 Tage frei – aber da oben in der Natur fühle ich mich am wohlsten.
„Da oben“, das war in den ersten Gedichten Schmuggerow, später Bugewitz, ganz im Nordosten am Stettiner Haff. Wie sind Sie dahin geraten?
Mit der Gruppe „Karls Enkel“ hatten wir Ende der 70er ein Probenwochenende in einem alten Bauernhof. Ich bin da Wandern gegangen und habe ein leerstehendes Haus gefunden, habe die Leute im Ort gefragt und durfte es zusammen mit einem Freund nutzen. In Berlin hatte ich im Prenzlauer Berg eine Einraumwohnung mit Außenklo und viel Ablenkung. Schreiben konnte ich am besten da oben: meine Diplomarbeit, Gedichtbände … Ich hatte ja kein Auto, hab mich da absetzen lassen und bin dann manchmal zwei Monate geblieben. Aber irgendwann hat man uns rausgeschmissen aus dem Haus, weil ich als destabilisierende Person eingeschätzt worden war. Aber ich hab immer viel draußen gesessen beim Schreiben, wenn Ernte war, die Mähdrescherfahrer mal zu Kaffee, Bier oder Brause eingeladen. Ich kannte viele, den Förster, den LPG-Vorsitzenden und so, war gut vernetzt, wie man heute sagen würde. Und als die mitbekamen, dass wir rausgeschmissen worden waren, haben sie mir ein anderes Haus besorgt – und so bin ich da geblieben.
Schon damals waren Sie also „Illegal in Mecklenburg-Vorpommern“ – Ihr Liedkommentar aus der Corona-Zeit. So lustig war die nicht – gerade für Künstler. Was könnte jetzt diesbezüglich helfen außer Galgenhumor? Bessere Aufarbeitung?
Also für mich war es nicht so schlimm, ich hatte Zeit und Ruhe zum Schreiben. Ich habe gelernt, mit wenig Geld zu leben, ich bin nicht abhängig. Aber ich finde, was in dieser Zeit passiert ist – dass die Gesellschaft mehrfach gesplittert wurde und dass da ein Ton angeschlagen wurde, unter dem wir heute noch leiden – es ist überaus notwendig, das aufzuarbeiten. Da sind wirklich Leichen im Keller, die man nicht haben müsste. Es sollte einen Untersuchungsausschuss geben, schon allein um darüber zu reden, wie man sich in einer neuen, ähnlichen Situation verhält. Es gab tausend kleine Bilder, die zeigen, wie falsch vieles war: Dass man die Leute nicht in ihrer familiären Konstellation hat sterben lassen, ist etwas, was sich keine Zivilisation erlauben darf! Oder die Abschottung von M-V: Ich kenne einen Berliner, der wurde nachts aus dem Bett geklingelt: ,Sie haben zwei Stunden Zeit das Land zu verlassen!‘ Die sind hier durch die Dörfer gefahren und haben nach Berlinern gesucht! Ich hatte extra kein Auto mit, bin mit dem Zug gefahren, und die Bürgermeister haben zu uns gehalten.
Im Videoclip zum Lied spielen Schafe mit. Sind das Ihre?
Die gehören unserm Nachbarn, der immer da lebt. Aber sie haben lange bei uns den Rasen kurz gefressen, die Schwarzköpfe. Jetzt hat er sie abgeschafft und dafür Kühe. Und ich hab einen Rasentraktor, weil ich gehofft habe, dass mein 14-jähriger Sohn Interesse am Traktorfahren hat und ich ihn dadurch vielleicht ein paar Stunden vom Handy weglocken kann. Das ist aufgegangen! Wenn sie auf einmal etwas Schöneres in der analogen Welt finden, als die digitale bietet, ist das sehr überzeugend. Das geht nur in der Natur. Hier läuft die Zeit anders.
Sie sind fast 50 Jahre dort im Nordosten, ein Zeitraum, in dem die wortkargen Vorpommern so langsam auftauen im menschlichen Miteinander. Wie hat sich in der Zeit die Landwirtschaft verändert aus Ihrer Sicht?
Es gibt einen interessanten Spiegel-Artikel von 1993, in dem die Situation nach der Wende, die Privatisierung der Flächen und die Konflikte dabei beschrieben werden. Und, na ja, die letzten aufsässigen Bauern sind jetzt gestorben. Letzten Endes ist bei uns so eine Art ökologischer Kolonialismus eingezogen: Zugereiste, die Wiesen stilllegen und überschwemmen. Die Leute aus dem Dorf, die Ahnung haben – das sind ja keine Umweltverbrecher, die da gelebt haben – werden nicht gefragt. Da ist immer eine gewisse Überheblichkeit, die von außen reinkommt und die nicht achtet, was die Leute, also die Bauern, da gemacht haben. In unserer Gegend hat den Großteil der landwirtschaftlichen Gebiete der Herr Vissmann, der Heizungsbauer, gekauft, und der besitzt, glaube ich, mehr Grundstücke als je ein Fürst im Mittelalter dort besessen hatte. Ein Großteil werden jetzt als Photovoltaikflächen genutzt. Das ist ein ganz komischer Prozess, der da in der Landwirtschaft vor sich geht.
Haben Sie die Bauernproteste verfolgt? Haben Sie sich dazu eine Meinung gebildet?
Der Prostest ist legitim, auch um die Eliten der Städte wachzurütteln, die glauben, sie bräuchten die Landwirtschaft nicht, zumindest jene, die tierische Produkte herstellt. Für sie kommt das Essen der Zukunft nicht aus dem Stall, sondern aus dem Labor. Es ist ein Problem der Moderne, wie man mit der Landwirtschaft und überhaupt mit dem Biologischen umgeht. Der Kapitalismus hat nur Interesse an toten Dingen. Nur was tot ist, lässt sich handeln, das hat keinen Anfang und kein Ende. Alles, was lebendig ist, hat ein Ende und ist als Kapital letzten Endes nicht interessant. Der Kampf gegen alles, was biologisch ist, nimmt immer größere Formen an, und die Landwirtschaft wird immer mehr verdrängt. Die Bauernproteste hatten eine enormere Vehemenz, allein durch die Traktoren, wie sie in die Stadt reinfuhren, das fand ich sehr beeindruckend. Der ‚Protest‘, den die Regierung daraufhin gemacht hat, dass man in Berlin einen Feuerwehrmann, weil er den Bauern zugewunken hatte, gleich ein Disziplinarverfahren überhalf, zeigt, welche Furcht man hat.
Und dann waren die Rechtsextremismus-Experten zur Stelle, um zu erklären, welches die falschen Leute und Symbole sind.
Wenn alle Ansichten, die von denen der Regierung abweichen, per se als „rechts“ oder faschistisch abgestempelt werden, verkommt der gesellschaftliche Austausch zu einer Provinzposse. Die Toten des Faschismus werden im Nachhinein verhöhnt, weil man den politischen Gegner unbedingt zu einem Untier machen will, um sich nicht mit ihm inhaltlich auseinandersetzen zu müssen. Demokratie heißt aber nicht, der Regierung zu gehorchen, Demokratie heißt, sie zu kritisieren.
Dem Lebendigen statt toten Dingen den Vorzug zu geben, ist gerade nicht so gefragt …
Im Grunde gab es nur drei große antikapitalistische Bewegungen: das Christentum, der Bauernkrieg, der gerade sein 500. Jubiläum feiert – und der Kommunismus. Drei gescheiterte Unternehmungen, die versucht haben, die Fetischisierung der toten Gegenstände irgendwie aufzuheben. Und für mich hatten die Bauernproteste einen Widerhall davon.
Wenn die Gesellschaft die Proteste ernst nähme, wie könnte sie aus Ihrer Sicht anders umgehen mit der Landwirtschaft?
Die Landwirtschaft als eine viel größere Kostbarkeit anzusehen, halte ich für den ersten Schritt. Als wir groß wurden, gab es einmal in der Woche Fleisch und Weihnachten vielleicht eine Gans. Heute kann das jeder jeden Tag haben – diese Inflation! Aber der Luxus ist immer ein großes Problem. Aber man hat es hingekriegt mit dem Rauchen und man könnte es mit den anderen Dingen auch hinkriegen: eine größere Bewusstheit – dann würden landwirtschaftliche Produkte einen anderen Stellenwert haben, als etwas Kostbares! Nicht nur, wenn sie ein Biosiegel haben. Aber solange an den Fleischtheken in den Supermärkten so ein Zeug liegt, das die Leute kaufen, weil es billig ist, wird ein Umdenken nicht stattfinden. Früher hatte fast jeder auf dem Land ein Schwein oder zwei, die er zu Hause gefüttert hat, das hat auch die Essensreste und manchmal auch subventionierte Brote bekommen, wie wir wissen. Nichts wurde weggeschmissen, und am Ende gab es tausend Mark dafür. Das hieß zwar nicht ökologische Landwirtschaft, aber die Leute hatten eine gute Beziehung zu den Bauern und zu den Produkten. Das ist alles verschwunden, das Fleisch wird industriell hergestellt, weil die Gesellschaft nicht mehr zahlen will …
Wie halten Sie es persönlich?
Bei uns in der Nähe gibt es einen Galloway-Hof, der schlachtet zweimal im Jahr. Ich kenne den Betreiber schon lange, wir sind befreundet, ich kaufe Fleisch nur dort, friere es ein und das reicht dann für ein paar Monate.
Was ist für Sie der größte Unterschied von Stadt und Land?
Das Verhältnis zur Zeit. Städtische oder kapitalistische und bäuerliche Strukturen haben ein anderes Verhältnis zur Zeit. Das städtische ist angeschafft und absurd. Auf dem Land richte ich mich nach den natürlichen Läufen: Kartoffeln rein und raus zum Beispiel. In der Zwischenzeit braucht man Geduld. Da kann der Stadtmensch viel vom Bäuerlichen lernen.
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Das Kabinett in Sachsen-Anhalt beschließt den Ressortplan Klima mit insgesamt 75 Maßnahmen. Von Agrarverbänden hatte es bereits Zukunfts- und Klimaschutzkongress Kritik gegeben. Gibt es weitere Auflagen für die Landwirtschaft?
Von Detlef Finger
Starkregen, Hochwasser, Hitzewellen: Der fortschreitende Klimawandel macht sich auch hierzulande zunehmend bemerkbar. Um langfristig noch mehr für den Klimaschutz zu tun, hat das Kabinett am 22. Oktober in Magdeburg den Ressortplan Klima beschlossen. Mit diesem sollen ressortübergreifend 75 Maßnahmen umgesetzt werden, die vom vorangegangenen Zukunfts- und Klimaschutzkongress (ZuKK) im vorigen Jahr entwickelt und in einem Aktionsplan zusammengefasst wurden.
„Sachsen-Anhalt befindet sich beim Klimaschutz auf einem guten Weg“, sagte Umweltminister Armin Willingmann (SPD) auf der Landespressekonferenz mit Blick auf zuletzt gesunkene Treibhausgasemissionen. Dennoch halte er weitere Anstrengungen für erforderlich. Der Ressortplan Klima bilde dabei eine solide Grundlage, die in einzelnen Bereichen in den nächsten Jahren auch noch fortentwickelt werden könne.
In den vergangenen Monaten war der Aktionsplan von einer interministeriellen Arbeitsgruppe unter Federführung des Umweltressorts erarbeitet worden. Sie analysierte hierbei die vom ZuKK entwickelten Vorschläge hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit und wies sie den jeweils zuständigen Ministerien zu. 75 der 85 Vorhaben wurden in den Ressortplan übernommen, davon 31 in inhaltlich angepasster Form. 14 Vorschläge werden mangels Ressourcen vorerst nicht weiterverfolgt. Dies betrifft etwa ein Treibhausgas-Bilanzierungstool für die Landwirtschaft.
Mit dem Kongress sei es gelungen, Klimaschutzmaßnahmen in einem breiten Diskurs mit zahlreichen gesellschaftlichen Akteuren zu entwickeln und in Regierungshandeln einfließen zu lassen, so Willingmann: „Mit dem nun vorliegenden Ressortplan Klima haben wir ein wichtiges Koalitionsvorhaben umgesetzt.“ Für die jetzige Legislaturperiode hatten sich CDU, SPD und FDP vertraglich auf eine Reduktion der Treibhausgasemissionen hierzulande um 5,65 Mio. t CO2-Äquivalente bis zum Jahr 2026 verständigt.
Um keine Zeit zu verlieren, seien zahlreiche Maßnahmen, die Eingang in den Ressortplan gefunden haben, bereits in Angriff genommen oder schon umgesetzt worden, so Willingmann weiter. Ein zentrales Handlungsfeld bilde dabei der weitere Ausbau erneuerbarer Energien. Bereits im Februar 2023 habe das Ministerium für Infrastruktur und Digitales (MID) neue Teilflächenziele für Windenergie festgelegt, damit das Land den bundesweit vorgegebenen Windflächenanteil von 2,2 % bis 2032 erfüllen könne. Bis 2026 wolle das MID den überarbeiteten Landesentwicklungsplan vorlegen. Um Fortschritte bei Klimaschutz, Energiewende und der Umsetzung des Ressortplans in den kommenden Jahren nachvollziehen zu können, solle ein neues Klimaschutzmonitoring aufgelegt werden. Das Kabinett habe sich darauf verständigt, dass eine interministerielle Arbeitsgruppe hierzu die Details ausarbeiten soll.
Beim Zukunfts- und Kimaschutzkongress berieten ab Juni 2022 bis Juni 2023 über 120 Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in fünf Arbeitsgruppen, darunter eine für Land- und Forstwirtschaft sowie Ernährung, wie Sachsen-Anhalts Weg in eine klimaneutrale Zukunft aussehen könnte. Beteiligt waren auch Agrarverbände. Diese hatten die Möglichkeit, sich in die Debatte einbringen zu können, begrüßt.
Im weiteren Verlauf wurde allerdings zum Teil erhebliche Kritik aus deren Reihen laut. So wurde etwa moniert, dass aus ihrer Sicht das den Prozess begleitende Institut die Diskussion in den Arbeitsgruppen (AG) gezielt in bestimmte inhaltliche Richtungen lenkte und insbesondere in der AG Land- und Forstwirtschaft nicht ergebnisoffen moderierte.
Auf vorgetragenen Korrekturbedarf sei nicht weiter eingegangen, Protokolle trotz Anmerkungen nicht richtiggestellt und dadurch gezielt Meinungsvielfalt reduziert worden. Teilweise seien Ergebnisse der vorangegangenen Sitzung präsentiert worden, die den Teilnehmenden nicht bekannt waren. Diese Ergebnisverschlossenheit habe sich dann auch in dem Ende Juni 2023 veröffentlichten Aktionsplan wiedergefunden. Dabei hatte Umweltminister Willingmann zum Start des Dialogformats betont, dass „ohne Denkverbote alle Optionen des Landes ergebnisoffen diskutiert werden müssen“.
Die den einzelnen Handlungsfeldern im Agrar- und Forstbereich zugeordneten Maßnahmen hatten die Verbände zum Teil begrüßt, teils aber z. B. wegen unspezifischer Formulierungen und nicht abschätzbarem Kostenaufwand für die Beteiligten auch kritisiert oder ganz abgelehnt.
Im Bereich des Ministeriums für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten sollen Maßnahmen zum Erreichen u. a. folgender Ziele verstärkt oder neu aufgelegt werden: Verringerung der Treibhausgasemissionen der Tierhaltung, Energieeffizienz in der Landwirtschaft, Humuserhalt und -aufbau im Ackerland, Erhalt von Dauergrünland, Schutz von Moorböden, Erhalt und nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder.
Dazu sollen zusammen mit Beteiligten wie Flächeneigentümern und -bewirtschaftern, Landfrauen, Landwirten und Verbänden z. B. folgende Instrumente speziell für den Agrar- und Forstsektor genutzt werden:
Beim Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt stehen u. a. folgende Punkte auf der Agenda, die Land- und Forstwirtschaft sowie ländlichen Raum betreffen: Förderung alternativer Konzepte u. a. für Photovoltaik und Windenergie, Bereitstellen und Steuern von Flächen für erneuerbare Energien, Erarbeitung kommunaler Wärme- und Kältepläne, Wissensvermittlung für klimaschonende Landbewirtschaftung, Unterstützung natürlicher Senken sowie klimagerechte Ernährung und Regionalität.
Aktionen, die nicht durch die Landesverwaltung selbst durchgeführt werden können, sind nicht im Ressortplan Klima enthalten, sondern weiterhin im Aktionsplan des ZuKK zu finden. Die Pläne finden sich im Internet unter lsaurl.de/ressortplanklima.
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Von Astrid Wiebe
Mit Quad und Steinesammler fährt Johannes Gawlik über den Acker und beobachtet zufrieden, wie die Steine maschinell aus dem lehmigen Sandboden herausgesammelt werden. Das Gerät wurde in Dänemark konzipiert und der 26-jährige Junglandwirt hat es erst einmal nur zur Probe erhalten. „Wenn man bedenkt, dass wir sonst mehrere Leute, Radlader und Anhänger zum Steine sammeln benötigen, ist das hier ein sehr hilfreiches Gerät. Auch der Ackerboden leidet so viel weniger. Aber fast 10.000 Euro sind kein Schnäppchen. Da müssen Kosten und Leistung schon genau kalkuliert werden“, betont er.
Johannes Gawlik ist einer der Betriebsleiter unseres neuen Praxispartners in Mecklenburg-Vorpommern. Die Vipperow Agrar GmbH & Co. KG wirtschaftet in der Gemeinde Priborn, im Süden von MV und gehört zum Kreis Mecklenburgische Seenplatte. Neben der in Priborn ansässigen Verwaltung und diversen Lagerhallen befinden sich in den Nachbargemeinden Buchholz, Melz und Vipperow ein Großteil der Betriebsflächen mit weiteren Lagerhallen für Düngemittel, ein Wirtschaftshof mit Werkstatt und eine Fahrzeugwaage.
Der junge Mann hat seinen Master of Science in Agrarwissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg abgeschlossen und ist seit 2021 gemeinsam mit dem 40-jährigen Betriebsleiter Martin Groß, der aus dem Pflanzenbau kommt, für den Landwirtschaftsbetrieb verantwortlich. Gesellschafter ist der 67-jährige Joachim Gawlik, Vater von Johannes, Doktor der Agrarwissenschaften und Urgestein des Betriebes. Er unterstützt das tägliche Geschäft bei Bedarf und kümmert sich vor allem um die Flächenverwaltung.
Vergleichbar mit den Problemen zahlreicher ehemaliger LPG-Betriebe in der Nachwendezeit, konnte sich der Betrieb erst nach einem steinigen Weg und mit viel Ausdauer und strukturellen Veränderungen am Markt behaupten. Joachim Gawlik übernahm die Leitung des Unternehmens, um in den folgenden Jahren die Übergabe an die nächste Generation vorzubereiten. Die letzte und tiefgreifende Veränderung erfolgte 2017, als die Milchproduktion mit 400 Kühen veräußert wurde. Von da an waren die Vipperower ein reiner Marktfruchtbetrieb.
Heute bewirtschaftet der Betrieb eine Fläche von ungefähr 1.500 ha. Neben Raps, Weizen, Gerste, Roggen, Mais, Hanf und Weiße Lupine werden auf 150 ha Erbsen und auf weiteren 150 ha Kartoffeln kultiviert. Des Weiteren hat sich der Betrieb der Vermehrung von Kartoffeln für den Eigenbedarf und die Vermarktung verschrieben. Schon seit Langem wird im Betrieb durch eine breite Fruchtfolge versucht, das Anbaurisiko zu minimieren. So sollen die Defizite der leichten und verschießenden Böden sowie des Klimas nicht noch zusätzlich über die einseitige Auswahl von Kulturen zu Mindererträgen beitragen.
Aktuell sind die Wintergetreide im Boden und auf ungefähr 250 ha Ackerfläche wachsen artenreiche Zwischenfrucht-Mischungen zur Sicherung der Bodenqualität und Biodiversität. „Knapp 20.000 Euro kostet uns allein das Saatgut im Jahr. Und darin sind noch nicht die sonstigen Arbeitskosten enthalten“, sagt Johannes Gawlik. Trotzdem ist er davon überzeugt, dass es der richtige Weg ist, um damit den Humusgehalt der Böden gezielt zu verbessern. Auch sein Interesse an Agroforstsystemen sei groß. Allerdings gebe es da einige Schwierigkeiten bei der Umsetzung. Der konventionell wirtschaftende Ackerbaubetrieb ist Teilnehmer des seit zwei Jahren laufenden HumusKlimaNetz-Projektes, bei dem bundesweit 150 Betriebe unterschiedliche Wege zum Humusaufbau und -erhalt als Beitrag zum Klimaschutz erproben.
Rund 5.000 t Stärke- und Verarbeitungskartoffeln werden jedes Jahr auf dem Betrieb geerntet. Sie werden teilweise in den riesigen Lagerhallen lose oder in Kisten gelagert, um den Markt möglichst lange bedienen zu können, oder direkt nach der Ernte an diverse weiterverarbeitende Fabriken in Kyritz, Hagenow und Stavenhagen verkauft. Kleinere Gebinde von Speisekartoffeln, die automatisch abgesackt werden, werden im eigenen Hofladen verkauft. Dort gibt es zudem Getreide sowie Hühnerfutter, Heu und Stroh für Kleintierhalter. Die im Betrieb erzeugten Erbsen werden an eine Stärkefabrik in Golßen verkauft und dort zu Eiweißpräparaten weiterverarbeitet. Der Verkauf im Hofladen lohne sich durchaus, sagt Johannes Gawlik, und auf mehreren Standbeinen zu stehen, sei gerade in der heutigen Zeit besonders wichtig. Daher bietet der Betrieb einen besonderen Service für Bootsbesitzer an.
Unweit des Ortskerns von Priborn verläuft der Müritzarm, der zur Mecklenburgischen Seenplatte gehört. Von dort werden die großen Boote mit Traktoren abgeholt und zur Überwinterung aufs Gelände und in die Hallen der ehemaligen LPG gebracht. Die Vermietung als Winterstellplatz für circa 40 Boote eröffnet dem Betrieb damit eine weitere Einnahmequelle. „Wir beschäftigen wenige bis gar keine Lohnunternehmen. Unser Betrieb ist komplett eigenmechanisiert. Für die Pflege, Wartung und Reparatur des Maschinenparks sind unsere Mitarbeiter verantwortlich“, betont Johannes Gawlik. „Wir bringen unsere Traktoren schon mal zu den umliegenden Werkstätten, aber vieles versuchen wir selbst bzw. unser Schlosser.“
Und wenn mal eine Maschine oder ein Gerät fürs Befördern, Sortieren oder Einlagern den Geist aufgibt, dauert es nicht lange, bis die Mitarbeiter eine Alternative zum Weiterarbeiten gefunden haben. „Das resultiert noch aus der alten Zeit“, sagt der junge Betriebsleiter. „Aber das kennen andere Betriebe sicherlich auch.“ Insgesamt arbeiten 17 Angestellte, inklusive der drei Personen in der Betriebsleitung, und ein Auszubildender im Betrieb. Alle kommen aus Priborn oder den Nachbardörfern und sind schon seit Langem dabei. Das merkt man dem netten Betriebsklima an. Wir freuen uns auf die zahlreichen Geschichten, die wir mit unserem neuen Praxispartner in den nächsten Monaten erleben werden.
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Wenn der Tagebau Geschichte ist, winkt mit den Folgelandschaften eine neue Ressource. Beim ersten ZukunftsForum Landnutzung in der Lausitz tauschten sich mehr als 130 Akteure – auch Landwirte – über die neuen Möglichkeiten aus.
Von Heike Mildner
Es war eine Premiere. Das erste ZukunftsForum Landnutzung fand an zwei Tagen Ende September an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) statt. Veranstaltet vom Forschungsbündnis Land-Innovation-Lausitz (LIL, Kasten) ging es aber nicht nur um die Zukunft der Lausitz. Akteure aus Landwirtschaft, Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft besprachen Fragen zukunftsfähiger Landnutzung und Bioökonomie, die auch jenseits der Tagebaulandschaft von Belang sind. Denn: Ob Landwirtschaft, Energieerzeugung, Erholungsgebiet oder Naturschutz – die Nutzungsansprüche an zunehmend knapper werdende Flächen sind allerorten hoch und stetig steigend. Dementsprechend groß war die Bandbreite der diskutierten Inhalte beim ZukunftsForum Landnutzung. „Die Keynotes, Podiumsdiskussionen und Sessions spiegelten die immense Vielschichtigkeit des Themas Landnutzung wider“, resümiert Elke Thiele, Wissenschaftskommunikatorin des LIL.
Eine Exkursion sorgte im Vorfeld des ersten Tages für die nötige Bodenhaftung. Stationen waren der Cottbusser Ostsee, ein Abstecher zu Landwirt Robert Häußler (Agroforstwirtschaft auf 10 ha) und zu Phillip Fumfahr, Geschäftsführer der Bäckerei Wahn, die ein nachhaltiges Energiekonzept verfolgt. Häußler ist Projektpartner der Deutschen Fachagentur Agroforstwirtschaft (DeFAF). Er betreibt auf rund 10 ha Agroforst: Pappelstreifen, aber auch Wertholz- und Obstbaumreihen dazwischen, abwechselnd Ackerbau und Legehennen in Mobilställen, informiert die DeFAF. „Die Hennen finden im Agroforst Schutz vor Witterung, Greifvögeln sowie Möglichkeiten zum Insekten picken und scharren.“
Mit der nötigen Bodenhaftung ging es nach der Exkursion beim ZukunftsForum Landnutzung in den Austausch. „Schnell wurde deutlich, dass Diskussionen um eine zukunftsorientierte Landnutzung in der Lausitz wesentlich mehr als ,nur‘ den Aspekt der Rekultivierung einschließen müssen.“ Es gelte, die Kulturlandschaft als Ganzes in den Blick zu nehmen und sowohl die Auswirkungen der Tagebaue als auch die der Agrar- und Forstwirtschaft einzubeziehen, so Thiele.
„Eine der zentralen Fragen ist, wie durch multifunktionale Flächennutzung – also beispielsweise durch Kombination von Energieerzeugung, Nahrungs- und Futtermittelproduktion – konkurrierende Nutzungsansprüche sinnvoll mit-einander verbunden werden können. Hilfreich können die Prinzi-pien einer nachhaltigen, zirkulären Bioökonomie sein, in der Stoffkreisläufe geschlossen und Rest- und Abfallstoffe sowie Nebenprodukte effizient genutzt werden. Die Frage, wie dies bestmöglich funk-tionieren kann, zog sich wie ein roter Faden durch die Debatten des Forums. Ein Teil der Antwort scheine darin zu liegen, zunehmend ganzheitliche und systemische Ansätze zu verfolgen: durch Berücksichtigung möglichst aller Informationen aus den beteiligten Wirtschaftszweigen, aller Flächennutzungsansprüche und den geltenden Rahmenbedingungen.
Solche Lösungsansätze erfordern vor allem auch Vernetzung aller Beteiligten und deren Offenheit. So sollten relevante Probleme gemeinsam identifiziert und gelöst werden“, so Thiele. Ein besonders schwerwiegendes Hemmnis bei der (schrittweisen) Skalierung innovativer Lösungen nach einer erfolgreichen Machbarkeitsstudie oder der Erprobung im Labormaßstab, seien die Anschlussfinanzierungen.
Dass finanzielle Aspekte nicht nur im wissenschaftlichen Bereich, sondern auch beim Transfer in die Praxis eine große Rolle spielen, wurde besonders in der 90-minütige Session zum Thema „Landwirtschaft und Wissenschaft im Dialog – Wie können Wissenstransfer und Netzwerke aus Landwirtschaft und Wissenschaft die Agrarwirtschaft zukunftsfähig gestalten?“ deutlich. Julian Delbrügge von der Koordinierungsstelle am Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung e.V. (ILU) geht in seiner Pressemitteilung ins Detail und fasst die Ergebnisse dieser Teilveranstaltung innerhalb des Forums wie folgt zusammen: Der erfolgreiche Wandel in der Landwirtschaft gelinge nur, wenn Wissenschaft und Praxis miteinander reden und Wissen austauschen – der oft genannte Wissenstransfer.
Doch miteinander zu reden, sich zu erklären, Probleme und Ideen auszuformulieren, ist bisweilen anstrengend, zeitraubend oder – wie Philipp Fumfahr es in der Diskussionsrunde beschrieb: „Wissenstransfer macht Arbeit und bissweilen auch keinen Spaß“. Fumfahr ist Bäckermeister und übernahm im Jahr 2015 die Bäckerei Wahn in Vetschau im Spreewald. Er war als einer von drei Praxisvertretern zur Diskussionsrunde geladen.
Fumfahr setzt stark auf regional bezogene Rohstoffe und weiß: Das Bäckereipersonal muss den Kunden viel erklären, wie wertvoll und nachhaltig es ist, wenn das Getreide für das Brot vom Bauern nebenan stammt. Doch alle guten Gründe bedeuten eben nicht automatisch, dass der Kunde häufiger dieses Brot kauft oder sogar mehr dafür bezahlt. Wissenstransfer habe zunächst viel mit „Enthusiasmus“ und Investition in die Zukunft zu tun, so Fumfahr.
Ähnlich benannte es Christoph Schulz, Ackerbauer und Halter von Legehennen aus dem brandenburgischen Atterwasch, Landkreis Spree-Neiße: „Wissenstransfer ist für uns ein Ehrenamt.“ Während für Projektleiter aus der Wissenschaft der Wissensaustausch mit Landwirten und Landwirtinnen Teil ihres Jobs ist, müssen die Praxispartner das nebenher leisten. Zeit und Energie, die ihnen für die Arbeit im Betrieb fehlt. Konkret kann das bedeuten, dass der Wissenstransfer die Landwirte Geld kostet. „Die Kosten begrenzen so die Motivation an Projekten teilzunehmen“, erklärte Elisa Erpel, Pflanzenbauleiterin bei Oehnaland Agrar mit Sitz in Niedergörsdorf im Fläming, Brandenburg, die dritte Sprecherin für die Praxis auf der Forumsbühne.
Bei aller Kritik waren sich die Praxisvertreter einig: Wissenstransfer ist total wichtig. Er sorgt für den fachlichen Austausch zwischen Berufskollegen und Wissenschaft und bringt neue Ideen in Betriebe und Forschungsstationen. Zudem ermöglicht der Austausch wissenschaftliche Unterstützung dafür, welche Innovationen in der Praxis funktionieren können und wie.
Es brauche eine gewisse Bereitschaft von Landwirten mitzuwirken, damit Projekte der Praxis auch etwas nützen, bestätigte Dr. Matthias Held (LIL). Er stellte das Lausitzer Agrar-Informationszentrum (LAIZ) vor. Es soll innerhalb von Land-Innovation-Lausitz (LIL) entstehen und Wissenstransfer und Beratung anbieten. Ziel ist es, die Menschen vor Ort zu unterstützen, die vom Braunkohletagebau geprägte Lausitz nach und nach in eine Bioökonomie-Region mit klimaangepasster Landnutzung zu überführen.
Das Modell- und Demonstrationsvorhaben Integrierter Pflanzenbau (MuD) für die Region Brandenburg wurde im Forum von Laura Rheinfels vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) vertreten. Das Projekt möchte nachhaltige Ackerbaustrategien in Praxisbetrieben testen und mit den Praktikern diskutieren. Betreut werden die Betriebe vom Landesbauernverband Brandenburg (LBV) und vom ATB. Für beide ist der Austausch mit der Praxis somit eine feste Projektsäule.
AgroWert-Regio, ein Projekt vom DeFAF, wurde von Projektmitarbeiter Ruben Weber vorgestellt. Er skizzierte, wie Wertschöpfungsketten von Agroforstsystemen entwickelt und auch ökonomisch bewertet werden können.
Zudem soll eine geplante Vermarktungsinitiative Agroforst-Landwirten Teile der Vermarktungsarbeit für ihre Produkte, sprich den Wissenstransfern mit den Kunden, abnehmen. Hier zeigte sich ein Ansatz, wie Wissenstransfer zwischen Forschung und Praxis gleichberechtigt gelingen kann. Denn während Projektleiter für den Fachaustausch bezahlt werden, ist es hilfreich, den Landwirten ihre Zeit quasi zu kaufen – sei es, indem Marketingarbeit übernommen wird, oder Landwirte und Landwirtinnen für ihren Einsatz bezahlt werden. Beispielsweise sehe das MuD-Projekt feste Stundensätze für die Projektarbeit der Praxispartner vor, so Laura Rheinfels. Ähnlich Wege gehen auch schon andere Projekte wie das vom Landwirtschaftsministerium Brandenburg finanzierte Projekt „Grabenstaue“, wie eine Zuhörerin aus dem Publikum erwähnte.
Doch manchmal sei schon die Kontaktaufnahme eine Hürde, beschrieb Dr. agr. André Sradnick vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) mit Sitz in Großbeeren. Sradnick steht InnoWild und InnoWert vor, zwei Projekte, die der Idee nachgehen, die wertvollen Inhaltstoffe von Wildpflanzen zu nutzen und in der Lausitz anzubauen. Doch Landwirte für Projekt-Workshops zu gewinnen, gestaltete sich schwierig. Alles, was nicht „draußen“ stattfände, würde wenig angenommen, berichtete Sradnick. In Folge seien die Chancen des Wildpflanzenanbaus für die Landwirte schwer zu vermitteln.
Ähnliches berichtete Tobias Nowakowski von der BTU Cottbus. Er stellte das Projekt KliBioTo vor. Landnutzungstypen wie Heide, landwirtschaftliche Flächen und Agroforst wurden hierbei mit einer Drohne beflogen und erfasst, wie stark sie sich im Sommer erhitzen. Die Daten sollen unter anderem Regionen identifizieren, wo zukünftig hitzetolerante Kulturen angebaut werden sollten. So fasst Julian Delbrügge vom ILU in seiner Pressemitteilung die Session „Landwirtschaft und Wissenschaft im Dialog“ zusammen.
Das Veranstaltungsformat habe sich als ausgesprochen gut geeignet für die Umsetzung des Forumsgedankens erwiesen, resümiert Thiele. Die Sessions und Podiumsdiskussionen stießen auf reges Interesse, die engagierten Diskussionen setzten sich auch in den Pausen fort. Die allseits spürbare offene und lebendige Atmosphäre beförderte Erfahrungsaustausch und Netzwerkbildung. Intensive Debatten seien auch über die Grenzen der verschiedenen Fachbereiche hinaus geführt worden. Jetzt gelte es, weiter im Gespräch zu bleiben.
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Beim Workshop Herdenschafhaltung kürzlich in Thiendorf wurde es unversehens hitzig. Manfred Wölfl, Leiter der Fachstelle Wolf des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG), gab einen Überblick zur aktuellen Situation rund um Wolf und Herdenschutz – und sah sich alsbald mit heftiger Kritik an der Rissbegutachtung konfrontiert.
Ein Schäfer aus der Lausitz warf der Fachstelle vor, Kriterien für den Mindestschutz von Schafen anzulegen, die den rechtlichen Vorgaben nicht entsprechen. Schnell geriet die ganze Praxis der Begutachtung unter Beschuss. Sätze wie „Wir haben den Eindruck, Ihre Behörde arbeitet gegen uns!“ musste sich der Fachstellenleiter von den Schafhaltern anhören.
Fakt ist: Der Anteil der erfassten Rissvorfälle, bei denen laut Begutachtung der Mindestschutz nicht eingehalten wurde, war 2023 noch deutlich geringer als im laufenden Jahr bis 31. August – weiter reichte die aktuelle Rissstatistik bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe (28. Oktober) nicht. Bei Rissen, die dem Wolf zugeordnet werden konnten, galt 2023 bei 37 % der Fälle der Mindestschutz als nicht erfüllt, im Jahr 2024 dagegen bei 54 %.
Für den Jäger und Kritiker des sächsischen Wolfsmanagements Friedrich Noltenius, der in der Lausitz lebt und die Webseite wolfszone.de betreibt, ist das kein Zufall. Bei der Veranstaltung in Thiendorf sagte er, dies sei Folge der aus seiner Sicht falschen Auslegung der betreffenden Verwaltungsvorschrift.
Auch der Schafhalter Martin Just sieht das so. Vorwurf der beiden: Die Fachstelle lege Kriterien an, die nicht in der Verordnung stehen. So werde ein Abstand zwischen Boden und Zaunabstand von höchstens 20 cm für Elektronetzzäune gefordert – während in der aktuellen, im Juni vorigen Jahres neu veröffentlichten „Verwaltungsvorschrift zum Ausgleich von durch Wolf, Luchs oder Bär verursachten Schäden (VWV Große Beutegreifer VwVGB)“ bei Netzzäunen lediglich ein „bodennaher“ Abstand vermerkt ist.
Wölfl indes argumentierte, dass die 20 cm Abstand vorgeben seien und man gerichtsfest arbeiten müsse. Da man wisse, dass der Abstand aufgrund unebenen Geländes variieren kann, räume man eine Kulanz von 5 cm ein – aber nicht mehr. Ob die Verwaltungsvorschrift andere Aussagen zum Bodenabstand von Elektronetzzäunen treffe, konnte und wollte der Fachstellenleiter in Thiendorf nicht aus dem Stegreif beantworten, sagte jedoch zu, beim Sächsischen Schaftag am 7. November in Siebenlehn erneut Stellung zu beziehen.
Dass sich Wölfl in seiner Argumentation jedoch zunächst auf die nicht mehr gültige Verwaltungsvorschrift Wolf von 2019 berief, bestärkte seine Kritiker in der Meinung, dass sich die aktuell praktizierte Rissbegutachtung nicht auf der geltenden Rechtsgrundlage bewege.
Eine Nachfrage der Bauernzeitung im Umwelt- und Landwirtschaftsministerium ergibt: Auch für Elektronetzzäune gelte die Vorgabe, dass wie bei Litzenzäunen der Abstand des untersten stromführenden Leiters zum Boden nicht größer als 20 cm sein dürfe. Da in einem Elektronetz die unterste stromführende Litze meist schon 10 cm über dem bodennahen Abschluss geführt werde, habe man diesen Sachverhalt nicht dezidiert im Verordnungstext festgehalten.
Ob indes der Abstand zwischen Zaun und Boden aktuell überhaupt eine große Rolle spielt, wird von vielen Landnutzern in der Lausitz arg bezweifelt. Dass sich einzelne Rudel das Springen angewöhnt haben, weiß man auch in der Fachstelle Wolf. Die allgegenwärtigen Wildzäune zur Eindämmung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) hätten einen Trainingseffekt zur Folge gehabt, sagte Manfred Wölfl – die Wölfe hätten das Springen schlichtweg lernen müssen.
Mindestens mit einem Rudel, das Zäune springend zu überwinden versteht, hat auch Martin Just zu tun. Er hält rund 300 Schafe im Raum zwischen Hoyerswerda und Kamenz. Schon etliche Male habe er in diesem und vorangegangenen Jahren den Wolf in der Herde gehabt. In dem Fall, dass eine Herde innerhalb von zwei Wochen angegriffen wurde und der Wolf dabei auch mit Flatterband erhöhte Zäune überwindet, besteht die Möglichkeit der Entnahme.
Doch bei der Aufnahme des Vorgangs seien die Rissbegutachter so lange mit dem Zollstock um die Weide gegangen, bis sie eine Stelle gefunden hätten, an der das Flatterband unter der vorgeschriebenen Höhe von 120 cm gespannt war, erzählt der Schafhalter. Beim nächsten Mal habe die Entnahme nicht erlaubt werden können, weil in dieser Zeit die Welpen noch zu jung waren, um ein Alttier zu schießen.
Auch für den Fall springender Wölfe hält die Verwaltungsvorschrift Vorgaben bereit – die jedoch aus Sicht von Schäfern nicht zu ihren Gunsten ausgelegt werden. So wird ein „genügender Abstand“ zwischen Weidezaun und angrenzenden höheren Ebenen wie beispielsweise Böschungen verlangt. Wie weit „genügend“ ist, lässt die Verordnung offen. Die Fachstelle Wolf legt 2,5 m an und hat diese Konkretisierung durch den Flyer „Umgang mit Einsprunghilfen an Zäunen“ im November vorigen Jahres veröffentlicht.
Die Frage, ob die Veröffentlichung verbindlicher Angaben in einem Flyer rechtssicher ist, beantwortet das Umweltministerium mit der Aussage, dass der konkrete Abstand von der Fachstelle Wolf „in der gegenwärtigen Verwaltungspraxis der Rissbegutachtung“ angewandt werde und somit den Standard setze.
Seitens der Schäfer besteht man hingegen darauf, dass aus ihrer Sicht alleine die aktuell veröffentlichte Fassung der Verwaltungsvorschrift von 2023 mit ihrer Anlage 1 zum Herdenschutz Geltung habe. Eigenmächtige Auslegungen der Fachstelle Wolf, hieß es, werde man nicht akzeptieren und notfalls dagegen auch vorgehen.
Die im Sommer vorigen Jahres veröffentlichte „Verwaltungsvorschrift zum Ausgleich von durch Wolf, Luchs oder Bär verursachten Schäden“ nimmt auch Anpassungen des Schadensausgleichs vor. Kosten für Tierarzt und Nachsuche werden statt zu 100 % nur noch zu 80 % ausgeglichen. Hintergrund sei, dass die Europäische Union die Rahmenregelung für staatliche Beihilfen im Agrar- und Forstsektor und in ländlichen Gebieten geändert hat, heißt es aus dem sächsischen Umwelt- und Agrarministerium. Demnach dürfe der Ausgleich für indirekte Kosten maximal 80 % betragen. Die Höhe dieser Schäden schwankte in den vergangenen Jahren zwischen mehreren Hundert und mehreren Tausend Euro. Bis Ende September wurden dieses Jahr für 16 Fälle Gesamtausgaben von 2.912 Euro für Tierarztkosten und für 14 Fälle von 6.610 Euro für Nachsuche gemeldet.
Update 21.11.2024: Beim Sächsischen Schaf- und Ziegentag in Siebenlehn hat der Leiter der Fachstelle Wolf, Manfred Wölfl, wie beim Workshop in Thiendorf versprochen zur Kritik an der Rissbegutachtung Stellung genommen.
Wölfl erklärte, dass die 2019 erlassene Wolfsverordnung das Wolfsmanagement regele. Die 2023 in Kraft getretene Verwaltungsvorschrift zum Ausgleich von Schäden, die durch Wolf, Luchs oder Bär verursacht wurden, ziele hingegen auf den Schadensausgleich. „Beide Dokumente bedingen sich“, sagte er. In Thiendorf war ihm vorgeworfen worden, mit Bezugnahme auf die Wolfsverordnung eine veraltete Rechtsgrundlage heranzuziehen.
Zur Kritik an den bei der Begutachtung angewandten Abständen zwischen Netzzaun und Boden sagte Wölfl, dass die unterste stromführende Leitung in der Regel bei Netzen in 10 cm Höhe liege, der Abstand daher bisher nie ein Problem gewesen sei. Man werde die Angabe präzisieren. Die Handhabung bleibe indes gleich. Zu den sogenannten Einsprunghilfen räumte Wölfl ein, dass die Formulierung in der Verwaltungsvorschrift „windelweich“ sei. Jedoch präzisiere die gehandhabte Verwaltungspraxis, bei der die Fachstelle von 2,5 m Abstand ausgeht, dieses Kriterium. Bekanntgemacht sei dies durch ein Informationsfaltblatt der Fachstelle Wolf.
Dies wiederum stellte beim Schaf- und Ziegentag erneut Friedrich Noltenius in Frage. Aus Sicht von ihm befragter Verwaltungsrechtsfachleute könne ein Infoflyer „über den Stand einer freundlichen Empfehlung nicht hinausgehen“, sagte er in Siebenlehn. Weitere Wortmeldungen aus dem Publikum blieben beim Schaftag allerdings aus. Und dies, obwohl das Thema dem Vernehmen nach viele Betriebe beschäftigt. Unmut soll es auch geben, weil die kritisierten Festlegungen zu den Abständen ohne Beteiligung des Schaf- und Ziegenzuchtverbandes zustande kamen und teils als in der Praxis mitunter schwer umzusetzen gelten.
Für einen Wolf, der im Grenzgebiet der Landkreise Bautzen und Görlitz zuletzt mit einer Reihe von Rissen auffiel, ist inzwischen eine Abschussgenehmigung erteilt worden, wie beim Schaftag bestätigt wurde. Hierfür hatten sich beide Landkreise eingesetzt, federführend war das Landratsamt Bautzen. Der Wolf gehört zum Königshainer Rudel und überspringt Zäune.
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BANI-Welt: Deutschland in der Krise? Die deutsche Wirtschaft schwächelt, die Politik streitet und die Menschen sind verunsichert. Laut Agrarbarometer der Rentenbank haben Landwirte Angst vor Investitionen. Wie können wir aus dieser Spirale ausbrechen?
Ein Kommentar von Claudia Duda
Wer die Schlagzeilen der vergangenen Woche Revue passieren lässt, dem könnte ganz schwindlig werden: „Deutsche Wirtschaft steckt in der Krise“ (Focus), „Die Ampel und die Wirtschaftskrise: Jetzt kämpft jeder gegen jeden“ (Spiegel online), „ifo-Umfrage: Deutsche Exporteure befürchten weiter sinkendes Geschäft“ (Zeit online), „Bundesbank: Deutsche Wirtschaft steckt in Schwächephase fest“ (boerse.de); „Wirtschaft in der Dauerkrise: Kommt jetzt die Massenarbeitslosigkeit zurück?“ (Spiegel online). Das aktuelle Agrarbarometer der Rentenbank malt für die Landwirtschaft ein ähnlich trübes Bild: schlechte Stimmung, sinkende Investitionsbereitschaft – unter den Landwirtinnen und Landwirten herrscht wenig Optimismus.
Da muss man ja depressiv werden! Wirtschaftspsychologen sprechen von einer BANI-Welt. Das ist ein Akronym und steht für brittle (brüchig), anxious (ängstlich), non-linear (nicht linear) und incomprehensible (unbegreiflich). Das beschreibt vermutlich ziemlich genau, wie viele Menschen die heutige Welt empfinden. Sie wünschen sich Stabilität und Berechenbarkeit, aber stattdessen erleben sie starke Verunsicherung, die sie besorgt zurücklässt. Deutschland galt Jahrzehnte als stärkste Volkswirtschaft Europas, als Anker für die vielen kleinen und teilweise schwächelnden Länder innerhalb und außerhalb der Europäischen Union. Doch der Glaube an die deutsche Verlässlichkeit schwindet.
In diesen Zeiten wünschen sich die Menschen eine starke Führung. Jemanden der ihnen die Angst nimmt, der sagt, wo es langgeht und der Lösungen präsentiert. Dass die deutsche Bundesregierung dazu derzeit nicht in der Lage ist, hat sie leider gezeigt. Auch wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) immer wieder darauf verweist, dass seine Regierung mehr Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt habe als die Vorgängerregierungen. Bei den Bürgerinnen und Bürgern bleibt das Gefühl, dass der Streit in der Ampel überwiegt und zahlreiche Entscheidungen zu wenig durchdacht sind. Das verstärkt die Verunsicherung der Menschen immens, sie wenden sich von den Regierenden ab und den Versprechungen extremer Gruppierungen zu.
Dabei ist es nicht beruhigend, dass die Stimmung in anderen EU-Ländern nicht viel besser ist. Italien, Niederlande, Österreich – auch hier ist der Stimmenzuwachs für rechte Parteien unübersehbar. In Frankreich planen die Landwirte bereits erneut Protestaktionen, denn viele von ihnen warten bislang vergeblich auf die Auszahlung der GAP-Förderung. Die BANI-Welt ist also kein deutsches Phänomen. Und je nachdem, wie die US-Wahl in der kommenden Woche ausgeht, werden möglicherweise Sorgen und Verunsicherung noch zunehmen.
Langfristige Investitionen erfolgen in der Landwirtschaft wie in der Wirtschaft nur in einem sicheren Umfeld. Es ist die Aufgabe der Regierenden, für Planbarkeit zu sorgen, ohne in eine Planwirtschaft abzudriften. Vertrauen in Politik entsteht nur bei Verlässlichkeit und durch eine Streitkultur, die den Disput sachorientiert zulässt und an deren Ende durchdachte, mehrheitsfähige Lösungen stehen. Wie kommen wir raus aus dem Dilemma? Zumindest um das Akronym der BANI-Welt sprachlich zurückzudrängen, könnte eine mutmachende Alliteration helfen: Inspiration und Innovation führen zu mehr Investition.
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Energiewende gegen den Willen der Bürger? In Brandenburg entscheiden Investoren über die Zukunft der Gemeinden. Das BImSchG ermöglicht eine beschleunigte Genehmigung von Windrädern, auch gegen den Widerstand der Bevölkerung.
Von Heike Mildner
Das „Bundesimmissionsschutzgesetz“ ist nicht nur ein Wortmonster. In Brandenburg ermöglicht es nach seiner Novellierung Anfang Juli, regionale Planungen zur Konzentration von Windenergieanlagen auszuhebeln. Der Wille demokratisch gewählter Vertreter bleibt vielerorts auf der Strecke und hinterlässt bei den Betroffenen das Gefühl, zentral getroffenen Entscheidungen ohnmächtig gegenüberzustehen. Ein Gefühl, das älteren Ostdeutschen vertraut ist.
Ihre Planungskompetenz in puncto Windenergie haben die Gemeinden an fünf regionale Planungsgemeinschaften abgetreten. Und Ärger gab es mit den Windrädern schon immer. Nun hat dieser Ärger jedoch vor allem dort eine neue Eskalationsstufe erreicht, wo es keinen gültigen Plan für die Windvorranggebiete gibt – also derzeit in drei der fünf Regionen. Dort können Investoren Anträge im Rahmen eines privilegierten Bauvorhabens stellen, die vom Landesamt für Umwelt (LfU) innerhalb von drei Monaten entschieden werden sollen. Entsprechend kurz ist die Frist für die Gemeinde, Stellung zu nehmen. Und selbst wenn sie dagegen votiert, muss der Bau genehmigt werden, wenn nicht rechtzeitig noch eine Rotbauchunke auftaucht.
Ein Beispiel: das Territorium der Planungsgemeinschaft Oderland-Spree. Dort gebe es laut Märkischer Oderzeitung nun Anträge, die sich auf 5,5 % der Fläche beziehen und somit die Ziele des „Super-Turbo“ für Winderzeugung an Land – 1,8 % bis 2027 und 2,2 % bis 2032 – schon jetzt übertreffen. Vor Ort sieht das so aus: Sechs neue Windräder sollen ab 2026 als Phalanx der Energiewende das Naturschutzgebiet „Lietzener Mühlental“ vom dahinter liegenden Forstgebiet trennen. Das beantragte die MLK Brandenburg Windpark Entwicklungs GmbH & Co. KG mit Sitz in Jacobsdorf.
Am 15. und 17. Oktober hatten die Gemeindevertreter von Lietzen und Falkenhagen die Beschlussvorlagen auf dem Tisch. Die demokratisch gewählten Vertreter beider Gemeinden sprachen sich einstimmig gegen den Bau dieser Windräder aus. Ihr Votum zählt indes wenig. Eine Ablehnung werde geprüft und bei Nichterfüllung von städtebaulichen Belangen das Einvernehmen der Gemeinde ersetzt, sodass ein Genehmigungsbescheid erstellt werden kann, heißt es formelhaft in der Beschlussvorlage. In Falkenhagen wurde umgehend eine Bürgerversammlung einberufen. Deutlich wurde: Keiner will die neuen Windräder – bis auf den Investor, die Eigentümer des Landes und die Bundesregierung, die ihren Energiewendeplänen damit wieder ein Stück näher käme.
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Klimaschutz durch Weidewirtschaft: Landwirt Marc de la Barré aus der Uckermark erhält Auszeichnung für sein Engagement im Moorschutz. Mehr Biodiversität dank Galloway-Rinder.
Von Heike Mildner
Seit Generationen betreibt die Familie de la Barré eine Möbelmanufaktur in Potzlow, einem Ortsteil der Gemeinde Oberuckersee mit rund 500 Einwohnern im Landkreis Uckermark im Nordosten Brandenburgs. Vor neun Jahren kam für Marc de la Barré zur Möbeltischlerei die Tierzucht. Aus dem Familienhobby wurde Landwirtschaft im Nebenerwerb, aus ein paar Galloways wurde eine Herde von 76 Tieren. Die kleinen, robusten Rinder stehen das ganze Jahr über auf der Weide – insgesamt hundert Hektar, die Hälfte eine Moorfläche im Vertragsnaturschutz.
Am 9. Oktober wurde dem Nebenerwerbslandwirt vom Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL) die Plakette „Partner moorschonende Bewirtschaftung“ verliehen, eine Auszeichnung für das große Engagement, mit dem sich Marc de la Barré der Bewirtschaftung der Moorflächen widmet. Nach Enrico Voigt von der Agrargenossenschaft im westhavelländischen Gülpe ist Marc de la Barré der zweite von drei Brandenburger Landwirten, der diese Auszeichnung erhält.
In die Beweidung der Moorstandorte ist Marc de la Barré erst 2023 eingestiegen, und das versprach, ein ziemlich nasses Abenteuer zu werden. „Die haben alle nur mit dem Kopf geschüttelt“, schilderte er die Reaktion der umliegenden Landwirte auf seinen Plan, eine Fläche entlang der Uckerniederung als Viehweide einzurichten. Jahrzehntelang war dieses Niedermoor sich selbst überlassen, das Schilf stand drei Meter hoch.
Bei der ersten Begehung war es kaum möglich, sich im Gelände zu orientieren, erzählt der Tierhalter. „Wir hatten Schwierigkeiten, den Kirchturm noch zu sehen, und wussten nicht, wo wir wieder rauskommen.“ Zudem wusste niemand, wo alte Gräben verlaufen und wie tragfähig die Decke ist. „Das war die erste Herausforderung“, sagt Marc de la Barré rückblickend.
Allein hätte er diesen Plan nicht umsetzen können. Es gab viel Hilfe von außen – angefangen bei der Vermittlung des Pachtvertrages durch die Stadt, über die Unterstützung des Landesamtes für Umwelt bis zur Beratung durch den Moorklimawirt Sebastian Petri aus Kremmen. Gerade Petri verfügt sowohl über Erfahrung als auch über die entsprechende Technik, um überhaupt auf solch unwegsamen Flächen zu wirtschaften. Als „Ersteinrichtung“ konnte er mit seiner Moorraupe den undurchdringlichen Aufwuchs mähen und bergen.
Im nächsten Schritt muss sich nun ein Unterwuchs etablieren, der den Boden stabilisiert: die Grundlage für das Futter und auch für die Standfestigkeit der Tiere. Mit Holzbohlen baute Marc de la Barré Übergänge über Gräben und schwankende Torflinsen.
Um seine Tiere kümmert er sich intensiv – besonders, wenn es regnet. Ein- bis zweimal täglich fährt er dann raus, um nach ihnen zu sehen und sie gegebenenfalls umzusetzen. Da er auch sonst manchmal mit ihnen um die Seen herum auf eine andere Fläche muss, sind sie Transporte gewöhnt, sagt de la Barré. Ein gutes Training, auch für die letzte Fahrt nach Schönfeld zur Landschlachterei, wo monatlich drei Tiere relativ stressarm ihrer kulinarischen Bestimmung zugeführt werden.
Gleich neben der Möbeltischlerei gibt es einen kleinen Hofladen. Privatkunden, aber auch ein paar Restaurants in Berlin und ein Landfleischer sind dankbare Abnehmer, die den Geschmack der robusten Rinderrasse zu schätzen wissen. Seine Rinder hingegen sind genügsam und fressen fast alles. „Bis auf Binse, die mögen sie nicht so“, hat de la Barré beobachtet. Dank ihres schonenden Weideverhaltens fördern die Galloways zudem die Artenvielfalt und die Humusbildung.
Das Landesumweltamt hat großes Interesse an der Bewirtschaftung des Moores und bezahlt die Leistung des Landwirts über den Vertragsnaturschutz. Zusätzlich belohnt wird de la Barré, der sich dem Erhalt des Moores aus tiefer Überzeugung zugewandt hat, durch die sich wandelnde Natur: Seltene Tiere wie Kiebitze, Seeadler und Seggenrohrsänger finden einen neuen Lebensraum, das Wasser wird in der Landschaft gehalten.
Brandenburg ist bekanntlich reich an Moorflächen. Laut Arbeitsgemeinschaft Klimamoor (klimamoor-brandenburg.de) werden derzeit mehr als 200.000 ha Moor- und Moorfolgeböden „in einer Art wirtschaftlich genutzt, die diese Böden nachhaltig beeinträchtigt und dabei pro Jahr rund 6,2 Mio. t CO2-Äquivalente sowie bislang gebundene Nährstoffe freisetzt.“ Wie eine Umstellung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung auf hohe Wasserstände gelingen kann, darum ranken sich zahlreiche Projekte in Brandenburg.
Marc de la Barré bekam seine Auszeichnung von Carolin Priefert überreicht, eine von fünf Mitarbeitenden im DVL für das Projekt „Kooperation für moorschonende und moorerhaltende Landtechnik und Bewirtschaftungsformen Brandenburg“ (KoMoTec), das in diesem Jahr ausläuft. Am 14. November, 9.30–14 Uhr, wird in Götz öffentlich Bilanz gezogen (brandenburg.dvl.org).
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