FRANZ-Projekt im Havelland: Großer Bahnhof der Politik

Das FRANZ-Projekt im Havelland bringt nachhaltige Methoden für Agrarwirtschaft und Naturschutz zusammen. Auch Umweltministerin Steffi Lemke und Agrarminister Cem Özdemir (beide Grüne) interessieren sich dafür. Ein Besuch in der Praxis.

Von Heike Mildner

Wenn sich just an dem Tag, an dem die Agrardieselentscheidung gefallen ist, Agrarminister, Umweltministerin und DBV-Präsident treffen, kommt man um dieses Thema nicht herum, auch wenn es hier eigentlich um ein ganz anderes gehen soll. Die Enttäuschung sei groß, sagt Joachim Rukwied. Es sei ein guter Tag für Deutschland, die Interessen des Landes hätten gegenüber Parteiinteressen gesiegt, sagt Cem Özdemir (Grüne), Versäumnisse der letzten Jahrzehnte könne man nicht in kurzer Zeit aufholen.

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FRANZ Projekt im Havelland: Steffi Lemke und Cem Özdemir in Ribbeck

Das F.R.A.N.Z.-Projekt (Für Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft) läuft seit sieben Jahren. Einer der zehn Betriebe, die in diesem Rahmen Biodiversitätsmaßnahmen erproben, ist der Havellandhof von Peter Kaim in Ribbeck. Für Freitagnachmittag hatten die beiden projektleitenden Institutionen, die Umweltstiftung Michael Otto (UMO) und der Deutsche Bauernverband, die Schirmherrschaften für das Projekt, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Steffi Lemke (Die Grünen) und Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir für zwei informative Stunden nach Ribbeck eingeladen. Dazu gesellten sich Projektpartner, Verbandsspitzen, Regionalpolitiker und jede Menge Medienvertreter.

Video: FRANZ Projekt im Havelland – Peter Kaim über Verlässlichkeit der Politik

Betrieb im Havelland: Forderungen an Bundesminister

Für Landwirt Peter Kaim war es eine der seltenen Gelegenheiten, gleich zwei landwirtschaftsrelevante Bundesminister in einem Heimspiel zu empfangen. Bei der Vorstellung seines Betriebes, machte er deutlich, was er als Praktiker vor allem von der Politik erwarte: Verlässlichkeit. Er forderte die beiden Bundesspitzen auf, sich beim Wirtschaftsminister dafür stark zu machen, mit aufgerüsteten Biogasanlagen Gaskraftwerke einzusparen. Er sei mit seiner Kreislaufwirtschaft Land- und Energiewirt. „Ich heize Schloss Ribbeck, speise das Fernwärmenetz“, sagt Kaim. Momentan würde von der Politik signalisiert, dass nach Auslaufen des EEG die Wirtschaftlichkeit seines Betriebes gefährdet sei. Das mache ihn ratlos.

Video: FRANZ Projekt im Havelland – Peter Kaim zum EEG

2,5 Millionen Euro Kredit für einen Kuhstall

Auch könne er seinem 28-jährigen Sohn, der Landwirtschaft studiert hat, momentan nicht empfehlen, in einen neuen Kuhstall zu investieren. Er müsste 2,5  Mio. Euro Kredit aufnehmen und wäre dann 30 Jahre Sklave seiner eigenen Investition. Verlässlichkeit vermisst Kaim auch vonseiten der Brandenburger Landespolitik. „Wenn ich hier im Land Brandenburg vor fünf Jahren einen Vertrag zum Kulturlandschaftsprogramm unterzeichne und mich mit zehn Prozent meiner Fläche ins Ackerrandstreifenprogramm einbringe, auf Düngung und Pflanzenschutz verzichte und bekomme nach drei Jahren statt der vereinbarten 700 Euro pro Hektar nur noch 390 Euro je Hektar, zweifele ich an der Glaubwürdigkeit der Politik“, so Kaim. Auf 24.000 Euro habe er am Ende verzichten müssen.

Video: FRANZ Projekt im Havelland – Peter Kaim zur Tierhaltung

900 Euro je Hektar

Nach Kaims Erfahrung mit dem F.R.A.N.Z.-Projekt, sagt er zur Finanzierung, es brauche ein Budget von 900 Euro pro Hektar, um eine Fläche aus der Produktion zu nehmen. „Dann können wir die Ökologie und die Ökonomie auch zusammenbringen.“

Politiker und Medien beim FRANZ-Projekt im Havelland

Mit zwei Bussen zieht der Politik-Medien-Tross nach dem Hofrundgang auf Kaims Acker. Am Insektenwall erläutert der Naturschutzberater des Hofes für das F.R.A.N.Z.-Projekt, Holger Pfeffer, die Maßnahmen, die besonders erfolgreich waren. Und er bestätigt Kaims Ansicht: Der Insektenwall gehöre zu den erfolgreichen Maßnahmen, vor allem in Kombination mit den benachbarten Flächen: kurzrasig geschlegelt hier, auf der anderen Seite mit hoher Vegetation für die Kleinsäuger. Weiter hinten gehe der Streifen in Brache über, die zwei Ackersölle verbindet – toll für Amphibien.

Insektenwall mit Holger Pfeffer
Vom Insektenwall herunter erläutert Holger Pfeffer (2. v. l.) die wirksamsten Maßnahmen. (c) Heike Mildner

Kleine, wirksame Fläche im Havelland

Insgesamt nur ein Hektar, aber mit großer Wirkung, sagt Pfeffer und gibt einen Tipp für die Agrarförderung: niemals einheitlich, niemals nur auf große Brachen setzen. Je besser der Naturschutz auf der Fläche, desto weniger Fläche müsse der Landwirt zur Verfügung stellen. Die richtigen Maßnahmen an der richtigen Stelle, richtig bewirtschaftet, das ist Pfeffers Rezept. Und Peter Kaim habe die Eigenständigkeit, die man sich als Naturschutzberater wünsche. Die Minister hören zu, fragen nach.

Steffi Lemke sagt, um wie hier Landwirtschaft und Naturschutz näher zusammenzubringen, müsse aus der Landwirtschaft selbst mehr Initiative kommen. Für Cem Özdemir ist der Havellandhof ein gutes Beispiel, dass man auch als konventioneller Betrieb eine Menge für Artenvielfalt und Biodiversität tun kann. Es wäre wünschenswert, wenn das der Normalfall würde.

Video: Holger Pfeffer über Beetle Banks

FRANZ-Projekt: Frage nach der Finanzierung

Bleibt die noch Frage, wer das denn bezahlt, wenn die allseits gelobten Ideen in die Breite getragen ­werden sollen. Für das F.R.A.N.Z.-Projekt hat sich die Umweltstiftung Michael Otto ins Zeug gelegt. Vorständin Claudia Bühler sagt, Ziel der Stiftung sei es, wirksame Naturschutzmaßnahmen in Einklang mit wirtschaftlichen Interessen zu bringen. „Wir sind immer in Kooperation unterwegs und arbeiten konsequent dialog­orientiert.“ Jetzt sei es an der Zeit, „mit all dem Wissen, was wir gewonnen haben, ins Handeln zu kommen. Jetzt müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, damit die Erkenntnisse in die Breite übertragen werden – da ist die Politik gefragt.“

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Eine Überlegung wert: Den Grünlandertrag mit der Gülleausbringung anheizen oder langfristig Kennarten ansiedeln? © Sabine Rübensaat

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Aus für Agrardiesel im Bundesrat: Reaktionen aus Ostdeutschland

Trotz der massiven Proteste der Bauern hat der Bundesrat am Freitag, 22.3., für die Abschaffung der Agrardiesel-Subventionen gestimmt. Dabei hatte es auch am Freitag vor dem Gebäude des Bundesrates noch Demonstrationen gegeben. So reagieren Landwirte, Bauernverband und LsV in Ostdeutschland.

Von Claudia Duda

Bis zuletzt hatten Landwirtinnen und Landwirte in Ganz Deutschland gehofft, dass der Bundesrat die Abschaffung der Agrardiesel-Beihilfe noch stoppt. Doch ungeachtet der monatelangen Bauernproteste hatte der Bundesrat am Freitag grünes Licht für den Abbau von Subventionen beim Agrardiesel gegeben. Die Mehrheit der Länder war gegen die Überweisung des entsprechenden Gesetzes in den Vermittlungsausschuss. Parallel dazu hat die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket zur Unterstützung der Landwirtschaft angekündigt.

Agrardiesel: Keine Chance für Plenaranträge

Zwei Plenaranträge zum Agrardiesel hatten in der Bundesratssitzung keine Chance. Nur wenige Stimmen erhielt ein bayerischer Antrag. Er hatte zum Ziel, zum Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetz den Vermittlungsausschuss anzurufen, um das Gesetz grundlegend zu überarbeiten und dabei den Abbau der Agrardieselbeihilfe rückgängig zu machen. Unter anderem Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hatten dafür gestimmt. Auch ein von Brandenburg eingebrachter Entschließungsantrag fand nicht die erforderliche Mehrheit. Um eine langfristig tragfähige Lösung zu erreichen, sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, die Kürzungen bei der Agrardieselerstattung zurückzunehmen.

Ostdeutschland: Bekenntnis zum Agrarstandort Brandenburg

Als klares Bekenntnis zum Agrarstandort Brandenburg hat der Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg, Henrik Wendorff, das Abstimmungsverhalten seiner Landesregierung begrüßt. Die Zustimmung des Bundesrates zum Wachstumschancengesetz und zum Haushaltsfinanzierungsgesetz wurde aus den Reihen der Landesbauernverbände insgesamt scharf kritisiert.

Video: Henrik Wendorff zum Agrardiesel im Bundesrat

Hendrik Wendorff, Präsident des Bauernverbandes Brandenburg (c) Heike Mildner

Ostdeutschland: Enttäuschung beim Thüringer Bauernverband

Der Thüringer Bauernverband (TBV) zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung des Bundesrates. Der TBV schätze den Rückhalt der Bundesländer, die ihre Zustimmung zum Haushaltsfinanzierungsgesetz zunächst verweigerten und so über den Bundesrat versucht haben, die Bundesregierung zur Vernunft zu bringen, hieß es in einer Mitteilung. „Diese Bundesregierung zeigt mit ihrem Beharren auf der Entscheidung, die Kürzungen zum Agrardiesel nicht vollständig zurückzunehmen, dass sie nach wie vor nicht wahrgenommen hat, wie groß die Probleme und Herausforderungen der deutschen Landwirtschaft sind“, erklärteDr. Klaus Wagner, TBV-Präsident.  

Protokollerklärung zur Sitzung des Bundesrates

In einer Protokollerklärung zur Bundesratssitzung wurden zehn Punkte genannt, die „zügig umgesetzt“ werden sollen. Dabei geht es unter anderem um den Abbau unnötiger Auflagen und Bürokratie. Darüber hinaus soll die so genannte Tarifglättung für einen Zeitraum von sechs Jahren wieder eingeführt werden. Das bedeutet, dass nicht mehr nur ein Veranlagungsjahr herangezogen wird, um die Einkommensteuer zu berechnen, sondern mehrere. Auf diese Weise könnten Einnahmeausfälle, die zum Beispiel durch extreme Witterungsverhältnisse verursacht werden, ausgeglichen werden.

Thüringen: Wenig Substanz für Entlastungen

Die angekündigte Entfristung der Gewinnglättung gehe an der Thüringer Agrarstruktur vorbei, erklärte dazu der TBV. Sie könne von Agrargenossenschaften und anderen juristischen Personen nicht genutzt werden. Hier bleie es bei der Forderung nach der Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage, um Ergebnisschwankungen aufgrund von Witterungs- und Marktrisiken im Landwirtschaftsbetrieb abpuffern zu können. Die anderen, in der Protokollerklärung der Ampel aufgeführten Punkte, gingen über Absichtserklärungen nicht hinaus und enthielten bisher wenig Substanz für konkrete Entlastungen. „Hier werden wir die Bundesregierung beim Wort nehmen und bis zur Sommerpause konkrete Umsetzungen einfordern“, so Wagner weiter.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) erklärte: „Wichtig ist jetzt, einen gemeinsamen Weg zu finden, der den Herausforderungen für die Unternehmen im ländlichen Raum gerecht wird. Da hilft uns ein weiterer Vermittlungsausschuss letztlich auch nicht weiter. Stattdessen halten wir den Druck aufrecht, damit die Bundesregierung endlich liefert, was sie mit einem Entlastungspaket für die Landwirtschaftsbetriebe angekündigt hat.

Ostdeutschland: Reaktionen zum Agrardiesel aus Sachsen-Anhalt

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Ulrich Thomas, erklärt zur Bundesratsentscheidung: „Die Überarbeitung des Wachstumschancengesetzes im Vermittlungsausschuss war dringend notwendig. Das jetzt beschlossene Maßnahmenpaket ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, gleicht die wirtschaftlichen Schäden durch die ruinöse Ampel-Politik aber nicht ansatzweise aus. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen brauchen dringend spürbare Entlastungen.“

Olaf Feuerborn (CDU), Bauernpräsident in Sachsen-Anhalt, ergänzte: „Mit der Streichung der Agrardieselrückerstattung hat die Bundesregierung die Axt an die heimische Landwirtschaft angelegt. Diese Belastung hätte von Anfang an vermieden werden müssen und wird auch nicht durch eine bloße Protokollerklärung kompensiert. Die CDU-Landtagsfraktion erwartet von der Ampel-Regierung unverzüglich Maßnahmen zur Verbesserung der Lage vorzulegen und umzusetzen.“

„Das Ergebnis der Bundesratssitzung ist schlicht und ergreifend eine, durch Wortbruch beteiligter Mitglieder der größten Opposition im Bundestag, begangene Mogelpackung zugunsten des Wachstumschancengesetzes und zulasten des Agrardiesels und somit der Landwirtschaft. Wir sind doch nicht monatelang gegen diese völlig überzogene und ungerechte Steuererhöhung auf die Straße gegangen, um jetzt klein beizugeben. Trotz zunehmender Arbeiten auf den Feldern, sind die Landwirte zu weiteren Protesten bereit“, erklärte Martin Dippe, Präsident Bauernbund Sachsen-Anhalt, Vizepräsident Deutscher Bauernbund. Anerkennung gebühre allerdings Sachsen-Anhalts Vertretern im Bundesrat, allen voran Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), die wie versprochen dieser Mogelpackung nicht zugestimmt habe, so Dippe.

Agrardiesel: Reaktion vom LSV aus Sachsen

„Eine halbe Milliarde Einkommensverlust in der Landwirtschaft wird Folgen haben, welche nicht mit anderen Maßnahmen kompensiert werden können“, erklärte Hagen Stark aus Sachsen. Er ist Gründungsmitglied von LSV Sachsen und Vorstandsmitglied von Landwirtschaft verbindet Deutschland e.V. Nur ein echter Agrardiesel wäre ein reeller Ausgleich und diente somit dem Erhalt der innereuropäischen Wettbewerbsfähigkeit, heißt es in dem Schreiben des LSV. Der Verband fordert nachdrücklich die Einführung eines echten Agrardiesels mit festem Steuersatz ab 2026, ähnlich der Agrardiesel-Handhabungen vieler EU-Mitgliedsstaaten.


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Bundesrat Protest Agrardiesel
Am Freitag wurde vor dem Bundesratsgebäude in Berlin für den Erhalt des Agrardiesels demonstriert. © Philipp Weiser/DBV

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Erfolgreiche Wahl: Bauernverband bestimmt neue Führung

Mit Spannung wurde die Wahl zum neuen Präsidenten und zum Vorstand des Bauernverbandes in Mecklenburg-Vorpommern erwartet. Lesen Sie hier, wer die Nachfolge von Detlef Kurreck antritt und wie sich die Stimmen verteilten.

Von Nicole Gottschall

Auf dem Bauerntag in Linstow wählten an diesem Freitag (22.3.2024) 128 Delegierte turnusgemäß ihre Verbandsspitze. Neuer Bauernpräsident in Mecklenburg-Vorpommern ist der gelernte Landwirt und studierte Agraringenieur Karsten Trunk. Mit 123 von 125 abgegebenen Stimmen entfielen 98,4 % der Stimmen auf den Geschäftsführer des Görminer Landwirtschaftsbetriebes „Peenetal“. Der 57-Jährige aus Loitz war einziger Kandidat für das Amt. Trunk tritt die Nachfolge von Detlef Kurreck an, der nach acht Jahren bzw. zwei Legislatur-Perioden nicht mehr zur Wahl stand. Er erhielt nach seinen abschließenden, resümierenden Worten minutenlang Standing Ovations.

Staffelstabübergabe
Karsten Trunk (l.) übernimmt „den Staffelstab“ vom scheidenden Präsidenten Detlef Kurreck. (c) Nicole Gottschall

Wahl beim Bauernverband: So verteilen sich die Stimmen

Darüber hinaus wählte die Delegierten-Versammlung Sabine Firnhaber (108 Stimmen), Marco Gemballa (97 Stimmen) und Dr. Manfred Leberecht (111 Stimmen) zu den Vize-Präsidenten des Verbandes. Firnhaber betreibt im Nebenerwerb eine Schäferei in Jamel bei Banzkow. Die 47-Jährige geht in ihre zweite Amtsperiode. Marco Gemballa war bereits von 2007 bis 2016 Vizepräsident und nimmt nun erneut die Arbeit in dem Gremium auf. Der 49-Jährige ist Geschäftsführer der Agrargesellschaft Am Landgraben Zinzow. Dr. Manfred Leberecht betreibt einen Ökobetrieb mit Ackerbau und Mutterkuhhaltung in Grabow. Für den 63-Jährigen ist es seine dritte Wahl-Periode, er war zuletzt erster Stellvertreter des scheidenden Präsidenten.

Bauernverband: Wer die Wahl verpasst hat

Nicht mehr zum Führungsquartett gehört die bisherige Vizepräsidentin Dr. Heike Müller. Die 59-Jährige trat nicht erneut zur Wahl an. Sie gehörte wie Kurreck ebenfalls zwei Amtsperioden dem geschäftsführenden Landes-Vorstand an. Einen Platz in dem Gremium verpasst, haben indes Robert Haß (11 Stimmen) und Christa-Maria Wendig (38 Stimmen).

Delegierte beim Bauerntag MV
128 von 133 Delegierten aus den Kreis- und Regionalverbänden kamen nach Linstow, um die neue Verbandsspitze zu wählen. (c) Nicole Gottschall

Zum Bauernverband MV mit Sitz der Hauptgeschäftsstelle in Neubrandenburg zählen 15 Kreis- und Regionalverbände. Der Verband vertritt aktuell die Interessen von rund 1.800 Mitgliedsbetrieben aller Betriebsformen. Diese bewirtschaften zwischen einem und 3.000 Hektar Fläche. Landesweit wirtschaften auf rund 1,34 Millionen Hektar etwa 4.700 Betriebe mit über 25.000 Beschäftigten.

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Stimmzettel in Wahl-Urne geben
Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern. Jetzt gibt es sechs Kandidaten. © Unplash / Element5 Digital

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Endgültig: Werk in Dargun schließt spätestens bis Frühjahr 2025

Update 18.06.: Die DMK bestätigt die endgültige Schließung der Produktion in Dargun. Hintergrund sind verringerte Milchmengen und Veränderungen im Sortiment. Was wird aus den Mitarbeitern? Wo wird dann Milch und Käse produziert?

Von Nicole Gottschall

Der Aufsichtsrat der Deutschen Milchkontor GmbH (DMK) hat die Schließung der Käserei in Dargun (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) endgültig beschlossen. An weiteren Standorten des Konzerns – Edewecht (Niedersachsen), Hohenwestedt (Schleswig-Holstein) und Everswinkel (Nordrhein-Westfalen) – sollen Kapazitäten in einzelnen Bereichen reduziert werden. Das teilte das Unternehmen nach der jüngsten ordentlichen Sitzung am 7. Juni mit.

500 Landwirte kündigten Lieferverträge

Das Milchkontor bedaure den Schritt, sehe jedoch nach ausgiebiger Prüfung keine wirtschaftliche Alternative. Man reagiere auf sich regional verändernde Rohstoffmengen und berücksichtige auch Aspekte einer wertschöpfenden Sortimentsentwicklung bei der Entscheidung. Allein zum Jahresende 2023 hätten etwa 500 Landwirte ihre Lieferverträge gekündigt.

Derzeit werden jährlich in Dargun 21.000 Tonnen Käse hergestellt. Die Kapazität umfasst jedoch rund 40.000 Tonnen Käse pro Jahr. Durch die Schließung sollen 13.000 Tonnen eingespart werden. Die verbleibenden 8.000 Tonnen könnten die Molkereien in Waren und Altentreptow mit produzieren.

Sozialplan für 90 Mitarbeiter in Arbeit

Ebenfalls ein Gutachten in Auftrag gegeben hatte die Gewerkschaft. Dieses hingegen besagt, dass die Milchmengen wieder steigen werden. Daran glaube jedoch die Unternehmensleitung nicht, so Betriebsratsvorsitzende Andrea Prüß. Jetzt gehe es also darum einen Sozialplan für die rund 90 Mitarbeitenden zu erarbeiten. Einige sollen an den Standorten Waren und Altentreptow weiter beschäftigt werden, so das DMK-Angebot. Das werde sich allerdings wegen der langen Anfahrtswege für viele Mitarbeitende nicht rechnen, schätzt die Betriebsratsvorsitzende ein.

Grund für das Aus: Veränderte Rohstoffmengen und Sortimentsentwicklung

Im März 2024 wurde bekannt, dass die Deutsche Milchkontor GmbH (DMK) plante, seine Produktionskapazitäten zu straffen und die Produktion am Standort in Dargun (Mecklenburg-Vorpommern) einzustellen. Das teilte das Unternehmen am Donnerstag (21.3.2024) auf Nachfrage der Bauernzeitung mit. Als Grund nannte Deutschlands größte Molkereigenossenschaft verringerte Milch-Mengen in der Rohstoffversorgung und Veränderungen in der wertschöpfenden Sortimentsentwicklung.

In Mecklenburg-Vorpommern wird Käse produziert

Dargun ist neben Altentreptow und Waren einer von drei Standorten des DMK in Mecklenburg-Vorpommern. Im dortigen Werk wird Käse in Blockform und als Brote produziert. Die Kapazität umfasst rund 40.000 Tonnen Käse pro Jahr.

DMK: In Dargun sind 90 Mitarbeiter beschäftigt

Am Standort in Dargun sind 90 Mitarbeitende beschäftigt. DMK gehe eigenen Angaben zufolge in einen verantwortungsvollen Austausch mit den Sozialpartnern und betroffenen Mitarbeitenden. Denn aufgrund des grundsätzlichen Fachkräfte-Mangels und der regionalen Nähe zu den anderen beiden Standorten im Nordosten habe man sehr hohes Interesse daran, gute Mitarbeitende auch halten zu können und auf anderen Funktionen einzusetzen.

Unruhe unter den Mitarbeitenden

Bei den Mitarbeitern führte die Bekanntgabe der Pläne im März 2024 indes zu Unruhen. Und auch der Bürgermeister der Stadt, Sirko Wellnitz, zeigte sich überrascht. Vermittelte die Betriebsleitung in den vergangenen Jahren doch immer wieder, dass das Unternehmen in Dargun trotz teils schwerer werdender Rahmenbedingungen wirtschaftlich arbeite.

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Die Schweinehälften werden in Perleberg weiterverarbeitet. © Vion

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Agravis Ost: Investitionen in die Infrastruktur in Ostdeutschland

Das Agrarhandels- und Dienstleistungsunternehmen Agravis hat am Mittwoch (20.3.) die Geschäftszahlen für 2023 vorgelegt. Auch im Osten gab es umfangreiche Investitionen. Wie steht es um Agravis Ost?

Von Claudia Duda

Solides Wachstum und eine sichere Zukunft – so sieht sich die Agravis Raiffeisen AG aufgestellt. Das Agrarhandels- und Dienstleistungsunternehmen hat am Mittwoch (20.3.) die Geschäftszahlen für 2023 vorgelegt. Wie Vorstandsvorsitzende Dr. Dirk Köckler und Finanzvorstand Hermann Hesseler in der Bilanz-Pressekonferenz mitteilten, hat das Unternehmen einen Konzernumsatz von 8,8 Mrd. Euro erzielt – nach 9,4 Mrd. Euro in 2022. 

Agravis: Eigenkapital hat sich erhöht

Der Rückgang sei ausschließlich auf gesunkene Preise für wichtige Produktgruppen wie Getreide, Raps, Düngemittel und Energie zurückzuführen, begründete Hesseler. Das Ergebnis vor Steuern konnte Agravis im Vergleich zu 2022 hingegen leicht ausbauen, von 61,5 auf 64,5 Mio. Euro. „Diese Kennzahlen unterstreichen unserer Meinung nach die Solidität, die wirtschaftliche Stabilität und die Zukunftsfähigkeit der Agravis-Gruppe“, erklärte der Finanzvorstand. Zum Jahresende 2023 habe sich das Eigenkapital auf 663 Mio. Euro erhöht, die Eigenkapitalquote stieg auf 29 Prozent. In das Kerngeschäft, leistungsfähige Standorte und digitale Aktivitäten investierte der Konzern im vergangenen Geschäftsjahr 97 Millionen Euro. 

Investitionen in die Infrastruktur im Osten

Auch die Investitionen in die Infrastruktur der Agravis Ost wurden im Geschäftsjahr planmäßig umgesetzt, teilt die Konzernleitung mit. So wurden in Kyritz ein neues Pflanzenschutzlager, in Aschersleben eine Anlage zur rein biologisch-physikalischen Behandlung von Saatgetreide sowie in Querfurt und Arneburg neue Silo-Anlagen errichtet. Außerdem wurden mehrere Ost-Standorte mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Auch im Geschäftsjahr 2024 setzt sich das hohe Investitionsvolumen des Jahres 2023 fort. Hier sind Investitionen in Höhe von rund 101 Mio. Euro geplant. 

Bekenntnis zu Agravis Ost

Fragen nach Einzelheiten zu Geschäftszahlen im Osten beantworteten die Verantwortlichen nicht. „Für Tochtergesellschaften geben wir keine einzelnen Umsätze heraus”, erklärte Pressesprecher Bernd Homann. Allerdings betonte Vorstandschef Köckler: “Wir geben ein ganz klares Bekenntnis zu unseren Strukturen in Agravis Ost.” Einzelne Standorte seien erheblich ausgebaut worden – allen voran Bülstringen. “Wir sind in Querfurt, Fürstenwalde, in Aschersleben aktiv. Die Stückgut-Logistik-Infrastruktur wird an vier Standorten konzentriert.“

Es gebe Investitionen in die Getreideerfassung. In der Ernte 2023 musste wegen der Wetter-Bedingungen an acht Wochenenden gearbeitet werden, was nur durch die schlagkräftig-großen Einheiten und viele engagierte Mitarbeitende gelungen sei. „Wir haben ein klares Bekenntnis zum Geschäft in der Landtechnik im Osten. Auch dort wurden entsprechende Investitionen umgesetzt“, so Köckler. „Auch im Agrarhandel fühlen wir uns seit über 30 Jahren wirklich zu Hause und angekommen.“  

 

Vorstandsvorsitzender Dr. 
Dirk Köckler
Agravis-Vorstandsvorsitzender Dr. Dirk Köckler zog Bilanz. (c) AGRAVIS Raiffeisen AG

Nachhaltigkeit sei längst ein fester Bestandteil unserer Konzern-Strategie geworden. „Es gilt hierbei, eine Balance zwischen Wirtschaftlichkeit, Wertschätzung und Ressourcen-Schonung zu erzielen“, skizzierte Dr. Köckler die Leitplanken. Die Markteinführung des klimafreundlichen mineralischen Düngers Entec Evo mit Nitrifikationsinhibitoren, die rein physikalische und biologische Behandlung von Saatgetreide mit Elektronen gegen samenbürtige Krankheiten bei der Agravis Ost sowie der konsequente Ausbau der Bioerdgas-Aktivitäten in den münsterländischen Projekten Dorsten und Velen nannte er beispielhaft. 

Aktivitäten auf dem LNG-Markt

Auch auf dem LNG-Markt ist die Agravis aktiv. So wurden vier LNG-Tankstellen in Betrieb genommen. Investor und Betreiber der aktuellen Projekte ist die Raiffeisen Gas GmbH. Sie ist eine Beteiligungsgesellschaft der Agravis. Gebaut wurden die LNG-Tankstellen bei den Genossenschaften Raiffeisen Hohe Mark Hamaland eG in Gescher und Railand Raiffeisen AG in Nottuln im Münsterland. Weitere Anlagen stehen im niedersächsischen Lauenau und in Magdala in Thüringen. 

Agravis-Pläne für 2024

Für das laufende Geschäftsjahr plant der Konzern laut Köckler konservativ und mit Respekt vor den Markt-Entwicklungen – mit einem Umsatz von 8,1 Mrd. Euro und einem Ergebnis vor Steuern von 60,1 Mio. Euro. Eine klare Forderung richtete der Agravis-Chef vor dem Hintergrund der Bauern-Proteste seit Jahresbeginn auch an die Politik: „Landwirtschaft braucht verlässliche Rahmenbedingungen und eine Perspektive, damit der Nachwuchs die Betriebe fortführt, Investitionen getätigt werden und auch eine Chance besteht, dass das investierte Geld wieder erwirtschaftet werden kann“, sagte er.  

Hintergrund:

Die Agravis Raiffeisen AG ist im Eigentum von rund 100 regionalen Raiffeisen-Genossenschaften, die wiederum rund 70.000 bis 80.000 Familien im ländlichen Raum als Mitglieder haben. Seit dem 1. Dezember 2020 firmieren die drei bisherigen Agrarhandelsgesellschaften der Agravis in Ostdeutschland – die Baro Lagerhaus GmbH & Co. KG, die FGL Handelsgesellschaft mbH und die AGRAVIS Fläming-Mittelelbe GmbH – unter dem Namen AGRAVIS Ost GmbH & Co. KG. 

Die Agravis Ost ist Spezialist für den Handel mit Agrar-Produkten (Landhandel) und als bedeutender Handels- und Umschlagplatz auch für Dünge- und Futtermittel sowie Stück- und Schüttgüter leistungsstark. Das Einzugsgebiet erstreckt sich über die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen mit den Haupt-Standorten Bülstringen und Fürstenwalde, die durch diverse Niederlassungen ergänzt werden. Von hier aus wird der nationale und europäische Markt bedient. Nach dem Beitritt Polens zur EU ist das Unternehmen auch auf dem Markt in Polen präsent. 

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Bauernproteste am Ende? Mogelpackungen werden nicht akzeptiert

Sind die Bauernproteste im Streit um den Agrardiesel zu Ende? Wie geht es jetzt weiter? LSV plant Aktionen zur Sitzung des Bundesrates. Die aktuellen Entwicklungen und Erfolge der Landwirte kommentiert Claudia Duda.

Von Claudia Duda

Geht den Bauernprotesten langsam die Luft aus? Wer in den vergangenen Wochen die Meldungen um den Kampf der Landwirtinnen und Landwirte gegen die Streichung der Agrardiesel-Beihilfe verfolgt hat, konnte fast den Eindruck gewinnen. Traktoren sind zurzeit vor allem auf den Feldern und nicht mehr in Demonstrationszügen zu sehen. Und dann gab es in der Vorwoche auch noch Verwirrungen um ein Interview des Generalsekretärs des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, der angeblich gesagt hatte, dass die Bauern kompromissbereit seien. Am Ende wurde er missverstanden: So lange von der Bundesregierung kein echtes Angebot vorliegt, wird es auch keine Kompromisse geben, machte der DBV deutlich.

Bauernproteste: Landwirte haben viel erreicht

Verlaufen die Proteste trotzdem jetzt im Sande? Mitnichten. Die Landwirte haben viel erreicht. Vor allem, dass ihre Sorgen in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Nicht, weil Straßen blockiert waren, sondern weil die Probleme so umfangreich diskutiert wurden, wie nie. Dazu kommt, dass zwar die Bundesregierung sich anscheinend keinen Millimeter bewegt, aber dafür die Landesregierungen auf die Bauern zugegangen sind und wie in Brandenburg echte Angebote machen. Dabei ist es völlig egal, dass dort wie in Thüringen und Sachsen in diesem Jahr Landtagswahlen stattfinden und die Zugeständnisse auch als Wahlgeschenke verstanden werden können.

Agrardiesel: Landesbauerntage in Brandenburg und Sachsen

Außerdem bleibt der Berufsstand kämpferisch. Die Landesbauerntage in Brandenburg und Sachsen haben deutlich gemacht, dass die Landwirtinnen und Landwirte gewillt sind, weiterzukämpfen. Und Land schafft Verbindung kündigte deutschlandweite Protestaktionen rund um die Bundesratssitzung in Berlin an. Parallel dazu distanzieren sich die Verbände demonstrativ von kriminellen Aktionen, wie mit Gülle und Misthaufen den öffentlichen Verkehr gefährden – wie zuletzt auf mehreren Bundesstraßen in Brandenburg, wo es zu schweren Unfällen kam. „Das gefährdet den Rückhalt in der Bevölkerung“, sind sich alle einig.

Bauernproteste: 194 Vorschläge zum Bürokratieabbau

In jedem Fall wird weiterverhandelt. Auch wenn die Ergebnisse der Agrarminister-Konferenz in Erfurt nur ein kleiner Baustein sind. Aber immerhin liegen 194 Vorschläge zum Bürokratieabbau auf dem Tisch – jetzt ist die Bundesregierung am Zug. Zu ersten Vorschlägen wurden bereits Gesetzgebungsverfahren eingeleitet – und es ist zu hoffen, dass die Länder sich nicht mit Belanglosigkeiten abspeisen lassen.

GAP und GLÖZ 8: Was die Bundesregierung jetzt tun sollte

Dass die deutsche Regierung nicht im luftleeren Raum agiert und in Bezug auf die Landwirtschaft die Europäische Union meist die entscheidenden Vorgaben macht, ist eine Binsenweisheit. Überraschend hat die EU nun in der vergangenen Woche den Vorschlag gemacht, auf die Pflichtbrache (GLÖZ 8) ganz zu verzichten, um die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zu vereinfachen. Das wäre eine tatsächliche Entlastung der Landwirte. Bedenkenträger Cem Özdemir (Grüne) erklärte allerdings prompt, damit würde das „Umweltambitionsniveau“ der GAP gesenkt, so der Bundeslandwirtschaftsminister. Ob es der Bundesregierung mit dem Bürokratieabbau und Vereinfachungen für die Landwirtschaft ernst ist, könnte sie mit einer unkomplizierten Umsetzung dieser Vorschläge beweisen. Sollte es hier erneut zu Mogelpackungen kommen, werden sich die hiesigen Landwirte vermutlich nicht damit zufrieden geben.

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Agrarstrukturgesetz in Thüringen und Sachsen: Weitere offene Fragen und neue Probleme

Die Landesregierungen von Thüringen, Sachsen und Brandenburg wollten Agrarstrukturgesetze verabschieden, zwei Vorlagen sind noch im Rennen. Wo gibt es Unterschiede und wo Gemeinsamkeiten? Wie lassen sich die Mängel reparieren? Sind sie rechtssicher? Expertin Prof. Antje Tölle von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin im Interview

Von Claudia Duda

Das Bodenforum der Deutschen Gesellschaft für Agrarrecht hat sich kürzlich intensiv mit den Agrarstrukturgesetzen in Thüringen und Sachsen auseinandergesetzt. Was war die wichtigste Erkenntnis?
Für uns Juristen waren die Erklärungen der beiden Regierungsvertreter aus Thüringen und Sachsen zu ihren Gesetzesvorlagen sehr wichtig, denn wir stellen uns beim Lesen viele Fragen. Deshalb war die Perspektive, was die Länder tatsächlich wollen und warum sie unterschiedlich vorgehen, besonders wichtig. In Workshops haben wir an konkreten Beispielfällen aus der Praxis die beiden Gesetze getestet und festgestellt, dass sie noch nicht durchgehend funktionieren. Es gibt viele Fragen zu den Gesetzestexten. Teilweise sind nach der bisherigen Rechtslage offene Fragen weiterhin unbeantwortet, und neue Probleme sind entstanden.

Agrarstrukturgesetz: Gemeinsamkeiten in den Vorlagen

Sie beschäftigen sich seit Jahren mit Agrarstrukturgesetzen in den verschiedenen Bundesländern. Ist es aus Ihrer Sicht überhaupt nötig und sinnvoll, den Kauf und Verkauf von Agrarflächen gesetzlich zu regeln?
Wir haben bereits eine solche Kontrolle. Sie ist vorgesehen im Grundstückverkehrsgesetz, das aber meines Erachtens modernisiert werden muss. Insofern ist ein Agrarstrukturgesetz nur ein neuer Begriff, der die Regeln des Grundstücks-, Landpachtverkehrs und des Vorkaufsrechts zusammenfasst. Wir haben sehr unterschiedliche Ideen in den Ländern – aber derzeit kein Land, das sagt: Wir schaffen die Kontrolle ab.

Wo sehen Sie die größten Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gesetzesvorlagen?
Sie führen die behördliche Kontrolle von Kauf, Pacht und Vorkaufsrecht – was im Moment in drei Gesetzen verstreut ist – in einem Gesetz zusammen. Beide bleiben dem Gedanken treu, dass man eine Preiskontrolle durchführt und dass Nicht-Landwirte so weit wie möglich nicht erwerben sollen. Sie sehen weiterhin ein Vorkaufsrecht für landwirtschaftlich genutzte Flächen vor. Außerdem gibt es in beiden Gesetzen eine Share-Deal-Kontrolle.

Thüringen und Sachsen: Unterschiede in den Gesetzen

Und was sind die größten Unterschiede?
In der Definition, wer ein Landwirt ist. Dort hat Sachsen auch gemeinwohlorientierte Gesellschaften mit aufgenommen. Weiterhin sieht es eine Konzentrationskontrolle vor, wohingegen Thüringen diesem Kontrollmaßstab eine Absage erteilt. Außerdem sieht Sachsen ein Vorkaufsrecht zugunsten von Landwirten vor – und das sogar preisreduziert. Das heißt, wenn ein Grundstück zu teuer an einen Nicht-Landwirt verkauft wird, kann ein Landwirt zum Marktpreis kaufen. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, dass Sachsen alle Grundstücksgeschäfte innerhalb der Familie freistellt. Sachsen hat außerdem keine Kontrolle über Forstflächen geplant, Thüringen schon.

Ein Rechtsgutachten der Universität Jena hat im Herbst Kritik an dem Thüringer Entwurf geübt. Demnach überschreitet der Freistaat mit der Vorlage seine Gesetzgebungskompetenz. Wie sehen Sie das?
Das Gutachten befasst sich sowohl mit der Gesetzgebungskompetenz für Share Deals als auch für den Begriff des Landwirts, insbesondere der gemeinwohlorientierten Gemeinschaften. Bei Letzteren fehlt eine Begründung, warum der Landesgesetzgeber keine Gesetzgebungskompetenz besitzen sollte, den Begriff des Landwirts zu definieren, wenn dies eine bevorzugte Käufergruppe sein soll. Bei den Share Deals bin auch ich der Meinung, dass die Länder grundsätzlich im Rahmen des Kompetenztitels „landwirtschaftlicher Grundstücksverkehr“ die Gesetzgebungskompetenz besitzen.

Agrarstrukturgesetz Thüringen: Orientierung an Baden-Württemberg

Der Thüringer Entwurf orientiert sich an dem Gesetz in Baden-Württemberg. Ist das denn rechtssicher?
Baden-Württemberg hat inzwischen seit 14 Jahren ein Gesetz, das auch täglich angewendet wird – das heißt, nach Ablauf dieser Zeit sind die schlimmsten Dinge eigentlich schon beklagt. So wissen wir, dass eine Regelung, die Wettbewerbsverzerrungen entlang der Grenze zur Schweiz entgegenwirken wollte, gerade aufgrund eines Freizügigkeitsabkommens der Europäischen Union mit der Schweiz unwirksam ist. Insgesamt sind die Regeln von Baden-Württemberg nach meiner Einschätzung rechtssicher.

Die Regulierung des Anteilserwerbs und Maßnahmen zum Schutz der Agrarstruktur müssen sehr gut begründet sein, sagte Ihr Göttinger Kollege Prof. José Martínez. Ob die Gesetzentwürfe rechtsicher sind, müssten letztlich die Oberlandesgerichte entscheiden. Sehen Sie das auch so?
Wir müssen bei den Zuständigkeiten der Gerichte unterscheiden. Die Oberlandesgerichte sind die obersten Gerichte in den jeweiligen Bundesländern, die auch die Fälle nach den Agrarstrukturgesetzen entscheiden. Die OLG würden durch die Landesgesetze in jedem Fall an Bedeutung gewinnen. Für beide Gesetze ist der Bundesgerichtshof als dritte Instanz weiterhin zuständig. Allerdings ist er dann für ganz unterschiedliche Gesetze zuständig. Dadurch werden die BGH-Entscheidungen weniger vergleichbar. Ob die Gesetze verfassungsgemäß sind, ist eine Frage für die Landesverfassungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht.

Agrarstrukturgesetz: In Sachsen bleiben Fragen offen

Prof. Martínez sprach beim Bodenforum auch von Gefahrenabwehr. Was ist damit gemeint?
Darauf abzustellen, ist komplett richtig. Wir verwenden den Begriff in verschiedenen Zusammenhängen. Beispielsweise beim Polizeirecht, wenn Demonstrationen eskalieren oder wenn Gefahr für Leib und Leben besteht – wie bei Hochwasser. Bei der Agrarstruktur wird es weniger konkret vorstellbar. Hier ist es eine Prognoseentscheidung, wie die Überlegung, ob in der Zukunft Dinge geschehen, die volkswirtschaftlich eine Gefahr darstellen. Wenn etwa die Ernährungssicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann, weil die Produktion eingestellt wird oder die kontinuierliche Bewirtschaftung nicht gesichert ist.

Wo sehen Sie zurzeit den größten Nachholbedarf, um die Gesetzesvorlagen rechtssicher zu machen?
Für das Sächsische Agrarstrukturgesetz habe ich in meiner Stellungnahme im Landtag einigen Reparaturbedarf aufgelistet. Besonders dringlich ist es, einen Zirkelschluss zu streichen: Wenn das Vorkaufsrecht ausgeübt wird, darf nicht gleichzeitig eine Versagung geschehen, weil sonst der Anknüpfungspunkt für den neuen Vertrag entfällt. Außerdem geht es über die verfassungsrechtlichen Grenzen hinaus, dass man einen Vertrag nur deswegen versagen kann, weil Landwirte abstrakt am Erwerb von Grundstücken in der Umgebung interessiert sind, aber das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wird. Weiterhin müsste klargestellt werden, wann die Genehmigungsfrist losgeht und wer welche Erklärung wann beim Vorkaufsrecht abgibt.

Frage bleibt: Wer ist ein Landwirt?

Und in Thüringen?
Unabhängig von den Share Deals – bei der Frage von 50 bis 90 Prozent – habe ich nicht abschließend verstanden: Wer ist Landwirt? Über den Verweis ins Europarecht scheint Kontrollmaßstab zu sein, ob der Erwerber Landwirtschaft betreibt. Ein Beispiel: Wenn eine Stiftung mit einem Share Deal 100 Prozent der Anteile erwirbt und den Betrieb fortsetzen möchte – denn niemand sagt im Vorfeld: Ich kaufe den Betrieb und werde ihn stilllegen –, wird dieser Erwerb genehmigt? Umgekehrt: Welcher Share Deal soll in Thüringen eigentlich versagt werden?

Prof. Antje Tölle
Prof. Dr. Antje Tölle lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (c) Claudia Duda

Wie bewerten Sie die Vorlagen sonst in Bezug auf Share Deals?
Wenn man den Verfahrensablauf in Sachsen durchspielt, dann funktionieren sie grundsätzlich. Die sogenannte Dispens-Regelung ist eine wichtige typisierte Härtefallregelung. In der aktuellen Ausgestaltung passt sie jedoch nicht in das behördliche Verfahren und sollte besser integriert werden. Es ist allerdings zuvörderst ein politische Frage, ob es erstrebenswert ist, dass kein Betrieb über 2.500 Hektar groß werden kann. Es bleibt eben unklar, welcher Anteils­erwerb missbilligt wird.

Agrarstrukturgesetze: Kritik der Verbände

Die Bauernverbände üben scharfe Kritik an den Gesetzesvorlagen. Ist sie berechtigt?
Es gibt hier nicht die Meinung der Bauernverbände. Sie divergieren innerhalb und zwischen den Verbänden. Deswegen geht die Kritik auch in unterschiedliche Richtungen. Die einen sagen, die Gesetze sind zu streng. Andere sagen, die Gesetze sind zu lasch. Ich habe das Gefühl, dass die Gretchenfrage ist: Machen wir es mit oder ohne Konzentrationskontrolle? Eine Frage, die meines Erachtens noch nicht genügend beleuchtet wird, ist der digitale Vollzug der Gesetze. Daran werden sich künftig Gesetze messen lassen müssen.

Glauben Sie, dass die beiden Gesetze tatsächlich noch dieses Jahr verabschiedet werden?
Wenn ich mir die Zeitpläne in Thüringen realistisch anschaue, wird es bis zur letzten Plenarsitzung im Landtag im Juni schwierig. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, aber man müsste sich wirklich sputen. Man weiß allerdings nie, was mit Blick auf die Minderheitsregierung in Thüringen passiert. Bei den Neuwahlen im September könnten spannende Dinge passieren. Und so natürlich auch in Sachsen. Die Anhörung im Landtag war im Januar. Ich habe aber Zweifel, ob die politischen Lager es im Moment reparieren wollen. Von daher sehe ich es im Moment eher dunkelgrau.

War es richtig, dass Brandenburg das Agrarstrukturgesetz gestoppt hat?
Ich denke, es ist zu viel Zeit ins Land gegangen. Die Ressortabstimmungen hätten viel früher stattfinden müssen – vor allem, wenn man im Koalitionsvertrag vereinbart hat, etwas anzugehen. Jetzt also lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Gute drei Monate vor der letzten Landtagssitzung vor der Wahl es noch in den Landtag einzubringen, wäre auch kein gutes Signal. Aus den Erfahrungen aller drei Bundesländer kann man also resümieren: Rechtzeitig anfangen!
Interview: Claudia Duda

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Die AbL befürchtet den Ausverkauf landwirtschaftlicher Flächen in Sachsen. © Karsten Bär

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Einzelkämpfer in Brandenburg: Vom Alltag eines jungen Landwirten

Landwirtschaftsmeister Philipp Metz aus Brandenburg bereitet gerade fünf Tiere auf die Bullenauktion vor – und seinen Betrieb auf die Zukunft. Der Landwirt ist ein Einzelkämpfer und liebt seine Tiere.

Von Heike Mildner

Es ist Mittwoch, der 14. Februar. Feiner Nieselregen weht über den betonierten Betriebshof in Vielitzsee (Ostprignitz-Ruppin). Wie jeden Tag in den vergangenen vier Wochen ist Philipp Metz bei seinen Bullen. Die fünf, die er in diesem Jahr auf die Auktion am 5. März in Groß Kreutz vorbereitet, haben wie er höchstens mal einen Tag in der Woche frei. An den anderen dreht der 34-jährige Landwirtschaftsmeister mit jedem von ihnen eine Runde über den Hof, erst nur ein paar Meter, dann weiter, erst durch den Matsch, dann auf Beton, hier mal ein Rascheln, da ein Vogel, der aufschreckt, immer neue Eindrücke, die einen Bullen möglicherweise aus der Fassung bringen.

Es geht ums Vertrauen: Egal, was passiert, der Typ, der mich da am Strick führt, weiß, was er tut; wenn der ruhig ist, kann ich es auch sein. So lautet die Botschaft, die jeder der fünf Bullen über das tägliche Training verinnerlichen soll.

Einzelkämpfer: Landwirt Philipp Metz in Brandenburg

Philipp Metz kann das. Seit 2016 bereitet er Fleckviehbullen für die Auktion vor, kann auf zwei Champions, die Siegerbullen einer Rasse bei der Auktion, und andere Zuchterfolge verweisen. Doch wie steht es bei jemandem, der schreckhafte Tiere dazu bringt, dass sie ihm vertrauen, mit dem Vertrauen in die Zukunft seiner Zunft?

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Agieren statt reagieren

Die Entscheidung zum Agrardiesel habe auch bei ihm das berühmte Fass zum Überlaufen gebracht. In seinem Betrieb wären damit am Jahresende 5.000 bis 6.000 Euro weniger in der Kasse, sagt Metz. Neben Futter für seine Fleischrinder baut er auf 240 ha Marktfrüchte an: Weizen und Raps auf den besseren Böden um die 30 bis 35 Bodenpunkte, Roggen und Mais auf den schlechteren.

„Selbst wenn sie die Entscheidung zum Diesel zurücknehmen, die Sache hat sich festgefahren“, sagt Metz und wünscht sich, dass einfach mal gesagt werde: „Ihr seid Landwirte, ihr habt euren Meister gemacht, ihr werdet auch vernünftig wirtschaften!“ Er fühle sich gar nicht mehr als Selbstständiger, müsse nur noch lesen, was er darf und was nicht, sei nur noch jemand, der etwas ausführt. Für den Agrarantrag leiste er sich einen Berater, der die ständig neue Auflagen besser im Blick hat.

Landwirt in Brandenburg: Ärger über Profil-App

Die Krönung war für Metz im September vergangenen Jahres die Profil-App. 28 Fotos sollte er machen, von 28 Ackerflächen. Und die Anforderungen kamen nicht alle auf einmal, sondern über Wochen verteilt. „Ich sollte Ackerflächen fotografieren, die waren gepflügt, gescheibt, da war nichts drauf zu sehen!“, sagt Metz. Und einmal konnte er die Zwei-Wochen-Frist nicht einhalten, weil er im Krankenhaus behandelt werden musste, da wurde die Anforderung storniert – jemand vom Amt komme, hieß es.

Einzelkämpfer: Ärger, wenn jemand vom Amt kommt

Wenn jemand vom Amt kommt, ist das mit Stress verbunden. Nicht nur für Metz und nicht, weil man ein schlechtes Gewissen haben müsste, wohl aber, weil immer etwas sein kann bei all den Vorschriften. Er habe den Film „Tod eines Viehzüchters“ gesehen, erzählt er. Eine Dokumentation über den französischen Charolais-Züchter Jérôme Laronz, der vor bürokratischer Übergriffigkeit flieht und von der Polizei erschossen wird (in der ARTE-Mediathek abrufbar). Ein Berufskollege im Nachbarland, das müsse man sich mal vorstellen, sagt Metz, dort gehe es offenbar noch schlimmer zu als hier. Darum seien auch die Proteste vehementer.

Bei den Bauernprotesten dabei

Bei den hiesigen Bauernprotesten habe er nicht überall dabei sein können. „Einmal einen Kreisverkehr gesperrt, einmal eine Sternfahrt.“ Als er hörte, die Demo in Berlin am 15. Januar werde erst beendet, wenn die Forderungen erfüllt seien, ist er lieber zu Hause geblieben. Nicht auszudenken, was passiert, wenn er mit seinem Schlepper mittendrin steckt und er nicht zu den Tieren zurück kann. Denn um die geht es ihm vor allem. Dass die Kollegen dann doch nicht geblieben sind, habe ihn nach den markigen Worten von Joachim Rukwied im Dezember dann doch etwas enttäuscht.

Mit Fleischrindern hat Metz schon als Teenager angefangen. Galloways waren es, und er wollte sie direktvermarkten, sich neben dem Gemüsebaubetrieb von Vater und Onkel ein eigenes Standbein aufbauen. Dieser Plan scheiterte zum einen daran, dass sich die Kosten im Schlachthof Hakenberg verdoppelten, als Hofschlachtungen nur noch eingeschränkt erlaubt waren, zum anderen war kaum jemand bereit, die zwei, drei Euro mehr pro Kilo zu zahlen, die er für das Fleisch der kleinen Rasse verlangen musste.

Gern hätte er mit dem Gemüsebau weitergemacht als sein Vater in Rente ging. Der Betriebszweig lief noch bis vor zwei, drei Jahren, erzählt Metz. Dann ging eine Fachkraft in Rente, etwa zeitgleich kam Corona. Zwei Zelte von je 1.000 m2 Fläche, in denen einmal 2.000 Tomaten-, 600 Gurken- und 800 Paprikapflanzen wuchsen, stehen das zweite Jahr leer.

Metz will sie für den nächsten Winter als Unterstand für seine Rinder umrüsten. Gemüsebau sei unter den derzeitigen Bedingungen utopisch, er müsste viel zu viel in Lager und Kühlung investieren, um diesen Zweig fit für die Zukunft zu machen. Außerdem stelle sich auch hier die Frage nach der Rentabilität. Stichwort Mindestlohn.

Weniger Bürokratie bitte

Philipp Metz ist Einzelkämpfer. Einen Angestellten kann er sich bisher nicht leisten. Was ihn wirklich entlasten würde, wäre tatsächlicher Bürokratieabbau, sagt er. Für ihn sei das auch eine Frage des Tierwohls: Die Zeit, die er im Büro sitzt, kann er nicht bei den Tieren sein. Nächsten Montag wird sein Vater ihm helfen, wenn er mit seinen fünf besten Bullen nach Groß Kreutz fährt. Ankommen, waschen, Körung und am Dienstag die Frage, ob sich seine Tiere von der besten Seite zeigen und letztlich einen guten Preis erzielen, ob sich die Arbeit gelohnt hat. Zu wünschen wäre es allen.

So läuft die Bullenauktion

Am Montag, 4. März 2024, beginnt um 13 Uhr die Körung mit Rangierung und Siegerauswahl. Sie ist sowohl vor Ort als auch im Livestream zu verfolgen. Am Montagabend geht es ab 20 Uhr mit dem „Warm Up“ weiter. Vorab-Gebote sind online möglich. Die Auktion beginnt am Dienstag, 5. März, ab 11 Uhr im Brandenburger Rindermarkt in Groß Kreutz. Die Bullen werden in der folgenden Reihenfolge versteigert: Charolais, Fleckvieh-Simmental, Angus, Hereford, Limousin und Uckermärker. Auch online kann geboten werden. Näheres auf der Seite des RBB Rinderproduktion Berlin-Brandenburg GmbH.

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Für seine Familie gehört der Umgang mit den Fleckviehrindern von Kindesbeinen an dazu. Schon seine Tochter Neele interessiert sich für die gutmütigen Widerkäuer. © Philipp Metz
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BraLa 2023: Moritz Metz (6) führt sein erstes Kalb durch den Ring. © Philipp Metz
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GLÖZ 8: Ackerbau statt Stilllegung 

UPDATE 1.3.: Deutschland setzt die Ausnahmeregelung der EU-Kommission zur Flächenstilllegung – GLÖZ 8 – 1:1 um. Daraus folgt unter anderem, dass auf vier Prozent der Ackerflächen zunächst regulär Sommerungen angebaut werden können, bevor im Herbst Zwischenfrüchte folgen.

Von Frank Hartmann

Deutschland wird sich bei der von der EU-Kommission für dieses Jahr eröffneten Ausnahme von der Stilllegungsverpflichtung (GLÖZ 8) allein an den Brüsseler Vorgaben orientieren. Bis zum Schluss wollten das Bundesagrar- und das Bundesumweltministerium in diesem Zuge einen Teil der Basisprämie in die Ökoregeln umlenken und hier neue Maßnahmen etablieren. Damit sollte ein Ausgleich zum Aufweichen der Umweltstandards geschaffen werden. 

Dem Entwurf der zweiten GAP-Ausnahme-Verordnung zufolge, der der Bauernzeitung vorliegt, können die Betriebe freiwillig vier Prozent ihrer Ackerfläche stilllegen und diese mit der Ökoregelung 1 kombinieren. Erst kürzlich hatten sich das BMEL und die Länder darauf verständigt, den finanziellen Anreiz für das Brachen-Programm zu erhöhen. 

GLÖZ 8: Zwischenfrüchte bis zum 15. Oktober

Alternativ können Betriebe auf den vier Prozent Stilllegungsflächen auch Zwischenfrüchte anbauen. Dem Entwurf zufolge genügt es, wenn diese spätestens bis zum 15. Oktober ausgebracht und über einen Zeitraum von sechs Wochen stehen. Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist dabei untersagt. Für die Praxis bedeutet dies, dass in diesem Frühjahr regulär Sommerungen angebaut werden können, sofern ihre Beräumung die rechtzeitige Aussaat der Zwischenfrucht nicht behindert. Anrechenbar sind aber auch Winterkulturen, denen die Zwischenfrucht folgt.

Zudem können Landwirte auf den vier Prozent Stilllegungsflächen Leguminosen anbauen. Dazu zählen allerdings keine Gemenge (etwa mit Getreide). Eingeschränkt wird die Möglichkeit durch das Anwendungsverbot von Pflanzenschutzmitteln. Eine Anrechnung dieser Leguminosen-Flächen auf die Ökoregelung 2 (vielfältige Fruchtfolge mit Mindestanteil Leguminosen) ist nicht möglich.  

Wichtig: Sowohl bei Leguminosen als auch Zwischenfrüchten können Landwirte die Ökoregelung 1, wie sie für Brachen gilt, in Anspruch nehmen. In beiden Fällen ist eine Kombination mit der Ökoregelung 6 (PSM-Verzicht) aber ausgeschlossen. Einschließlich vorhandener Brachen können Stilllegung, Leguminosen- und Zwischenfruchtanbau kombiniert werden, um die Vier-Prozent-Marke zu erreichen.

Sowohl bei Sommerungen vor Zwischenfrüchten als auch bei Leguminosen wir neben den Aussaatbedingungen die Verfügbarkeit von Saatgut der limitierende Faktor sein. 

GLÖZ 8: Praktiker müssen sich noch gedulden

Die Praktiker, die dringend auf das rechtlich abgesicherte Startsignal warten, müssen sich noch einige Wochen gedulden. Zwar wollte das Bundesagrarministerium die deutsche Umsetzung der EU-Ausnahmeverordnung zum heutigen letzten Termin (29. Februar) nach Brüssel senden. Einer Mitteilung des Bundesagrarministeriums vom Donnerstagnachmittag (29. Februar) zufolge ist der Verordnungsentwurf jetzt auch innerhalb der Bundesregierung geklärt. Allerdings werden die Länder erst am 22. März im Bundesrat abschließend über diese GAP-Ausnahmeverordnung beraten. Einzelne Details können sich also noch ändern.   

Özdemir sieht mehr Flexibilität

Bundesminister Cem Özdemir (Grüne) erklärte, „Landwirtinnen und Landwirte erhalten durch die neue Möglichkeit zur Umsetzung von GLÖZ 8 mehr Flexibilität bei ihrer Bewirtschaftung und zusätzliches Einkommen, damit reagieren wir auf den Druck, unter dem die Landwirtschaft steht“. Die Umsetzung des Kommissionsvorschlags habe aber auch einen Preis: „Ich hätte mir gewünscht, dass wir den Schutz der Artenvielfalt gleichzeitig angehen. Wir werden jetzt gemeinsam mit der Landwirtschaft und den Umweltverbänden gute und praxisgerechte Lösungen ausarbeiten. Dafür haben wir mit den Vorschlägen der Zukunftskommission Landwirtschaft schon eine gute Blaupause, wir müssen das Rad hier nicht neu erfinden. Unser Ziel ist: Planungssicherheit für unsere Bauern und für unseren Artenreichtum.“ 

Bauernverband begrüßt die Entscheidung

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, begrüßte die Entscheidung der Bundesregierung, die Vorschläge der EU auch in Deutschland 1:1 umzusetzen: „Die Bundesregierung hat verstanden, dass wir Bauern keine weitere Benachteiligung und damit Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit akzeptieren werden. Wir bewerten es positiv, dass die Bundesregierung und die Fraktionen die Zeichen der Zeit erkannt haben. Wir erwarten, dass die Wettbewerbsgleichheit auch bei zukünftig anstehenden politischen Entscheidungen berücksichtigt wird.“ 

Auch der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern hat die Entscheidung begrüßt. „Es ist und gut richtig, dass Deutschland in der Frage der verpflichtenden Flächenstilllegungen keinen Extraweg beschreiten möchte“, erklärte Bauernpräsident Detlef Kurreck laut einer Mitteilung und regte an, diesen Prozess der Freiwilligkeit zu verstetigen. „Jeder Landwirt muss als Unternehmer selbst entscheiden können, ob er Teile seiner Ackerflächen gegen eine Ausgleichszahlung stilllegt oder darauf Feldfrüchte anbaut“, so Kurreck.

GLÖZ 8: Heftige Kritik der AbL

Heftige Kritik an der 1:1-Umsetzung kam hingegen vom Bundesverband der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Kanzler Scholz hat sich heute vollständig dem Druck der Agrarindustrie und deren Strippenziehern Friedrich Merz und Joachim Rukwied gebeugt. Die Ampel bezahlt die Streichung der Agrardieselbeihilfe, die in ihrer jetzigen Form vor allem flächenstarken Großbetrieben dient, damit doppelt und dreifach. Die Entscheidung des Kanzlers entbehrt jeder Vernunft und diskreditiert die Zukunftskommission Landwirtschaft“, zitierte der Verband sein Vorstandsmitglied Ottmar Ilchmann. 

Max von Elverfeldt, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst, erklärte hingegen: „Die Entscheidung der Bundesregierung, den anderen EU-Mitgliedsstaaten zu folgen und die Aussetzung von GLÖZ 8 auch in Deutschland umzusetzen, begrüßen wir ausdrücklich. Ein erster richtiger Schritt bei der Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für deutsche Landwirte.“ 

Hinweis: Wir haben den Beitrag am 1. März, 12.20 Uhr, aktualisiert und präzisiert.

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Anbau von Cannabis: Hanf-Farm bei Anklam geplant

Ein ehemaliges NVA-Gelände in Relzow in Mecklenburg-Vorpommern soll zum größten Cannabis-Anbau-Standort Deutschlands werden. Lesen Sie hier mehr über die Pläne der Deutschen Anbaugesellschaft (DAG) und den Anbaustart im Juli.

Von Nicole Gottschall

Nach langer und kontroverser Diskussion gab Freitag (23.2.) der Bundestag in Berlin grünes Licht für die Legalisierung von Cannabis: Nach dem neuen Gesetz dürfen Erwachsene ab dem 1. April bis zu 25 Gramm Cannabis als Eigenbedarf bei sich führen.

Nur kurze Zeit später rückt ein ehemaliges NVA-Gelände in Relzow bei Anklam (Mecklenburg-Vorpommern) in den Fokus. Denn dort plant eigenen Angaben zufolge die Deutsche Anbaugesellschaft GmbH (DAG), den größten Cannabis-Standort der Bundesrepublik zu errichten. Dabei fiel die Wahl auf den Standort nicht zufällig, denn es handle sich um ein großes, zusammenhängendes Areal, sämtliche vorhandene Hallen seien mit Solaranlagen ausgestattet und zudem gebe es eine weitere Photovoltaikanlage auf dem Gelände.

Anbau von Cannabis: Automatisierte Bewässerung

Die ersten Stecklinge setzen möchte das Hamburger Unternehmen ab dem 1. Juli dieses Jahres, wenn nach den neuen Regelungen Anbauvereinigungen, sogenannte Cannabis-Social-Clubs, THC-haltige Hanfpflanzen selbst anbauen können. Dann stelle die DAG in Relzow für die Clubs nicht nur die Flächen für den Anbau zur Verfügung, sondern auch die entsprechende Technik wie etwa ein voll automatisiertes Bewässerungssystem.

Im Gegenzug werde eine Art Mietzahlung fällig. Langfristig sollen Vereine mit der Zeit jährlich bis zu 100 Tonnen sogenanntes Genuss-Cannabis vor Ort anbauen können, erklärt DAG-Geschäftsführer Christian Tonn. Dafür stünden auf dem gepachtetem Gelände 35 geschlossene Hallen mit einer Gesamtfläche von 120.000 Quadratmetern (12 Hektar) zur Verfügung.

Hanf-Farm: Ernte fünfmal im Jahr

Das Interesse für das System sei groß. Es gebe nicht nur Anfragen von Clubs aus der Region, sondern deutschlandweit, berichtet Tonn. Bis zu fünf Mal im Jahr könnten die Pflanzen geerntet werden. Anschließend müssten sie zwei Wochen getrocknet werden, bevor sie weiterverarbeitet, verpackt und verkauft werden können.

Doch bis es so weit ist und der professionelle Anbau beginnen kann, gilt es noch einige Hausaufgaben zu erledigen, erklärt der Geschäftsführer: „Wir haben zwar gute Voraussetzungen an dem Standort mit den ganzen Flächen. Aber die Herausforderungen liegen vor allem beim Ausbau, der Organisation und der Logistik.“

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Hanf auf Feld
Je nach Standortbedingungen entwickelt sich die Biomasse (u.). (c) Linda Lechner

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Alltag für Landwirte: Zwischen Bürokratie und Bürokratismus

Viele Landwirte klagen über die Bürokratie in Deutschland. In Thüringen und Sachsen wurden jetzt Vorschläge unterbreitet, wie dieser Bürokratismus in der Landwirtschaft reduziert werden kann. Was das bedeutet, kommentiert Claudia Duda.

Von Claudia Duda

Vorschriften, Anträge, Auflagen und Dokumentationspflichten – die Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland und in der gesamten Europäischen Union beklagen die Vielzahl von bürokratischen Regeln, die den Arbeitsalltag enorm einschränken. Laut einer Online-Umfrage aus dem Jahr 2023 fühlen sich Bäuerinnen und Bauern am meisten gestresst von fachlich unsinnigen Regeln, unverständlichen Formularen, umfangreichen Dokumentationspflichten, einem schlechten Angebot zur digitalen Datenerfassung und zeitaufwendigen Kontrollen. Dazu kommt Angst, etwas falsch zu machen.

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Bürokratie: Landwirte haben Angst, etwas falsch zu machen

Bei der Recherche habe ich folgende positive Definition des Wortes „Bürokratie“ gefunden: „Bürokratie ist die Organisationsform von Staaten oder Unternehmen, die der Rationalisierung und Optimierung von Verwaltungsaufgaben dient.“ Ziel sollte also die Verbesserung der Situation, des Ertrages und der Arbeitsumstände sein. Die meisten Landwirte haben allerdings das Gefühl, dass die Regelungswut eher zur Verschlechterung der Umstände beziehungsweise zur „Verschlimmbesserung“ des Arbeitsalltags führt. Tatsächlich wird das Wort Bürokratie oft gleichgesetzt mit Kurzsichtigkeit, Kleinigkeitskrämerei oder auch Beamtenherrschaft. Dabei darf man Bürokratie nicht mit „Bürokratismus“ verwechseln. Unter Letzterem versteht man ein Übermaß an staatlichen Eingriffen, die zu unnötigem Aufwand bei den Betroffenen führen und die Innovationskraft in der Wirtschaft bremsen.

EU-Vorschriften: Bürokratie für Landwirte soll abgebaut werden

So viel zur Theorie. Im Zuge der Bauernproteste haben nun auch die meisten Politiker erkannt, dass die Betroffenen völlig zu Recht einen überbordenden Bürokratismus beklagen. Nicht nur Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) versprach bei der großen Demonstration vor dem Brandenburger Tor in Berlin Verbesserungen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat auf der Grünen Woche Verständnis für die Landwirte geäußert und Entlastungen zugesagt. Und beim EU-Gipfel hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) kürzlich weniger Bürokratie in Aussicht gestellt. Sie wolle den Mitgliedsländern demnächst einen Vorschlag machen, „um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren“, hieß es in Medienberichten.

Ärger um Direktzahlungen in Sachsen

Das Vertrauen in echte Veränderungen ist allerdings gering. Parallel wächst die Unzufriedenheit. Bestes Beispiel dafür sind die Probleme bei den Überweisungen der Direktzahlungen in Sachsen. Die komplizierten Regelungen und der damit verbundene Aufwand haben (nach Aussage des Ministeriums) dazu geführt, dass das Softwareprogramm nicht richtig arbeitete. Und weil es noch bei der Antragsstellung nur eingeschränkt funktionierte und keine Plausibilitätsprüfung anbot, wurden die Landwirte im Antragsprozess nicht auf mögliche Fehler aufmerksam. Das führt jetzt zu Kürzungen.

Verbände in Thüringen und Brandenburg unterbreiten Vorschläge

In Thüringen und Brandenburg sind die Verbände dagegen jetzt selbst aktiv geworden und haben ihren jeweiligen Landesregierungen Vorschläge zum Bürokratie-Abbau unterbreitet. Die Zeit dafür könnte nicht besser sein. In beiden Ländern werden im September neue Landtage gewählt. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat die Agrarpolitik deshalb kurzerhand zur Chefsache erklärt und zahlreiche Verbesserungen versprochen. Diese auch einzufordern und sich aktiv an dem Veränderungsprozess zu beteiligen, ist allemal besser, als weiter zu leiden und am Ende vielleicht vor dem Bürokratismus zu kapitulieren.

Chefredakteurin Bauernzeitung Claudia Duda
Chefredakteurin der Bauernzeitung Claudia Duda (c) Sabine Rübensaat

Kommentar aus der Ausgabe 08/2024

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Bei der Auszahlung der Agrarbeihilfen hat die sächsischen Agrarverwaltung aus Sicht der Landwirte zu scharf gekürzt. (c) Sabine Rübensaat.

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Praxispartner aus Thüringen startet in den Frühling: Frost, Holz und Zeitverlust

Die Agrargenossenschaft Teichel bereitet sich auf den Frühling vor. Der Praxispartner der Bauernzeitung in Thüringen hat die erste Gülle ausgebracht. Aber viele Felder stehen unter Wasser und Böden sind aufgeweicht.

Von Frank Hartmann

Es geht in der Agrargenossenschaft Teichel wieder auf das Feld. Erste Flächen für die Sommergerste sind gegrubbert. Auf einer Weizenstoppel, ebenso für Sommergerste reserviert, konnte vorige Woche gepflügt werden, „was wir eigentlich im Dezember hätten machen können, gäbe es da nicht die neue Begrünungsverpflichtung“, merkt Pflanzenbauvorstand Eric Engelmann an.

Um den 3. Februar waren Flächen befahrbar, sodass der Dienstleister Gülle ausbringen konnte. „In unserem Lager hatten wir noch Luft für zehn Tage. Damit war es knapp, aber nicht brenzlig“, beschreibt Engelmann die Situation. 30 ha Weizen und 30 ha Feldgras erhielten so eine organische Düngergabe, was im Lager Platz schuf.

Praxispartner aus Thüringen: Frost hat Spuren hinterlassen

Mit Sorge blickt Engelmann auf einige Winterrapsbestände. Hier hat der wenige, aber heftige Frost Spuren hinterlassen: „Ich hoffe noch, dass wir auf den zusammen 35 Hektar nicht umbrechen müssen.“ Nach den Niederschlägen der vorigen und den höheren Temperaturen zu Beginn der laufenden Woche, wollte Engelmann die drei betroffenen Schläge in diesen Tagen ablaufen und die Pflanzen bonitieren. Im Falle des Umbruchs seien Alternativen knapp, nicht nur, weil kaum Saatgut am Markt verfügbar ist: „Wir setzen auf die Ökoregelung Zwei, die vielfältige Fruchtfolge.

Praxispartner Agrargenossenschaft Teichel
Praxispartner Agrargenossenschaft Teichel: Pflanzenbauvorstand Eric Engelmann unterwegs. (c) Frank Hartmann

Der Raps ist als Hauptkultur dabei fest eingepreist.“ Zwar biete die GAP-Direktzahlungen-Verordnung beim Anbau von mehr als fünf Hauptfruchtarten mit dem Zusammenfassen der Mindestanteile theoretisch einen Ausweg. Der Teufel, weiß Engelmann, stecke aber stets im Detail. Und darüber brüte er jetzt noch. Dass man die Betriebe mit Änderungsplänen zur Stilllegungsverpflichtung wieder mal verrückt macht, ärgert Engelmann: „Wir haben knapp 70 Hektar dafür ausgewählt und für etliche davon auch Saatmischungen gekauft, auch, um Verpächter nicht zu verärgern. Bei der akuten Unklarheit läuft uns die Zeit davon. Aus meiner Sicht wäre es am besten, wenn wir freiwillig stilllegen könnten. Denn wir wollen uns den finanziellen Anreiz, den die Ökoregelung Eins für wenig produktive Acker- beziehungsweise Splitterflächen bietet, nicht nehmen lassen.“

Start in den Frühling: Böden in Thüringen sind aufgeweicht

Obwohl er „wirklich genug zu tun“ habe, hält Engelmann ein aktuelles Ärgernis auf Trapp: „Mit dem massiven Schadholzeinschlag wurden auf mehreren Weideflächen an Waldrändern Polter angelegt, ohne uns zu fragen. Zum Teil wurde das Holz bereits abtransportiert und Reste auf den Flächen belassen. Aufgrund der aufgeweichten Böden sehen einige Weiden jetzt aus wie Panzerstraßen. Ich bin also dabei, die Waldeigentümer zu ermitteln. Denn auf den Schäden wollen und können wir nicht sitzenbleiben. Parallel prüfen wir, ob es sich um Pachtflächen handelt. Die Eigentümer müssen informiert werden“, schimpft Engelmann ob des Aufwands und fehlenden Miteinanders.

Praxispartner aus Thüringen vor dem Frühling: Wasserwagen repariert

Im Mutterkuhstall wächst derweil die Charolais-Herde. Ende voriger Wochen standen noch 17 Abkalbungen aus. Herdenmanager Jens Schmidt bestätigt, dass alles nach Plan laufe. Zwei neue Bullen sind gekauft. Einen genetisch hornlosen erwarb er auf der Auktion in Alsfeld für 4.500 Euro. „Bei einem interessanten, zweiten Bullen musste ich beim Bieten jedoch aussteigen.“ Den noch fehlenden Bullen verkaufte ein bekannter Züchterkollege. Insgesamt stehen damit vier Bullen zu Verfügung. Nebenher wurden die Wasserwagen für die Weidesaison auf Vordermann gebracht.

Praxispartner Agrargenossenschaft Teichel
Praxispartner Agrargenossenschaft Teichel: Neue Mieterin in Neckeroda: Sandra Lippert mit Vorstand Stefan Blöttner. (c) Frank Hartmann

Am Standort Neckeroda hat der Betrieb seit Kurzem eine neue „Mieterin“. In einer leerstehenden, soliden Scheune hat Sandra Lippert mit ihren Schafen, Ziegen und Herdenschutzhunden Quartier bezogen. Als Ein-Frau-Betrieb hat sie sich auf Landschaftspflege im Naturschutz in schwierigem Gelände oder für die Pflege von Freiland-PV-Flächen spezialisiert (www.landschaftspfleger-mit-biss.com). Vorstand Dr. Stefan Blöttner freut sich, der Kollegin geholfen zu haben und gleichzeitig eine kleine Miete einnehmen zu können.

Agrargenossenschaft Teichel: Beteiligung am Protest-Camp in Erfurt

Im Betriebsteil Neckeroda war bis Mitte vorigen Jahres noch die Jungrinderaufzucht zu Hause. „Aus Liquiditätsgründen haben wir einen Teil der Jungrinder verkauft. Für die verbliebenen, die bis Ende Juni die Remontierung der Milchviehherde sichern, bietet Teichröda genug Platz.“ Wie die Ställe am Standort in Neckeroda künftig genutzt werden, sei noch offen. „Derzeit sprechen wir mit Betrieben in der Region, ob und wie sie unsere Jungrinderaufzucht in Dienstleistung übernehmen“, sagt Blöttner. Es selbst weiter zu betreiben, sei zu teuer.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Direktvermarktungs-Mannschaft mit Sitz in Haufeld in der vorigen Woche das Protest-Camp des Thüringer Bauernverbandes (TBV) vor dem Landtag in Erfurt mit Knackwürsten und Gulaschsuppe versorgte. Beide wurden gelobt.

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