Trockenheit im roten Gebiet: 30-jähriges Mittel bildet Grundlage

Für Rote Gebiete in Ostdeutschland, in denen weniger als 550 mm Niederschlag fallen, sollen Ausnahmereglungen beim Zwischenfruchtanbau gelten. Doch die Bemessung sorgt für Kritik.

Von Frank Hartmann

Die ostdeutschen Bundesländer haben sich auf ein einheitliches Ausweisen der „Trockengebiete“ in den roten Gebieten geeinigt. Landwirte, auf deren Flächen weniger als 550 mm Niederschlag gemessen werden, sind vom verpflichtenden Zwischenfruchtanbau vor Sommerungen befreit. Trockengebiete sind, von punktuellen Regionen etwa in Rheinland- Pfalz abgesehen, ein rein ostdeutsches Thema, sagte Agrarmeteorologe Falk Böttcher vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Leipzig dieser Zeitung.

Niederschlag: durchschnittswerte noch aussagefähig?

Wie die Agrarministerien auf Anfrage der Bauernzeitung mitteilten, will man es bei einem Parameter, der Jahresniederschlagssumme bis 550 mm belassen. Ungeachtet dessen ist man in Sachsen-Anhalt der Ansicht, dass u.a. „Verdunstungsanspruch, Speichervermögen und Austauschhäufigkeit des Bodenwassers“ berücksichtigt werden sollten.

Grundlage bilden die DWD-Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im Raster von 1 x 1 km. Gleichwohl Landwirten die Trockenjahre seit 2018 sehr präsent sind, dürfte für Ernüchterung sorgen, dass die 550mm Niederschlag auf Grundlage der 30-jährigen Klimanormalperiode ermittelt werden. Einbezogen werden demnach die Mittelwerte der Jahre 1991 bis 2020 (abweichend hiervon in 2020 das 29-jährige Mittel 1991 bis 2019). Wie es aus Dresden heißt, „ergibt sich nach aktuellem Kenntnisstand eine nur geringe Anzahl von Flächen im Landkreis Nordsachsen, für die diese Ausnahme gelten wird“. Die betroffenen Landwirte finden die Daten dann feldblockgenau in ihren digitalen Kartendiensten. Aus Erfurt heißt es, dass in Anlehnung an die bisherige geltende Festlegung in der Thüringer Düngeverordnung alle Feldblöcke mit mindestens 50 % Flächenanteil dieser Niederschlagskulisse zugeordnet würden.


Mit roten Gebieten wird es ernst

Das Bundesagrarministerium hat den Entwurf für die Ausweisung der Nitrat- und Phosphor-Kulissen vorgelegt. Unklar bleibt, ob jetzt schon Zwischenfrüchte für Sommerungen gedrillt werden müssen. mehr


NeueR Parameter: Wasserspeicherfähigkeit?

Sowohl Niederschlagsmenge als auch Klimatische Wasserbilanz haben aus Sicht von Falk Böttcher „den Charme, dass sie mehr oder minder von allen damit befassten und betroffenen Personen leicht nachvollzogen werden können und althergebracht sind.“

Aus Böttchers agrarmeteorologisch-klimatologischer Sicht wäre es daneben sinnvoll, wenn die Wasserspeicherfähigkeit der Böden mit einbezogen würde „oder man sich auf klimatologische Bodenfeuchtewerte verständigen könnte, die heutzutage für die meisten denkbaren Boden-/Kultur- pflanzenartenkombinationen gut abbildbar modelliert werden können“. Die Zukunft gehöre Kombinationen aus Punkt- und Ferner- kundungsmessung, „und dabei ist aktuell eine Schwelle von 250 mal 250 Metern greifbar“. 

Mit roten Gebieten wird es ernst

Das Bundesagrarministerium hat den Entwurf für die Ausweisung der Nitrat- und Phosphor-Kulissen vorgelegt. Unklar bleibt, ob jetzt schon Zwischenfrüchte für Sommerungen gedrillt werden müssen.

Von Frank Hartmann

In den ostdeutschen Ländern liegen aktuell rund 650.000ha Ackerland in den Kulissen für besonders mit Nitrat belasteten Gebieten (rote Gebiete). Nicht weil ihnen der Grundwasserschutz egal wäre, hoffen viele Landwirte, die mit ihren Flächen jetzt noch drin sind, dass sich die Kulissen deutlich verkleinern.

Kosten und Nutzen

Sie – und mit ihnen viele Fachleute – befürchten, dass die neuen restriktiven Maßnahmen, die die Düngeverordnung in roten Gebieten ab 2021 regelt, einzelbetrieblich viel kosten werden, ohne dass sich an der Nitratsituation des Grundwassers Wesentliches ändert. Und dies nicht zuletzt aufgrund des geringen Viehbesatzes (keines der fünf Länder weist mehr als 0,5 GV/ha auf; ganze zwölf Landkreise liegen zwischen 0,6 und 1,0 GV/ha), der Bodengeologie, dem geringen Niederschlag oder einem Düngeregime, das sich nahezu flächendeckend seiner N-Bilanzüberschüsse nicht schämen muss, obwohl vielerorts Qualitätsweizen angebaut wird.

Ende voriger Woche ging den Ländern und Verbänden der Entwurf der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten“ (AVV) zu. Bis spätestens 13. Juli bleibt ihnen nun Zeit, dazu Stellung zu nehmen. Nach Bundeskabinetts- und Bundesratsbefassung soll die AVV Ende September in Kraft treten.

Mit dieser Verwaltungsvorschrift will das Bundesagrarministerium die bundeseinheitliche Ausweisung von Nitrat- und Phosphorüberschussgebieten sicherstellen. Allein in Ostdeutschland kamen für die aktuellen Kulissen der roten Gebiete drei verschiedene Modelle zur Binnendifferenzierung und zweimal die Pauschalausweisung belasteter Grundwasserkörper zur Anwendung.

In einer Bund-Länder-Gruppe einigte man sich nun darauf, nach dem System Agrum-Deutschland zu verfahren. Das wurde vor mehr als zehn Jahren vom Thünen-Institut mit mehreren Partnern vor dem Hintergrund der EU-Wasserrahmenrichtlinie entwickelt. Mehrere Programme werden dabei gekoppelt, darunter Raumis (landwirtschaftliche Bilanzüberschüsse), Growa (diffuse Einträge in Grund- und Oberflächenwasser) sowie Moneris (punktförmige Einträge).

Die Landesbehörden senden dafür ihre Daten an das Thünen-Institut, wo sie mit den Modellen verarbeitet werden. Auf dieser Grundlage soll es möglich sein, bei belastet eingestuften Grundwasserkörpern (mind. 20 % des Grundwasserkörpers mit Nitrat belastet oder mind. eine Messstelle über 50 mg/l N bzw. 37,5 mg/l N mit steigender Tendenz) die tatsächlichen „Problemflächen“ zu ermitteln (Binnendifferenzierung).

Laut AVV-Entwurf muss auf 5.000 ha mindestens eine Grundwassermessstelle (Nitrat) vorhanden sein. Alle verfügbaren Messstellen sollen einem einheitlichen technischen Standard unterliegen.

Regeln in der Nitrat-Kulisse
Mit der im Mai 2020 in Kraft getretenen Düngeverordnung wurden neben ihrer bundeseinheitlichen Ausweisung auch bundesweit verbindliche Regelungen für nitratbelastete Gebiete (rote Gebiete) festgelegt, die ab 1. Januar 2021 gelten. Daneben muss jedes Bundesland in seiner nächsten Landesdüngeverordnung zwei weitere Maßnahmen bestimmen.

Wesentlicher Punkt der Regelungen ist die N-Düngung 20 % unter dem errechneten Düngebedarf im Durchschnitt der gesamten Betriebsfläche (Ausnahme: weniger als 160 kg Gesamt-N/ha, davon nicht mehr als 80 kg mineralisch). Eine N-Herbstdüngung ist nur noch in Ausnahmefällen gestattet (verfügbare Stickstoffmenge im Boden unter 45 kg/ha bei Winterraps). Begrenzt wird die Aufbringung organischer Düngemittel auf Dauergrünland.

Kulturen, die nach dem 1. Februar gedrillt/gelegt werden, dürfen nur noch mit Stickstoff gedüngt werden, wenn im Herbst des Vorjahres eine Zwischenfrucht angebaut wurde. Zudem gilt in roten Gebieten eine Sperrfrist für Festmist von Huf- oder Klauentieren und Kompost vom 1.November bis 31. Januar. Auf Grünland gilt eine Sperrfrist für die Ausbringung von Düngemitteln mit wesentlichem Gehalt an Stickstoff vom 1. Oktober bis 31. Januar.

Bis zum 31. Dezember 2020 gelten die Regelungen der aktuellen Landesdüngeverordnungen fort.  fh

Neben diesen immissionsbasierten Daten fließen künftig Standortfaktoren wie die Bodenart und die Grundwasserneubildung mit ein, um einen „maximal tolerierbaren Stickstoffsaldo zur Sicherstellung einer maximalen Nitratkonzentration im Sickerwasser“ zu ermitteln. Wo Messstellen Nitratbelastungen anzeigen, müssen die Stickstoffsalden errechnet werden. Sobald der „maximal tolerierbare Stickstoffsaldo“ überschritten wird, „sind die für die Ermittlung herangezogenen landwirtschaftlichen Flächen als Flächen mit hohem Emissionsrisiko einzustufen“ und als rotes Gebiet auszuweisen.

Mit Phosphat belastete Gebiete werden dem AVV-Entwurf zufolge ausgewiesen, „wenn der Anteil der Phosphoreinträge aus landwirtschaftlichen Quellen am Gesamtphosphoreintrag größer als 20 % ist“. Daneben werden Standardwerte für flächenspezifische, landwirtschaftlich bedingte Frachten einberechnet.

Technik und Recht

Dies sind die technischen Fragen, die ein „wichtiger Schritt für mehr Fairness, Verursachergerechtigkeit und Nachvollziehbarkeit“ bei der Ausweisung der roten Gebiete sein sollen, so Bundesagrarministerin Julia Klöckner.

Daneben gibt es allerdings noch offene rechtliche Fragen, auf die sich die ostdeutschen Agrarministerien Antwort erhofft hatten. Von zentraler Bedeutung dabei ist der verpflichtende Anbau von Zwischenfrüchten in roten Gebieten vor einer Sommerkultur, wenn der Landwirt diese düngen will. Die Rechtslage in der Düngeverordnung ist eindeutig. Gilt sie wie vorgesehen ab dem 1. Januar 2021, könnte der Landwirt im roten Gebiet zu Sommergerste, Zuckerrüben, Mais oder Kartoffeln im nächsten Frühjahr nur düngen, wenn auf der Fläche seit diesem Herbst eine Zwischenfrucht herangewachsen ist. Da der Landwirt weder jetzt noch im August oder September rechtsverbindlich wissen kann, ob er im roten Gebiet wirtschaftet, gibt es ein Dilemma.

Aus den Agrarministerien in Schwerin und Potsdam hieß es auf Anfrage der Bauernzeitung, dass in diesem Herbst wohl keine Zwischenfrüchte angebaut werden müssten. Magdeburg hat sich schon dahingehend positioniert, „dass im Jahr 2020 kein Zwischenfruchtanbau in den aktuell ausgewiesenen nitratgefährdeten Gebieten erforderlich ist“.

In Dresden hatte man bereits Anfang Juni das Bundesministerium „auf die Problematik unterschiedlicher Auffassungen der Länder zur Umsetzung dieser Regelung hingewiesen“ und für einen „bundeseinheitlichen Vollzug dringend um Klarstellungen gebeten“.

Thüringen bemühte sich wie Sachsen – bisher vergebens – um die „Einführung angemessener Übergangszeiten für die erforderlichen betrieblichen Anpassungen“. Bezüglich der Zwischenfrüchte, hieß es in Erfurt, könne insofern „nur der Verordnungsgeber, das BMEL, eine abschließende Aussage treffen“.

Sache der Länder

Das Bundesagrarministerium erklärte auf unsere Anfrage, dass für die Umsetzung der Düngeverordnung die Länder zuständig seien. „Bei einer geplanten Neuausweisung der belasteten Gebiete durch die Länder sollten die Betriebe im Vorfeld wissen, in welchem Umfang und auf welchen Flächen sie betroffen sind.“ Da die Landwirte zum „maßgeblichen Zeitpunkt“ der Zwischenfruchtaussaat aber noch nicht wissen könnten, ob sie im neu ausgewiesenen roten Gebiet wirtschaften, sollten sie „mit den zuständigen Länderbehörden vor Ort abstimmen, ob sie unter diesen Umständen erst im Jahr 2021 eine Zwischenfrucht anbauen müssen“.


Doe Böden sind nach wie vor trocken.

Trockenheit im roten Gebiet: 30-jähriges Mittel bildet Grundlage

Für Rote Gebiete in Ostdeutschland, in denen weniger als 550 mm Niederschlag fallen, sollen Ausnahmereglungen beim Zwischenfruchtanbau gelten. Doch die Bemessung sorgt für Kritik. mehr


Rote Gebiete: Im Juli erste Karten

Da alle fünf Landesagrarministerien gegenüber der Bauernzeitung erklärten, die Neuausweisung der roten Gebiete bis Ende des Jahres vorzunehmen, entfällt die Vorgabe der Düngeverordnung, wonach anderenfalls der „betroffene Betrieb in den bislang ausgewiesenen Gebieten bereits 2020 eine Zwischenfrucht anbauen“ muss, stellt das Bundesministerium klar.

Obwohl sich die ostdeutschen Landesbauernverbände in der AVV eine Präzisierung der Ausnahmeregelung für den verpflichtenden Anbau von Zwischenfrüchten erhofft hatten, findet sich darin nichts. Betroffen sind Flächen in roten Gebieten, die im Mittel der Jahre weniger als 550 mm Niederschlag verzeichnen.

Die fünf ostdeutschen Agrarministerien haben sich längst auf ein gemeinsames Vorgehen abgestimmt. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wollen die Fachbehörden bereits im Juli erste Karten dazu veröffentlichen.

Blaues Gold: Leinöl aus dem Spreewald

Der Anbau von Lein hat im Spreewald eine lange Tradition. Heute werden in der Region noch etwa 140 ha Öllein angebaut – von nur noch fünf Betrieben.

Seit Jahrhunderten schon wird im Spreewald Lein angebaut und verarbeitet. Das wohl bekannteste Produkt ist frisch gepresstes Leinöl.   Durch die schonende mechanische Behandlung bleiben  die Inhaltsstoffe, vor allem die mehrfach ungesättigten Fettsäuren, erhalten. Öllein wird aktuell im Spreewald auf rund 140 ha angebaut. Das ist weniger als im Vorjahr, weil durch die Trockenheit weniger Leinsamen geerntet werden konnte.



Lediglich fünf Betriebe widmen sich noch dem anspruchsvollen Anbau der Ölpflanze, darunter die Agrargenossenschaft Drebkau eG. Sie presst den Großteil der Erntemenge an Leinsamen selbst, der Rest wird an eine weitere regionale Ölmühle geliefert. Die Corona-Pandemie sorgte für immense Absatzeinbußen. red/wh

Mit dem Famulus auf Achse: Vom Fichtelberg bis Kap Arkona

Auf dem Weg der Entschleunigung gab es für die mitteldeutschen Traktorbegeisterten Jürgen Lehnert und Bernd Andrae einen großen Traum: Mit ihren Famulus-Traktoren vom Fichtelberg bis zum Kap Arkona zu fahren. Wir geben Einblicke in diese besondere Reise.

Das Interview führte Sabine Rübensaat
Fotos: Jürgen Lehnert

Es regnet Bindfäden. Ausgerechnet heute, zum Fototermin. Ich bin mit Jürgen und Bernd, zwei Famulus-Enthusiasten, die mit ihren Oldtimern, samt Campingwagen-Anhängern 700 km quer durch Ostdeutschland fahren, verabredet. Rückblende. Jürgen Lehnert, ehemals Zuckerrübenberater in Zeitz und jetzt im „Unruhestand“, schafft es immer wieder in die Bauernzeitung. Egal, ob es um die Rodung von Zuckerrübenparzellen geht (Bauernzeitung 43/2013), als Mitorganisator des historischen Erntefestes (Bauernzeitung 33/2016) oder in der Serie mit seinem Kumpel Horst Walther, in der die beiden einen schrottreifen Famulus rekonstruiert haben, mit anschließender, spektakulärer Fahrt durchs Brandenburger Tor (Bauernzeitung 33/2017). In diesem Jahr ist er nun mit dem Landmaschinenschlosser Bernd Andrae aus Lützen, Letzterer nur bekannt unter dem Namen „Schwan“, unterwegs. Warum „Schwan“? Das weiß kein Mensch. Beide haben gerade etwas Zeit, weil geplante Oldtimertreffen wegen Corona ausgefallen sind, und so nutzen sie die Gelegenheit für einen „Road-Trip“. „Außerdem ist der Famulus der beste Traktor, der jemals gebaut wurde und bleibt niemals liegen“, so Jürgen. Wir haben uns mittags in dem kleinen Örtchen Sewekow, Nähe Wittstock/Dosse in Mecklenburg-Vorpommern, verabredet.

https://www.facebook.com/bauernzeitungonline/videos/324342705394973

Seit den frühen Morgenstunden sitzen die beiden auf ihren schaukelnden, bollernden Treckern. Der eine rot, der andere blau. Wir drehen ein paar Runden um die Kirche und finden dann Unterschlupf in Peter Ilgners Feriengut. Es schüttet nämlich inzwischen. Der Sachse zeigt uns noch schnell die Welpen seines sechs Wochen alten Hovawart-Wurfs, bevor wir mit dem Interview unter dem regendichten Sonnenschirm loslegen.

Wie geht’s euch?
Jürgen: Uns geht’s sehr gut, wenn das Wetter besser wäre, gings uns noch besser (lacht) .

Wo kommt ihr jetzt gerade her?
Jürgen: Aus Malchin. Heute Morgen sind wir gegen 8.00 Uhr vom Campingplatz losgefahren. Mit durchschnittlich 26 km/h und 40 PS kommt man ja nicht weit. Dann über Waren und Röbel bis Sewekow. Das sind gute 70 Kilometer.

Dann seid ihr aber gut durchgekommen.
Jürgen: Ja schon, aber das Fahren auf den Bundesstraßen ist schon ziemlich nervig. Wir sind ja mit zwei Traktoren und zwei Anhängern unterwegs und fahren langsam. Da bilden sich lange Schlangen hinter uns. Die Leute in den Autos, die von vorne kommen, grüßen dich, und die von hinten kommen drücken auf die Hupe, weil sie uns nicht überholen können. Nebenstraßen sind besser.

Nebel am Fichtelberg.

Nun aber mal von Anfang an. Vom Fichtelberg bis zum Kap Arkona. Wie kamt ihr auf die Idee?
Jürgen: Also, die Idee lebt schon drei Jahre. Mitteldeutschland vom südlichsten zum nördlichsten Punkt mit der DDR-Technik abzufahren, bei Tempo 25. Auf 1.030 Meter hoch und bis auf 30 Meter runter. Normalerweise sind wir und unsere „Artgenossen“ von April bis September immer auf irgendeinem Treckertreffen, damit sich die Frauen mal von uns etwas erholen können (zwinkert). Ich war schon auf dem Großglockner in Österreich, es musste immer ein bisschen mehr sein. Mein Traum war es immer, einmal mit drei Traktoren auf den Brocken zu fahren. Aber das war bis jetzt leider unmöglich, obwohl dreimal am Tag die Brockenbahn hochdampft. In Nordhausen sind die Traktoren gebaut und konstruiert worden, aber der Brocken war tabu … warum eigentlich?


Anmerkung: Von 1956 bis 1965 rollten in Nordhausen/Thüringen 37.857 Famulusse vom Band.


Also musste ein neues Ziel her?
Jürgen: Ja! Und da ich wirklich unser Mitteldeutschland liebe, war es für mich ein Anliegen, mit einem Traktor, der natürlich auch vor über 50 Jahren bei uns gebaut wurde, den Menschen zu zeigen, dass auch Qualität gebaut wurde. Unsere beiden Traktoren, Baujahr 1964, können das bewältigen. Es wurde bei uns nicht nur Schrott gebaut. Ab 1965 durfte kein Famulus mehr gebaut werden. Über Nacht wurde entschieden, dass nur noch „ZTs“ gebaut werden für die größere Landwirtschaft. Und damit war das Ende des Famulus besiegelt.

Jürgen Lehnert und Bernd Andrae mit ihren Famulus-Traktoren.

Aber ihr seid dem Famulus treu geblieben?
Jürgen: Da muss ich ein bisschen ausholen. Ich habe neben der Lehre in Halle immer Samstags, Sonntags mit einem 40er-Famulus Milch ausgefahren. Der fuhr sich wie ein Pkw. Die Lenkung, der Sitz, das war für mich klar, irgendwann wirst du auch so ein Ding haben, Bernd? (Bernd nickt)
Jürgen: Und diesen Traum haben wir uns eben erfüllt. Mit dem Auto von Zeitz bis an die Ostsee zu düsen, ist kein Vergleich zum Traktor mit 25 Stundenkilometern. Rechts und links die Landschaft zu sehen, die Felder, wie die Kulturen jetzt sauber dastehen. Auf Rügen haben wir sehr schöne Rübenbestände gesehen, die Reihen sauber geschlossen, da gucke ich natürlich besonders gerne hin. Alle Achtung.

Wie, wo und wann gings los?
Jürgen: Mittwoch den 10. Juni. Bernd kam aus Lützen, ich aus Zeitz, also mussten wir uns erstmal irgendwo treffen. Das war in Meuselwitz. Über Altenburg, Zwickau, war etwas verzwickt, Aue, Rittersgrün … und dann war die Welt zu Ende. Wir kamen nicht weiter, hätten eine 40 Kilometer lange Umleitung fahren müssen. Aber ein netter junger Mann hat uns ein paar Schleichwege gezeigt, sodass wir dann im dicksten Nebel auf dem Fichtelberg angekommen sind. Beim Abendbrot kriegte der Wirt mit, dass wir mit dem Traktor da waren und war gleich hellauf begeistert, hat uns mit offenen Armen aufgenommen.

Elbeüberfahrt in Belgern.

Und die nächsten Tage?
Jürgen: Früh ging es weiter bis nach Riesa. Am dritten Tag nach Dahme, dort haben wir am Sportzentrum übernachtet. Es gab keine freien Campingplätze! Samstag (13.6.) nach Grünheide, bei Berlin. Als wir auf dem Platz ankamen fing es an zu schütten, wie jetzt (lacht). 65 mm sind runtergekommen.

Ihr bringt den Regen mit. Da freuen sich die Landwirte.
Jürgen: Ja, aber die auf dem Campingplatz nicht (lacht). Sonntag weiter (14.6.) über Prenzlau zum Uckersee. Aber als wir vor dem Campingplatz ankamen, lasen wir auf dem Schild „Noch im Bau“! Mist. So sind wir schließlich in Warnitz gelandet, am Oberuckersee. Montag (15.6.) über die Mühlenstadt Woldegk, inklusive Museumsbesuch, bis zum Greifswalder Bodden. Dienstag (16.6.) ging es über den alten Rügendamm, weil unser Navi verrückt gespielt hat. In Altenkirchen auf dem Campingplatz hatten wir dann mal Glück. Mit etwas Überredungskunst (zwinkert) konnten wir zwei Nächte bleiben. Und … wir haben sogar gebadet.

Brrrrrr, kalt?
Jürgen: Na ja, … ich hatte fast blaue Beine … (lacht) .

Ziel erreicht, Kap Arkona.

Ihr seid auf Rügen, das Ziel vor Augen. Auf zum Leuchtturm?
Jürgen: Ja! Aber, dann hat Bernd das Schild gesehen „Durchfahrt bei hoher Strafe verboten“. Was tun? Erstmal umdrehen, wieder runter nach Putgarten. Nachdenken. Wir überlegen noch beim Kaffee, was wir machen und kommen zufällig mit Andreas Heinemann ins Gespräch, der, wie sich rausstellte, Touristikchef des Ortes ist und ein offenes Ohr für unseren Plan hatte. 850.000 Urlauber kommen jährlich zum Kap und wenn jeder da hoch fahren würde … Katastrophe. Zweiter Anlauf am nächsten Morgen. Rauf auf den Radweg von Altenkirchen zum Leuchtturm.
Bernd: Und wir haben es tatsächlich geschafft.
Jürgen: Das war schon wirklich ein besonderes Erlebnis.

Glückwunsch! Wie siehts denn aus mit Pleiten, Pech und Pannen? Hat der Famulus mal schlapp gemacht?
Jürgen: NEIN, hat er NICHT! Ein paar Kleinigkeiten, einen neuen Blinkgeber haben wir einbauen lassen und die Wasserpumpe leckte, die haben wir aber dicht gekriegt.

Also nichts?
Jürgen: Außer … kurz vor Stralsund: Die Batterie ist explodiert. Einfach so. Wir dachten erst ein Reifen wäre geplatzt. Wir runter vom Trecker, drumherum gelaufen, nichts gesehen, überall Luft drauf und auf einmal sah ich die Batterie tropfen.
Bernd: Wie ein geplatzter Karton.
Jürgen: Schnell alles aufgefangen und dann eine Neue einbauen lassen. Vermutlich war die Batterie schon von Anfang an defekt.

Was gab es noch für Highlights?
Jürgen: Schön waren die Fahrten entlang der Silberstraße durchs Erzgebirge, die deutsche Alleenstraße auf der Insel Rügen. Nicht nur fahren, fahren, essen, schlafen. Aber ich habe auch über den Niedergang der Zuckerfabriken nachgedacht. Vor der Wende hatten wir 47 Zuckerfabriken, jetzt haben wir nur noch vier. Ich habe durch meinen Beruf miterleben müssen, wie eine nach der anderen dicht gemacht wurde. In Lützen, Döbeln, Oschatz, Prenzlau, Nauen, Genthin. Brottewitz wurde 2019 geschlossen.

Auf was freut ihr euch am meisten, wenn ihr wieder zu Hause seid?
Jürgen: Erzählen zu können, dass wir es nicht bereut haben, gemeinsam zu fahren. Denn du musst auch erstmal einen finden, mit dem du 14 Tage auskommst, der das Spiel mitmacht. Die meisten haben keine Zeit, nicht den richtigen Trecker und außerdem ist es auch eine anstrengende Tour. Manchmal bis zu zehn Stunden fahren bei Wind und Wetter, manchmal hast du 20 Kilometer Leitplanke. Der Konvoi auf den Bundesstraßen ist schon belastend. Und was machst du, wenn du plötzlich auf eine Schnellstraße kommst? Mindestgeschwindigkeit ist 50 km/h. Und wir mit 25.

Um die Ecke kommt Peter Ilgner, er muss los und wünscht den beiden zum Abschied „Immer ́n vollen Tank und drei atü auf dem Reifen“. Dem kann ich mich nur anschließen. Auf Wiedersehen, bis zum nächsten Abenteuer. Garantiert in der Bauernzeitung.

Angekommen auf Rügen.
CB-Handmikrofone: Im Straßenverkehr jetzt tabu!

Für die CB-Kommunikation auf öffentlichen Straßen gibt es jetzt eine Änderung: Anstelle des kabelgebundenen Mikrofons muss seit 1. Juli eine Freisprecheinrichtung genutzt werden – doch nicht überall.

Von Jörg Möbius

Seit dem 1. Juli gilt in Deutschland für die Nutzung von Funkgeräten in Fahrzeugen eine neue Regelung. Laut § 23 StVO Absatz 1a dürfen im Straßenverkehr elektronische Geräte, die beispielsweise der Kommunikation dienen, während der Fahrt nicht mehr aufgenommen oder gehalten werden. Allgemein gilt das schon seit 19.10.2017 (Smartphones!). Für CB-Geräte mit Handmikrofone galt bis Ende Juni 2020 eine Übergangsfrist.

Zur Bedienung ist also lediglich ein kurzer Blick auf das Gerät erlaubt oder die Nutzung einer Sprachsteuerung und Vorlesefunktion gestattet. Die klassischen CB-Funkgeräte mit Handmikrofon sind damit auf öffentlichen Straßen tabu. Ansonsten können 100 € und ein Punkt fällig sein.

CB-Funk: Freisprecheinrichtung zum Nachrüsten

Neuere CB-Geräte lassen sich ab 30 € mit einer Freisprecheinrichtung nachrüsten. Sie wird anstelle des Handmikrofons an das Gerät angeschlossen. Am Gerät kann über die Taste „VOX“ die Freisprecheinrichtung in Bereitschaft geschalten werden. Sobald ein Sprachsignal auf das Mikrofon trifft, schaltet die in der Steuerbox eingebaute Elektronik das Funkgerät auf Senden. Wenn kein Sprachsignal mehr auf das Mikrofon trifft, schaltet die in der Steuerbox eingebaute Elektronik das Funkgerät nach einer Verzögerungszeit von 2 bis 3 Sekunden zurück auf Empfang. Die Ansprechschwelle für die automatische Sende-Umschaltung kann eingestellt werden.

Mehr regional statt Tönnies – aber wie?

Negativschlagzeilen über schlechte Arbeitsbedingungen und plötzliche COVID-19-Infektionsherde prägen das aktuelle Bild der Fleischwirtschaft. Veränderungen in diesem System sind notwendig und das möglichst schnell.

Es kommentiert Ralf Stephan

Das Thema Fleisch ist wieder – doch, doch, dieser Kalauer muss jetzt sein – in aller Munde. Und das liegt weniger an der Grillsaison, die leider nur zögerlich anläuft. Schon gar nicht geht es um seine besonders appetitlichen Seiten. In der Kritik steht zum wiederholten Male das „System Billigfleisch“. Nach vielen Jahren mit Skandalen und Skandälchen scheint nun ein Punkt erreicht, an dem die einen nicht mehr so weitermachen wollen und die anderen es nicht mehr können. Man sollte meinen, nun böte sich endlich die Chance, üble Dinge, etwa die Arbeits- und Lebensbedingungen des Schlachthausproletariats, an der Wurzel zu packen statt weiter an Symptomen herumzudoktern.

Widrige Arbeitsbedingungen sind nichts Neues

Wirklich? Zweifel sind angebracht. Denn das würde zunächst einmal Ehrlichkeit erfordern. Ehrlich wäre es, wenn der Bundesarbeitsminister* nicht empört tun würde, wenn es um die Konditionen geht, unter denen Schlachter und Zerleger aus Südosteuropa in deutschen Fleischwerken arbeiten. Nicht in allen, aber doch wohl in den meisten. Die Zustände sind seit Jahren bekannt und dokumentiert. Medien berichteten, Kirchenvertreter mahnten, Gewerkschafter beschwerten sich. Keiner kann sagen, er hätte es nicht gewusst. Mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung wollte die Fleischbranche schon 2016 den Missbrauch von Werkverträgen bekämpfen. Offenbar in großen Teilen ein Ablenkungsmanöver. Den Schaden, den das hierzulande zum Glück immer noch in Ehren gehaltene Freiwilligkeitsprinzip nahm, werden auch andere zu spüren bekommen.

Wie Gelingt der weg zu mehr Regionalität?

Mehr Aufrichtigkeit täte noch in anderer Hinsicht gut. Nach den bedauerlichen Krankheitsausbrüchen in der Tönnies-Großschlachterei wurde vor Mikrofonen mancherlei angekündigt, was einem ernsthaften Realitätscheck nicht standhalten kann. Zum Beispiel die Absicht, statt weniger Mega-Fleischfabriken wieder kleinere Verarbeitungsstätten zu etablieren. Gerade Tierhalter im Osten mögen die Botschaft wohl vernommen haben, der Glaube indes dürfte ihnen völlig fehlen.


Fleischer zerlegen Schweinehälften.

Regionales Schlachten ist die Ausnahme

Thüringen, das sich seiner Wurstspezialitäten rühmt, kann sich mit den im Land gemästeten Schweinen nur zu 70 Prozent selbst versorgen. Gravierender ist allerdings, dass gut zwei Drittel der Schweine gar nicht mehr im Freistaat geschlachtet werden. mehr


Sehr viele haben miterlebt, wie eine fast flächendeckende Schlachthofstruktur dank millionenschwerer Investitionen erst aufgebaut und dann wieder zerstört worden ist. Und das in weniger als 30 Jahren. Keine Frage, regionale Schlachthöfe wären prima. Nur mit ihnen lassen sich tatsächlich regionale Wirtschafts- und Wertschöpfungskreisläufe erzeugen. Doch alle Versuche, von großen Schlachtunternehmen stillgelegte Betriebsstätten in bäuerliche Regie zu übernehmen, scheiterten bisher. Spätestens bei den Auflagen zur Fleischhygiene ist Ende Gelände mit der Wirtschaftlichkeit.

Start-ups: Etablierung oder Regulierung?

Wem Tönnies zu groß ist, der müsste freilich auch ein Wörtchen zu den Handelskonzernen verlieren. Das wäre unnötig, würde der Gesetzgeber kleinen und mittleren Fleischverarbeitern tatsächlich eine reale Chance einräumen. Große müssen aus Effizienzgründen zwangsläufig auch Lücken lassen. Darin tummeln sich bald Neugründer. Das Prinzip lässt sich wunderbar an den jungen Start-up-Unternehmen in anderen Wirtschaftsbereichen beobachten. Vorausgesetzt, diese Lücken sind nicht schon totreguliert.

Start-ups in der Schlachtbranche werden es also extrem schwer haben. Wer sie haben möchte, muss nicht allein finanziellen Anschub bieten, sondern vor allem deregulieren. Und zwar gründlich. Wie nötig das ist, zeigte kürzlich unsere Umfrage zum hofnahen Schlachten: Das eine Ministerium fördert Regionalität, das andere besteht auf dem Schlachthofzwang. Manchmal kommen die systematisch hochgeschraubten Auflagen aus Brüssel, manchmal aber auch nicht. Mit Blick nach Rheda-Wiedenbrück zu Tönnies wäre es wirklich mal Zeit für was Neues.

* In der gedruckten Version des Kommentars (Ausgabe 27/2020, S. 3) ist hier der Bundeswirtschaftsminister genannt. Tatsächlich gemeint war der Bundesarbeitsminister, dem aufgrund seiner niedersächsischen Herkunft die Zustände in Schlachtbetrieben bekannt gewesen sein müssen. Mindestens zwei Minister aus der Landes-SPD (Gabriel und Lies) waren nach entsprechender Berichterstattung in Sachen Werkverträge tätig geworden. Ich bitte, die Verwechslung zu entschuldigen. ste

Hering-Rezept mal anders: Lausitzer Flöz

Die Küche in Ostdeutschland hat viele Geschmäcker. Mit regionalen Rezepten bringen wir Landgenuss auf Ihren Teller. Unser Rezept der Woche ist eine Spezialität aus Brandenburg: Lausitzer Flöz nach einem Rezept von Küchenmeister Torsten Kleinschmidt.

Zutaten

Zubereitung

■Lausitzer Flöz ist ein Heringssalat auf sorbische Art. Dazu die Heringsfilets in zwei Zentimeter lange Stücke schneiden.
■Zwiebeln schälen und in Ringe schneiden.
■Die Heringsfilets in einem flachen Keramiktopf abwechselnd mit Zwiebelringen und Gewürzen schichten. Jeweils mit einer Lage Senf abdecken. Auf dem ersten Lausitzer Flöz weitere Schichten aufbringen.
■Nach der letzten Lage mit reichlich Lausitzer Leinöl übergießen bis alles bedeckt ist.
■Das Lausitzer Flöz zwei Tage ziehen lassen und dann am besten mit herzhaftem Schwarzbrot servieren und genießen

Nutzhanf: Berauschende Aussichten?

Der Anbau von Nutzhanf wird attraktiver, braucht aber in Deutschland Rechtssicherheit und faire Bedingungen. Auf dem Feldtag Hanf in Zempow ging es nicht nur ums richtige Ackern.

Von Heike Mildner

Wer hierzulande Hanf anbaut, gehört auch knapp 25 Jahre nach Legalisierung des Nutzhanfanbaus in Deutschland im Februar 1996 zu einer überschaubaren Familie gleichgesinnter Haupterwerbslandwirte. In Deutschland wächst Nutzhanf streng reglementiert auf 3.114 ha (2018), das sind 0,002 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands (2018). Prignitz-Ruppiner Land und Müritzregion sind mit 800 ha und zwölf Anbauern dabei. Einer von ihnen ist Dr. Wilhelm Schäkel, auf dessen Bioranch in Zempow am 19. Juni der Feldtag Hanf stattfand.

Marijn Roersch van der Hoogte referiert zum Nutzhanfmarkt.

Organisiert hatte ihn der Landschaftspflegeverband Prignitz- Ruppiner Land (LPV), der sich seit zwei Jahren um Förderung und Vernetzung des Hanfanbaus in der Region bemüht und gerade dabei ist, ein Kompetenznetzwerk Hanf aufzubauen. Zum Zempower Feldtag begrüßte LPV-Vorsitzender Andreas Bergmann rund 30 Interessierte – unter ihnen die Bundestagsabgeordnete Dr. Kirsten Tackmann (Die Linke).

Handlungsspielräume

Dass die Politik auf dem Feldtag vertreten ist, kommt nicht von ungefähr. Denn deutlich wurde in Vorträgen und Gesprächen in Zempow vor allem eines: Das Interesse am Hanf steigt, der Weltmarkt ist in Bewegung, und ob Landwirte in Deutschland an der Entwicklung teilhaben können, liegt vor allem an politischen Entscheidungen. Diese müssen einerseits für Rechtssicherheit sorgen und sollten andererseits dem deutschen Landwirt einen ähnlichen Handlungsspielraum zugestehen wie seinen Kollegen in Europa und Übersee, ist man sich in Zempow einig.

https://www.facebook.com/bauernzeitungonline/videos/2719633944936314
Video (c) Heike Mildner

Es geht dabei nicht um die Legalisierung von Hanf als psychoaktive Droge, sondern um die Grenze des tolerierten Anteils von Tetrahydrocannabinol (THC) in Hanferzeugnissen aus Nutzhanf wie Tee, Hanföl oder Hanfsamen. In Deutschland liegt dieser Wert derzeit bei 0,2 %, in Kanada bei 0,3 %, in Italien bei 0,5 % und in der Schweiz bei 1,0 %. Wird in o. g. Hanfprodukten ein zu hoher Wert gemessen, kann es Ärger wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz geben.

Boom dank Cannabidiol

Seinen Ausführungen zufolge lag der Hanfanbau in Europa mit 50.081 ha im Jahr 2018 immerhin 70 % über dem vorangegangenen Fünfjahresdurchschnitt (2012 bis 2017) und stieg auch 2019 weiter an. Grund für den Boom: Die weiblichen Blüten des Nutzhanfs enthalten Cannabidiol (CBD). Dieser Schwesterwirkstoff des THC ist nicht psychoaktiv und fällt daher nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Seit 2017 dürfen Ärzte CBD- und auch THC haltige Mittel verschreiben. Die positiven Eigenschaften, die dem CBD von seinen Befürwortern zugesprochen werden, sind enorm, wenn auch wissenschaftlich noch nicht hinreichend belegt.

Dennoch wurden CBD-haltige Lebensmittel der Renner unter den Lifestileprodukten. Zwar dürfen Produzenten nicht mit gesundheitsfördernden Eigenschaften werben, aber so etwas spricht sich herum. Gesundheitsbewusste Zeitgenossen wissen zudem um das optimale Verhältnis ungesättigter Fettsäuren im Hanföl, das aus den Hanfsamen gewonnen wird. Selbst im Presskuchen, der zu Hanfmehl oder Tierfutter verarbeitet wird, steckt noch viel Gutes. CBD kann aus Nutzhanf mit geringem THC-Anteil gewonnen werden. Mit dem CBD-Boom stand nicht mehr so sehr die Hanffaser, als viel mehr die Blüte im Fokus von Anbau und Ernte.

Gepflügt oder pfluglos, gehackt und gestriegelt – Dr. Wilhelm Schäkel (l.) erläutert die Unterschiede.

In den USA sei der Nutzhanfanbau vor zwei Jahren legalisiert worden, der Anbau in China wachse enorm, referiert Roersch van der Hoogte. Auch in Europa habe die Anbaufläche von Nutzhanf zugelegt: 2018 bauten neben Frankreich, dem Mutterland des Nutzhanfs in Europa mit 17.000 ha, Estland (3.800 ha), Italien (4.000 ha), Rumänien (3.400 ha) die Niederlande (3.800 ha) und Deutschland besonders viel Nutzhanf an. Mittlerweile sei der Markt für CBD-Produkte gesättigt, so Roersch van der Hoogte, dennoch habe Nutzhanf riesiges Potenzial.

Nutzhanf: Vorteilhafte CO2-Bilanz

Hanfwurzeln lockern den Boden. Die Pflanze hat eine vorteilhafte, also negative CO2-Bilanz.

Schon jetzt nutzen Autohersteller Hanffasern wegen der vorteilhaften CO2-Bilanz als Dämmmaterial beispielsweise in Autotüren. Derzeit würden 30 % Hanffasern mit Polyethylen gemischt, sagt der Hanfexperte, das sei noch nicht das Ziel, aber biobasierte Polymere seien schon mal ein guter Anfang. Im Zuge der CO2-Steuer könne das negative CO2-Potenzial des Hanf an Bedeutung gewinnen.

Wenn nicht mehr nur die Energie- sondern auch die Rohstoff- wende ernsthaft in Angriff genommen werde, sei Hanf eine wohnbiologisch attraktive Alternative: Wandaufbau, Dämmung, Putzen – dies alles sei mit Hanf möglich, auch ohne Zusatz von Polymeren. Bei Dämmung mit Hanf könne man sogar auf die Dampfsperre auf Folienbasis verzichten, Handwerker, die mit Hanfbaustoffen arbeiten, seien begeistert, schwärmt Roersch van der Hoogte. Und LPV-Vorsitzender Andreas Bergmann kündigt für den 15. November ein Hanfbauseminar an.

Zudem: Alle paar Wochen komme ein Land hinzu, das Einwegplastik verbietet. Fünf Tage nach dem Feldtag wird die Aussage des Referenten durch den Kabinettsbeschluss zur Umsetzung des EU- Plastikverbots (ab Juli 2021) in Deutschland bestätigt. Es gebe Alternativen aus Nutzhanffasern, preislich können sie aber mit erdölbasierten Kunststoffen nicht mithalten. Ein riesiger Markt tue sich auf, wenn die Konkurrenz verboten werde, sagt Roersch van der Hoogte. Ähnliches gelte für Textilien und Papiere aus Hanf.

Wächst der Markt, haben steigende Anbauzahlen wiederum Einfluss auf die Verfügbarkeit von Maschinen. Seit in den USA Nutzhanfanbau legal ist, sind Anbauer auch hierzulande nicht mehr auf Uralttechnik oder eigene Tüfteleien angewiesen. New Holland habe den Prototyp einer Vollerntemaschine vorgestellt, John Deere angefragt, ob sie mit der neuen Presse den Hanf pressen dürfen, um zu zeigen, dass die Presse alles kann, plaudert Roersch van der Hoogte aus dem Nähkästchen und resümiert: Der Hanf kommt langsam in der Landwirtschaft an.

Anbau von Nutzhanf: AM besten klein Anfangen

Einsteigern in den Nutzhanfanbau empfiehlt er, sich erstmal auf ein, zwei Hektar mit der Materie anzufreunden. Die Ernte der Blüten schaffe man so zur Not mit Freunden aus dem Dorf. Für die Ernte der mitunter über 3 m hohen Pflanzen brauche man die richtige Technik und Erfahrung, Seit zwei Jahren sei in Deutschland auch der Anbau von Winterhanf möglich: interessant für Hanf als Zwischenfrucht.

Bleibt die Frage: Wohin mit dem Hanfstroh? Die Aufnahme der Hanffabrik in der Uckermark, 1996 von Rainer Nowotny gegründet und seit 2013 von der Hanf-Genossenschaft übernommen, ist begrenzt. Roersch van der Hoogte rät, gehäckseltes Hanfstroh an Rinder zu verfüttern. Die können es zwar nicht verwerten, das Hanfstroh wirke aber als Magenstimulator. Und natürlich sei es möglich, das Stroh unterzupflügen, wenn die Samen geerntet sind.

Vielseitige Rohstoffe aus Hanf

Fasern, Samen und Blätter – die Hanfpflanze ist fast vollständig verwertbar.

Gastgeber Dr. Wilhelm Schäkel baut Hanf vor allem im Vertragsanbau an und vertreibt Tees, Samen und Hanföl zudem unter der Hausmarke „Bioranch Zempow“ im Hofladen. Es geht also vor allem um die Ernte von Blüten und Samen. Die Frage, was mit dem Hanfstroh geschehen soll, hat Schäkel auf eigene Weise beantwortet: Er verkauft es an Selbstabholer als naturbelassenen Dämmstoff, der weitaus größere Teil kommt in ganzer Länge zusammen mit Hackschnitzeln aus dem hofeigenen Kiefernwald als Einstreu in den Bullenstall. Heraus kommt ein schwarzer Kompost. Der Kreislauf ist geschlossen.

Als zweiter Referent des Feldtages berichtet Heinrich Wieker, Elektroingenieur und Erfinder aus Burgdorf bei Hannover, über die Entwicklung eines Frontladeranbaugeräts zur Ernte von Hanfblüten und -stängeln. Ein spannender Prozess, der jüngst mit dem Gewinn des „EIHA Hemp Product of the Year 2020“ gekrönt wurde. EIHA ist die European Industrial Hemp Association, die Europäische Industriehanfvereinigung. „Henry‘s Hemp Harvester“ (HHH) streift in einem Arbeitsgang die Blüten der Pflanze sanft ab und schneidet die Hanfstängel, die auf dem Feld zum sogenannten Rösten liegenbleiben. Der HHH geht gerade in die Serienfertigung, die Nachfrage ist international. Goldgräberstimmung, Aufbruch, Zukunft – Nutzhanf kann das, wenn man ihn lässt.

Zwiewuchs: Wenn Bestände wieder grün werden

Regionale Niederschläge haben nach der Trockenheit in diesem Jahr zu Zwiewuchs geführt. Die Experten von feiffer-consult geben Tipps zu Erntetermin und Mähdreschereinstellungen.

Dr. Andrea Feiffer und Franz Klüßendorf, feiffer consult

Wenn Triebe unterer Ordnung sich mausern, beim Raps die Seitentriebe nochmal sprießen und die Bestände wieder ergrünen, wird es für den Mähdrescher schwierig. Zwiewuchs verschlechtert die Druscheignung ganz massiv. Das Stroh, gerade bei Wintergerste, Triticale oder Roggen, ist zähe und der Grünanteil bringt viel Feuchte ins Dreschwerk. Während des Drusches wird Zellsaft aus den Grünanteilen gequetscht, der zu einer Wiederbefeuchtung des Korns im Bunker führt. Diese kann durchaus bis zu 4 % betragen.

Mähdrescher mögen es trocken und jedes Prozent mehr an Strohfeuchte macht sich an der Abscheideleistung beim Dreschwerk und der bei der Reinigung bemerkbar. Die Leistung wird spürbar durch die Druschverluste begrenzt. Der Häcksler benötigt mehr Kraft und liefert trotzdem kein gutes Bild ab. Für den Mähdrescherfahrer ist es schwer, eine optimale Einstellung zu finden, weil die Ähren einen unterschiedlichen Reifegrad aufweisen.

Erntereihenfolge anpassen, Erntetermin aufschieben?

Der Reifeverlauf und der Anteil an Zwiewuchs sollen gut beobachtet und dokumentiert werden und daraufhin die Erntereihenfolge festgelegt werden. Die Unterschiede sind recht gut festzustellen.

Bei spät einsetzendem Zwiewuchs lohnt sich nicht, auf den besseren Druschtermin zu warten, zumal sich aus den zwiewüchsigen Ähren ohnehin keine Qualität generieren lässt. In früheren Zeiten war eine Vorerntesikkation erlaubt, heute nur noch in absoluten Ausnahmen. In Österreich ist es gänzlich untersagt. Der Erntetermin richtet sich also nach den reifen Ähren.

Bei Wintergerste besteht immer die Gefahr des Ährenknickens. Ist der Prozess erst einmal in Gang gekommen kann sich die Anzahl Knickähren bei rasantem Verlauf jeden Tag verdoppeln. Als Faustzahl bedeuten fünf Knickähren pro Quadratmeter etwa 100 kg/ha Verlust. Warten ist bei Wintergerste deshalb nur bedingt angesagt, insbesondere wenn der Zwiewuchs hauptsächlich in den Fahrgassen auftritt.

Beim Raps ist warten generell weniger problematisch. Die modernen Rapssorten sind von Haus aus recht platzfest und mit der Blütenbehandlung erhöht man, als Nebeneffekt, zusätzlich deren Platzfestigkeit. Wer genug Nerven hat wird meist mit Mehrerträgen bei Korn und Öl belohnt. Aber auch beim Raps wartet man nicht auf die allerletzten Spätaustreiber, der Mähdrescherfahrer muss zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem Zwiewuchs fertig werden. Steht Weizen oder Raps zum Drusch an, entscheidet man sich eher für den Weizen. Weizen ist fallzahlempfindlich, Raps bietet mehr Sicherheit zum Schieben. Darüber hinaus ist er hochbeinig und trocknet auch zu späteren Zeitpunkten, wo die Tage kürzer werden, schneller ab als Weizen.

Beste Stunden nutzen

Für zwiewüchsigen Bestände reserviert man die trockensten und heißesten Erntestunden des Tages. Das erleichtert den ohnehin schwierigen Drusch. Hier lohnt sich auch das zwischenzeitliche Umsetzen. Droht eine Schlechtwetterernte kann diese Strategie dagegen gerade falsch sein. Hier nutzt man jede gute Druschstunde, um mit höchster Leistung, am Verlustlimit die qualitativ besten Partien einzufahren. Bei Beständen mit groß abgegrenztem Zwiewuchs kann man die reifen Schlagteile zuerst beernten und die „Grünflächen“ zu einem späteren Zeitpunkt. Der Probedrusch gibt Aufschluss über die Wiederbefeuchtung.

Scharfe Mähdrescher

Bei Ernteerschwernissen kommt es maßgeblich auf den guten Zustand der Arbeitsorgane an. Klingen mit abgenutzten Zähnen, Brüchen oder Riefen sollen ausgetauscht werden. Sie rupfen und reißen am Stroh. Das kostet Kraft, Diesel, Leistung und Nerven. Die Abstreifer werden so nah wie möglich an die Windungen gestellt, zum hinteren Abstreifer nicht mehr als 5 mm. Ist der Abstand zu groß, wirft die Schnecke das Erntegut an der Bordwand wieder hoch. Auch auf den richtigen Abstand der Schnecke zum Bodenblech kommt es an. Bandlaufwerke sind hier oft besser dran.

(c) Werkbild

Abgenutzte Hächslerklingen ergeben bei Zwiewuchs ein deutlich schlechteres Arbeitsbild. Auch hier gilt, und bei Zwiewuchs umso mehr, nicht am falschen Fleck sparen. Das betrifft auch die Dresch- und Korbleisten. Sind diese zu sehr abgenutzt, ziehen sie nicht mehr durch, die Abscheidung verschlechtert sich, die Verluste steigen an, Trommelwickler können drohen.

Raus aus den grünen Halmknoten

Das Druschgeschäft wird einfacher, je weniger Wasser durch die Maschine gefördert wird. Bei Zwiewuchs ist im unteren Strohabschnitt und in den Halmknoten noch enorm viel Feuchtigkeit. Jeder Zentimeter Stoppelhöhe wirkt sich spürbar aus.

Bei Raps wird ohnehin direkt unterhalb des Schotenpaketes abgeschnitten. Das erspart dem Mähdrescher etwa 4.000 l Wasser je Hektar im Vergleich zur kurzen Stoppel. Das Schneidwerk zieht nur das Schotenpaket ein, das Dreschwerk hat weniger sperriges Material zu verarbeiten, das Gut entmischt besser, die Körner kleben nicht am feuchten Material und die Verluste sinken.

Dreschwerkseinstellung

So intelligent moderne Mähdrescher auch heute schon sind, bei Ernteerschwernissen ist verstärkt der Fahrer gefordert. 

Bei Zwiewuchs wird die Dreschtrommeldrehzahl erhöht und der Korb weiter gestellt, um den Gutfluss in Gang zu halten und Verstopfungen zu vermeiden. So wird zwar auch mehr Zellsaft aus dem zweiwüchsigen Stroh geschlagen, aber der weite Korb und die höhere Drehzahl sorgen für den sogenannten Fegeeffekt, womit auch die Feuchtigkeit schneller abgeführt wird.

Einstelltipps bei Zwiewuchs

Der Ausdrusch von zwiewüchsigen, noch grünen Körnern wird nicht angestrebt. Die Druschschärfe richtet sich am Ergebnis des Ausdrusches sowie am Bruchkorn aus. Der Bruchkornanteil soll unter 3 % liegen. Ein gewisser Anteil nicht ausgedroschener Körner, insbesondere Kleinkorn, wird toleriert (bis 3 Körner in 50 bereits ausgedroschenen Ähren).

Bei der Wintergerste kann die Entgrannung bei Zwiewuchs große Probleme bereiten. Entgrannerbleche sind eine Wahl, aber die letzte. Sie verschärfen zwar den Drusch, verkleinern jedoch die Abscheidefläche unter dem Korb.

ArbeitsorganMEAnpassung der Mähdreschereinstellung Einstellhinweise
Trommel / RotorU/min+ 150 bis 200Schärfer, jedoch nur so hoch, dass ein genügender Ausdrusch erfolgt, aber wenig Wiederbefeuchtung durch ausgequetscht Zellsaft, Achtung, auf Bruchkorn achten
Dreschspaltmm+ 2 bis 4 So eng wie nötig und so weit wie möglich für gute Förderung und Fegeeffekt
Ober-/ Untersiebmm + 2 bis 4Stärker öffnen für gute Abscheidung, bei weitem Untersieb auf Überkehr achten
GebläseU/min +100 bis 150Erhöhen, um die schwerere Gutmatte anzuheben und die Körner besser abzuscheiden, Kümmerkorn soll mit in das Schwad befördert werden

Schwer auszudreschende Ähren bzw. Ährenspitzen kann man auch über die Überkehr nachdreschen, indem das Untersieb weiter geschlossen wird. Ein doppelter Rundlauf ist jedoch immer mit erhöhter Bruchkorngefahr verbunden, was man abwägen muss. Durch den Einbau von Druschsegmente im Vorkorb, z. B. bei Beschleunigerdreschwerken, intensiviert man den Drusch im Vorfeld und kann den gesamten Hauptkorb besser nutzen.

Reinigung aufdrehen

Zwiewüchsiges Erntegut ist feuchter und klebriger. Man benötigt deutlich mehr Wind, um die schwere Matte über dem ersten Drittel der Siebe anzuheben und in der Schwebe zu halten. Dann treten die Körner leichter durch die Matte und können von den Sieben besser abgeschieden werden. Das gilt auch im Besonderen für Raps. Die Körner sind auf Grund ihrer runden Form nicht sehr windanfällig. Andernfalls kleben sie gern an den feuchten Strohteilen und verursachen sehr hohe Verluste. Bei Zweiwuchs gilt: Siebe auf, Gebläse hoch. Auch den Besatz an Schmacht- und Kümmerkorn bläst man so mit in das Schwad.

Verlustmessgeräte kalibrieren

Verlustmessgeräte geben nur Tendenzen wieder, deshalb müssen sie kalibriert werden. Bei Feuchte besteht die Gefahr, dass die Sensoren stärker verschmutzen. Je schwieriger die Druschbedingungen sind, desto intensiver muss man die Verluste prüfen, weil sie sehr schnell „ausreissen“ können. Gerade bei Zwiewuchs entsteht viel Feuchtigkeit, die Körner kleben in der Matte und eine Abscheidung wird erschwert. Mit der Prüfschale kann man die Verluste sehr schnell und sicher erfassen und das Verlustmessgerät auf die tatsächlichen Gegebenheiten kalibrieren. Nur so kann man am akzeptierten Verlustniveau arbeiten und unterliegt nicht der Gefahr unkontrolliert hoher Verluste.

Heimatküche: Rezepte für ländlichen Genuss

Was mundet von der Ostsee bis zum Fichtelberg? Und was bedeutet eigentlich Regionalität in der Küche? Darüber haben wir mit dem Brandenburger Küchenmeister Torsten Kleinschmidt gesprochen. Sein Buch „Die besten Rezepte aus Brandenburg“ macht Appetit.

Von Bärbel Arlt

Was hat Sie bewogen, ein Buch über die Küche Brandenburgs zu schreiben?
Da prallen zwei Leidenschaften aufeinander – die zu Büchern, die für mich von Kindheit an schon immer etwas Besonderes waren, und die zum Kochen. Und was liegt da also für einen Koch näher, als Bücher zu schreiben. Zum anderen wird die Brandenburger Küche oft unterschätzt. Dabei ist sie so vielfältig.

Was genau heißt das?
Sie ist eine „Schmelztiegel-Küche“ mitten in Europa, ein „Kuddelmuddel der Kulturen“ – mit jahrhundertealten Wurzeln. Viele Völker haben ihre Spuren hinterlassen und viele Zuwanderer fanden hier eine neue Heimat. Ich denke zum Beispiel an die Hugenotten und die Flamen. Sie brachten ihre Lebensweise und auch ihre Esskultur mit. All das macht die Küche so besonders. Auf der anderen Seite ist sie vielfältig wie das Land selbst. Jede Region hat ihre Eigenheiten. So wird der Norden kulinarisch von der pommerschen Küche geprägt, der Süden von der sächsischen und böhmischen. Und auch heute ist Brandenburg Zuzugsgebiet und jeder bringt sich ein – auch kulinarisch.

Grenzübergreifendes Kochen: Brandenburg präsentierte sich bei einem „Picknick an der Oder“ in Stettin. Für die Gäste haben deutsche und polnische Azubis und Ausbilder gemeinsam gekocht.

Wie sind Sie an die Rezepte gekommen? Haben Sie den Brandenburgern in die heimischen Kochtöpfe geschaut?
Ja, ich höre zu, frage nach, schreibe auf, koche nach und habe als Koch natürlich etliche Lehr- und Wanderjahre hinter mir, die mich kulinarisch geprägt haben – wobei das Bodenständige schon immer auf dem Speiseplan ganz oben steht. Vor allem als Sprecher der Brandenburger Landgasthöfe bin ich in alle Regionen des Landes gekommen, habe in viele Kochtöpfe geschaut, viele Spezialitäten und fast vergessene Lebensmittel und Rezepte kennengelernt.

Ihr Buch besteht aber nicht nur aus Rezepten. Eine genussvolle Zutat sind Geschichten, warum?
Kochen heißt auch, Geschichten erzählen. Ob alte Bräuche und Handwerksberufe, Kunst oder Kultur – sie bringen Würze und Geschmack mit auf den Teller. Und auch die Landschaft spielt für den Genuss eine große Rolle.

Inwiefern?
Wir alle kennen es doch aus dem Urlaub, wenn wir ein Essen am Strand, beim Sonnenuntergang oder auf dem Weinberg genießen. Zuhause schmeckt das mit den gleichen Zutaten anders. Ähnliches passiert auch vor der Haustür. So schmeckt der Fisch mit Blick auf die Oder garantiert besser als im Berliner Hochhaus. Und zudem prägen viele heimische Produkte die Landschaft wie Spargel, Erdbeeren, Wild, Fisch, Kartoffeln, Gurken, Meerrettich.

Woher kommt Ihre Leidenschaft fürs Kochen?
Kochen verbindet Kreativität mit Handwerk und bietet täglich neue Herausforderungen. Der Beruf ist breitgefächert wie kaum ein anderer, man kann sich ausprobieren und das weltweit. Denn gekocht wird überall. Außerdem gibt es ein breites Spektrum von der Kantine über den Imbiss bis hin zum Gourmetrestaurant. Es gibt also viele Möglichkeiten, sich zu entfalten. Und nicht zuletzt ist mein Opa, der übrigens in der Berliner „Letzten Instanz“ gearbeitet hat, nicht ganz unschuldig. Er hat mich für den Beruf begeistert – und für die Mohnpielen.

Fischexperte Wolfgang Schalow (r.) – hier bei einem Lagerfeuerkochen an der Oder – stand Torsten Kleinschmidt (l.) beratend für die Fischrezepte im Kochbuch zur Seite.

Was bitte ist das?
Ein Gericht, das aus Schlesien übergeschwappt ist, und er aus seiner Kindheit kennt. Sie wurden, so hat Opa erzählt, vor allem Weihnachten und Silvester gegessen. Zutaten sind Blaumohn, Milch, Rosinen, altbackene Brötchen, Zitronen, Zucker, Mandeln. Sie sind also sehr gehaltvoll. Ich reiche sie heute gern als Fingerfood. Streiche die Masse auf Plinsen, die dann zusammengerollt, geschnitten und auf kleinen Spießen serviert werden. Auch aus Soßen und Eintöpfen kann man die Fülle herausnehmen, ohne auf traditionellen Genuss verzichten zu müssen. Und warum nicht mal Brandenburger Küche mit der Leichtigkeit der allseits beliebten italienischen verbinden? Der Kreativität sind beim Kochen keine Grenzen gesetzt.

Es ist heute viel die Rede von Regionalität. Ist sie nur ein Trend oder sehen Sie eine langfristige Entwicklung?
Sie ist, da bin ich überzeugt, ein Dauerbrenner. Ob als Kind, als Lehrling im Kabelwerk Oberspree oder jetzt bei der Produktentwicklung im Studentenwerk Frankfurt (Oder) – regionale Küche hat mich immer begleitet und ich habe von jedem Küchenmeister viel gelernt. Regionalität heißt für mich Nähe, und Nähe schafft Vertrauen, und Vertrauen schafft Genuss. Denn wenn ich weiß, woher die Zutaten sind, wo und wie sie gewachsen sind, welches Herzblut drinsteckt, umso mehr festigt das die Liebe, genussvoll und regional essen zu wollen, und das, was in der Heimat wächst, wertzuschätzen.


Landesflagge Brandenburg

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Kann man Heimat schmecken und was bedeutet sie Ihnen?
Heimat ist da, wo ich mich wohlfühle. Und wir als Köche tragen dafür mit Regionalität, Nachhaltigkeit und Qualität auf dem Teller eine große Verantwortung. Ich habe Heimat in einem meiner Bücher mal so formuliert: Für den einen ist sie der Ort, an dem er aufgewachsen ist, für andere vielmehr ein Gefühl, eine ferne, wunderbare Kindheitserinnerung, die den Körper auch nach vielen Jahren noch wohlig durchströmt, der herrliche Duft von Großmutters Apfelkuchen, der das ganze Haus erfüllt, die Erinnerung an große, leuchtende Kinderaugen am Heiligen Abend; fröhliche Familienausflüge, Großvaters Gute-Nacht-Geschichte oder Mutters liebevoll tröstende Worte.

Auch, wenn Heimat für jeden Menschen etwas anderes bedeutet, sicher ist: Das Gefühl von Heimat schenkt uns Kraft für die bitteren und süßen Überraschungen, die das Leben für uns bereithält. Sie ist der sichere Hafen, in den wir zeitlebens immer wieder gerne zurückkehren – ob greifbar als Ort oder einfach nur in unseren Gedanken.

An welchem Projekt arbeiten Sie derzeit mit welchem Ziel?
Seit Anfang des Jahres arbeite ich im Studentenwerk Frankfurt (Oder) und entwickle mit vielen engagierten Kollegen und Partnern in Berlin und Brandenburg ein Speiseplankonzept für die Standorte des Studentenwerks, in denen täglich Tausende Studierende versorgt werden. Auch da geht es um Regionalität, Nachhaltigkeit, biologische Produkte und vor allem um Ganztierverwertung. Das ist für mich eine neue spannende Herausforderung.

Corona hinterlässt vor allem in der Gastronomie Spuren. Was hat diese Zeit mit Ihnen gemacht?
Sie ist ja noch nicht vorbei. Doch bisher hat sie mich in meiner Überzeugung bestätigt, dass es wichtig ist, sich für die Wertschätzung guter Lebensmittel einzusetzen. Da haben wir Deutschen noch einen großen Nachholbedarf. Fürs Auto wird zum Beispiel das beste Öl gekauft, aber im Supermarkt zum billigsten Olivenöl gegriffen. Außerdem geht es beim Essen um die persönliche Gesundheit und da hat jeder Verantwortung für sich selbst. Und ich hoffe natürlich, dass viele Betriebe den Existenzkampf nicht verlieren. Auch da können Verbraucher ein Stück weit mithelfen. Wie schon gesagt, das Fischgericht mit Blick auf die Oder schmeckt anders als zu Hause.

Ernähren Sie sich gesund?
Ja, täglich – mit regionalem Superfood wie Leinöl, Sanddorn, Aronia, wenig, aber gutem Fleisch, viel Gemüse. Wir backen unser Brot selbst, kochen immer mit frischen Zutaten.

Kartoffeln mit Quark und Leinöl – eines von Torsten Kleinschmidts Lieblingsgerichten.

Was essen Sie am liebsten?
Als Kind habe ich mir meist Königsberger Klopse mit Kartoffelstampf gewünscht. Heute könnte ich jeden Tag, Kartoffeln, Quark und Leinöl essen. Übrigens ist Leinöl typisch für Brandenburg. Es gibt inzwischen viele kleine Manufakturen, die es herstellen. Ich empfehle jedem, mal eine Leinöl-Verkostung zu machen. Leinöl ist etwas ganz Wunderbares.

Sie gehören auch zur Brandenburger Kochfamilie …
… ja, und das auch sehr gern. Denn damit haben wir eine Plattform geschaffen, wo wir uns ganz zwanglos treffen und austauschen. Übrigens nicht nur wir Köche, sondern alle, denen gutes Essen am Herzen liegt – vom Weinbauern bis zum Konditor.

Rainald Grebe hat mal gesungen: Nimm dir Essen mit, wir fahren nach Brandenburg. Das ist also Vergangenheit?
Vor vielen Jahren mag er recht gehabt haben, und wenn man unglücklich unterwegs ist, kann einem das auch heute noch passieren. Doch es gibt inzwischen ein so großes regionales Netz vieler, vor allem auch junger Erzeuger und Gastronomen mit Qualitätsprodukten. Und auch das macht die Küche Brandenburgs aus. Vor zehn, fünfzehn Jahren wagte ich zu behaupten, jedes Brandenburger Produkt, und jeden guten Gasthof zu kennen, das wage ich heute nicht mehr.

Rationen für Milchkühe: Füttern, nicht heizen!

Kühe gibt es auf der ganzen Welt: sogar in der Wüste oder in Nord-Skandinavien. Hitze und Kälte scheinen sie nicht zu stören. Doch auch Rinder regulieren ihren Wärmehaushalt. Bei den Rationen für Milchkühe ist einiges zu beachten.

Von Prof. Olaf Steinhöfel und Dr. Tobias Gorniak

Rinder fühlen sich in einem Temperaturbereich von -15 bis 15 °C am wohlsten. Bei lang anhaltenden Wärmeperioden von über 25 °C gelingt es den Kühen immer weniger, die überschüssige Wärme über die Haut abzustrahlen. Die Wärme muss zunehmend über Verdunstung durch Schwitzen und Atmen abgegeben werden. Das Problem ist: Wiederkäuer sind per se schlechte Futterverwerter und produzieren, insbesondere bei steigenden Fasergehalten im Futter, durch ihre Stoffumsetzungen in den Vormägen viel Wärme.

Optimale Bedingungen in der Haltung schaffen

Die wichtigsten Einflussfaktoren sind neben der Temperatur die Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung und Wind, wobei Temperatur und Feuchte bei Stallhaltung die wichtigsten sind. Von Bedeutung ist, dass kritische Temperaturen nicht konstant sind, sondern sich situationsbedingt ändern können. So sind Tiere zum Beispiel in Abhängigkeit von Leistung, Genetik und Alter unterschiedlich empfindlich. Insbesondere ist bei der Betrachtung von Hitzestress zu berücksichtigen, dass für die unterschiedlichen Klimazonen unterschiedliche Grenzwerte für Hitzestress gelten.

So wurden in amerikanischen Publikationen Temperatur-Luftfeuchte-Indizes über 72 (25 °C bei 55 % relativer Luftfeuchte) als moderater Hitzestress beschrieben. Jüngere Untersuchungen aus Deutschland zeigen jedoch, dass Hitzestress schon bei Temperatur-Luftfeuchte-Indizes von 60 (16 °C bei 55 % relativer Luftfeuchte) einsetzt und mit einem Rückgang von Futteraufnahme und Milchleistung zu rechnen ist. Die Übertragbarkeit von Daten aus internationalen Publikationen ist also nicht immer ohne Weiteres gegeben und alleine die klimatischen Verhältnisse sagen noch nichts über Hitzestress aus. Es ist immer die Reaktion des Tieres zu berücksichtigen. Folgende Anzeichen können auf Hitzestress zurückzuführen sein:

Strukturfutter ausbremsen

Die Verdauung faserreicher Futtermittel setzt mehr Wärme frei als die Verdauung von Kraftfutter. So reduzieren die Tiere (sofern sie die Möglichkeit haben) gezielt die Grobfutteraufnahme. Wenn keine Selektion möglich ist, wird die Gesamtfutteraufnahme gedrosselt. Strukturfutter sollte in TMR-Mischungen dehalb restriktiv verwendet werden. Die Fütterung gleicht dann eher einer Ansatzfütterung (Mastration) als der üblichen Umsatzfütterung (Milchration). Gerade im Sommer sollte nur bestes rohfaserarmes Grobfutter eingesetzt werden.

Es müssen überwiegend Grobfuttermittel gefüttert werden, welche nicht mehr als 40 % Wärmeverluste provozieren. Dies kann durch die Differenz von Umsetzbarer Energie (MJ ME) und Netto-Energie-Laktation (MJ NEL) grob überschlagen werden. Auf faserreiches Heu oder Stroh sollte man möglichst verzichten.

Es muss zielgerichtet an die untere Grenze von 350-400 g strukturwirksame Rohfaser je 100 kg Körpermasse herangefüttert und gegebenenfalls mit Pansenpuffersubstanzen unterstützt werden. Zur Unterstützung der Strukturwirksamkeit können pektinreiche Futtermittel wie Rüben und deren Produkte eingesetzt werden.

Bei Hitzestress ist oft auch mit metabolischer Acidose zu rechnen. Dies ist einerseits durch die Depression der Strukturaufnahme und das falsche Gegensteuern mit Kraftfutter bei Milchleistungsabfall und andererseits durch verstärkten Verlust an Puffersubstanzen wie Natriumbicarbonat über Schweiß und Harn begründet. Zu beachten ist auch, dass die Acido- segefahr nach Beendigung einer Hitzeperiode nicht vorbei ist. Oft steigen die Futteraufnahme und damit die Säurebildung in den Vormägen bei sinkenden Temperaturen sprunghaft an.

Hier ist eine Übergangsfütterung zur Adaptation an die veränderte Aktivität des Pansenstoffwechsels angebracht. Insbespondere bei Transponder- und/oder Melkstandfütterung muss die Kraftfuttermenge gezielt verringert werden, da die Aufnahme der faserhaltigen Futtermittel sinkt und die des Kraftfutters meist nicht. Bei TMR-Fütterung ist daher dafür zu sorgen, dass die Futterselektion minimiert wird. Jeder Bissen muss unter Beachtung der Grundfutterqualität ausreichend strukturwirksame Faser enthalten. Hier kann man die TMR durchaus etwas stärker Vermusen (Kompakt-TMR) und den Wassergehalt der Ration erhöhen (bis 40 % der TM).

Rationen für Milchkühe: Mehr in den Darm füttern

Die Kenntnis über die Wirkung von Einzelfuttermitteln ist zur Hohen Schule der Milchkuhfütterung geworden. In Hitzeperioden sollte der Pansen, entgegen der sonstigen Forderung, eher unterfordert werden.

Das heißt, der Anteil an Durchflussnährstoffen (pansengeschützte Fette (300-500 g/Tier/ Tag), geschützte Proteinkonzentrate, Körnermais statt Getreidestärke (bis zu 1,2 kg beständige Stärke je Tier und Tag) sollte er- höht werden, um die wärmeproduzierende Mikrobentätigkeit in den Vormägen zu begrenzen. Der Einsatz von Eiweißfuttermitteln mit einem hohen Anteil an Durchflussprotein entlastet zusätzlich die Leber, da weniger Ammoniak anflutet.

Da Fette die höchste Energiedichte aller Futtermittel besitzen, – 1 kg liefert durchschnittlich 19-26 MJ NEL – ist es für die energetische Aufwertung von Futterrationen für Hochleistungskühe besonders interessant. Zudem reduziert der Einsatz pansengeschützter Fette nicht nur die Fermentationswärme. Auch die Wärmeverluste im Stoffwechsel sind bei Fett deutlich geringer, als bei Kohlenhydraten. Da ungeschützte Fette ab circa 800 g je Kuh und Tag zu Fermentationsstörungen in den Vormägen führen, sollten geschützte Fette eingesetzt werden.

Bei der Gabe von geschütztem Fett kann die Gesamtfettaufnahme auf bis 1.600 g (davon 50 % geschützt) gesteigert werden. Diese Grenze sollte jedoch in der Sommerfütterung nicht pragmatisch ausgereizt werden. Die Futteraufnahme muss besonders beobachtet werden, da die Futteraufnahmeregulation beim Milchrind stark lipostatisch gesteuert wird. Das heißt, der Spiegel freier Fettsäure im Blut spielt eine wichtige Rolle bei der Begrenzung der Futteraufnahme und eine Überdosierung von Fett kann hier kontraproduktiv wirken. In der Praxis haben sich Gaben von 1,5-2 % pansengeschützter Fette in der Trockenbsubstanz oder 300-500 g pro Tier und Tag als sicher bewährt.

Im Hinblick auf die Konditionierung der Tiere ist zu berücksichtigen, dass der überwiegende Teil der Fettsäuren im Blut zwar aus dem Pansenstoffwechsel stammt, überkonditionierte Kühe und Kühe, die aufgrund der einschränkten Futteraufnahme Körperfettreserven einschmelzen, aber immer einen höheren Blutfettsäurespiegel haben und daher weniger fressen. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, erstens alle Maßnahmen zu ergreifen, die eine ausreichende Futteraufnahme sicherstellen, und zweitens Kühe optimal konditioniert in den Sommer zu schicken.

Neben der Entlastung des Pansens ist auch das (Fütterungs-) Management an die Hitzestresssituation anzupassen. Vielfältig zusammengesetzte Rationen werden oft besser gefressen als Monodiäten. Neben der Überlagerung von sensorischen Mängeln sind insbesondere die futtermittelspezifisch unterschiedlichen Abbaugeschwindigkeiten der Nährstoffe in den Vormägen dafür verantwortlich. Die Gesamtration sollte nicht mehr als 50 % TM haben.

Eine Wasserzugabe zur Futtermischung ist grundsätzlich möglich. Es ist aber zu berücksichtigen, dass dies „leeres“ Wasser ist, welches nicht mit dem Zellsaft der pflanzlichen Futtermittel gleichzusetzen ist. Insbesondere die geringen Säuremengen, welche in trocknen Silagen vorhanden sind, reichen nicht aus, um den pH-Wert im sauren Bereich zu halten. Die Futteraufnahme und die aerobe Stabilität der Futtermischung sinken. Nacherwärmte Silagen beziehungsweise Futtermischungen sindgrundsätzlichzuvermeiden, da sie schlecht gefressen werden und die Wärmeregulation der Kuh weiter belasten.

Außerdem ist bei der Zubrereitung der TMR auf hohe Misch- und Verteilgenauigkeit zu achten, da die Tiere, wie bereits erwähnt, selektieren, um die Grobfutteraufnahme zu reduzieren.

Wichtig für die Futtervorlage: In den Sommermonaten nimmt die Milchkuh bis zu zwei Drittel des Futters in den Nachtstunden auf. Um dies zu berücksichtigen, dürfen insbesondere in den Abend- und Nachtstunden die Futtertröge niemals leer sein. Die Bereitstellung frischer Silage beziehungsweise TMR ohne Zwischenlagerung aus dem Silo, die Restfutterbeseitigung und die Trogreinigung sollen daher am Abend erfolgen. Dies ist auch schon deshalb sinnvoll, da die aeroben Veränderungen in der Futterkrippe am Tag deutlich höher sind als in den kühleren Nachtstunden.

Generell ist es bei Futter-Rationen für Milchkühe notwendig, in den Sommermonaten häufiger zu füttern. Dabei sollte abends mehr vorgelegt werden als morgens. Auf keinen Fall sollte Futter zwischengelagert werden. Außerdem sollte häufiger Futter rangeschoben werden (möglichst auch nachts), um die Kühe zum Fressen zu animieren. Schließlich ist das richtige Silomanagement wichtig, um den Vorschub an das Silo anzupassen. Reichen im Winter 1,5 m/Woche, sollten im Sommer 2,5 m/Woche angestrebt werden. Darüber hinaus empfiehlt es sich speziell in den Sommermonaten, sofern möglich, die Silos an der Nordseite zu öffnen.

Rationen für Milchkühe: Mineralstoffverluste ausgleichen

Nicht zuletzt gehören zur Fütterung auch Wasser und Mineralstoffe. Bereits bei Temperaturen um die 25 °C werden 1,5 l Wasser je Stunde ausgeschwitzt. Dies führt zwangsläufig auch zu einem verstärkten Mineralstoffverlust. Zudem sollte Mineralfutter mit höheren Gehalten an Vitamin E und Selen eingesetzt werden, um den erhöhten Bedarf an Antioxidantien zur Vermeidung von oxidativem Stress Rechnung zu tragen.

Der um etwa 15 % erhöhte Bedarf an Natrium kann durch Viehsalz gedeckt werden. Durch den erhöhten Wasserbedarf (5 l/kg TM) empfiehlt es sich, zusätzliche Tränken bereitzustellen beziehungsweise die verfügbare Tränkefläche zu vergrößern, sowie die Tränken häufiger zu kontrollieren und zu reinigen.


FAZIT: Um Milchkühen mit höheren Leistungen den Sommer angenehmer zu gestalten, ist neben der Wasser- und Mineralstoffversorgung das Zusammenspiel von optimierter Haltung, Rationsoptimierung und Futterangebot wichtig. Man muss stärker in den Grenzbereich der Wiederkäuerfütterung gehen und mehr als gewohnt die Darmfütterung in den Mittelpunkt stellen. Durch mehr stabile Fette, beständige Stärke und Protein sowie hochverwertbare Mineralstoffergänzungen wird die Rationsoptimierung nicht nur anspruchsvoller sondern auch erfolgreicher. Die Milchkühe sollten parallel zu den steigenden Temperaturen an das Futter angepasst und der Fütterungserfolg in Phasen der grenzwertigen Versorgung stetig kontrolliert werden.


Landwirte vor Problemen: Immer weniger Schlachthöfe

Wirklich regionale Lebensmittel herzustellen, wird für viele Landwirte immer schwieriger. Vor allem bei der Schlachtung der Tiere gibt es Probleme. Das betrifft auch die Agrargenossenschaft Königshofen in Thüringen, wie der Vorstandsvorsitzende Alexander Mark im Interview erzählt.

Ein Interview von Evelyn Zschächner/Initiative Heimische Landwirtschaft

Beschäftigte von mehreren Schlachthöfen in Deutschland haben sich mit dem Corona-Virus infiziert. Vor allem die Vorfälle beim Unternehmen Tönnies am Standort in Gütersloh stehen im Fokus. Mehr als 1.500 von insgesamt etwa 7.000 Beschäftigten sind dort aktuell infiziert. Das hat regional zu einer erneuten Verschärfung der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie geführt.

Alexander Mark ist Vorstandsvorsitzender der Agrargenossenschaft Königshofen eG.

Besonders die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie, wo gerade in großen Betrieben zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Werkverträgen arbeiten und in Massenunterkünften wohnen, werden in der öffentlichen Debatte kritisiert. Dabei könnte es auch anders gehen. Wir haben dazu mit Alexander Mark, Vorstand der Agrargenossenschaft Königshofen, gesprochen.

Heimische Landwirtschaft: Herr Mark, sie halten Schweine und Rinder für die Herstellung von Fleisch und Wurst. Mit welchem Schlachthof arbeiten Sie zusammen?

Alexander Mark: Weil wir keine eigene Schlachtung betreiben können, liefern wir unsere Schweine und Rinder seit diesem März in den Schlachthof nach Kronach. Das ist etwa 130 Kilometer von Königshofen entfernt. Vorher haben wir unsere Tiere nach Altenburg gebracht. Aber der Schlachtbetrieb nimmt unsere Schweine nicht mehr an, weil dort jetzt nur noch Rinder geschlachtet werden. Bis 2013 hatten wir einen Schlachthof in Jena. Das war für uns optimal, weil wir mit 20 Kilometern einen sehr kurzen Anfahrtsweg hatten.

In unmittelbarer Nähe zu Ihrem Betrieb gibt es in Weißenfels doch auch einen Schlachthof. Warum liefern Sie die Tiere nicht einfach dorthin?

Das stimmt, Weißenfels liegt fast vor der Haustür. Allerdings gibt es dort nicht die Möglichkeit der so genannten Lohnschlachtung. Das heißt, dass wir genau die Tiere, die wir liefern auch wieder zurückbekommen. Der Betreiber bietet das nicht an. Man gibt also seine Tiere ab und bekommt in der Regel andere zurück. Wir stecken aber so viel Kraft in die Aufzucht unserer Tiere, um auch eine gute Qualität der fertigen Fleisch- und Wurstwaren zu bekommen. Da wollen wir auch genau diese Qualität zurückbekommen. Unsere Kunden erwarten das auch von uns. Der Schlachtbetrieb in Kronach ist der einzige in unserer Nähe, der die Lohnschlachtung anbietet.

Es gibt also zu wenig geeignete Schlachthöfe in Ihrer Region?

Richtig. Wir haben zwar jetzt mit dem Partner in Kronach eine gute Lösung gefunden. Aber wir müssen auch sagen: Es war die einzige Lösung, die es für uns noch gab. In den letzten Jahren wurden immer mehr Einrichtungen geschlossen. Ein Grund dafür ist sicherlich gewesen, dass die Auflagen immer strenger wurden und sich solche Unternehmen nicht mehr wirtschaftlich betreiben ließen. Damit wurde aber gerade die Entwicklung begünstigt, die heute beklagt wird: Große Schlachtfabriken sind entstanden. Hier spielt auch das Konsumverhalten der Verbraucher eine Rolle: Wer immer nur das günstigste Hackfleisch im Discounter kauft, darf sich nicht wundern, wenn die Arbeitsbedingungen in der Branche so sind, wie sie sind. Der Schlüssel zu Veränderungen liegt beim Verbraucher. Höhere Preise für Lebensmittel schaffen auch gute Arbeitsplätze.

Über die Agrargenossenschaft Königshofen: Der Betrieb mit 72 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Saale-Holzland-Kreis in Ostthüringen setzt auf das Prinzip der Kreislaufwirtschaft mit kurzen Wegen: Das Futter für die 360 Schweine, 240 Mastbullen, 400 Milchkühe und 400 Stück Jungvieh wird überwiegend selbst angebaut. Die Vermarktung von Fleisch- und Wurstwaren sowie frischer Milch erfolgt über fünf Verkaufsstellen im Raum Eisenberg, einen eigenen Online-Shop und eine Milchtankstelle mit Verkaufsautomaten am Standort in Königshofen. Etwa 20 Schweine und ein bis zwei Rinder werden pro Woche geschlachtet und zu Fleisch- und Wurst verarbeitet. Seit zwei Jahren gehört der Betrieb zu der Initiative Heimische Landwirtschaft.

Was ist Ihnen als Landwirt bei der Auswahl eines Schlachthofes grundsätzlich wichtig?

Wir wünschen uns möglichst kurze Wege. Wir wollen unseren Tieren lange Transportwege ersparen und uns natürlich auch. Je weiter weg der Schlachtbetrieb ist, desto länger sind wir unterwegs, um die Tiere anzuliefern und die zerlegten Stücke abzuholen. Wir stehen hinter der Idee regionaler Wertschöpfungsketten und wollen das auch leben. Gerade was die zu geringen Schlachtkapazitäten in der Region angeht, wird das aber immer komplizierter. Was uns allerdings auch Probleme bereitet, ist die Personalsituation. Das Fleischerhandwerk ist heute kaum noch beliebt und wir finden zu wenig gute Leute, die diesen Beruf noch ausüben oder gar erlernen wollen. Wir haben jetzt vier Fleischer und drei Produktionsmitarbeiter. Da sie auch bereits seit längerer Zeit im Betrieb sind und irgendwann in Rente gehen werden, wollen und müssen wir Nachwuchs ausbilden. Ich befürchte sogar, dass wir unsere Direktvermarktung in den nächsten Jahren einschränken müssen, weil wir einfach zu wenig Personal dafür finden. Und das, obwohl die Nachfrage der Kunden da ist und auch nicht abnimmt.


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Gibt es für die Agrargenossenschaft Königshofen nicht auch eine andere Lösung, zum Beispiel eine eigene Schlachtung aufzubauen?

Das ist für unseren Betrieb allein nicht leistbar. Einmal haben wir keine Flächen und dann muss sich diese Investition auch rentieren. Außerdem ist der bürokratische Aufwand immens. Wir könnten uns aber vorstellen, dass wir gemeinsam mit anderen Landwirtschaftsbetrieben eine Schlachtstätte unterhalten, vielleicht in Form einer Genossenschaft.

Über die Initiative Heimische Landwirtschaft
Die Initiative Heimische Landwirtschaft ist ein Zusammenschluss von Landwirten, die der Gesellschaft zeigen wollen, wie Landwirtschaft heute funktioniert. Sie setzt sich mit verschiedenen Maßnahmen für mehr Wertschätzung für heimische Lebensmittel und die Arbeit der Landwirte ein. Durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit soll Aufklärungsarbeit geleistet und Vertrauen zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern und landwirtschaftlichen Erzeugern geschaffen werden. Gegründet im Jahr 2011 von Landwirten aus Thüringen, haben sich der Initiative Heimische Landwirtschaft heute fast 1.500 große und kleine, konventionell und ökologisch arbeitende Landwirtschaftsbetriebe aus ganz Deutschland angeschlossen.