Bei unserem Praxispartner in Sachsen standen Lammbonitur und Weideaustrieb an. Die Futtergrundlage auf den Weiden des LVG Köllitsch ist noch gut, doch in diesem Jahr gibt es weniger Weidefläche. Und der wenige Regen macht dem LVG Sorgen.
Kurz nach Ostern ging es raus: Für die meisten Köllitscher Schafe hat mittlerweile wieder die Weidesaison begonnen. Zunächst rund 160 Tiere des Lehr- und Versuchsgutes (LVG) weideten auf den Elbdeichen, ein kleinerer Teil, 65 Schafe, die später abgelammt hatten, stand noch im Stall. Darüber hinaus stehen sechs Muttern für die Testanpaarungen mit zwei zugekauften Böcken auf den Wiesen in Stallnähe.
Die Futtergrundlage sei derzeit noch gut, meint Birgit Kurze, Bereichsleiterin Schweine und Schafe im LVG. „Mit dem Aufwuchs sind wir nicht unzufrieden.“ Allerdings werde es Zeit, dass wieder ergiebiger Regen fällt und für Pflanzenwachstum auf den Weiden sorgt. Zumal in diesem Jahr die Weidefläche wegen Deichbauarbeiten zur Verbesserung des Hochwasserschutzes an der Elbe geringer ist als sonst.
Während die Muttern bereits den Elbdeich beweideten, wurden die Köllitscher Lämmer vergangene Woche durch den Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverband (SSZV) bonitiert. 294 Tiere, davon 161 weibliche, wurden von SSZV-Zuchtleiter Hanno Franke begutachtet und zum Verkauf oder zum Verbleib im Bestand eingeteilt. „Bei den Zibben hat Hanno Franke recht streng selektiert“, so Birgit Kurze. Nur 48 weibliche Lämmer, 23 der Rasse Merinofleischschaf (MFS) und 25 der Rasse Schwarzköpfiges Fleischschaf (SKF) verbleiben im Bestand. „Aber aus Sicht des Zuchtleiters ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Tiere im Herbst auch ins Herdbuch aufgenommen werden“, erklärt die Bereichsleiterin. In dieser Größenordnung würden auch Nachtreter für die Eigenerhaltung des Bestands benötigt.
Im Verglich zu den Zibben fiel die Zahl der jungen Böcke, die vorerst im Bestand verbleiben, recht groß aus: Zehn MFS- und fünfzehn SKF-Jungböcke wählte der Zuchtleiter aus. „Das ist schon viel“, verdeutlicht Birgit Kurze. Im Herbst entscheidet sich dann, wie viele von ihnen tatsächlich zur Körung vorgestellt werden. In die Schlachtung gehen 173 Lämmer. 88 davon haben bereits das nötige Gewicht von 38 kg erreicht und wurden vergangene Woche verkauft. Die restlichen 85 sind Ende Mai, Anfang Juni dran.
„Der Markt ist auf Talfahrt, aber wir haben noch einen relativ guten Preis vereinbaren können“, ist die Bereichsleiterin froh. Ab Hof verkauft wurden inzwischen auch einige der Böcke, die eigentlich auf der im März geplant gewesenen Auktion in Kölsa zur Versteigerung stehen sollten. Von fünf SKF-Vererbern haben vier einen neuen Besitzer, der fünfte ist reserviert. Bei den MFS-Böcken, die für die Elite ausgewählt waren, wurde ein Vererber verkauft, ein weiterer reserviert. kb
Was trieb den Extremsportler Robby Clemens an, rund 23.000 Kilometer vom Nordpol in Richtung Südpol zu Fuß zurückzulegen? Welche Erlebnisse und Eindrücke waren am nachhaltigsten? Wir haben nachgefragt.
Das Gespräch führte Wolfgang Herklotz
Fotos: Robby Clemens, Sabine Rübensaat (2)
Sie haben bei Ihrem jüngsten Fußmarsch mehr als ein Dutzend Länder durchquert. Wie oft gab es die Versuchung, das unglaubliche Projekt abzubrechen?
Aufzuhören kam nie infrage, selbst in den kritischsten Momenten nicht.
Welche waren das vor allem?
Grönland war schon eine enorme Herausforderung. Wenn Du das Zelt verlässt, um noch einmal vor der Nacht einem ganz natürlichen Bedürfnis nachzugehen und dann bei minus 40 Grad in einem Eisloch hockst, ist das schon ziemlich gewöhnungsbedürftig.
Aber sicherlich auch, am nächsten Morgen wieder in Gang zu kommen, oder?
Klar, das braucht ein bisschen Zeit. Man bewegt erst das eine Bein, dann das andere, und langsam kommt die Erkenntnis: Du lebst noch! Diese ist für mich ohnehin so eine Art Schlüsselerlebnis. Durch das Laufen habe ich zu meinem Leben zurückgefunden!
Welche besonders kritische Phase gab es noch?
Auf meiner Tour durch Texas wäre ich um ein Haar von Hunden zerfleischt worden. Die hatten die Größe von Kälbern, und ihr wütendes Gebell habe ich immer noch im Ohr. Die Hunde liefen am Zaun innerhalb einer Farm Richtung Tor, doch das stand dummerweise offen. Mein Glück war, dass gerade Autos vorbeirasten und der erste Vierbeiner durch die Luft flog … Dann kam der Farmer und pfiff die wütende Meute zurück. Glück gehabt, dachte ich mir.
Das haben Sie vermutlich noch zig weitere Male gebrauchen können.
Vor allem auf den Straßen Südamerikas lauerten große Gefahren. Obwohl es sich zumeist nur um miserable Schotterpisten handelt, sind dort die Autos und Laster wie Geschosse unterwegs. Die Wahrscheinlichkeit, umgebrettert zu werden, ist nach meiner Erfahrung viel größer, als von bewaffneten Drogenhändlern und sonstigen Banditen umgelegt zu werden, obwohl die reichlich unterwegs sind. Einmal dachte ich dann aber doch, dass mir das passiert.
Wo war das?
Auf einer Landstraße schon ziemlich im Süden Mexikos. Ein Pick-up fuhr ganz langsam vorbei, darin saßen vermummte, ziemlich grimmig dreinschauende Gesellen. Eindringlich musterten sie mich und meinen Begleiter, der seit Texas in einem gebrauchten Kombi der Marke Dodge vorsorglich ein Stück hinter mir her fuhr. Vorher hatte ich ja nur einen Buggy, also einen Kinderwagen, vor mir hergeschoben, um das Gepäck zu transportieren. Doch das nur nebenbei. Die Situation war mehr als brenzlig, aber schließlich fuhr der Pick-up vorbei und ließ eine riesige Staubwolke hinter sich. Doch irgendwann kam er zurück, und ich dachte: Das wars! Doch dann stieg vorn eine sehr betagte Mexikanerin aus. Sie begrüßte mich freundlich, streckte mir ihre knorrigen Finger entgegen und kniff mir in die Wange.
Wie das?
Ihre Söhne waren auf der Rücktour vom Ernteeinsatz gewesen, als sie mich überholt hatten. Zuhause erzählten sie das ihrer Mutter, und schnell wurde klar, dass ich der verrückte Deutsche zu Fuß durch Mexiko sein musste, über den ein Regionalsender berichtet hatte. Also ging es sofort zurück, um dem seltenen Gast nebst Begleiter dann auf der Ladefläche ein opulentes Mahl mit mexikanischen Köstlichkeiten zu bereiten. Es gab Tortillas, Bohnen und Zwiebeln, Salsa und Hühnchen, auf einer Tischdecke fein angerichtet.
Ein Festmahl nach all den Tütensuppen …
Absolut. Auf den Touren von Nord nach Süd war meistens Schmalhans der Küchenmeister. Umso mehr konnte ich die Gastfreundschaft vieler Menschen unterwegs genießen. Nicht die Gefahren durch Eisspalten oder mögliche Überfälle sind es, die im Gedächtnis bleiben, sondern die unzähligen tollen Begegnungen mit den Menschen entlang meiner Tour.
Sie haben all Ihre Erlebnisse in Ihrem Buch „Bis ans Ende der Welt …“ eindrucksvoll beschrieben. Das half, die Reise zu sich selbst zu verarbeiten. Sind Sie inzwischen angekommen?
Nein. Das Buch hat eine Menge dazu beigetragen. Aber in Gedanken bin ich immer noch unterwegs. Und zehre immer wieder davon, was ich an Ermutigung und Beistand gerade in schwierigen Situationen erfahren habe.
Erzählen Sie!
Dazu muss man wissen, dass ich schon vorher zahlreiche Aktionen zu Fuß gestartet habe. Meine persönliche Erkenntnis lautet: Auch wenn man noch so am Boden liegt, ein Aufstehen lohnt allemal! Dies möchte ich anderen vermitteln und engagiere mich deshalb auch als Botschafter des Vereins Haus Leben, der sich um die Betreuung von Krebskranken und ihrer Angehörigen kümmert. Als ich gerade bei der Grönland-Querung via Facebook und Twitter andere wissen ließ, dass es doch gerade ziemlich schwierig für mich wird, überraschte mich die Flut von Rückmeldungen aus meiner „Gemeinde“. Die Botschaft: Wenn Du das schaffst, schaffen wir das auch! Damit hatte ich wahrlich nicht gerechnet und dachte mir: Jetzt hast Du ja einen tonnenschweren Rucksack an Erwartungen! Was mir anfangs wie eine Last erschien, erwies sich dann als zusätzliche Motivation. Ich wusste, dass ich auch in den kritischsten Augenblicken nicht allein bin, sondern viele Menschen hinter mir habe!
Was war eigentlich der Auslöser für Ihre ungewöhnlichen Vorhaben?
Meine Alkoholsucht, die wiederum mit der Pleite meines Unternehmens zusammenhing. Nach der Wende war ich, wie man so sagt, richtig durchgestartet. Der Sanierungsbedarf für Sanitär- und Heiztechnik war damals riesig, meine Firma entwickelte sich prächtig und verzeichnete Millionenumsätze. Ich rauchte dicke Zigarren, fuhr teure Autos, machte teuer Urlaub. Und dann kam der Crash. Das Imperium eines Herrn namens Utz Jürgen Schneider, der Immobiliengeschäfte in Leipzig gemacht und dann Milliardenverluste eingefahren hatte, brach über Nacht zusammen. Für meine Firma bedeutete das ein Minus von mehr als zwei Millionen Mark! Die Leistungen, die wir auf verschiedenen Baustellen erbracht hatten, wurden von einem Tag zum anderen nicht mehr bezahlt. Ich musste Leute entlassen, darunter auch Schwester und Schwager. Das war so unfassbar bitter. Eine Pleite in Deutschland hinzulegen, und sei sie unverschuldet, ist schlimmer als die Pest! Ich suchte Auswege im Glas, doch die fand ich nicht. Es wurde alles nur noch schlimmer!
Wie kamen Sie raus aus dieser Misere?
Ich hatte einen sehr verständnisvollen, aber auch sehr direkten Hausarzt. Der gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass es ein böses Ende nimmt, wenn ich mich nicht aufraffe. Der Termin für eine Entziehungskur stand schon fest, als mir einer meiner Saufkumpane von einem Schicksalsgenossen erzählte, der seine Sucht durch das Laufen in den Griff bekommen hatte. Den Gedanken fand ich viel verlockender als in die Klinik zu gehen. Ich kratzte die paar noch verbliebenen Ersparnisse zusammen, um mir vernünftige Laufschuhe zu kaufen. Und dann gings los!
So einfach?
Von wegen! Nach den zweihundert Metern war ich schon am Ende, konnte nicht mehr. Zu dieser Zeit wog ich mehr als 120 Kilo, hatte keine Kondition, doch dafür noch jede Menge Alkohol in mir. Doch ich wollte nicht aufgeben, zumal ich ein paar Zuschauer hatte, die mein Tun aufmerksam verfolgten. Einer feuerte mich sogar an, rief: Lauf, Robby, lauf!
Frei nach dem Film „Forrest Gump“, in dem der Schauspieler Tom Hanks einen Laufbesessenen darstellt?
Genau, obwohl ich den Film damals noch nicht kannte. Mir war nach den ersten Läufen mitunter hundselend zumute, doch irgendwann merkte ich, dass mir die Bewegung doch guttat. Also lief ich weiter, vergrößerte Stück für Stück die Distanzen, entdeckte neue Ziele. Diverse Fußmärsche und gar eine Erdumrundung zumindest auf dem Festland hatte ich bereits hinter mir, als ich dann auf die Idee mit der Nord-Süd-Tour kam.
Inspiriert durch den Schlagersänger Frank Schöbel, der seinerzeit versprach, vom Nordpol zum Südpol zu gehen?
Ja, dieses Lied ging mir bei einem meiner Läufe durch den Kopf, obwohl ich eher die Musik von Rammstein mag. Aber die Idee an sich fand ich schon bemerkenswert. Nur dass ich die Route eben nicht wegen eines banalen Kusses wählen wollte, sondern um zu mir selbst zu finden.
Wie haben Sie den Marsch trotz des gewaltigen Schuldenbergs finanzieren können?
Vor allem durch die großartige Unterstützung meiner Familie und meiner geliebten Frau. Das Verständnis war viel wichtiger als alles Finanzielle. Wir haben verkauft, was wir konnten, und auch Spendengelder über eine Crowdfunding-Plattform eingesammelt. Zudem gab es kleine Sponsoren, die das Projekt unterstützten. Letztendlich wurde dieses aber zum größten Teil aus eigenen Mitteln finanziert.
Hatten Sie Kontakt zu Frank Schöbel?
Ja, er war von meinem Vorhaben sehr begeistert und hat auch mit dafür gesorgt, dass der bereits erwähnte Dodge als treuer Begleiter angeschafft werden konnte. Ich habe ihn dann Franky genannt.
Wie kam es, dass Sie Ihre Wanderung kurz vorm Ziel beendeten, knapp fünfhundert Kilometer vom Südpol entfernt?
Das letzte Stück zu meistern, wäre trotz der relativ geringen Entfernung nur mit großem Aufwand zu schaffen gewesen. In der Antarktis gibt es kaum Infrastruktur, Transport von Gepäck und Begleitung sind extrem teuer und kosten Zehntausende Dollar. Selbst wenn ich diese Mittel aufgetrieben hätte: Die eigentlichen Erlebnisse, die tollen Begegnungen mit Menschen hatte ich vor der Eiswüste ja hinter mir. Und schließlich wollte ich nach 19 Monaten endlich wieder nach Hause, zu meiner Familie! Den Südpol hatte ich ja zumindest gefühlsmäßig schon zig Male erreicht!
In Ihrem Buch berichten Sie von einem besonderen Geschenk, das Ihnen von einem krebskranken Mädchen überreicht wurde.
Es handelt sich um eine Feder, die die kleine Amanda aus Philadelphia seinerzeit von ihren Eltern als Trostspender bekam. Einem indianischen Brauch zufolge sollte damit Unheil abgewendet werden. Wie immer das auch geschah, das Mädchen wurde wieder gesund und schenkte mir dann bei unserer Begegnung mit strahlenden Augen die Feder und sagte: „Sie hat mir das Leben gerettet, aber jetzt brauche ich sie nicht mehr. Sie soll Dich beschützen, damit Du gut nach Hause kommst!“ Ich habe diesen Talisman gut aufgehoben, er begleitet mich bei meinen Vorträgen und Buchlesungen.
Was möchten Sie mit diesen vermitteln?
Vor allem, dass man sich nie aufgeben darf. Und auch nicht von Leuten anstecken lassen sollte, die Neid schüren und Unzufriedenheit verbreiten. Ich habe viele Male erlebt, wie Menschen gerade in Südamerika trotz ihrer bescheidenen Mittel so gern mit uns teilten und mit warmen Worten von Deutschland sprachen. Was sind unsere vermeintlichen Probleme schon im Vergleich zu denen vieler Bewohner Ecuadors, Mexikos oder Guatemalas?
Sagt einer, der weiter einen Schuldenberg abtragen muss. Empfinden Sie noch Wut auf den Spekulanten namens Schneider?
Nein, denn wenn es den nicht gegeben hätte, dann wäre ein anderer gekommen. Es waren und sind die Banken, die solche Geschäfte erst zulassen und dann andere dafür büßen lassen, wenn sie platzen.
Was ist schon der Einbruch in eine Bank im Vergleich zur Gründung einer solchen, hat Brecht mal sinngemäß gesagt.
Genialer Mann.
Sie sind mittlerweile wieder gut im sachsen-anhaltischen Hohenmölsen angekommen und voller Pläne. Was wünschen Sie sich und Ihrer Familie?
Vor allem Gesundheit. Und meinen Enkeln wünsche ich, dass sie sich ihre eigenen Träume erfüllen, vor allem aber lernen, Demut und Dankbarkeit zu zeigen. Dies ist für ein vernünftiges Leben in der Gesellschaft, wie ich erfahren habe, wichtiger als alles andere und gebe es gern weiter.
Das Interview mit Robby Clemens lesen Sie auch in der
Bauernzeitung Ausgabe 18/2020.
Dem Absatz von Getreide hat die Coronakrise kaum geschadet. Eher im Gegenteil: Weizen machte beim Verkauf zuletzt viel Freude. Trotzdem blicken die Anbauer mit Unbehagen auf die nächste Ernte.
Von Gerd Rinas, Karsten Bär und Frank Hartmann
Der Weizenexport aus dem Rostocker Überseehafen brummt wie lange nicht. „Daran war im vergangenen Herbst nicht zu denken“, sagt Niklas Gluth-Mansfeldt, Getreidehändler bei der Hauptgenossenschaft (HaGe) Nord, Kiel. Noch im September schmähte der Markt die neue Ernte. „Im November, Dezember ging die Sause los. Im Januar wurde in Rostock ein Schiff nach dem anderen voll gemacht“, berichtet Gluth-Mansfeldt.
Dabei hätten die Exporteure vor Ort und die Euroports Getreide Service Rostock GmbH als Dienstleister eng zusammengearbeitet. Neben der HaGe verfügen die Unternehmen GT Rostock (Beiselen), Ceravis, RGL (ATR und ADM Germany) sowie die Getreide AG über eigene Silo- und Umschlagsanlagen im Rostocker Hafen. Hier wird seit Jahren so viel Getreide exportiert wie in keinem anderen deutschen Hafen.
Die ersten Meldungen zum Coronavirus im Februar trübten die gute Stimmung bei den Händlern aber schlagartig: Was, wenn Mitarbeiter sich infizieren und die Geschäfte nach Betriebsschließung nicht abgewickelt werden könnten? „Dieser Fall trat bisher nicht ein, auch wegen umfangreicher Vorsorgemaßnahmen im Hafenbetrieb“, so Gluth-Mansfeldt erleichtert. Seit Januar wurden 1,5 Mio. t Getreide verschifft, so viel wie lange nicht. Nach übereinstimmenden Informationen Marktbeteiligter wird Deutschland im laufenden Wirtschaftsjahr (bis 30. Juni) wohl über vier Millionen Tonnen Weizen exportieren. Das gelang in den letzten Jahren nicht ansatzweise. Wie es zu der diesjährigen Export-Rallye kommen konnte, darüber gibt es unter Experten nur Spekulationen.
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Das Restprogramm der Kampagne ist überschaubar. „Wegen der hohen Exportnachfrage wurde gerade im Norden die Ware sehr früh verkauft. Die Läger im Norden sind weitgehend leer. Corona-bedingte Reduzierungen beim Export sind kaum noch zu erwarten“, so Gluth-Mansfeldt. Sein Tipp für Risikofreudige: „Wenn wir wetterbedingt eine verzögerte Ernte sehen, kann alterntiger Weizen nochmal sehr gesucht werden.“
Ebenfalls keinen Grund, über den Markt zu klagen, sieht Wolfgang Grübler, Vorsitzender der Getreide-Erzeugergemeinschaft „Meißner Land und Großenhainer Pflege“. „Der Preis war zwischenzeitlich am Boden, hat sich aber wieder erholt“, sagt er. Jährlich rund
45.000 t Weizen und 15.000 bis 20.000 t Roggen erzeugen die 32 EZG-Mitglieder, die in der Lommatzscher Pflege und in der weniger begünstigten Großenhainer Pflege östlich der Elbe wirtschaften, im Qualitätsgetreideprogramm „Sachsens Ährenwort“ für die Dresdner Mühle. Die Menge, die seine und weitere EZG unter dem Dach der Interessengemeinschaft der Erzeugerzusammenschlüsse (IGE Sachsen) über „Ährenwort“ vermarkten, beläuft sich auf bis zu 200.000 t Weizen und 110.000 t Roggen. Allerdings seien die Märkte volatiler geworden – und dass der Preis, aus welchen Gründen auch immer, wieder ab stürzen könnte, will Grübler nicht ausschließen. Momentan macht dem EZG-Vorsitzenden und Chef des Agrarunternehmens Lommatzscher Pflege eG ein Umstand bedeutend mehr Sorgen als die Marktentwicklung: die anhaltende Trockenheit.
Für die Anbauer von Sommerbraugerste erwartet Dietrich Kaiser, Vorsitzender des Thüringer Braugerstenvereins und Geschäftsführer der Malzwerke Erfurt, keine preislichen Höhenflüge. Die Coronakrise schlägt beim Fassbierabsatz ein, der hierzulande rund 19 % des Marktes ausmacht – in Südeuropa sind es bis zu 40 %. Heimische Mälzer, die Brauereien mit dem Fokus auf die Gastronomie beliefern, bekommen dies zu spüren.
Kaiser erwartet, dass der Bierabsatz in diesem Jahr um 10 bis 20% zurückgehen kann. Weil Deutschland Braugerstenimporteur ist, dürften aber Landwirte davon ausgehen, dass sie ihr Braugetreide vermarktet bekommen, selbst wenn man mit hohen Beständen aus dem Vorjahr in die neue Ernte geht. 2019 wurde rund ein Fünftel der deutschen Sommerbraugerste in Mitteldeutschland erzeugt.
Auch nach dem Abflauen der Hamsterkäufe boomt der Absatz von Nudeln, Durum ist mehr denn je gefragt. Doch bei der Produktion drohen große Probleme.
Die Coronakrise hat auf die Vermarktung von Durum keinen negativen Einfluss. Im Gegenteil: Qualitätshartweizen für die Teigwarenherstellung ist gefragt. „Es besteht Bedarf ohne Ende“, sagt Wolfgang Beer, Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft Vorharz (Sachsen-Anhalt).
Der Absatz von Nudeln boomt auch nach Abflauen der Hamsterkäufe. Große Probleme sieht Beer für die Produktion. Die Trockenheit mache Winter- und Sommerdurum zu schaffen, die Ertragsinstabilität berge ein hohes Risiko. In der EZG sei der Durumanbau deswegen auf 750 ha (2019: 1.100 ha) zurückgegangen. Die Gesamtentwicklung im Land dürfte ähnlich sein.
Auf Sachsen-Anhalt und Thüringen entfielen zuletzt 50–60 % des deutschen Durumanbaus (2018: 30.000 ha, Ø 45,5 dt/ha; 2019: 32.000 ha, Ø 49,1 dt/ha). Lediglich etwa 15–20 % der bundesweit jährlich vermahlenen 400.000 t Hartweizen stammen aus heimischer Erzeugung.
Derzeit ist die Versorgungslage weltweit kritisch, schätzt Beer ein. Im Vorjahr gab es massive Ausfälle in Kanada, auch geringere Mengen aus Südeuropa. Es braucht weltweit gute Ernten. „Die große Frage ist, ob die Menge reicht, um den Anschluss herzustellen.“
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Betriebe, die Erntehelfer beschäftigen, stehen in der Kritik, den Gesundheitsschutz zu vernachlässigen. Ein Fernsehbericht belegt zum Teil widrige Arbeitsumstände.
Die landwirtschaftlichen Arbeitgeber wehren sich gegen Kritik, sie vernachlässigten den Gesundheitsschutz für Saisonkräfte. „Der Infektionsschutz steht auch für Landwirte an erster Stelle“, erklärte der Gesamtverband der Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA). Der Dachverband betonte das Eigeninteresse der Arbeitgeber an der Einhaltung der Infektionsschutzregelungen. Keinesfalls wolle man die Mithilfe der Saisonkräfte gefährden.
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) warf dem Interessenverband der Arbeitgeber vor, das Verantwortungsbewusstsein der Betriebe für ihre Arbeitskräfte zu überschätzen. Der stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum hatte zuvor scharfe Kritik am derzeitigen Verfahren bei der Einreise von Erntehelfern geübt. Schaum sprach von einer verantwortungslosen Praxis, „auf einmal Tausende Saisonkräfte einzufliegen und es fast ausschließlich den Betrieben zu überlassen, ob und wie der Infektionsschutz eingehalten wird“.
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Der Gewerkschafter warf sowohl Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner als auch der berufsständischen Interessenvertretung vor, sie ließen „zum Schutz der Betriebe den Schutz der Erntehelfer schleifen“. Die IG BAU forderte flächendeckenden Zugang zu den Unterkünftigen der Saisonkräfte. Das wiederum nannte der Arbeitgeberdachverband „schwer nachvollziehbar“, weil dadurch das Infektionsrisiko deutlich erhöht würde.
Zumindest in einzelnen Betrieben scheint jedoch noch eine gewisse Unklarheit über die Hygieneauflagen zu herrschen. So berichtete der MDR am Samstag voriger Woche über einen Gemüsebaubetrieb in Wittenberg (Sachsen-Anhalt), wo polnische Mitarbeiter nach ihrer Ankunft ohne 14-tägige Quarantäne sofort in Gruppen von 30 bis 40 Personen arbeiteten. Der Betrieb hat laut MDR gegenüber dem Sender eingeräumt, die Quarantänevorschrift nicht gekannt zu haben. red
Wie sollen wir die ländlichen Räume in Ostdeutschland gestalten? In Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es dazu klare Ansichten. Und auch wenn sie sich ähneln, gibt es feine Unterschiede.
Mindestens 30, später 60 Prozent der Direktzahlungen für Öko-Regelungen (Eco-Schemes), bundesweit eine stärkere Umschichtung der Direktbeihilfen zugunsten der ersten Hektare sowie Kappung und Degression: Die Lektüre des aktuellen Positionspapiers der fachpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Grünen in den Parlamenten auf EU-, Bundes- und Länderebene dürfte konventionell wirtschaftende Landwirte wieder einmal mental vom Hocker hau‘n, wenn sie es lesen würden.
Kein Wunder, dass manch Landnutzer in Sachsen und Brandenburg angesichts sich abzeichnender grün-geführter Agrarministerien nach den Landtagswahlen am 1. September 2019 spontane Abwehrreaktionen entwickelte, die von manch starkem Verbandswort begleitet wurden. Es folgten persönliche Begegnungen auf Klausurtagungen, Verbandstreffen, Versammlungen und nicht zuletzt viele direkte Kontakte der neuen Minister mit Landwirten und Direktvermarktern auf der Grünen Woche. Mittlerweile dominiert das Management der Corona-Folgen den Dialog und das ministerielle Handeln. Und doch wird in beiden grün-geführten Ministerien agrarpolitischer Gestaltungswille deutlich.
Das Brandenburger MLUK – Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz – hat einen Prozess, der analog anlaufen sollte, ins Internet ausgelagert, weil man keine Zeit verlieren will: Richtungsweisende Aussagen für ein Leitbild zur Agrarstruktur sollen bis Mitte Juni anhand eines detaillierten Fragenkatalogs erörtert werden. Daran beteiligen können sich alle, die sich eine Meinung dazu gebildet haben. Das Leitbild soll Grundlage für ein Agrarstrukturgesetz sein. Agrarminister Axel Vogel, geboren 1956 in Bochum, ist ein Grüner der ersten Stunde. Der Betriebs- und Volkswirtschaftler, seit 1991 für den Naturschutz in Brandenburg unterwegs, wird aber nicht müde zu betonen, dass er sich als Minister einer Drei-Parteien-Regierung versteht.
Er hat die Agrarstruktur an die erste Stelle seiner Agenda gesetzt. Wie die Beteiligung läuft und warum dialogbasierte Prozesse nicht immer eine Rundum-Zufriedenheits-Garantie enthalten, ist im ausführlichen Interview nachzulesen. Zudem auf Vogels Agenda: Stärkung regionaler Vermarktungsstrukturen und Halbierung des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel bis 2030.
Im sächsischen SMEKUL – Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft – will man in dieselbe Richtung. Minister Wolfram Günther, geboren 1973 in Leipzig, Rechtsanwalt und Kunsthistoriker, setzt jedoch andere Prioritäten: Egal ob biologisch oder konventionell produziert sollen Lebensmittel mehr dort verarbeitet und verzehrt werden, wo sie gewachsen sind. Da man dagegen erstmal nichts haben kann, begegnen sich in Sachsen Landwirte und Minister mittlerweile mit wohlwollender Neutralität.
Im MULE – Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie in Sachsen-Anhalt – tritt Claudia Dalbert, geboren 1954 in Köln, promovierte Psychologin, ins vorerst letzte Regierungsjahr ein. Den Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz hatte sie noch von ihrem Vorgänger in der Schublade. Verabschiedet wurde es nicht, weil sich wesentliche Akteure zuvor aus dem Leitbildprozess verabschiedeten. Dalberts Thema wurde die Förderung des Ökolandbaus. Die Fläche hat sich seit ihrem Amtsantritt fast verdoppelt. Ob nachhaltig, wird sich zeigen. Bereits gezeigt hat sich, dass die Nähe zu ländlichen Akteuren und geteilte Kräfteverhältnisse immer ein Miteinander erfordern, will man als Politiker – Gestaltungswille hin und her – am Ende nicht allein dastehen.
Brandenburg hat Tiertransporte nach Russland verboten. Es sollen Genehmigungen erteilt worden sein, obwohl Versorgungsstationen fehlen. Auch Transporte in andere Länder werden jetzt stärker geprüft.
Anfang April wurden Vorwürfe laut, die Veterinärbehörden in Brandenburg würden ihren Ermessensspielraum bei der Genehmigung von Tiertransporten laxer auslegen als beispielsweise Bayern und Hessen. Brandenburg habe sich nach Ansicht des Deutschen Tierschutzbundes zu einem Schlupfloch für fragwürdige Transporte entwickelt.
Am Donnerstag voriger Woche hat das Potsdamer Verbraucherschutzministerium mit einem Verbot reagiert: Derzeit dürfen von Brandenburg aus keine Tiertransporte starten, die nach oder durch Russland fahren wollen.
Als Grund gab die Behörde an, dass nach Auskunft des russischen Dienstes für veterinärrechtliche Überwachung entlang der Transportwege auf dem Gebiet der Russischen Föderation derzeit keine Versorgungsstellen für Tiere in Betrieb sind. Die kommunalen Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter, die für die Genehmigung der Transporte zuständig sind, seien entsprechend informiert worden.
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Die zuständige Staatssekretärin Anna Heyer-Stuffer dazu: „Tiertransporte können für die Tiere mit Leiden verbunden sein. Besonders die langen Strecken in Drittländer außerhalb der EU bedeuten für Tiere große Strapazen. Deshalb muss immer sichergestellt werden, dass Tiere auf dem Weg regelmäßig entladen werden können, sodass sie getränkt und gefüttert werden und sich ausreichend erholen können.
Eine tierschutzgerechte Versorgung der Tiere muss bis zum Zielort gewährleistet werden, auch wenn dieser nicht in der EU liegt. So müssen Transportunternehmer und Organisatoren der Transporte bei jeder Anmeldung eines Tiertransports zwingend Ruheorte und Versorgungsstellen im Drittland nachvollziehbar und sicher belegen. Das ist für die Russische Föderation bis auf Weiteres nicht möglich.“
Das Verbraucherschutzministerium habe Mitte März einen Erlass zur „Plausibilitätsprüfung im Zusammenhang mit der Abfertigung von langen, grenzüberschreitenden Beförderungen“ an die Landkreise und kreisfreien Städte versendet und mit einem Rundschreiben über grenzüberschreitende Transporte während der Corona-Pandemie informiert.
Regional und praxisnah: Die Bauernzeitung versorgt Sie regelmäßig mit allen wichtigen Nachrichten rund um die Landwirtschaft und das Landleben in Brandenburg. mehr
Staatssekretärin Heyer-Stuffer: „Wir haben die Prüfung von Tiertransporten durch die Veterinärämter verschärft. Anmeldungen zu Transporten auf Routen, bei denen Zweifel bestehen, ob die gemachten Angaben etwa zu Versorgungsstellen von den Transporteuren einzuhalten sind, sind nicht abzufertigen. Wenn Fakten und Daten, die für die Zertifizierung und Rückverfolgung erforderlich sind, nicht plausibel erscheinen, dann gibt es keine Erlaubnis. Außerdem sollen angesichts der Corona-Pandemie Transporte insbesondere von lebenden Tieren auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden.“ mil
Im Interview sprachen wir mit dem Brandenburger Agrarminister Axel Vogel über seinen Start als Minister, über Agrarstruktur, rote Gebiete, die Tücken dialogischer Prozesse und coronabedingte Herausforderungen.
Das Gespräch führte Heike Mildner
Bauernzeitung: Wie hat sich Ihr Bild von der Landwirtschaft verändert, seitdem Sie für diesen Bereich verantwortlich sind?
Vogel: Eigentlich nicht so sehr. Schon in der Landesanstalt für Großschutzgebiete habe ich Naturparks und Biosphärenreservate als Instrument einer nachhaltigen Regionalentwicklung strukturschwacher Räume verstanden und nicht als eine reine Naturschutzkategorie. Das war ja von Anfang an das Besondere an dem brandenburgischen Großschutzgebiet-System: Biosphärenreservate und Naturparke zu schaffen, die die Idee nachhaltiger Landnutzung verkörpern. Damit ist Brandenburg bundesweit zum Vorbild für eine neue Naturschutzpolitik geworden.
Und weil ich das eben schon seit 91 mache, habe ich natürlich immer viel mit Landwirten zu tun gehabt – von kleinen Bauernhöfen bis zu Riesenbetrieben, von konventionell bis öko. Von daher kannte und kenne ich viele Landwirte, bin auch befreundet mit einigen. Später als Abgeordneter habe ich auf meinen Sommertouren regelmäßig ganz bevorzugt Landwirtschaftsbetriebe besucht, um mitzubekommen, wie sich die Landwirtschaft in Brandenburg weiterentwickelt. Insofern sage ich mal: Ich bin da tatsächlich in eine Funktion gekommen, die mir überhaupt nicht fremd war. Der Blick ist vielleicht etwas intensiver, weil in den laufenden Diskussionen für mich deutlich wird, wo finanziell der Schuh drückt.
Aber die Verantwortlichkeit ist ja doch eine andere und umfasst ganz Brandenburg, auch Intensivstandorte, wo Bio keine bevorzugte Rolle spielt.
Na klar, aber ich bin ja Minister für die gesamte Agrarwirtschaft und nicht nur für Bio, auch wenn ich eine grundsätzliche Ökologisierung der Landnutzung anstrebe. Ich finde: ein Politiker muss eine Vision haben, ansonsten kann er Verwaltungsbeamter bleiben. Und natürlich muss man, wenn man eine Zielsetzung hat, Prozesse einleiten, die dazu führen, dass man sich seinem Ziel nähert und keine, die vom Ziel wegführen. Dafür stehe ich. Aber insgesamt gesehen: Ich hatte und habe ein gutes Verhältnis zu Landwirten. Jetzt natürlich intensiver mit den landwirtschaftlichen Verbänden, die vorher nicht so im Fokus standen. Und ich hatte ja nicht nur eine wirklich sehr wohlwollende Aufnahme bei der Klausurtagung des Landesbauernverbandes, ich habe ähnlich positive Resonanz beim Bauernbund gefunden.
Und ich hatte eine wirklich sehr offene Begegnung mit „Land schafft Verbindung“. Ich bewundere, wenn Menschen sich in ihrem Beruf engagieren und noch mehr bewundere ich es, wenn sie soziales Engagement entfalten, wenn sich Bauern für ihr Dorf verantwortlich fühlen. Diese Verbindung zwischen Landwirtschafts- betrieben und Dorf zu stärken – das ist mein Ziel. Wohin soll das führen, wenn die Landwirtschaft nur noch von ortsfernen Kapitalgesellschaften betrieben wird, die keinen Bezug haben zur Region, in der sie tätig sind, denen es nur darum geht, Geld zu verdienen?
Womit wir bei der Agrarstruktur sind. Wie will Brandenburg schaffen, was andere nicht geschafft haben – außer innerhalb der Legislaturperiode früher anzufangen?
Also früher anzufangen, ist sehr wichtig, weil bisher in mehreren Ländern die Bemühungen um Agrarstrukturgesetze durch das Ende der Legislaturperiode beendet wurden und dann erstmal eine Pause eingetreten ist, bis sich wieder jemand getraut hat. Aber ich denke wirklich, die Zeit ist reif und der Leidensdruck ist groß genug. Selbst jetzt in Corona Zeiten: Die Notare haben zu keinem Zeitpunkt schließen müssen. Das Geld vagabundiert und sucht Anlagemöglichkeiten.
Der Ankauf von Landwirtschaftsbetrieben oder Flächen stoppt nicht, es ist wirklich Eile geboten. Was den Unterschied ausmacht zu anderen Ländern: Wir wollen kein agrarpolitisches Leitbild für die gesamte Landwirtschaft, sondern nur für die Agrarstruktur. Ist es unser Ziel, dass am Ende der Landesbauernverband vielleicht noch 300 Mitgliedsbetriebe umfasst, weil die Größen sich in diese Richtung entwickeln? Ich glaube nicht.
Aber kann man das Rad zurückdrehen? Das Gros der BVVG-Flächen ist verkauft …
Es wird immer wieder passieren, dass große Konglomerate ausein- andergedröselt wieder auf den Markt kommen. Das Wichtige ist, dass wir dafür eine Auffangstruktur haben. Deswegen ja auch die Siedlungsgesellschaft, deswegen der Versuch, mit einem Agrarstrukturgesetz die Voraussetzung zu schaffen, dass die Siedlungsgesellschaft nicht nur für eine ganz kurze Zeit Zwischenerwerber sein kann, sondern Zeit bekommt, eine große Fläche wieder aufzuteilen, zu verpachten oder wieder in Privateigentum zu überführen. Das ist natürlich eine Riesenanstrengung, aber wenn wir sie nicht auf uns nehmen, ist der Weg vorgezeichnet. Aktuell kann nur jemand kaufen, der entsprechend Vermögen hat, um einzusteigen. Das sind üblicherweise nicht mehr die Nachbarn und Junglandwirte, das sind Leute und Gesellschaften, die Kapital angesammelt haben.
Von welchem Ist-Zustand gehen Sie aus?
Es gibt die Studie des Thünen-Instituts mit zwei Landkreisen aus jedem Bundesland. Ab 2020 haben wir neue statistische Erfassungen des Bundes, die transparent machen sollen, welche Betriebe nicht mehr selbstständig, sondern in eine Holding eingegliedert sind, und die Eigentumsverhältnisse sichtbarer werden als bisher.
Die Auftaktveranstaltung zur Diskussion des agrarstrukturellen Leitbildes musste coronabedingt ausfallen. Wie läuft die Onlineumfrage?
Der Bauernbund hat sofort geschrieben. Andere sind dabei. Wir haben ja eingeladen, anhand eines konkreten Fragenkatalogs deutlich zu machen, in welche Richtung es gehen soll. Zum Beispiel: Welche Rolle spielen Nebenerwerbslandwirte? Sollen die genauso betrachtet werden wie hauptberufliche? Eine sehr interessante Frage: Wird aus dem Haupterwerbslandwirt ein Nebenerwerbslandwirt bis er endgültig aussteigt oder geht es in Brandenburg eher umgekehrt, welche Bedingungen braucht das? Sollen Nebenerwerbslandwirte genauso behandelt werden wie Vollerwerbslandwirte, wenn es darum geht, freiwerdende Flächen zu verteilen? Darüber muss man sich eben austauschen. Wir gehen davon aus, dass wir bis 15. Juni so weit sind, dass wir eine Diskussionsgrundlage haben.
Die nächste Hürde ist dann die Rechtssicherheit …
Wir lassen das Ganze juristisch begleiten, sodass wir die reale Hoffnung haben, am Ende ein rechtssicheres Gesetz zu bekommen. Das ist nicht unerheblich: Es wird mit Sicherheit irgendjemanden geben, der sich benachteiligt fühlt und klagt. Es soll im Gesetz ja auch Obergrenzen für Pacht- und Verkaufspreise geben. Und jemand, der das Gefühl hat, er könne das Dreifache erwirtschaften, wird sich auf die Füße getreten fühlen, wenn der Staat sagt: Nein, beim 1,4-Fachen des ortsüblichen Vergleichswertes ist Schluss. Ein Gesetz, das keine spürbaren Auswirkungen hat, ist überflüssig. Aber wenn es uns gelingt, zumindest preisregulierend einzugreifen, haben wir schon unglaublich was gekonnt.
Ist die Agrarstruktur die größte Herausforderung für Landwirte?
Noch größer ist vermutlich der Klimawandel. Dass sich Brandenburg Jahr für Jahr für Jahr am Rande des Steppenklimas bewegt, der Boden nur noch zehn, zwanzig Zentimeter durchfeuchtet ist, warme Winde schon Mitte April die gesamte Feuchte aus dem Boden wegblasen und nichts nachkommt, das ist für die Bauern verheerend. Und wir werden eben auch auf Dauer nicht Jahr für Jahr für Jahr Dürrehilfen zahlen können, sondern wir brauchen letztlich eine Landwirtschaft, die daran angepasst ist. Wir werden Landwirte mehr dabei beraten und unterstützen, sich an den Klimawandel anzupassen.
Mancher fühlt sich zusätzlich durch Düngeverordnung und rote Gebiete herausgefordert.
Brandenburg hat in der Frage der differenzierten Betrachtung von Grundwasserkörpern eine bundesweite Vorreiterrolle eingenommen. Wir haben nicht nur 30, 50 oder 70 Grundwassermessstellen, sondern über 1.150, und wir haben ein 25-Quadratkilometer-Raster, also doppelt so engmaschig wie „Land schafft Verbindung“ es forderte. Daher haben wir rote Gebiete nur auf 2,3 Prozent der Fläche –, das natürlich auch, weil wir kaum hohe Tierbestände im Land haben. Aber wir haben vorbelastete Standorte, sind daher weiter gegangen und haben analysiert: Was sind die Ursachen? Wenn die schlechten Werte einer Messstelle erkennbar nichts zu tun haben mit der aktuellen Nutzung, dann müssen wir dafür sorgen, dass das für den betroffenen Landwirt betriebswirtschaftlich darstellbar ist. Dafür wird hoffentlich die „Bauernmilliarde“ vom Bund auch zur Verfügung stehen. Und auch wenn jetzt auf Bundesebene aufgrund der EU-Regeln die Zügel schärfer gezogen werden, werden wir in Brandenburg trotzdem nie in eine Situation wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen kommen – auch nicht beim Phosphat.
Trotzdem wurde ein Normenkontrollverfahren angestrengt. Halten Sie das für überzogen?
Wir sind ein Rechtsstaat, jede Verwaltungsentscheidung ist gerichtlich überprüfbar, und das ist völlig okay. In einem Fall geht es etwas schneller durch ein Verwaltungsgerichtsurteil, im anderen dauert es Jahre, bis man am Ende der Instanzen ist. Bis zum 31. Dezember 2020 sollen ja nun die belasteten Gebiete neu ausgewiesen werden. Dass die Klage dann noch in der Substanz bedeutsam ist, kann ich mir nicht vorstellen.
Oft ist in letzter Zeit von dialogischem Ansatz die Rede. Aber was nutzt öffentliche Beteiligung, wenn davon am Ende so wenig ankommt, dass sich die, die sich eingebracht haben, vor den Kopf gestoßen fühlen, wie bei der Biberverordnung?
Der Landesbauernverband hatte im August auf Basis der alten Biberverordnung Vorschläge gemacht, andere Verbände auch. Am 19. März war dann in einer Pressemitteilung des Landesbauernverbands von Untätigkeit des Ministers die Rede, am dringlichsten war die Forderung: Der Lebendfang muss raus. Er ist raus! Allerdings spielte auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs eine Rolle. Vor Inkrafttreten sollte die Verordnung mit den Verbänden diskutiert werden, Corona kam dazwischen.
Wir haben im Nachhinein Telefonkonferenzen durchgeführt, um die Gründe zu erläutern. Der dialogische Ansatz, dass man versucht, Umwelt- und Landnutzerverbände, Ministerium und Verwaltung an einen Tisch zu bringen, ist richtig. Auf diese Weise konnten wir uns beispielsweise über gemeinsame Hypothesen für den zukünftigen Umgang mit dem Wolf verständigen. Auch wenn es öffentlich manchmal nicht so wirkt: Wir haben durchaus kompromissorientierte Verbände, und wenn wir das richtig gut machen, kommen wir auch zu guten Ergebnissen.
Bei der Wasserrahmenrichtlinie lief es nicht so gut …
Das ist ein wichtiges Beispiel: Kooperation und Dialog heißt ja nicht, dass sich jeder durchsetzt. Es gibt immer unterschiedliche und auch gegenläufige Interessen. Bei der Frage der Beitragsbemessungssätze ist es so, dass aus Sicht der Waldbesitzer Entwässerungsmaßnahmen sogar kontraproduktiv sind. Nächste Idee: Dann sollen die Siedlungen mit den relativ kleinen Flächen mehr bezahlen. Und dann kommen im weiteren Prozess plötzlich andere Interessen: das Wirtschaftsministerium sagt, Betriebe würden völlig überfordert, Gemeinden sagen, sie müssten für das Umlegen zusätzlich Personal einstellen usw. Bei den Gebühren für die Gewässerunterhaltungsverbände ist das nicht eine Angelegenheit dieses Ministeriums allein, auch wenn ich am Ende unterschreibe, sondern eine Angelegenheit des Kabinetts, da hat die gesamte Landesregierung mit dran gesessen..
Auf welche Maßnahme seit Beginn Ihrer Amtszeit hätten Sie größere Resonanz erwartet?
Ich hatte einen guten Start. Jeder Landwirtschaftsminister in Brandenburg, wenn er im November gewählt wird, hat das Glück, im Januar auf die Grüne Woche gehen zu dürfen: ein ganz großes kommunikatives Treffen. Wenn ich die Grüne Woche nicht hätte, müsste ich dafür hundert Einzeltermine vereinbaren und im ganzen Land rumfahren. So hatte ich alles wie in einem Brennglas innerhalb von zehn Tagen. Es konnten Kontakte geknüpft werden, die mir jetzt, in Corona-Zeiten, die Arbeit erleichtern.
Einmal pro Woche mache ich eine Telefonkonferenz mit den Landwirtschaftsverbänden bis hin zu „Land schafft Verbindung“, um die coronabedingten Auswirkungen zu diskutieren und zu klären, was könnten wir machen: Wir haben uns eingesetzt für die ausländischen Saisonarbeitskräfte, haben erreicht, dass die Selbstpflücke möglich ist, Hofläden geöffnet sind, Pendlerunterstützung, Soforthilfe für Betriebe bis zu hundert Arbeitnehmern – und dass sich die Landwirte nicht anstellen müssen hinter den 40.000, die bei der ILB ihre Anträge gestellt haben, sondern ihr Geld über das LELF bekommen – 231 Anträge sind es bisher (Stand 20. April). Wir sind da also im intensiven Austausch, und das ist auch dadurch möglich, dass es die Grüne Woche gegeben hat, und daher gibt es für mich überhaupt nichts zu bejammern. Aber Corona stand nicht in der Koalitionsvereinbarung und wirkt sich nun auf die gesamte Planung aus.
In der ILB liegen derzeit 80 unbearbeitete Anträge mit einem Volumen von über drei Millionen Euro. Was können Sie tun?
Die Schwierigkeit ist, dass fast alle ILB-Mitarbeiter plus Neueinstellungen mit der Corona-Soforthilfe befasst sind, und vor diesem Hintergrund anderes liegen bleibt. Gerät ein Betrieb in ernste Schwierigkeiten, weil er Fördermittel nicht bekommt, die schon in Aussicht gestellt wurden, kann ich versuchen, einzelfallbezogen zu helfen.
Wie sieht für Sie die ideale Landwirtschaft aus?
Genau so, wie Landwirte mir das immer als ihr Lieblingsziel schildern: Dass sie nicht abhängig sind von öffentlichen Mitteln, sondern tatsächlich von ihrer Hände Arbeit leben können. Dass sie für ihre Produkte faire Preise erzielen, die es ihnen ermöglichen, ein Familieneinkommen zu erwirtschaften und ordentliche Gehälter zu bezahlen und wo zum Dorf ein oder mehr Landwirtschaftsbetriebe gehören – egal ob selbstständiger Familienbetrieb oder eine Genossenschaft – die in ihrem Dorf verwurzelt sind und untereinander in einem produktiven Austausch stehen.
Zumindest ein kleines Stück Normalität in der Coronakrise: In Thüringen ist der Lehrbetrieb an der Fachschule Stadtroda und der überbetrieblichen Ausbildungsstätte Schwerstedt wieder aufgenommen worden – und schon bald stehen Prüfungen an.
Gut sechs Wochen stand wegen Corona alles still. Zu Beginn dieser Woche konnten nun an der Fachschule für Agrarwirtschaft in Stadtroda die Prüfungsvorbereitungen für die Fachschulklassen aufgenommen werden. Ab kommender Woche geht es auch für die Meisterklassen wieder los, teilte das Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR) mit.
In der Überbetrieblichen Ausbildungsstätte Schwerstedt (ÜAS) begann das Lehrgangsprogramm für die Lehrlinge des dritten Ausbildungsjahres. Zunächst betrifft dies die abschlussrelevanten Kurse. Die theoretische Prüfung für das Facharbeiterzeugnis wird in diesem Jahr nicht zentral, sondern Ende Juni an sieben Standorten durchgeführt.
Gegenüber der Bauernzeitung sprach TLLLR-Präsident Peter Ritschel seine Hoffnung aus, dass sich die ehrenamtlichen Prüfer für die praktischen Facharbeiterprüfungen, die ja in aller Regel aus der Praxis kommen, trotz Corona zur Verfügung stellen. „Bildung hat für uns ganz klar Priorität. Wir arbeiten darauf hin, dass jeder termingerecht seine Prüfung ablegen kann. Keiner soll wegen Corona ohne Abschluss dastehen.“
Die Staatliche Berufsbildende Schule in Schwerstedt nimmt ab kommender Woche für die fünf Klassen des 3. Lehrjahres wieder den Unterricht auf. Die Lerninhalte konzentrieren sich auf die anstehenden Prüfungen. Im Internat wird die Einzelbelegung der Zimmer organsiert. Die Unterrichtspläne finden sich auf der Homepage.
Unterdessen gab die Fachschule Stadtroda den Startschuss für Bewerbungen für die Weiterbildung zum „Staatlich geprüfte/r Agrarbetriebswirt/in – Fachrichtung Landwirtschaft“. Die Zweijährige Fachschule in Ganzjahresform beginnt am 31. August. Die von den meisten Fachschülern favorisierte Winterschulform (vier Halbjahre jeweils von Oktober bis März) geht am 12. Oktober los.
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Aufgrund der Coronakrise finden für Interessierte an der Fachschulausbildung in diesem Jahr keine Infotage statt. Über die Anforderungen, Inhalte und Organisation informieren die Fachschullehrer jedoch am Telefon oder per E-Mail. Hinweise und Kontaktdaten finden sich auf der Webseite, über ihren Alltag berichten die Fachschüler fortlaufend bei Facebook. FH
Interview mit Oehnaland Agrargesellschaft: Wenn das Wasser fehltTrotz der Trockenheit läuft überall die Frühjahrsbestellung. Auch auf den Flächen der Oehnaland Agrargesellschaft steht kein Rad still. Die Kreisregner mussten auf leichten Standorten bereits aktiviert werden. Besondere Zeiten, nicht nur wegen Corona.
Die Fragen stellten Sabine Rübensaat und Erik Pilgermann
Wie geht es Ihnen in diesen Coronazeiten?
Uns geht es den Umständen entsprechend gut. Hier im Betrieb gibt es keine Einschränkungen. Die Krise ist natürlich allgegenwärtig, in den Nachrichten, Zeitungen, um uns herum. Aber wir arbeiten weiter, die Produktion läuft wie geplant.
… und die Mitarbeiter?
Alle Mitarbeiter geben ihr Bestes, die vorgeschriebenen Verhaltensregeln einzuhalten. Wir fordern dazu auf, Abstand zueinander zu halten, regelmäßig Hände zu waschen, und haben dafür auch die Voraussetzungen. Wasser, Seife und Einweghandtücher sind überall vorhanden. Bisher hat es noch keinen Mitarbeiter erwischt, alle stehen zur Verfügung und sind bei der Frühjahrsbestellung. Darüber sind wir sehr froh. Auch in der Werkstatt läuft alles wie geplant.
Unsere Top-Themen
• Familienhof Repente
• Sortenversuche Sommerhafer
• Vergleich Futtermischwagen
• Märkte und Preise
Das Wichtigste ist aber die Versorgung der Tiere, und die ist sichergestellt. In der Milchviehanlage arbeiten die Kollegen in zwei Schichten. Der Schichtwechsel findet ohne direkten Kontakt statt. Einige Mitarbeiter bleiben mit Minusstunden vorsorglich zu Hause. Falls der schlimmste Fall eintreten sollte, könnten sie dann einspringen. Unser IT-Dienstleister hat auch vier Homeoffice-Arbeitsplätze eingerichtet, sodass im Ernstfall auch die Buchhaltung und Verwaltung gewährleistet blieben. Die Kinderbetreuung ist gesichert.
Wie haben Sie das organisiert?
Wir haben zwei junge Kolleginnen im Leitungs- und Verwaltungsbereich, die Kinder im Kitaalter haben. Diese beiden arbeiten jetzt im Homeoffice, um so nicht nur die Arbeit, sondern auch die Kinderbetreuung zu gewährleisten. Im Produktionsbereich haben wir zwei junge Väter. Hier sind aber gerade die Mütter der Kinder im Babyjahr und können sich so um die Kinder kümmern.
Wie laufen die Frühjahrsarbeiten?
Auch wir sind jetzt in der Hochphase der Frühjahrsbestellung. Auf Hochtouren läuft das Pflanzen der Kartoffeln. Das ist ein Schwerpunkt bei uns. Wir bauen über 600 Hektar Kartoffeln an, etwa zwei Drittel davon sind schon gepflanzt. Nächste Woche wollen wir fertig werden. Vor acht Tagen haben wir mit dem Maislegen angefangen. Das ist bei uns immer mit einem erheblichen Flächen und Arbeitsumfang verbunden. Unsere Rinder brauchen die Maissilage, und die Biogasanlage will auch gefüttert werden.
Beim Maislegen nutzen wir schon seit ein paar Jahren Applikationskarten für die Dosierung des Saatgutes je nach Ertragsfähigkeit der Flächen. Basis für die Applikationskarten sind mehrjährige Ertragskarten und Daten zur Wasserführung der Schläge. So ernten wir nicht nur, was die Flächen hergeben, sondern bestellen auch entsprechend. Wir erstellen die Applikationskarten im Büro und laden sie dann auf die Terminals der Maisleger. Wir haben vor ein paar Jahren unsere Legemaschine mit der nötigen Technik aufgerüstet, und seitdem funktioniert das System verlässlich.
Wie trifft Sie die verschärfte Düngeverordung?
Rote Gebiete liegen zum Glück nicht in unseren Flächen. Aber wir müssen immer wieder rechnen, wie viel Stickstoff und wie viel Phosphor wir ausbringen dürfen. Die Novelle der Düngeverordnung ist ja im Bundesrat beschlossen worden.
Zum Teil greift sie erst 2021, zum Teil aber eben schon jetzt. Zu bestimmten Herbstfrüchten, Zwischenfrüchten ist dann keine organische Düngung mehr möglich. Das ist für uns nicht nachvollziehbar. Wir fühlen uns alle über einen Kamm geschoren, denn auf unseren leichten Standorten mit 0,5 Großvieheinheiten pro Hektar wäre die Ausbringung organischer Substanz im Herbst zu Feld- und Zwischenfrüchten eine nachhaltige Ausnutzung der Nährstoffe. Dennoch müssen wir ein zusätzliches und teures Lager finanzieren.
Info zum Betrieb
Die Oehnaland Agrargesellschaft mbH befindet sich circa
70 km südlich von Berlin im Landkreis Teltow-Fläming. Der
Betrieb bewirtschafte circa 4.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, hält Milchrinder, Sauen und Mastschweine. Die durchschnittliche Jahresniederschlagsmenge beträgt etwa 500 mm. Die vorherrschende Bodenart auf den Nutzflächen ist schwach lehmiger Sand. Angebaut werden Getreide, Körner- und Silomais, Luzerne, Feldgras, Erbsen und Kartoffeln. Auch die Technik und Instandhaltung sind im Unternehmen integriert. Als Tochterunternehmen werden eine KfZ-Werkstatt, eine Biogasanlage und eine Kompostieranlage betrieben.
Das Interview in voller Länge mit mehr Infos zur Beregnung und der darauf angepassten Fruchtfolge im ePaper der Bauernzeitung Ausgabe 18/2020.
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Der Bundesrat hat Ende März die Novelle der Düngeverordnung beschlossen. Heute wurde sie im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Damit treten die neuen Düngeregeln ab 1. Mai in Kraft.
Der Bundesrat hat am 27. März dem Verordnungsentwurf zur weiteren Verschärfung der Düngeverordnung zugestimmt. Heute (30. April) wurde die Verschärfung der Düngeverordnung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Damit tritt sie zum 1. Mai in Kraft.
Auch wenn man die EU-Kommission vom Aufschub bei der Neuausweisung der roten Gebieten und den damit u.a. verbundenen Düngeabschlag von 20 % überzeugen konnte – diese werden erst ab 1. Januar 2021 gültig – sind bereits ab morgen Änderungen für die Praxis verpflichtend. Zu den sofort geltenden Anforderungen an die Landwirtschaft zählt z. B. die Aufzeichnungspflicht zu Düngemaßnahmen binnen zwei Tagen nach deren Durchführung. Da die Frühjahrsdüngung jetzt bereits abgeschlossen ist, kommt dies als erstes bei der Qualitätsgabe zum tragen. Außerdem gelten von nun an schärfere Regelungen zur Düngung von Flächen mit Hangneigungen von ≥ 5 %.
Wesentliche Änderungen betreffen beispielsweise die Düngebedarfsermittlung einer Kultur. Bei der Herbstdüngung gilt mit Inkrafttreten der neuen Düngeverordnung erstmals das tatsächliche Ertragsmittel der letzten fünf Jahre als Basis. Bei der Planung der Frühjahrsdüngung 2021 muss mit der Novelle erstmals die Herbstdüngung von Raps und Wintergerste angerechnet werden.
Auf Grünland und im Futterbau sind nach der verschärften Düngeverordnung vom 1. September bis 1. November nur noch maximal 80 kg gesamt-N/ha aus Wirtschaftsdüngern zulässig. Zudem sind Sperrfristen für Festmist von Huf- und Klauentieren sowie für phosphorhaltige Düngemittel vom 1. Dezember bis zum 15. Januar vorgeschrieben.
Bei der Umsetzung der neuen Dünge-Regelungen gebe es für Landwirte finanzielle Unterstützung vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, wie das Ministerium mitteilt. Schwerpunkt werde dabei die Förderung von Investitionen in Lagerung, Ausbringungstechnik und Aufbereitung von Gülle im Rahmen eines neuen Bundesprogramms sein. red
Wir informieren künftig fortlaufend über die aktuellen Anforderungen der verschärften Düngeverordnung und deren Umsetzung in der Praxis.
In der Oberlausitz werden Zuckerrüben auch nach der Schließung des Südzucker-Werkes an der Elbe angebaut. Mit dem tschechischen Unternehmen TTD konnte ein neuer Verarbeiter gewonnen werden.
Seine letzten Zuckerrüben für Südzucker hat Ralf Hentzschel im vergangenen Jahr nach Brottewitz geliefert. Die Zuckerfabrik in Südbrandenburg ist vom Konzern inzwischen geschlossen worden – doch am Zuckerrübenanbau hält der Landwirt aus Panschwitz-Kuckau in der Nähe von Bautzen fest. Dieser Tage hat der ehemalige Vorsitzende des Verbandes Sächsisch-Thüringischer Zuckerrübenanbauer im gleichen Umfang wie im Jahr zuvor Rüben gedrillt.
Zuvor erledigte sein Betrieb dies bereits als Dienstleistung für eine ganze Reihe anderer Anbauer in der Oberlausitz. „Wir freuen uns, dass es auch nach Südzucker für uns mit dem Zuckerrübenanbau weitergeht“, fasst er zusammen, was viele Rübenanbauer in Ostsachsen empfinden. Denn nach der Hiobsbotschaft von der Schließung der Fabrik Brottewitz im vergangenen Jahr habe sich eine Chance ergeben, die man kurzerhand ergriffen hat: In diesem Jahr wachsen die Lausitzer Rüben für das tschechische Zuckerunternehmen TTD im mittelböhmischen Dobrovice.
Dass die Oberlausitzer jetzt für Dobrovice Rüben erzeugen, hat vor allem mit Jan Würsig zu tun. Der Lohnunternehmer hat jahrelang für Südzucker Zuckerrüben transportiert; sein Unternehmen, die Agroservice GmbH Niedercunnersdorf, war die östlichste Ladegruppe für die Zuckerfabrik Brottewitz. Über sein tschechisches Tochterunternehmen gab es indes bereits Kontakte zum Unternehmen TTD, das mehrheitlich dem französischen Zuckerkonzern Tereos sowie der Braunschweiger Nordzucker AG gehört.
Schon 2018 und 2019 hatte in der Oberlausitz ein Landwirtschaftsbetrieb für Dobrovice Rüben angebaut. Als dann die Schließung von Brottewitz feststand, aktivierte Würsig den Kontakt. „TDD hat mich gebeten, Betriebe in Deutschland anzusprechen und für den Rübenanbau für Dobrovice zu gewinnen“, so der Agrardienstleistungsunternehmer. Bis maximal 150 km Entfernung konnte er für einen bestimmten Flächenumfang ostsächsische Rübenanbauer werben.
Video: Die letzten Rüben von Brottewitz
Von diesem Angebot ließen sich etliche Landwirte überzeugen, denen mit Brottewitz der Abnehmer weggebrochen war. Etwa 75 % der Rübenerzeugung, die er zuvor für Südzucker betreute, sei erhalten geblieben, so Würsig. Auf rund 1.300 ha wachsen nun in der Oberlausitz Rüben für Dobrovice. „Die komplette Kampagne – laden, reinigen, transportieren – organisieren wir über unser tschechisches Unternehmen“, erklärt er. Das Saatgut, das seinerzeit von Südzucker bereitgestellt wurde, beziehen die Betriebe nun über sein Unternehmen oder aber direkt beim Hersteller.
Die Verträge über die Rübenlieferung sind zwischen den Landwirten und TTD geschlossen worden. Das Abrechnungssystem ist ein anderes als bei Südzucker. Vertragsrüben werden mit dem gleichen Betrag bezahlt wie Rüben, die über die vereinbarte Menge hinausgehen. 700 tschechische Kronen gibt es pro Tonne, das sind etwas weniger als 26 Euro/t. Hinzu kommen diverse Zuschläge oder auch Abzüge.
Unter anderem gibt es einen Bonus für Rüben, die weniger als 12,5 % Erdbesatz aufweisen – die in die Zuckerfabrik Brottewitz angelieferten Rüben wiesen im vergangenen Jahr nur Besatz von unter drei Prozent aus. An den Frachtkosten werden die Anbauer zu zehn Prozent beteiligt. Jeder Lieferant hat einen Pressschnitzelanspruch von 20 % der von ihm gelieferten Rübenmenge. Der Anspruch wird allerdings ausgezahlt, die Menge kann jedoch zurückgekauft werden.
Regional und praxisnah: Die Bauernzeitung versorgt Sie regelmäßig mit allen wichtigen Informationen rund um die Landwirtschaft und das Landleben in Sachsen. mehr
Anders als seinerzeit bei Südzucker wird die Zusammenarbeit der Anbauer mit dem Zuckerrübenverarbeiter nicht über den Verband organisiert. Stattdessen koordiniert Jan Würsigs tschechisches Unternehmen gegen eine liefermengenabhängige Pauschale die deutschen Landwirte, die TTD beliefern. Ihm sei wichtig, dass die Zuckerrübe weiterhin in der Oberlausitz angebaut werde, sagt der Unternehmer. Als Marktfrucht und Fruchtfolgeglied habe die Rübe enormen Wert.
So sieht das auch Ralf Hentzschel. Er ist daher froh über das Angebot aus dem Nachbarland. Unter den aktuellen Marktvoraussetzungen könne man mit den Bedingungen, die TTD den ostsächsischen Rübenerzeugern biete, sehr zufrieden sein. Zwar seien einige ostsächsische Betriebe aus der Rübenerzeugung ausgestiegen. Doch gebe es auch Neueinsteiger, etwa im Raum Zittau, der zu Südzucker-Zeiten durch seine Entfernung zur Brottewitzer Fabrik benachteiligt war.
Die Erfahrungen, die man bis jetzt machen konnte, seien gut, so Hentzschel. „Ich habe das Gefühl, man ist in Dobrovice stark an unseren Rüben interessiert“, meint der Landwirt. Seine Zuversicht spiegelt sich auch in handfesten Entscheidungen wider. Sein Betrieb investiert und schafft sich einen neuen Rübenroder an, der im Herbst erstmals zum Einsatz kommen soll.