Unternehmensberater Arno Reis ist bekannt für klare Worte. Im Interview mit der Bauernzeitung fordert er die Abschaffung aller Direktzahlungen aus Brüssel – und damit einen radikalen Umbruch in der Landwirtschaft.
Herr Reis, wer Ihre Beiträge liest, könnte meinen, Sie geben der Landwirtschaft nur in Konzernstrukturen eine Zukunft.
Dann hat er (oder sie) nicht gründlich gelesen. Ich bin Betriebs- und Volkswirt. Für mich zählt die Ökonomie, im Kleinen wie im Großen. Und deshalb wehre ich mich dagegen, wenn man Unwahres über bestimmte Betriebsstrukturen behauptet, nur weil man sie politisch nicht mag.
Sie vermissen klare Ziele, die die Agrarpolitik vorrangig verfolgt. Was schlagen Sie denn vor?
Wenn wir offen reden wollen, dann führt kein Weg daran vorbei, alle Direktzahlungen zu streichen, einschließlich der für Umweltleistungen. Landwirte haben wenig davon, im Gegenteil: Die Direktzahlungen sind Treiber der Boden- und Pachtpreise. Zugleich sind sie eine Lebensmittelsubvention mit der Gießkanne. Jeder in der EU kauft Nahrungsmittel, die mit ihnen subventioniert werden, ob er bedürftig ist oder nicht.
Zur Person
Arno Reis ist Inhaber der „DenkFabrik“ in Elmenhorst bei Rostock und seit der Wende als Unternehmensberater in Ostdeutschland tätig.
Aber wie lassen sich denn ohne Greening Umweltziele mit der Agrarpolitik erreichen?
Die Frage ist, ob Agrarpolitik das muss. Sicher sind Anreize wichtig, aber zunächst muss das Ordnungsrecht funktionieren. Bestehende Gesetze müssen strafbewehrt sein und angewendet werden. Neue Gesetze sind in Abstimmung mit der betroffenen Landwirtschaft zu beschließen, ihre Einhaltung ist zu kontrollieren. Mit dem Wegfall der Direktzahlungen werden Agrarministerien überflüssig. Die nötigen Aufgaben können andere Ressorts übernehmen. Entscheidend für die Zuordnung ist dann die Frage, welche Aufgabe die Landwirtschaft jeweils erfüllen soll. Die Produktion von Nahrung, Rohstoffen und Energie wäre Sache des Wirtschaftsministeriums, das Entwicklungsministerium könnte den Beitrag der hiesigen Landwirte zur weltweiten Ernährungssicherung steuern und das Umweltministerium die Umweltaufgaben regeln. Wichtig ist letztendlich die klare wirtschaftliche Perspektive für die Betriebe.
Für viele sind Direktzahlungen lebenswichtig.
Mindestens ebenso viele wollen ihr Einkommen lieber am Markt erzielen. Das könnten sie dann. Die Produkte werden zu Vollkosten verkauft und eingekauft. Daraus ergibt sich in den Betrieben der Zwang zu mehr Wirtschaftlichkeit, was einen Innovationsschub auslösen und das Management qualifizieren wird. Bezieht der Handel Importe aus Ländern, die ihre Landwirtschaft weiter subventionieren, werden diese Spannen an den EU-Außengrenzen abgeschöpft. Zugleich stützt Brüssel Exporte in subventionierte Länder in Höhe der dortigen Subventionen. Geld dafür und ebenso für Zuschüsse an bedürftige Verbraucher ist reichlich vorhanden, zum einen aus dem bisherigen EU-Agrarhaushalt und zum anderen aus den eingesparten Bürokratiekosten.
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Da fallen uns sofort viele Wenns und Abers ein.Was steht aus Ihrer Sicht solchen radikalen Veränderungen am meisten entgegen?
Zunächst die fehlende Unterstützung in der Bevölkerung, weil Lebensmittel teurer werden könnten, wenn auch nur geringfügig. Dann aber schon die Furcht vieler Landwirte vor dem Markt. Sie haben sich – von immer noch überschaubaren Ausnahmen abgesehen – an das Abliefern gewöhnt und müssten das Vermarkten lernen. Ein echtes Hindernis ist die mangelnde Marktmacht der Primärproduzenten gegenüber den Einkäufern des Handels. Und nicht zu unterschätzen ist der Widerstand der Agrarbürokratie, die viel Geld verteilen darf, in der EU und in den Mitgliedsstaaten bis hin zu den Bundesländern. Vor allem aber fehlt es an politischen Visionären, die es verstehen, mit einem klaren Bild von der Zukunft der Landwirtschaft andere zu überzeugen.
Interview: Ralf Stephan
Agrarbericht: Wo bleiben die Visionen?Sein Beitrag über Investoren hatte Arno Reis viel Kritik eingebracht. Beim Verfassen einer Stellungnahme stieß er auf den Agrarbericht der Bundesregierung für 2019. Herausgekommen ist eine weitere Abrechnung.
Das ablaufende agrarpoltische Jahr ist geprägt durch populistischen Aktionismus auf Nebenschauplätzen. Aber es mangelt an agrarpolitischen Visionen ebenso wie an mitreißenden Visionären. Stattdessen werden Ziele formuliert, die sehr historisch anmuten. Realistische Folgeabschätzungen fehlen – eher gibt es ein munteres Wünsch-dir-was.
Sinn und der Zweck der Landwirtschaft in Deutschland, in der EU und weltweit sind dabei aus dem Fokus geraten. Sie bestehen nämlich darin, agrarische Primärprodukte für Nahrungsmittel bereitzustellen. Und dass Einkommen im Agrarbereich keine Belohnung der reinen Existenz (Flächenprämie) sein sollten, sondern der Lohn unternehmerischer, landwirtschaftlicher Güterproduktion, gerät aus dem Blickfeld.
Woran liegt es, dass solche Leitlinien verblassen? Im Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung 2019 werden unter „Leitbild für eine zukunftsfähige Agrarpolitik“ Allgemeinplätze benannt, es gibt sozusagen für alle etwas. Was in der Aufzählung fehlt, ist eine Wertehierarchie. Was ist besonders wichtig? Zudem fehlt eine
Vision.
Die Wiederholungen der Begriffe „Nachhaltigkeit“ oder „nachhaltig“ im Agrarbericht mag man nicht zählen. Wahrscheinlich hat kein Landwirt die „Deutsche Nachhaltigkeitsstragie“, zuletzt aktualisiert 2017, gelesen. Geschweige denn, ein Landwirt hat darin mitgewirkt. Diese Strategie liest sich wie die akademische Ausarbeitung vieler Staatssekretäre.
Zur elementaren Frage dagegen macht der Agrarbericht der Bundesregierung zur Arbeit ihrer Landwirtschaftsministerin keine Aussage. Die lautet: Was sollen und können Landwirtschaft und der ländliche Raum leisten?
Schon 2014 hatte die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Bodenmarktpolitik“ festgestellt, dass eine Zielstruktur letztmalig im Agrarbericht 1990 detailliert veröffentlicht wurde. Nach 29 Jahren ist eine Überarbeitung unter Einbeziehung der selbstbewusst gewordenen Landwirte dringend überfällig. Hinzu gekommen sind inzwischen neue Fragen wie:
Zur Person
Arno Reis ist Inhaber der „DenkFabrik“ in Elmenhorst bei Rostock und seit der Wende als Unternehmensberater in Ostdeutschland tätig.
Davon abgeleitet werden Antworten auf die Frage erwartet, wie der Hunger gestillt werden soll, wenn gleichzeitig weltweit die verfügbare Agrarfläche schrumpft. Der weltweite Verlust an landwirtschaftlicher Fläche soll derzeit zehn Millionen Hektar pro Jahr betragen. Dieser Verlust beginnt bereits in der Bundesrepublik durch Be- und Überbauung mit der Folge des gekoppelten Entzugs durch Ausgleichsflächen. Und durch Erosion, durch Klimawandel. Oder durch Umweltmaßnahmen, die Flächen ganz oder teilweise der landwirtschaftlichen Nutzung entziehen. 2014 stellte die eingangs genannte Arbeitsgruppe fest, dass über den konkreten Umfang der für Ausgleichs- und Ersatzmaßnamen in Anspruch genommenen Landwirtschaftsfläche keine Angaben vorliegen.
„Der Agrarbericht vermittelt den Eindruck, wir seien auf einer Insel der Agrarseligen“
Auch durch ökologische Landwirtschaft gehen Flächen de facto verloren, da – je nach wissenschaftlichem Gutachten – 25 bis 40 % mehr Fläche für die gleiche Ertragsmenge benötigt wird. Und die Folgenabschätzung? Absicht des Ministeriums ist es, den Flächenverbrauch durch „außerlandwirtschaftliche Flächeninanspruchnahme“ auf 30 ha pro Tag, also rund 11.000 ha im Jahr zu begrenzen.
Und warum eigentlich gibt es keinen ressortübergreifenden Bericht der Ministerien für Entwicklungshilfe und für Landwirtschaft? Keine Antwort ist auch eine Antwort. Der Jahresbericht der Bundeslandwirtschaftsministerin vermittelt den Eindruck, Deutschland und die EU seien eine Insel der Agrarseeligen. Dabei sind vor den Toren Europas die Fluten der Hungerflüchtlinge absehbar.
Für das Ministerium stehen „familiengeführte Unternehmen im Mittelpunkt“, heißt es im Agrarbericht. Gleichzeitig ist „die breite strukturelle Vielfalt der Rechtsformen und Produktionssysteme … zu erhalten.“ Ja, was denn nun?
Die Machtkaskade beim Einkauf bleibt dabei außen vor: Die Marktmacht des Handels dominiert die Lebensmittelproduzenten. Die Aufkaufmacht der Lebensmittelproduzenten dominiert die atomisierten landwirtschaftlichen Primärproduzenten. Die Landwirtschaft als schwächstes Glied in der Wetschöpfungskette. Und das ist ein Leitbild?
Während Wirtschaftsminister Peter Altmaier industriepolitische Champions fördern und schützen will, wird das Idyll landwirtschaftsferner Großstädter in Form familiengeführter Kleinbetriebe gefördert. Der Wirtschaftsminister würde im Oktraeder springen, müßte er verkünden, dass internationale Champions in Deutschland politisch nicht mehr gewollt sind, sondern Kleinbetriebe, die nur um ihren Schornstein herum wirtschaften und die enge Region am Leben erhalten. Das wäre nichts anderes als die Rückkehr zu heimischen Webstühlen und Hammerwerken am Bach.
„Breite Streuung des Bodeneigentums für die Landwirtschaft sicherstellen“. Aber: Die Agrarflächen sind bereits in der Bewirtschaftung verteilt. Was ist nun wichtiger: breites, atomisiertes Bodeneigentum oder die effiziente Erzeugung landwirtschaftlicher Primärprodukte? Auch hier fehlt eine Wertehierarchie.
Sollen zum Zweck des breit gestreuten Bodeneigentums Großbetriebe zerschlagen werden? Um das ins Gespräch zu bringen, wird die Wirklichkeit verbogen beziehungsweise umgedeutet. Unterstellt wird ihnen eine Spekulation mit landwirtschaftlichen Flächen, begründet mit den Preissteigerungen, die solche Geschäfte lukrativ machen würden.
In seiner Erwiderung auf meinen Beitrag in der Bauernzeitung nennt das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), Referat Bodenmarkt, eine Preissteigerung von Agrarflächen zwischen 2005 und 2018 um 193 % im Bundesschnitt, also eine knappe Verdoppelung. Der Agrarpolitische Bericht gibt dagegen die Preissteigerung mit „über 170 %“ an. Was gilt denn nun? Gänzlich verschwiegen wird, dass die höchsten Preise in den westlichen Bundesländern bestehen. Beispiel Bayern: 2018 betrug der Durchschnittswert hier 65.000 €/ha, der Höchstwert 166.000 €/ha. Im Vergleich dazu Mecklenburg-Vorpommern, das Land mit den höchsten Bodenwerten im Osten: 20.800 €/ha im Durchschnitt. Wer spricht da von gleichwertigen Lebensbedingungen?
Und im Übrigen: Wer treibt in den ostdeutschen Bundesländern die Pacht- und Kaufpreise hoch? Die bundeseigene BVVG – sie ist zugleich das Preisvorbild privater Landverkäufer und -verpächter. Davon kein Wort in der Erwiderung. Unterstellt wird darin hingegen, ich hätte den Landkauf als Verlustgeschäft bezeichnet. Berechnet habe ich, dass der Kauf von risikoarmen ETFs auf den Aktienindex des S&P 500 in den letzten Jahren profitabler als ein Landkauf gewesen wäre. Tatsache ist: Im Zeitraum 2005 bis 2018 hätte man mit ETFs eine Wertsteigerung um das 2,3-fache erzielt – deutlich mehr, als der Agrarbericht für den Bodenmarkt aus-
weist. Tatsache ist auch, dass man dem Landkauf in Form von Unternehmenskauf Verluste oder Mindergewinne der letzten drei Jahre gegenrechnen muss.
Seit dem Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Bodenmarktpolitik“ aus dem Jahr 2014 geistert das Gespenst der „überregional agierenden Holdingstrukturen“ durch die politische Landschaft. Das Ministerium bezieht sich gerne auf Studien des Thünen-Institus. Der methodische Fehler, nicht die Familientradition von Investoren mit landwirtschaftlichem Hintergrund zu untersuchen, wird mit der Bemerkung weggewischt, das seien Ausnahmefälle. Andererseits wird betont, dass Investoren und vermeintliche Holdingstrukturen „Black Boxes“ sind. So undurchschaubar, wie dargestellt, sind die Unternehmensstrukturen jedoch oft gar nicht. Wer mehr über sie wissen will, findet übrigens in Datenbanken wie www.northdata.de recht präzise Auskünfte und muss nicht länger spekulieren.
Was, darf man bei allem fragen, ist denn falsch, wenn es um leistungsfähige, finanzstarke (und Landwirtschaft ist nun mal auch ohne Landkauf kapitalintensiv), fachlich bestqualifizierte Primärproduktion geht? In den ostdeutschen Bundesländern stehen branchenfremde Investoren zudem in Konkurrenz zu hochqualifizierten Führungskräften aus DDR-Zeiten, die ebenfalls als Investoren agieren.
Unter der Überschrift „Stoppt die Investoren?“ kritisierte der Unternehmensberater Arno Reis (Bauernzeitung 43/2019), Politik und Medien würden wider besseres Wissen ein falsches Bild von der Wirkung branchenfremden Kapitals in der Landwirtschaft zeichnen. Daraufhin verfasste das Referat Bodenmarkt des Bundeslandwirtschaftsministeriums eine ausführliche Erwiderung (Bauernzeitung 46/2019, S.20).
In der Erwiderung des BMEL wird zur Abschreckung die KTG Agrar SE erwähnt. Der Initiator Anton Hofreiter stammt aus einer Familie, in der über Generationen Landwirtschaft betrieben wurde – und mit dem, was man oft Bauernschläue nennt, hat er geldgierige Kapitalanleger über den Tisch gezogen. Will man mit diesem schlechten Beispiel alle Investoren in einen Topf werfen?
Bezweifelt wird, weil es offenbar nicht in die ministerielle Sicht passt, dass Investoren sich stärker in das Umfeld einbringen und regionale Verantwortung tragen. Der Geschäftsführer eines Investorenunternehmens schlug dem Agrarminister seines Bundeslandes kürzlich im persönlichen Gespräch vor, eine Runde mit anderen Investoren zu installieren, um dort zu diskutieren: Was können wir gemeinsam für dieses Land tun? Es passierte – nichts. Schade um die Idee. Man könnte sie aufgreifen und die Fragestellung erweitern: Was können die Großunternehmer tun, um Landwirtschaft in Entwicklungsländern, in Ländern mit Ernährungsmangel, unterstützen und zu fördern?
Sowohl im Agrarpolitischen Bericht als auch in der Erwiderung des BMEL auf meinen Beitrag werden unbewiesene und teilweise falsche Behauptungen aufgestellt. Etwa zur Steuerpflicht bei Bodenkäufen. Wer im BMEL nur im Kästchen „Bodenmarkt“ denkt, sieht vielleicht nicht, dass bei jedem Unternehmenskauf Grunderwerbsteuer nach § 1 GrEStG anfällt. Die Ausnahmereglung beim Anteilserwerb unter 95 % ist gültiges Gesetz und wird meiner Kenntnis nach in der Landwirtschaft nur selten angewendet. Es wird also kein Bundesgesetz unterlaufen – auch nicht bei der Grundstücksverkehrsgenehmigung, denn sie ist nach geltendem Recht beim Share-Deal nicht erforderlich.
Weiterhin wird behauptet, „die Aktivitäten der überregionalen Investoren (führen) zu einem Abfluss von Wertschöpfung“. Was ist gemeint? Ausgeschüttete Unternehmensgewinne? In den drei letzten schlechten Jahren sicherlich nicht. Aber auch, wenn am Ende kein Gewinn abgeführt werden kann, fließen zuvor erhebliche Gelder in die Region.
Selbst wenn politisch ungeliebte Investoren Agrarbetriebe kaufen, die sich zu Lasten der Mitglieder mit Land vollgesogen haben, wenn diese Betriebe für „normale“ Landwirte nicht mehr bezahlbar sind, selbst dann fließt viel Geld in die Region. Nämlich an die verkaufenden Mitglieder. Damit wird dann das durch Einkommensverzicht schmale Einkommen oder die kleine Rente aufgebessert. Und der Veräußerungsgewinn wird, je nach persönlicher Steuersituation, beim Finanzamt vor Ort versteuert. Wer will das verwehren? Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister meinte in diesem Sommer, das publizistisch als „„Manchesterkapitalismus in Reinkultur“ abqualifizieren zu müssen.
Oft sind die erworbenen Betriebe Sanierungs-, zumindest Optimierungsfälle. Diese Aufgaben gehen einher mit Investitionen in die Region. Auch wenn Betriebszweige wegen Unrentabilität geschlossen werden, ist damit nicht der Untergang verbunden. Die Entscheidung führt oft dazu, dass die Zukunft anderer Arbeitsplätze gesichert ist. Oft kommen auch neue Geschäftsfelder mit neuem Personalbedarf hinzu. Auf mittlere Sicht fließt eher Geld in die Region. Wer hat denn etwas dagegen, dass sich das eingesetzte Kapital auch durch Gewinnausschüttungen langfristig verzinst?
Im Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung wird Bezug genommen auf die „Mitteilungen der Kommission zu Auslegungsfragen über den Erwerb von Agrarland und das Unionsrecht“, aus der abgeleitet werden soll, dass „Märkte für Agrarland … reguliert werden müssen.“ Da haben die Autoren die Mitteilungen aus Brüssel offenkundig nur unvollständig gelesen, denn:
Wie eine Monstranz trägt man die Frage der unbekannten Höhe der EU-Zahlungen an die Holdings vor sich her. Doch die Zahlungen erhält nicht irgendeine Holding, sondern der einzelne Betrieb. Die Frage wirkt wie populistischer Hass auf Größe, verbunden mit Mitleid für die Kleinen. Die These, dass flächenbezogene Direktzahlungen nicht bei den Empfängern verbleiben – also nicht gewinnwirksam werden – bestätigte bereits 2014 die schon mehrfach erwähnte Bund-Länder Arbeitsgruppe zur Bodenmarktpolitik: „Es ist davon auszugehen, dass zumindest ein Teil der Direktzahlungen zu einer tendenziellen Erhöhung der Pachtpreise und Druck auf den Bodenmarkt führt.“
Realistisch sieht die Arbeitsgruppe Vorteile von Holdings. Es handelt sich jedoch um vermeintliche Vorzüge, denn Einzelbetriebe können dieselben Effekte ebenfalls erzielen:
Nicht erwähnt wird, dass die Direktzahlungen eine Kompensation für zu niedrige, weil in der Regel nicht kostendeckende Abgabepreise sind, die zu niedrigen Konsumgüterpreisen führen.
Die Cross-Compliance-Auflagen zerpflückte der Ökonom Friedrich Heinemann: „Ihre Regeln verlangen überwiegend bloß die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Sie schaffen deshalb kaum Anreize, rechtlich verbindliche Vorgaben zu übertreffen. Der Landwirtschaft wird hier gegenüber anderen Sektoren ein erstaunliches Privileg zuteil: Betriebe erhalten einfach dafür Geld, dass sie Gesetze beachten. Man stelle sich in der Diskussion über den Abgasskandal in der Automobilindustrie einmal vor, die Bundesregierung zahlte künftig diesen Unternehmen dafür Prämien, dass sie kein Recht brechen. Die Cross-Compliance-Regeln folgen diesem bizarren Ansatz.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16.11.2018).
Auch angesichts solcher Fundamentalkritik drängt es mehr denn je, politische Antworten auf die Frage nach der Zukunft der Landwirtschaft zu finden. Weder der Agrarbericht noch die verfehlte Debatte um Agrarstrukturen können sie jedoch liefern.
Handgemachter Käse aus BollewickMit seiner Käsemanufaktur Müritz betritt Matthias Westerfeld als Unternehmer Neuland. Seine Produkte wird der ausgebildete Landwirt und handwerkliche Milchverarbeiter erstmals auf der Grünen Woche vorstellen.
Von Gerd Rinas
Wenn am 17. Januar auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin in der Messehalle 5.2b die Ernährungswirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns ihr großes Schaufenster öffnet, wird erstmals die Käsemanufaktur Müritz aus Bollewick ihre Produkte vorstellen. Geschäftsführender Gesellschafter des Start-up ist der 39-jährige Matthias Westerfeld.
Der gebürtige Dortmunder hat eine landwirtschaftliche Ausbildung durchlaufen, ist staatlich geprüfter Wirtschafter und Landwirt mit Ausbildungseignung. Lange schien es, als würde die Landwirtschaft sein Berufsleben prägen. „Ich habe bei einem Betriebs- und Familienhilfsdienst in Nordrhein-Westfalen gearbeitet, später als Herdenmanager und Eigentümer von zwei Milchviehbetrieben. Allerdings waren die Aussichten in der Milchproduktion in den vergangenen Jahren nicht gut, die Wertschöpfung unbefriedigend“, bilanziert Westerfeld. Deshalb entschloss sich der durch und durch unternehmerische Landwirt, seiner beruflichen Zukunft eine neue Richtung zu geben.
Anfang 2018 verkaufte er seine beiden Milchviehbetriebe mit 630 Kuhplätzen und begann sein Projekt „Käsemanufaktur“. „Melken und Füttern, Rohmilch in der entsprechenden Menge und Qualität zu produzieren, das hatte ich gelernt. Aber die Milch zum Konsumenten zu bringen, daraus handwerklich Produkte herzustellen, die am Markt nachgefragt werden, das war neu für mich“, so Westerfeld. Dafür setzte er sich noch einmal zweieinhalb Jahre auf die Schulbank und machte beim Verband für handwerkliche Milchverarbeitung e.V. in Wangen (Allgäu) berufsbegleitend seinen Abschluss als Fachagrarwirt für handwerkliche Milchverarbeitung.
Bei der Suche nach einem Standort für seine Käsemanufaktur wurde er in Bollewick an der Müritz fündig. Dort wirtschaftet seit 2004 Landwirt Henk van der Ham. Zu seinem Milchviehbetrieb gehören mittlerweile 430 ha LF. Seine 230 melkenden Kühe kamen im vergangenen Wirtschaftsjahr auf eine Milchleistung von rund 9 000 kg pro Kuh und Jahr. Seit 2015 setzt van der Ham auf Direktvermarktung. Erst im vorigen Monat hat der Landwirt in einem Edeka-Markt im 85 Kilometer entfernten Bützow einen weiteren Rohmilchautomaten aufgestellt. „Die Nachfrage ist gut. Wir verkaufen täglich 100 Liter Milch, an den Wochenenden 150 Liter“, freut sich van der Ham, der auch Energiewirt ist: Mit seiner 600-kW-Biogasanlage versorgt er viele Häuser in Bollewick mit Wärme.
Als Matthias Westerfeld van der Ham fragte, ob er bei ihm Milch für seine Käsemanufaktur beziehen könnte, willigte der Landwirt sofort ein. „Die Idee für eine Käserei hatte ich auch schon im Kopf. Aber so ist es auch okay“, so der Milchbauer, der sich in der Region einen guten Ruf erarbeitet hat. Van der Ham gab Westerfeld auch den Tipp, den Kontakt zu Bertold Meyer zu suchen. Der langjährige Bürgermeister von Bollewick hat viele zukunftsweisende Projekte in der Region mitangeschoben.
So auch dieses Mal. In den „Gläsernen Landwerkstätten“ des Schlacht- und Zerlegebetriebs Thönes Natur-Verbund Müritz, gleich gegenüber der bekannten Bollewicker Feldsteinscheune, waren Gewerberäume frei. Dank großer Glaswände taghell und wie geschaffen für Westerfelds Plan, seinen Betrieb als Schaumanufaktur einzurichten. Mittlerweile ist das Werk fast vollbracht, Handwerker legten vor Weihnachten letzte Hand an die Einrichtung des Kälteraums.
Schon Ende November hatte Matthias Westerfeld den ersten Käse hergestellt. Farmhouse-Cheddarkäse, Schnittkäse („Scheunenkäse“) und Camembert („Landkäse“) sollen künftig unter der Marke „Seekäse“ verkauft werden. „Seekäse ist die Steigerung von Bergkäse“, schmunzelt Westerfeld, der seine Produkte vor allem online und in Hofläden vermarkten will. Auf der Grünen Woche vom 16. bis 26. Januar in Berlin können Besucher seinen Camembert in drei Geschmacksrichtungen probieren. „Außer in der Mecklenburg-Vorpommern-Halle 5.2b sind wir auch auf dem Erlebnisbauernhof vertreten“, lädt Matthias Westerfeld Interessenten ein.
Neue Führung beim Ökohöfe e.V.Der Verein Verbund Ökohöfe e.V. hat einen neuen Vorstand gewählt und seinen langjährigen Chef, Jürgen Hartmann, verabschiedet.
Der Verbund Ökohöfe e. V. mit Sitz in Wanzleben (Bördekreis) hat auf seiner Mitgliederversammlung einen neuen Vorstand gewählt. Bestätigt wurden Thomas Handrick (Gartenbauer in Klein Quenstedt und Büroleiter Verbund Ökohöfe), Matthias Jahn (Biogärtnerei „Amselhof“, Drobitz) und Ingo Berthold (Gemüsebau „Gärtnerhof an den Heiligen Pfühlen“, Briesen (Mark)).
Neu hinzugekommen sind Dr. Ute Knust (Bio Geflügelhof Deersheim) und Florian Gaube (Obstbau Lampadius, Halle). Beide sind langjährige Mitglieder und Experten in ihren Fachgebieten.
Ausgeschieden ist Jürgen Hartmann. Er hat den Verbund Ökohöfe e. V. seit seiner Gründung aufgebaut, geleitet und weiterentwickelt. Jürgen Hartmann gilt daher ein besonderer Dank des Vereins für seine jahrelange gute Arbeit und seinen überzeugten Einsatz für den Ökolandbau in Sachsen-Anhalt und überregional. red
Konstante Milchleistung trotz Trockenheit und HitzeDie Kühe in den sachsen-anhaltischen Milchviehbetrieben haben im zurückliegenden Prüfjahr erneut mehr als 9.800 Kilogramm Milch im Durchschnitt gegeben.
Trotz witterungsbedingter Probleme durch die Trockenheit haben die Milchviehbetriebe in Sachsen-Anhalt im Kontrolljahr 2018/2019 ihre Herdenleistungen auf einem konstanten Niveau halten können. Nach Angaben des Landeskontrollverbandes für Leistungs- und Qualitätsprüfung (LKV) gab es bei der Jahresleistung je Kuh im Vergleich zum Prüfjahr 2017/2018 nahezu eine Punktlandung: Mit 9.833 kg Milch wurde das Vorjahresergebnis um genau ein Kilo Milch übertroffen. Stärker zugelegt haben die Milchinhaltsstoffe: Fett (F) um 8 kg auf 389 kg (3,96 %, +0,09 %), Eiweiß (E) um 4 kg auf 339 kg (3,45 %, +0,04 %).
Das Prüfjahr wurde mit 105.602 Kühen in der A- und B-Prüfung, darunter 89.722 Herdbuchtiere (ø 9.903 kg Milch mit 734 kg F/E), in insgesamt 323 Betrieben durch den LKV abgeschlossen. Das entspricht einem Bestand von 327 Tieren je Betrieb und einer Prüfdichte von 92,1 %. Gegenüber dem Jahr zuvor verringerte sich der geprüfte Kuhbestand um 3.958 Kühe oder 3,6 % (HB-Kühe: -2.758 oder -3,0 %), die Anzahl der MLP-Betriebe ging um 16 zurück (-4,7 %).
Mit den erreichten Ergebnissen verteidigt der LKV Sachsen-Anhalt im Vergleich der ostdeutschen Kontrollverbände bei der durchschnittlichen Milchleistung die Spitze vor Sachsen (9.815 kg). red
Für ein Leben nach dem FestSie haben einen Weihnachtsbaum im Topf und der soll jetzt nach den Feiertagen in den Garten? Wir verraten Ihnen, worauf Sie achten müssen, damit er den Umzug übersteht und wie man den üblichen, abgeschlagenen Baum richtig entsorgt.
Stellen Sie den Weihnachtsbaum im Topf nicht direkt aus dem warmen Haus in die Kälte. Denn beim Auszug aus dem Haus in den Garten muss der Baum sich erst mal an die Witterungsbedingungen gewöhnen. Ratsam ist es daher, den Baum für ein paar Tage in den Flur, unbeheizten Wintergarten oder die Garage zu stellen. Das empfiehlt Niels Reinke, Mitglied im Bund deutscher Baumschulen.
Ist es draußen dann verhältnismäßig warm, ist das Einpflanzen des Weihnachtsbaums im Garten kein Problem. Bei Temperaturen im einstelligen Bereich sollte man hingegen abwarten. Auch der Boden muss beim Einsetzen frostfrei sein – mindestens so tief, wie der Topf groß ist, rät der Experte. Danach muss der Baum regelmäßig an frostfreien Tagen gegossen werden.
Kann man den eingepflanzten Weihnachtsbaum wieder als Weihnachtsbaum nutzen? Davon rät der Baumschulenexperte Reinke ab – es sei denn, man setzt ihn mitsamt dem Topf in den Gartenboden. „Die Wurzeln werden zwar aus dem Topf herauswachsen. Aber wenn man ihn rausholt, kann man ein wenig drehen, sodass diese Wurzeln abreißen.“
Die Weiternutzung als Weihnachtsbaum ist meist nur einmal möglich – denn zum Beispiel Nordmanntannen, der Deutschen liebster Baum, legen pro Jahr 30 bis 40 cm an Höhe zu.
Erst nach einiger Zeit wird sich zeigen, ob der Weihnachtsbaum zum Hausbaum im Garten wird. Gelingt dies nicht, kann das auch an der grünen Ware selbst liegen: Viele der Gehölze wachsen in ihrem Leben vor dem Dasein als Weihnachtsbaum nur an einem Standort. Ihre Wurzeln werden bei der Ernte teils abgestochen und in einen Topf gedrückt, erläutert Niels Reinke. Diese Bäume werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht weiterwachsen. Ein Baum, der eine größere Chance auf ein Anwachsen hat, wurde in seinem Vorleben mehrfach in der Gärtnerei und Baumschule umgesetzt. Das ist eine übliche Methode, um die Bildung von Feinwurzeln anzuregen. Starker Frost kann dazu führen, dass gepflanzte Gehölze aus der Erde gehoben werden. In einem solchen Fall raten die Baumschulexperten dazu, den Wurzelballen vorsichtig wieder nach unten zu treten – allerdings muss der Boden erst wieder aufgetaut sein
Doch auch für den Weihnachtsbaum ohne Topf gibt es ein Leben nach dem Weihnachtsfest. Denn auch er kann im Garten noch sehr nützlich sein. So rät der Bund deutscher Baumschulen: Schneiden Sie die Zweige vom Baum und nutzen Sie diese als Frostschutz für empfindliche Sträucher oder Blumenkäste. Indem Sie die Pflanzen mit den Zweigen abdecken, schützen Sie sie vor Austrocknung durch die Wintersonne. Verbraucherschützer raten auch dazu, den Baum zu schreddern und mit dem Material Beete zu mulchen oder die Zweige zu kompostieren. Auch können die Zweige als Sitzstangen für Vögel oder kletterfreudige Haustiere dienen. Und wer etwas künstlerisch begabt ist, kann aus dem Holz zum Beispiel kleine Figuren schnitzen. Auch Wildtiergehege, Wildparks oder Förster freuen sich eventuell auf den ausrangierten Weihnachtsbaum. Jedoch ist es besser, vorher zu fragen, ob er auch willkommen ist. Egal ob Garten oder Wildgehege – wichtig ist, dass die Bäume nicht chemisch behandelt sind. Und natürlich müssen sie auch komplett abgeschmückt sein.
Wer keine Weiterverwendung für den Baum auf dem eigenen Grundstück hat, kann ihn auch abholen lassen. Ob und wann das geschieht, steht meist im Abfallkalender oder man erkundigt sich bei der Gemeinde bzw. dem Entsorgungsunternehmen. Dort erfährt man auch, ob der Baum in die Biotonne oder daneben gestellt werden darf. Auf jeden Fall darf er nicht am Straßenrand oder auf dem Fußweg entsorgt werden. Das kann mit Bußgeld geahndet werden – in Mecklenburg sind es zum Beispiel 40 bis 100 €, in Sachsen 25 bis 50, in Thüringen 30 bis 50 €. Und ein Abladen im Wald ist absolut tabu. Das kann in Brandenburg zum Beispiel mit einer Geldbuße bis 20.000 € (!) teuer zu stehen kommen. ba/dpa
Sprengtechnik: Ein Knall und fertigAnstelle mit Bagger oder Säge zu arbeiten, ist das Anlegen von Feuchtbiotopen und das Abtrennen der Kronen geschädigter Bäume auch mit Sprengtechnik möglich.
Während das Sprengen noch vor 30 bis 40 Jahren keine Seltenheit in der Forstwirtschaft war, kommen Sprengungen im Wald mittlerweile kaum noch vor. Dabei bietet gerade die Sprengtechnik viele interessante Anwendungsmöglichkeiten in der Forstwirtschaft sowie im Natur- und Umweltschutz. Beispiele sind das Anlegen von Biotopen und das Sichern von Habitatbäumen. Auch ist das Sprengen von Sturmholz bzw. geschädigten Bäumen in Steilhängen durchaus als Alternative zu Arbeiten mit der Motorsäge zu sehen. Alle hier genannten Sprengverfahren können durch die Fachgruppen Sprengen des Technischen Hilfswerks sowohl im Rahmen von Ausbildungsmaßnahmen wie auch Einsätzen durchgeführt werden.
Zur Errichtung von Feuchtbiotopen ist so gut wie immer der Einsatz von Maschinen nötig. Erdreich muss abtransportiert und die Flächen, auf denen gearbeitet wurde, müssen renaturiert werden. Eine Sprengung ist hier eine kostengünstige und effektive Alternative.
Zum Erstellen von Biotopen werden Sprenglöcher in das Erdreich eingebracht, wenn notwen-dig gegen Zusammenbrechen gesichert und mit Sprengstoff geladen. Durch eine unterschiedlich tiefe Ladungsanbringung können in den zukünftigen Biotopen Tief- und Flachwasserzonen herausgearbeitet werden, je nach Bedarf der Lebewesen, die sich ansiedeln sollen. Ein gern gesehener Nebeneffekt ist die Bodenverdichtung unter dem Biotop, durch die häufig auf Abdichtmaßnahmen wie Lehmauflagen verzichtet werden kann.
Die Sprengtechnik wird von verschiedenen Forstbehörden und vom Naturschutzbund Deutschland auch gern genutzt, um Habitatbäume zu erhalten. Durch das hohe Gewicht der Baumkronen, gerade bei Laubbäumen, brechen die abgestorbenen Bäume am Boden ab und werden von Tieren nicht mehr im gewünschten Umfang als Lebensräume angenommen. Um das Abbrechen zu verhindern und somit die Standzeiten des Totholzes zu verlängern, wird die Baumkrone abgesprengt, sodass nur noch der Stammtorso stehen bleibt. Gerade dort, wo an Wanderwegen eine Verkehrssicherungspflicht besteht, ist das Verfahren gefragt. Auf der einen Seite werden die Gefahren für die Nutzer von Forstwegen und -straßen minimiert bzw. beseitigt und auf der anderen Seite werden Habitatbäume erhalten und Anschauungsobjekte für den Lebensraum Wald geschaffen.
Auch bei geschädigten Bäumen bieten sich Sprengungen an. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Fällarbeiten Totholz abbricht und den Sägeführer gefährdet. Die Trockenheit im letzten Jahr und das damit verbundene Absterben gerade von Buchen hat zu vermehrten Anfragen zum Thema Sprengen von Bäumen geführt. Der große Vorteil hierbei ist, dass zum Zeitpunkt der Zündung und somit zum Zeitpunkt, an dem ein Baum in Bewegung gerät, keine Personen im Gefahrenbereich sind, welche durch herabstürzendes Totholz gefährdet werden.
Sinkende Nitratwerte in sächsischen TrinkwassertalsperrenGute Partnerschaft zwischen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft trägt Früchte: Die Nitratbelastung in Sachsens Trinkwassertalsperren hat in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen.
Die Nitratbelastung in Sachsens Trinkwassertalsperren hat in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen. Darüber informiert die Landestalsperrenverwaltung Sachsen mit Verweis auf die Auswertung von Daten seit 1970. Talsperren, die aus Oberflächenwasser gespeist werden, wiesen demnach einen gegenteiligen Trend zu den steigenden Nitratkonzentrationen in einzelnen Grundwasserbereichen auf.
In den Einzugsbereichen der Trinkwassertalsperren liegen die Nitratgehalte weit unter dem Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter (mg/l). Dort, wo landwirtschaftliche Nutzung überwiege, liege die mittlere Nitratkonzentration im Rohwasser derzeit deutlich unter 20 mg/l, in den Einzugsgebieten mit überwiegend forstwirtschaftlicher Nutzung sogar unter 10 mg/l.
Die Verbesserung der Nitratwerte in den Talsperren ist aus Sicht der Talsperrenverwaltung auf mehrere Gründe zurückzuführen: auf den Rückgang der Tierbestände seit der Wende und die Sanierung der Einzugsgebiete in den Neunzigerjahren ebenso wie auf langjährige feste Partnerschaften mit der Landwirtschaft.
In Kooperationsverträgen zwischen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft werde vor allem auf die ganzjährige Begrünung des Ackerlandes mit Zwischenfrüchten geachtet. Auch gebe es eine hohe Akzeptanz von gewässerschonenden Düngemethoden und konservierender Bodenbearbeitung. RED/KB
Allererste SahneZuckerartistik heißt der neueste Trend in der Szene. Doch ehe man da mithalten kann, heißt es üben. Was sie bereits im ersten Lehrjahr draufhaben, führten uns angehende Kuchen- und Tortenkünstler in Torgelow vor. Seit 2015 befindet sich dort die Landesfachklasse Mecklenburg-Vorpommern für Konditoren.
Von Jutta Heise
Keely träumt. Vom eigenen Café, individuell gestaltet nach ihren künstlerischen Ambitionen, sie mag Malerei und Fotografie, mit einem Sortiment aus jener Konditorentradition, die man zwischen Rügen und dem Bodensee pflegt: fachlich solide, ohne langweilig zu sein, mit einem Riesenschuss Kreativität. Verortet sein soll das Café in England, gern auch in Irland, wo sie als Tochter einer deutschen Mutter aufgewachsen ist. Dort, auf den Inseln, sei heimische Konditorware immer süß und oft so schwer, dass sie eine Mahlzeit ersetze. Zwar habe sich dies inzwischen dank diesem oder jenem zugewanderten Tortenzauberer geändert, aber Platz für eine mit so großer Backleidenschaft wie sie gebe es garantiert noch.
Den Start in den künftigen Beruf knapp hinter sich – und schon träumen? Gerade dann, ohne Ziel ist es ein Leichtes, sich zu verzetteln! Seit Juni lebt Keely Davidson in Deutschland, bei den Großeltern in Binz, hat dort in einer kleinen Bäckerei eine Konditorlehre aufgenommen. Zugleich besucht sie im Rahmen der dualen Ausbildung in regelmäßigem Turnus das Regionale Berufliche Bildungszentrum des Landkreises Vorpommern-Greifswald in Torgelow: einzige Ausbildungsschule in ganz Mecklenburg-Vorpommern mit einer Fachklasse für Konditoren. ...
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Die Landwirtschaft ist ständigen Veränderungen ausgesetzt. Wie diese in den kommenden 15 Jahren aussehen könnte, diskutiert die Ackerbaustrategie 2035 des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Wir haben uns vier der zwölf Handlungsfelder näher angesehen.
Von David Benzin
Die Vision des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) klingt idealistisch. Doch kommen wir zurück ins Hier und Jetzt und fragen: Ist sie auch erreichbar? Das Diskussionspapier zur Ackerbaustrategie gibt Anhaltspunkte, wie die beschriebenen Ziele verwirklicht werden könnten, und wo Interessenkonflikte entstehen. Dabei haben wir uns die Bereiche Boden, Fruchtfolge, Düngung und Pflanzenschutz genauer angesehen.
Als Produktionsgrundlage der Landwirtschaft ist der Boden besonders schützenswert. Die Ackerbaustrategie beschreibt die Probleme hierbei vor allem mit der Knappheit des Bodens und der Gefährdung durch Erosion. Ausgelöst werde letztere laut dem Diskussionspapier vor allem durch die groß strukturierten landwirtschaftlichen Flächen, den oftmals fehlenden Erosionsschutz und durch Extremwetter. Auch Bodenverdichtungen stellen ein Risiko dar. Deshalb hat man als Ziele des Bodenschutzes eine verbesserte Bodenfruchtbarkeit und -biodiversität, den Schutz vor Bodenerosion und Bodenschadverdichtung, den Erhalt eines stabilen Humusgehaltes und einen reduzierten außerlandwirtschaftlichen Flächenverbrauch gesetzt.
Die benannten Ziele sollen durch neuartige Produktionsverfahren des integrierten Pflanzenschutzes (Bodenbearbeitung, erweiterte Fruchtfolgen, effizientere Düngung, weniger chemischer und mehr mechanischer und biologischer Pflanzenschutz) erreicht werden. Die Aussaat sollte noch mehr in Mulch- und Direktsaat erfolgen, auch vor dem Hintergrund des Glyphosatwegfalls ab 2023. Zudem ist zur Zielerreichung eine ganzjährige Bodenbearbeitung durch Zwischenfrüchte, Untersaaten oder den Anbau mehrjähriger Kulturen für das Bundesministe-rium unerlässlich. Bodenschadverdichtungen sollen durch anpassbare Fahrzeugparameter wie einen verstellbaren Reifenluftdruck verhindert werden. Und auch auf Agrarstrukturebene gibt es Handlungsbedarf. Flurbereinigungsverfahren sollen stärker an Erosionsminderung ausgerichtet werden.
Doch die reduzierte Bodenbearbeitung bringt neben ihren Vorteilen wie der Erhöhung des Humusgehaltes im Oberboden und eine bessere Inflitrationskapazität auch Nachteile mit sich. Ein wichtiger ist der Pflanzenschutz, denn solche Produktionsverfahren setzen oft den Einsatz von Breitbandherbiziden (z. B. Glyphosat) voraus. Hier müssen andere Wege gefunden werden, um Unkräuter effektiv zu bekämpfen.
Auf fast sieben von zehn Hektar Ackerfläche stehen die Kulturen Winterweizen, Silomais, Winterraps und Wintergerste. Diese eher einseitige Entwicklung von Fruchtfolgen hat sich innerhalb der vergangenen Jahrzehnte herausgebildet. Gründe für diese Entwicklung sind vor allem der Züchtungsfortschritt und ökonomische Gegebenheiten. Auf den Plätzen fünf bis elf stehen Roggen, Körnermais, Zuckerrüben, Triticale, Sommergerste, Kartoffeln und Hülsenfrüchte bzw. Eiweißpflanzen.
Zu enge Anbauspektren führen vor allem im Pflanzenschutz zu Problemen. So haben es bestimmte Unkräuter oder Schädlinge leichter, sich anzupassen und verfügbare Mittel sind in ihrer Wirkung eingeschränkt, denn es gibt Resistenzen. Der Ackerfuchsschwanz als eines der bedeutendsten Problemungräser sei hier nur als ein Beispiel genannt.
Die Lösung liegt hier auf der Hand, könnte man meinen: einfach mehr Kulturarten anbauen. Doch so einfach ist es natürlich nicht, und auch im Papier zur Ackerbaustrategie 2035 wurde dies erkannt. Vor allem die fehlenden Absatzmöglichkeiten und unattraktive Vermarktungspreise sowie hohe Investitionskosten in Produktionstechnik für bestimmte Alternativkulturen erschweren das Verbreitern der Fruchtfolgen. Auch die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln und Sorten mit guten Anbaueigenschaften wirken hier entgegen.
Die Fruchtfolgen sollten idealerweise aus einem guten Mix von Blatt- und Halmfrüchten bestehen. Dadurch können ausreichende Anbaupausen eingehalten und der Druck aus dem Pflanzenschutz genommen werden. Erklärtes Ziel des BMEL ist es, „das Kulturpflanzenspektrum bis 2030 auf mindestens fünf verschiedene Kulturpflanzen je Ackerbaubetrieb zu erhöhen“, wie es in dem Diskussionspapier zur Ackerbaustrategie heißt. Als Beispiele seien hier Triticale, Dinkel, Emmer, Soja, Erbsen oder Bohnen genannt. Zudem sollen Zwischenfrüchte, Untersaaten und der
Mischanbau in Fruchtfolgen integriert werden.
Beim Anbau nachwachsender Rohstoffe ist gefordert, neben den bekannten Energiepflanzen auch auf Alternativen wie die Durchwachsene Silphie anstatt Mais zu setzen. Schrittweise können auch mehrjährige Kulturen angebaut werden, deren Besonderheit ein geringer Ressourceneinsatz ist (sogenannte Low-Input-Pflanzen).
Um breitere Fruchtfolgen zu realisieren, muss auf Anbauversuche sowie Modell- und Demons-trationsvorhaben zurückgegriffen werden. Die Kulturen müssen sich in der Praxis bewähren und mit Entscheidungshilfen zur Bestandsführung den Betrieben nähergebracht werden. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit sind Absatzmärkte für neue und wenig genutzte Kulturen unabdingbar, denn ohne eine attraktive Vermarktungsmöglichkeit besteht keine Zukunft für Alternativkulturen. Ein gutes Beispiel ist hierbei der Sojaanbau. Das Leuchtturmprojekt „Modellhaftes Demonstrationsnetzwerk zur Ausweitung und Verbesserung des Anbaus und der Verwertung von Sojabohnen in Deutschland“, das von 2013 bis 2018 gefördert wurde, hat zu einer mehr als verdreifachten Sojaanbaufläche im Projektzeitraum geführt. Das Netzwerk bestand aus 120 konventionell und ökologisch wirtschaftenden Betrieben.
Eine bedarfsgerechte und präzise Nährstoffversorgung ist eine wichtige Voraussetzung im Pflanzenbau. Ein ausgewogenes Verhältnis der Haupt- und Spurennährstoffe zueinander ist mit dem Einsatz von Mineraldüngern vergleichsweise einfach zu erreichen. Bei Wirtschaftsdüngern hingegen ist eine bedarfsgerechte Applikation weitaus schwieriger.
Probleme beim Thema Düngung gibt es vor allem durch die Datenerhebung der Grundwassermessstellen in Deutschland. 28 % der Messeinrichtungen der Länder melden höhere Nitratgehalte im Grundwasser, als es der Grenzwert von 50 mg Nitrat/l zulässt. Das BMEL benennt in seinem Diskussionspapier vor allem die regionale Konzentration von Tierhaltung und Biogasanlagen als Grund an. Flüssige Wirtschaftsdünger haben oft zu geringe Nährstoffanteile, als dass ihr Transport auf weiter entfernte Äcker wirtschaftlich wäre.
Bis 2030 müssten die Ammoniakemissionen um 200.000 t sinken, um sie gegenüber dem Basisjahr 2005 um 29 % wie nach der NEC-Richtlinie gefordert, zu senken. Da 95 % der Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft stammen, besteht hier also besonderer Handlungsbedarf. Ein Zielkonflikt besteht darin, dass eine bedarfsgerechte Versorgung der Kulturpflanzen entgegen der Reduktion von Nährstoffausträgen in die Umwelt steht. Deshalb sind die beschriebenen Ziele unter anderem eine deutlich verbesserte Nährstoffeffizienz. Außerdem müssen Nährstoffüberschüsse reduziert werden. Bei mineralischem Stickstoff sind durch Sensortechnik und Applikationskarten bereits wichtige Schritte in die richtige Richtung getan worden. Im Feld der organischen Düngung besteht allerdings noch viel Handlungsbedarf. Hier könnte die Ermittlung der Nährstoffgehalte durch beispielsweise die Nahinfrarotspektroskopie helfen. Zusätzlich müsse Appliaktionstechnik emissionsärmer werden.
Im Bundesprogramm Nährstoffmanagement werden als Maßnahmen der Bau von Güllebehältern für eine Lagerkapazität von zehn Monaten, deren Abdecken und die bodennahe Aufbringung von Gülle genannt. Auch das Separieren, Ansäuern und teilflächenspezifische Ausbringen von Gülle gehören dazu.
Im Pflanzenschutz bestehen die Probleme vor allem in unerwünschten Umweltwirkungen bestimmter Wirkstoffe einiger chemischer Pflanzenschutzmittel und deren Rückständen im Erntegut.
Vor allem durch die Zulassungssituation im Pflanzenschutz ist ein weiterer Rückgang der verfügbaren Mittel für das BMEL vorhersehbar. Die Bekämpfung von pilzlichen Erkrankungen ist hierbei besonders gefährdet. Ein weiterer bedenklicher Faktor ist die Resistenzbildung, wie schon im Bereich der Herbizide angesprochen. Ein Konflikt besteht in der Ertrags- und Qualitätssicherung der Ernte und dem verbesserten Klima- und Bodenschutz durch reduzierte Bodenbearbeitung.
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Deshalb hat das BMEL als Ziele im Bereich Pflanzenschutz auch eine deutliche Reduzierung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 und den Ausstieg aus der Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel bis 2023 formuliert. Der Pflanzenschutz solle daher künftig als Gesamtsystem aus Sortenwahl, Bodenbearbeitung, Fruchtfolge, Düngung und direkten Pflanzenschutzmaßnahmen gesehen werden. Entscheidungshilfen für die Praxis seien dabei notwenig, genauso wie eine erfolgreiche Resistenzzüchtungsforschung, um die Resistenzen brechen zu können.
Dafür sollten biologische Pflanzenschutzverfahren intensiver gefördert werden. Dazu zählen die Ansiedlung von Nützlingen, sowie thermische und mechanische Unkrautbekämpfung. Die Nutzung von Prognose- und Schadschwellenmodellen zählt ebenso dazu wie der Einsatz robusterer Kulturpflanzen. Nur so könne ein Systemwechsel im Pflanzenschutzbereich erfolgen, schreibt das BMEL.
Sie kam wie versprochen noch im Jahr 2019: die Ackerbaustrategie aus dem Hause Julia Klöckner. Immerhin: Mit „heißer Nadel“ wurde das Diskussionspapier nicht gestrickt – doch reicht das schon aus, um zielführend zu sein?
Von David Benzin
Machen wir eine kleine Zeitreise. Ein Gedankenexperiment, das zeigen soll, wie sie aussehen kann – die Landwirtschaft in Deutschland im Jahr 2035. Geht es nach der Vision von Agrarministerin Julia Klöckner, wird 2035 ein Fünftel der Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet. Insekten gibt es in Hülle und Fülle und alle bestäuben fleißig. Die Verbraucher sind bereit, angemessene Preise für heimische Lebensmittel zu bezahlen und kaufen ganz bewusst regional erzeugte Produkte passend zur jeweiligen Saison ein. Auch der konventionelle Anbau hat 2035 vom Wachstum des Ökolandbaus profitiert und ist ackerbaulich an ihn herangerückt. Es wird viel gehackt und gestriegelt, Pflanzenschutz und Düngung erfolgen nur nach punktuellem Bedarf. Auf der anderen Seite hat der Ökolandbau einen Produktivitätsschub bekommen und schloss bei den Erträgen auf. So steht es jedenfalls im Diskussionspapier zur Ackerbaustrategie des Agrarministeriums, das kurz vor Weihnachten präsentiert wurde. Aber reisen wir weiter.
Auch Artenvielfalt und Biodiversität haben im Jahr 2035 enorm zugelegt. Umweltbelastungen sind noch weniger geworden. An jedem Acker gibt es schnelles Internet und viele Sensoren sind miteinander verknüpft. Trotzdem bestehen weiterhin große und kleinere Betriebe nebeneinander, die ihre Produkte im Hofladen, auf dem Wochenmarkt und online vermarkten. Und auch der Weltmarkt wird weiterhin bedient. Landwirte auf dem Schlepper werden durch autonome Traktoren unterstützt. Außerdem drehen kleine Roboter ihre Runden auf den Feldern und nehmen Proben, nur bei Bedarf behandeln sie die Pflanzen. Fruchtfolgen sind breiter denn je, und Leguminosen machen unabhängig von Importeiweiß. Die Böden sind humusreich und der chemische Pflanzenschutz ist um die Hälfte reduziert, verglichen mit 2019. Ganzjährige Bodenbedeckung schützt vor Erosion durch Wind und Wasser.
Doch Zeitreisen sind utopisch. Marty McFly aus der Film-Trilogie „Zurück in die Zukunft“ können wir es mangels seiner Hilfsmittel nicht gleichtun. Sehen wir uns also an, wie die nächsten 15 Jahre gestaltet werden sollen. Ackerbaustrategien gibt es, gerade jüngst, in großer Zahl – egal ob vom Bauernverband, dem Umweltbundesamt oder NGOs. Wenn nur halb so viele Lösungen umgesetzt werden, wie in ihnen vorgeschlagen, wäre für jeden etwas dabei. Was ist also das Besondere an Klöckners neuem Papier?
Nicht nur Lösungen werden gepredigt, sondern auch kritisch hinterfragt und Anbausysteme ganzheitlich betrachtet. So beleuchtet die Ackerbaustrategie des BMEL Leitlinien, an deren vorderer Front die sichere Lebensmittelversorgung steht. Auch die zwölf ausgefilterten Handlungsfelder betrachten neben Zielen und Maßnahmenvorschlägen auch Konflikte, die auf dem Weg zum Ziel im Wege stehen. Als Kirsche obendrauf garnieren die Verfasser die Diskussionspunkte, indem sie die Wirtschaftlichkeit ansprechen und konkrete Beispiele aus der Praxis, etwa Demonstrationsvorhaben und Förderprojekte, erwähnen.
Und das ist ein großer Unterschied zu bestehenden Strategiepapieren. Durch dieses Systemdenken werden Schnellschüsse, die zu sehr in eine vorgefasste Richtung gehen, vermieden. Dadurch sind die Maßnahmenvorschläge gleich viel praxisbezogener und weniger abschreckend. Sie nehmen eher an die Hand als dass sie die Pistole auf die Brust setzen. Bleibt nur zu hoffen, dass die dafür nötigen Projekte weiter gefördert werden oder neue Programme mit starkem Praxisbezug entstehen. Nach dem Motto: „Was lange währt, wird endlich gut“, bin ich aber ziemlich optimistisch. Sie auch?
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Noch zu DDR-Zeiten gründete sich im thüringischen Großkundorf eine Bürgerinitiative. Wir sprachen mit Lutz Hemmann über gefährliche Abfälle, die Sensibilisierung für ein heikles Thema und den aufrechten Gang.
Vor genau 30 Jahren erschien in der Bauernzeitung ein Gespräch mit dem Thüringer Handwerker Lutz Hemmann. Dieser hatte noch vor dem Fall der Mauer Kontakt zur Bürgerbewegung Neues Forum aufgenommen und mit Gleichgesinnten eine Bürgerinitiative gegründet. Deren Ziel war es vor allem, die am Rande von Großkundorf im Kreis Greiz gelegene Mülldeponie ordnungsgemäß zu sichern. Im Anschluss sollten Fachleute gründlich die Halde untersuchen, auf der radioaktives Material gelagert wurde. Seinerzeit hatte die SDAG (Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft) Wismut in der Region großflächig Uranerz abgebaut, Ausgangspunkt für die Produktion von Nuklearwaffen sowie den Betrieb von Atomreaktoren.
Zutiefst besorgt wegen möglicher Gefahren, die von der Deponie mit den Rückständen der Erzwäsche für Mensch und Umwelt ausgingen, forderte die Bürgerinitiative, dieses heikle Thema nicht weiter zu verharmlosen. „Brav abwarten? Nicht mit uns!“ lautete die Überschrift über dem Beitrag. Kurz nach Veröffentlichung ging in der Chefredaktion der Bauernzeitung ein Schreiben des damaligen stellvertretenden Ministers für Umweltschutz und Wasserwirtschaft der DDR ein, der mit scharfen Worten den Beitrag kritisierte. Er monierte vor allem, dass der Redakteur vorher nicht die „staatlichen Stellen“ informiert hatte. Zweifellos eine Unterlassungssünde, die jedoch bewusst begangen wurde. Denn sonst wäre nach unseren damaligen Erfahrungen der Beitrag gar nicht erschienen.
Welche Reaktionen haben Sie damals auf unser Gespräch erfahren?
Durchweg positive. Zu dieser Zeit wenige Wochen nach dem Fall der Mauer war doch längst klar, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Die sogenannte Staatsmacht verfiel immer mehr in Ohnmacht. Doch die Situation war trotz aller Euphorie nicht einfach. Keiner wusste, was kommt. Und ich hatte ja auch schon so meine Erfahrungen …
Erzählen Sie!
Im Februar 1989 bekam ich unerwartet „hohen Besuch“. Der saß unangemeldet bei uns auf der Couch. Der Erste Sekretär der SED-Kreisleitung Greiz gehörte ebenso dazu wie ein auffällig unauffälliger Mensch, der sich nicht einmal vorgestellt hatte. Man forderte mich ohne Umschweife auf, sofort die Finger vom Thema Großkundorfer Deponie zu lassen. Sonst könnte es zu meinem Schaden sein, hieß es. Das sei aber keine Drohung, sondern nur ein Hinweis darauf, was passieren könnte!
Kriegt man es da nicht mit der Angst zu tun?
Natürlich, vor allem wenn man an die eigene Tochter denkt, die zu dieser Zeit gerade mal fünf Jahre alt war. Doch mir und meinen Mitstreitern ging es ja gerade um die Gesundheit und die Zukunft unserer Kinder. Die können doch nur in einer möglichst intakten Umwelt gedeihen, zu der auch der aufrechte Gang gehört, wie ich finde. Ich habe dann jedoch bewusst meine Tochter von unseren Aktionen ferngehalten, um sie nicht zu gefährden.
Haben Sie und Ihre Mitstreiter sich damals als klassische Opposition verstanden?
Jein. Wir nahmen uns schon das Recht heraus, nicht mit allem einverstanden zu sein, was „von oben“ kam. Dazu gehörte eben auch, Fragen zu stellen und Zweifel anzumelden, aber nicht als abseits Stehende, sondern als Mitstreiter. Wir wollten die DDR nicht abschaffen, sondern sie verändern! Was konkret bedeutete, im Gemeindeparlament mitzuarbeiten, was ich viele Jahre dann ja auch getan habe, von meinem Einsatz bei der Feuerwehr ganz abgesehen.
Wie ging es Anfang 1990 mit der Bürgerinitiative weiter?
Unsere größten „Bauchschmerzen“ hatten wir damit, dass nach den Plänen der Behörden die Lagerstätte mit einer besonderen Schutzschicht aus Haus- und Industrieabfällen abgedeckt werden sollte. Das muss man sich mal vorstellen: Zu dem, was da schon vor sich hin tickte, sollte noch einmal ein undefinierbarer Cocktail aus Unrat kommen. Einfach unverantwortlich! Wir haben deshalb alles unternommen, um dieses Vorhaben zu unterbinden. Schon 1987 und 1988 hatten wir Unterschriften gesammelt und festgestellt, dass wir die große Mehrheit der Einwohner auf unserer Seite hatten. Nun ging es uns darum, mehr Informationen über die Art und Weise der Lagerung zu bekommen. Wir organisierten eine Tagung, auf der namhafte Professoren über die Niedrigstrahlung in Gebieten mit Uranerzbergbau referierten. Sie bestätigten unsere Befürchtungen. Der Tagungssaal in Berga war an beiden Tagen proppenvoll. Wichtig war uns aber auch der Einsatz im nur wenige Kilometer entfernten Seelingstädt. Dort gab es damals die „Erzwäsche“, wie das von der Wismut betriebene Unternehmen hieß. In den ersten Monaten 1990 hatten wir Zugang zum dortigen Archiv.
Wir durften zwar nichts kopieren, mal abgesehen davon, dass das zu der Zeit schon rein technisch schwer genug war. Immerhin konnten wir eine Reihe Fotos und uns ein Bild davon machen, wie mit den Rückständen der Erzwäsche umgegangen wurde. Das war schon beklemmend genug. Aber der schwerste Schlag für unsere Bürgerinitiative erfolgte dann nach einem halben Jahr, als die zuständige Bundesbehörde die Einrichtung übernahm und uns den Zugang untersagte. Da haben wir die Welt nicht mehr verstanden!
Ihre Mitstreiter kamen, wie Sie uns seinerzeit berichteten, aus den verschiedensten Berufsgruppen.
Wir waren damals mehr als ein Dutzend Frauen und Männer, zumeist in meinem Alter. Es waren Handwerker, Arbeiter und Lehrer darunter, ebenso eine Krippenerzieherin und ein Landwirt. Natürlich hatten wir nicht das Fachwissen für die komplizierte Materie, was uns ja immer wieder vorgeworfen wurde. Aber darum ging es ja nicht. Wir wollten einfach über die Öffentlichkeit eine Sensibilisierung für das Thema erreichen und dann den Einsatz von kompetenten Leuten, die übernehmen. Dass die dann wiederum so konspirativ vorgingen und unsere Mitarbeit ablehnten, war mehr als ernüchternd.
Es gab dann aber doch ein Gesamtsanierungskonzept …
Ja, aber unter den nun bundesdeutschen Bedingungen wurde die Umsetzung zu einem bürokratischen Monster mit unzähligen Genehmigungsverfahren. Wir haben anfangs versucht, die zu begleiten, doch das war unmöglich. Wir sind den Dingen nur noch hinterhergelaufen, ohne wirklich Einsicht nehmen geschweige denn etwas bewirken zu können. Dazu muss man wissen, dass wir das alles ehrenamtlich, also in unserer Freizeit, gemacht haben. Das forderte Kraft und Zeit. Zu DDR-Zeiten wäre das nicht so problematisch gewesen. Doch jetzt ging es ja auch darum, seinen Job zu behalten, um die Familie ernähren zu können. Das hat an uns allen genagt und schließlich dazu geführt, dass wir Ende 1996 die Bürgerinitiative auflösten.
Vermutlich kam es auch zu Anfeindungen …
Logisch. Wer damals bei der Wismut in Lohn und Brot stand, sah uns als große Bedrohung. Es gab eine ganze Reihe von Gesprächen, in denen wir klarzumachen versuchten, dass nicht wir es sind, die Arbeitsplätze im Bergbau infrage stellen. Die Erzvorkommen wären ohnehin in spätestens zehn Jahren erschöpft gewesen. Dafür bot die von uns geforderte gründliche Sanierung weiterhin reichlich Arbeit. Noch heute sind in diesem Bereich in unserer Region rund viertausend Leute beschäftigt. Das wollte damals aber keiner hören.
Hat sich Ihr Einsatz dennoch gelohnt?
Unbedingt. 1991 wurde endlich festgelegt, auf der Deponie weder Haus- noch Industriemüll zu lagern. Es gab inzwischen umfangreiche Sanierungsarbeiten, Becken wurden abgepumpt und abgedichtet, Erdmassen wurden aufgeschichtet und Dränagen angelegt. Doch wir können nicht bewerten, wie nachhaltig das alles war. Denn es lief ab wie eine geheime Verschlusssache. Immerhin ist die Lagerstätte jetzt ordentlich gesichert. Vorbei die Zeiten, als das Tor offen stand. Und selbst wenn es mal zugeschlossen war, konnte dennoch jeder reinmarschieren. Denn es war bekannt, dass der Schlüssel auf dem Baum hing …
In den Wendewochen habe ich mal in Berlin einen denkwürdigen Spruch gelesen: „Das Chaos ist aufgebraucht. Es war eine schöne Zeit …“
Nun ja, die wird wohl jeder auf seine Weise erlebt haben und entsprechend reflektieren. Fest steht, dass zu dieser Zeit die alte Ordnung, die uns reichlich geärgert hatte, nicht mehr existierte.
Die neue war noch nicht in Kraft. Doch es gab schon so eine Vermutung, dass sich nicht alles so verändern würde wie erhofft. Zu DDR-Zeiten konnten wir über bestimmte Dinge nicht reden, weil die Gefahr bestand, weggesperrt zu werden. Heute können wir über alles reden. Aber es hört kaum einer noch hin!
Wie ging es bei Ihnen beruflich weiter?
Nach einem Autounfall, der einen Bänderriss zur Folge hatte, konnte ich nicht mehr als Handwerker arbeiten. Ich habe eine Umschulung zum Industriekaufmann gemacht, dann im Großhandel in Sachen Heizung und Sanitär gearbeitet. Seit 2002 bin ich voll erwerbsunfähig und nach mehreren Bandscheibenvorfällen auf Medikamente angewiesen. Ich helfe aber noch stundenweise in der Firma meiner Frau aus. Ich kann doch nicht einfach herumsitzen.
Wenn Sie die Chance hätten, die Zeit zurückzudrehen …
… würde ich wieder tun, was ich getan habe. Dass die Mauer vor 30 Jahren fiel, sehe ich als großen Glücksfall an. Sicherlich hat man in der Zeit so manche Illusion verloren.
Welche zum Beispiel?
Dass Parteien, welcher Farbe auch immer, ernsthaft zu ihren Wahlversprechen stehen. Es geht doch nur darum, wiedergewählt zu werden. Ich habe damals Joschka Fischer, zu der Zeit hessischer Umweltminister, auf einer Veranstaltung bei uns erlebt. Der versprach uns alle Hilfe, die wir brauchten. Doch das war nur Rhetorik. Ich bin mir sicher, dass er uns schon bei der Rückfahrt hinter dem Hermsdorfer Kreuz vergessen hat. Aber damit will ich nicht unsere Demokratie infrage stellen. Die ist ein kostbares Geschenk und muss behütet werden.
Sie wohnen nach wie vor in Großkundorf. Wie lebt es sich hier?
Wir sind hier zu Hause, und so fühlen wir uns auch. Übrigens hatten wir wenige Wochen vor der Wende eine Einladung zu einer Familienfeier in Baden-Württemberg, die uns überraschenderweise auch genehmigt wurde. Vielleicht ging man ja davon aus, dass der Störenfried Hemmann im Westen bleiben würde. Das Angebot gab es durchaus, aber es kam schon wegen unserer Tochter, die in Großkundorf auf uns wartete, nicht infrage. Bedauerlich finde ich nur, dass im Laufe der Jahre der Gemeinschaftssinn im Dorf abhandengekommen ist. Es geht fast nur noch ums Geld, Missgunst macht sich breit. Das ist keine gute Entwicklung!
Was halten Sie von der Bewegung „Fridays for Future“?
Ich ziehe den Hut vor Greta Thunberg. Die ist so klein und doch so groß, denn sie hat recht. Wenn wir nicht jetzt etwas für den Klimaschutz tun, kann es in ein paar Jahren schon zu spät sein! Aufzustehen ist immer der erste Schritt, um etwas in Gang zu bringen!
Die Fragen stellte: Wolfgang Herklotz
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