Obsthof Müller hat schönsten Hofladen

Den besten Obsthofladen in Sachsen-Anhalt betreibt nach Ansicht von Fachleuten der Querfurter Familienbetrieb Müller. Vom Agrarministerium gab es dafür eine Auszeichnung.

Der Obsthof Müller aus Querfurt im Saalekreis ist der Gewinner des Landeswettbewerbes „Obsthofladen des Jahres 2020“. Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt hatte den Wettbewerb in diesem Jahr erstmals ausgelobt. Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert zeichnete den Hofladen Anfang der Woche vor Ort aus.

Wettbewerb um den besten Hofladen

Bewerben konnten sich Obstbaubetriebe mit einem Hofladen und eigener Obstproduktion aus Sachsen-Anhalt. Acht Unternehmen stellten sich der fünfköpfigen Jury unter Leitung der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau. Die Bewertungskommission bestand aus Fachleuten, die dem Obstbau durch ihren Beruf oder als Kunden verbunden sind.

Fachlich bewertet wurden u. a. die Qualität der Produkte, das Ambiente und die Atmosphäre sowie die Gestaltung des Verkaufsraumes. Ebenso spielten Sortimentsbreite, Regionalität, Nachhaltigkeit und Beratung eine Rolle.


Der Hofladen des Obsthofes Müller

Die Gewinner

Obsthof Müller
Nebraer Tor 2b
06268 Querfurt

www.obsthof-mueller.de


Die Jury war beeindruckt von der großen Vielfalt und der hohen Qualität der in den Hofläden angebotenen Produkte. Vier Läden bildeten demnach bei der Premiere eine dicht gedrängte Spitzengruppe. Aus dieser ging der Hofladen des Obsthofes Müller mit 94 von maximal 101 zu erreichenden Punkten einstimmig als Sieger hervor.

Beeindruckt zeigten sich die Juroren ferner vom hohen Anteil regionaler Produkte in dessen Sortiment. „Achtzig Prozent der Artikel in unserem Hofladen stammen aus einem Umkreis von etwa fünfunddreißig Kilometer“, erklärte Inhaber Alexander Müller der Bewertungskommission.

Positionspapier: Mehr Unkraut wagen

„Mut zu mehr Unkraut“ fordert ein Fachbeirat des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. In seinem Positionspapier stehen die Unterzeichner für einen Perspektivwechsel bei der Unkrautbekämpfung im Ackerbau.

Von David Benzin

Einen Acker mit einer breiten Restverunkrautung nach der Herbizidausbringung sieht wohl kein Landwirt gern. Was aber, wenn einige Unkräuter nicht versehentlich, sondern gewollt weiter auf dem Acker neben der Hauptkultur stehen?

Für den Fachbeirat „Nachhaltiger Pflanzenbau“, der sich aus Vertretern von Landes- und Bundesbehörden (u. a. Dr. Stephan Goltermann vom Landesamt für Landwirtschaft und Lebensmttelsicherheit Mecklenburg-Vorpommern, LALLF M-V, und Dr. Jens Zimmer vom Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung Brandenburg, LELF, zusammensetzt) muss eine Restverunkrautung kein Problem sein.

Unkraut-Flora stark rückläufig

Das geht aus dem Positionspapier des Beirats vom 9. Oktober hervor. Die Grundlage: Auf insgesamt mehr als 2.000 ha Fläche von 200 Äckern wurde ein Blick auf die sogenannte Segetalflora (also Ackerunkrautflora) geworfen. Die Untersuchungen haben ergeben, dass die Artenvielfalt der Unkräuter in den vergangenen Jahrzehnten um etwa zwei Drittel zurückgegangen ist.

Eine Vergleichsstudie zwischen konventioneller und ökologischer Bewirtschaftung wies für Letztere das Drei- bis Neunfache an typischen Unkrautarten auf dem Acker aus. Zudem betrug der Bedeckungsgrad auf konventionellen Äckern nur 6 %, auf ökologischen waren es 28 %.

Wie viel Ertrag kostet Unkraut?

Wie hoch der Ertragsverlust bei mehr Unkrautbesatz wirklich ist, lässt sich laut Positionspapier nicht pauschal sagen. Konkurrenzversuche haben jedoch gezeigt, in welchen Dimensionen Ertragsverlust und Unkrautbesatz miteinander in Beziehung stehen.

In einem Versuch wurde die potenzielle Ertragsminderung ohne Unkrautbekämpfung in Weizen (23 %), Mais (40 %) und Kartoffeln (30 %) beziffert. Tatsächlich lagen diese im Versuch aber lediglich bei rund 8 % in Weizen, 11 % in Mais und 8 % in Kartoffeln.

Sehr wichtig bei der Einschätzung des Ertragsverlustes durch Unkrautkonkurrenz sei demnach die Konkurrenzkraft der Kulturpflanze und die Besatzdichte der Unkrautflora sowie Witterung und N-Düngung. Langzeitversuche von 1990 bis 2017 haben ergeben, dass in verschiedenen Ackerbaukulturen Ertragsverluste von im Schnitt 30–40 % auftraten. Bei Sommerkulturen war es mit 8 % viel weniger, beim Mais dafür mit bis zu 100 % eine gegenteilige Dimension.

Wie das bei mechanischer Unkrautbekämpfung aussähe, ging aus dem Langzeitversuch jedoch nicht hervor. Dort wurde immer mit der unbehandelten Kontrolle verglichen. Ökonomisch sind solche Ertragsrückgänge meist nicht tragbar. Wie verhält es sich aber bei einer Restverunkrautung?

„Das Positionspapier ist im Fachbeirat ‚Nachhaltiger Pflanzenbau‘ erarbeitet und diskutiert worden, bevor es in seinem jetzigen Wortlaut auf der BVL-Website veröffentlicht wurde. Ich bin Mitglied des Fachbeirats und ­stehe hinter jedem Satz, der dort aufgeschrieben steht.“

STEPHAN GOLTERMANN (LALLF M-V) ZUM POSITIONSPAPIER „MEHR VERUNKRAUTUNG WAGEN“

Bekämpfung Pauschal oder nach Schwelle?

Eine Bekämpfungsschwellenorientierte Unkrautbekämpfung nach guter fachlicher Praxis könnte Abhilfe schaffen, ist jedoch laut dem Positionspapier mit einigen Hemmnissen verbunden. Vor allem die Sorge um das Samenpotenzial und die Feldhygiene sprechen für eine standardmäßige Bekämpfung. Hinzu kommen vergleichweise günstige Kosten bei der Ausbringung.

Rechne man zu den direkten Kosten des chemischen Pflanzenschutzes aber noch die externen Kosten (z. B. gesellschatliche Aspekte) hinzu, würde sich ein Mitteleinsatz nach dem Bekämpfungsschwellenprinzip zum Teil nicht mehr lohnen, geht es aus dem Positionspapier hervor. Auch die Verlängerung der Wirkungsdauer von Herbiziden durch den Schadschwellen-betonten Einsatz sollte dabei Beachtung finden. Auch neuartige Systeme zur Entscheidungshilfe könnten ein praktikabeleres Monitoring und zielgerichteten Mittteleinsatz unterstützen.

Ist etwas unkraut eigentlich okay?

Jein. Prinzipiell koste eine Restverunkrautung – vor allem mit bestimmten Arten – wahrscheinlich weniger Ertrag, als allgemein angenommen wird. Bei anderen Arten wiederum, die in größere Konkurrenzkraft zur Kulturpflanze treten, kann der Ertragsverlust aber bedeutender sein. Eine klare Studienlage gibt es dazu bisher nicht.

So sind die Wissenschaftler Storkey und Neve der Meinung, dass eine Restverunkrautung bei einer breiten Unkrautflora weniger problematisch für die Kulturpflanze ist, als eine Restverunkrautung mit nur einer oder sehr wenigen Arten. Diese haben dann einen ähnlich hohen Wasserverbrauch und können in großen Besatzdichten enorme Konkurrenzkraft haben.

Klassische Herbizidstrategien gehen von einem komplett „sauberen“ Acker von der Saat bis zur Ernte („start clean, stay clean“) als Grundlage für einen erfolgreichen Marktfruchtbau aus. Ein neuer Ansatz für moderne Bekämpfungstrategien wäre jedoch, nur bestimmte (besonders konkurrenzstarke) Unkräuter zu bekämpfen und andere eventuell auf dem Acker zu belassen. Dafür sei jedoch ein generelles Umdenken nötig.

Bei der aktuellen Zulassungsprozedur werde vor allem auf eine sehr breite und hohe Wirksamkeit des Herbizids Wert gelegt. Würde diese Anforderung gelockert, so könnten mehr Mittel zugelassen werden, die dann gezielter auf den jeweiligen Unkrautdruck angepasst eingesetzt werden könnten. Das wäre eine Chance für selektiv wirksame Herbizide.

Nachhaltigkeit durch Vielfalt – aber wie?

Ansätze dafür wurden im Positionspapier ebenso diskutiert. Diese sind beispielsweise:

Doch, um einmal konkret zu werden, was heißt das in der Praxis? Für positive Impulse setzt der Fachbeirat des BVL auf detaillierte Informationen zu Bekämpfungsschwellen und ist für ein stärkeres Anknüpfen an die Schwellenwerte bei der Applikationsentscheidung; Entscheidungshilfesysteme, in die digitale Anwendungen integriert werden; Teilflächenbehandlungen für bestimmte Unkrautarten; eine Anpassung der Aufwandmengen; weniger Wirkstoffkombinationen in Pflanzenschutzmitteln und eine stärkere Berücksichtigung mechanischer Bekämpfungsmaßnahmen bei der Mittelzulassung.

Für den Beirat „Nachhaltiger Pflanzenbau“ ist klar: Die Landwirtschaft sollte mehr Unkräuter wagen.

Eckhard Meyer: Alles für den Ringelschwanz

Der Aktionsplan Kupierverzicht war eines der großen Themen beim Mitteldeutschen Schweinetag. Im Video-Interview erklärt Dr. Eckhard Meyer, wie Schweinehalter alle dazu notwendigen Maßnahmen umsetzen können.

Die Bauernzeitung war unterwegs auf dem Mitteldeutschen Schweinetag in Halle. Im Fokus der Veranstaltung stand eine zukunftssichere Schweineproduktion. Themen, wie der Aktionsplan Kupierverzicht, Tierwohlkonzepte, Stallbaualternativen und Fütterungsstrategien sorgten für Diskussionen.

Wir fragten dazu einen echten Experten: Dr. Eckhard Meyer vom Lehr- und Versuchsgut in Köllitsch spricht in unserem Video darüber, wie es den Schweinehaltern möglich ist, alle Maßnahmen, die im Rahmen des Kupierverzichts notwendig sind, umzusetzen.

Video-Interview mit Dr. Eckhard Meyer beim Mitteldeutschen Schweinetag in Halle (an einem stürmischen Tag)

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HolsteinVision: Rinderschau voller Emotionen

Auf der HolsteinVision im altmärkischen Bismark präsentierten Zuchtbetriebe aus Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ihre besten Holsteinfärsen und -kühe. Dominiert wurde die Milchviehschau der RinderAllianz von einem Betrieb aus Seyda.

Von Detlef Finger

Die Seydaland Rinderzucht GmbH & Co. KG hat der 3. HolsteinVision ihren Stempel aufgedrückt. Der Zuchtbetrieb aus dem östlichen Sachsen-Anhalt holte bei der Milchviehschau der RinderAllianz im altmärkischen Bismark mit ihren Kühen SL Lauvaja 10 (v. Octoberfest) und SL Jaffa 3 (v. Kaliber) die Siegertitel in den Kategorien Färsen und mittlere Kühe. Sahnehäubchen für das Team Seydaland aus dem Jessener Ortsteil Seyda war der Grand Champion-Titel für ihre Siegerkuh Mittel, SL Jaffa 3.

Die beste junge Kuh trieben der Südharzer Landwirtschaftsbetrieb Schröter und Rainer Schulz (Sachsen-Anhalt) mit ihrer Kaliber-Tochter Liz auf. Die Siegerin der alten Kuhklassen kam aus Mecklenburg-Vorpommern: Der Titel ging an die Rinderzucht Augustin KG aus Neuendorf bei Kemnitz für ihre Kuh BcH Pam (v. Enforcer).

Team Seydaland auf der HolsteinVision
Die großen Sieger bei der 3. HolsteinVision: das Team von Seydaland. (c) Detlef Finger

„Emotionen pur“ bei der HolsteinVision

Die Reservesiegertitel bei der HolsteinVision holten Betty (v. Bonum) vom Agrarhof Busse-Paucke GbR aus Schelldorf bei den Färsen, Linda (v. Lennox) aus der Agrargenossenschaft eG Tucheim (beide Sachsen-Anhalt) bei den jungen Kühen, Anja (v. Gold Chip) aus der Rinderzucht Augustin KG (MV) in den mittleren Klassen sowie Carlotta (v. Mogul) aus dem Landwirtschaftsbetrieb Schröter (ST) bei den alten Kühen.

Die HolsteinVision ist die gemeinsame Milchviehschau der in der RinderAllianz organisierten Züchter aus Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Die dritte Auflage dieser Veranstaltung war mit dem Zusatz „Emotionen pur“ überschrieben und wurde diesem Anspruch vollauf gerecht.

Ausverkauf von Landesvermögen soll enden

Sachsen-Anhalts Landesregierung soll künftig auf den Verkauf landeseigener land- und forstwirtschaftlicher Flächen zum Generieren von Haushaltsmitteln für den Landesetat verzichten. Das hat der Landtag beschlossen.

Von Detlef Finger

Der Landtag hat die Landesregierung aufgefordert, künftig im Rahmen der Bewirtschaftung des Grundstocks des Landes den Umfang landwirtschaftlich genutzter Flächen im Landesvermögen von Sachsen-Anhalt nicht weiter zu reduzieren. Einen entsprechenden Beschluss fasste das Parlament in seiner Novembersitzung in Magdeburg. Beantragt hatten dies die Fraktionen von CDU, SPD und Grünen.

Bei Haushaltsaufstellungsverfahren sollen Entnahmen aus dem Grundstock demnach nur noch insoweit vorgesehen werden, wenn sie nicht auf die Veräußerung landwirtschaftlichen Grundvermögens zurückgehen. Auch den Kommunen sei ein entsprechender Umgang mit ihrem Grundvermögen zu ermöglichen.

Landesvermögen: Änderungsantrag der Linken einstimmig angenommen

Die Fraktion Die Linke hatte zudem einen Änderungsantrag eingebracht, gemäß dem die Landesregierung „einen angemessenen Teil der Sondervermögen und Rücklagen in Grundvermögen und Immobilien anlegen“ sollte. Die Landesregierung soll sich bei der Vermögensbildung mithin nicht allein auf Kapitalrücklagen fokussieren, sondern auch den Erwerb von vom Land genutzten Liegenschaften sowie von landwirtschaftlichen Flächen prüfen.



Zu Letzterem heißt es in der Antragsbegründung seitens der Linken, die Landesregierung sollte die Verhandlungen zu einem Ankauf der bei der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH verbliebenden Flächen wiederaufnehmen, „statt diese weiterhin höchstbietend an Agrarinvestoren zu verkaufen“. Die BVVG hielt danach Ende 2018 in Sachsen-Anhalt noch mehr als 25.000 ha Land.

Der Änderungsantrag der Linken und der geänderte Ursprungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde nach der Debatte mehrheitlich bzw. einstimmig angenommen.

Mehr zum Landtagsbeschluss und zur Debatte im Parlament lesen Sie in Bauernzeitung 49/2019.

Futtermischwagen: Angehängt oder Selbstfahrer?

Bei Milchvieh und Mastrindern erfolgt die Futtervorlage überwiegend mit Futtermischwagen. Es bleibt aber die Frage, ob es eine gezogene Variante oder eine autarke Maschine sein soll.

Bei der Frage, ob als Alternative zum angehängten Futtermischwagen ein selbstfahrender Futtermischwagen interessant ist, sind neben der Arbeitszeit und den Kosten noch weitere Faktoren zu betrachten wie beispielsweise die betrieblichen Bedingungen oder auch der Arbeitskomfort. Diese Punkte stellen sich für jeden Betrieb anders dar und sind somit einzelbetrieblich zu beurteilen.

Im Folgenden werden die Verfahren angehängter Futtermischwagen mit Fremdbefüllung und selbstfahrender Wagen mit Selbstbefüllung miteinander verglichen.

Besonderheiten von Futtermischwagen mit angehängter Technik

Beim angehängten Futtermischwagen als Fremdbefüller sind ein Traktor und ein Befüllfahrzeug erforderlich. Als Befüllfahrzeuge eignen sich Traktoren mit Front-, Teleskop- oder Radlader, die mit einer Greifschaufel oder Schneidzange ausgestattet sind. Mit diesen Entnahme- und Befüllgeräten wird das in Flachsilos lagernde Grund- und Kraftfutter entnommen und in den Wagen eingefüllt.

Allerdings eignet sich eine Schneidzange für Kraftfutter nur, wenn die Zinken abdeckt sind. Alternativ zur Lagerung in Flachsilos können mehlige und pelletartige Kraftfutter in Hochsilos gelagert und über Schnecken oder Spiralen in den Wagen eingefüllt werden. Möglich ist es allerdings auch, die Kraftfuttersilos so hoch aufzustellen, dass sie unterfahrbar sind und die Befüllung über einen Schieber erfolgt. …


Die ganze Geschichte – und viele weitere Neuigkeiten über die ostdeutsche Landwirtschaft – lesen Sie in unserer aktuellen Ausgabe


Zeit zum Üben könnte knapp werden

Die große Bauerndemo in Berlin hat unter Landwirten für ein lange vermisstes Gemeinschaftsgefühl gesorgt. Doch politisch ist damit noch nichts erreicht- und viel Zeit bleibt nicht mehr, den schwierigen Dialog zu üben.

Von Ralf Stephan

Bilder von tausenden Traktoren, die sich im Morgengrauen mit eingeschalteten Rundumleuchten in kilometerlange Schlangen Richtung Berlin einreihen, wird man so schnell nicht vergessen. Schon vor fünf Wochen war mancher überrascht, wie viele Landwirte sich gemeinsam auf den Weg machen, um ihre Interessen zu artikulieren.

Die zahlreichen dezentralen Protestfahrten am 22. Oktober und die eindrucksvolle Bauerndemo zur Umweltministerkonferenz in Hamburg waren aber nur zum Warmlaufen gedacht. Der 26. November stellte das alles in den Schatten.

Bauerndemo sorgt für Gemeinschaftsgefühl

Ein Gefühl der Gemeinsamkeit und der Stärke war aus den Botschaften herauszulesen, die Teilnehmer und Daheimgebliebene in den sozialen Netzwerken verbreiteten. Ein Gefühl, das viele offenkundig viel zu lange vermissten. Hoffentlich trägt es dazu bei, neuen Mut wachsen zu lassen. Denn den werden Landwirte brauchen. Und einen langen Atem dazu.



Zwar beeindruckten die pulstreibenden Bilder durchaus auch die Tagesmedien, und die größte Bauerndemo der letzten Jahrzehnte veranlasste viele zu tiefergehenden Recherchen als man es gewohnt war. In der Politik aber scheint immer noch nicht vollständig angekommen zu sein, worum es eigentlich geht.

Umweltministerin enttäuscht die Landwirte

Voll und ganz die Erwartungen erfüllte in negativer Hinsicht die Bundesumweltministerin. Ihre nichtssagende Vier-Minuten-Rede voller Floskeln und Fertigstücke verriet, dass sie sich für diesen Anlass nicht der Mühe unterzogen hatte, neue Gedanken oder Gesprächsansätze erarbeiten. Der nach ihr auf der Bühne geäußerte Verdacht, sie wolle die Bauern überhaupt nicht verstehen, ist inzwischen nicht mehr ganz von der Hand zu weisen. Will ihn die Umweltministerin, die ja auch für den SPD-Anteil an dieser Bundesregierung steht, tatsächlich entkräften, wird sie genauer hinhören müssen, worum es den Bauern tatsächlich geht.

Besser hingehört hat ihre Kollegin Julia Klöckner  auf jeden Fall. Sie nahm sich die Zeit, auf mitunter nur zornige Zurufe aus dem Publikum einzugehen, und wich, anders als Frau Schulze, einer spontanen Diskussion mit Landwirten aus der Riege von „Land schafft Verbindung“ nicht aus.

„Wir werden uns sicher noch öfter in Berlin sehen“

Chefredakteur Ralf Stephan, Bauernzeitung
Ralf Stephan, Chefredakteur

Aber auch ihr rutschte nicht nur einmal die kaum verhohlene Drohung heraus, Landwirte sollten sich überlegen, ob sie wirklich gegen alles sein wollten. Genau das signalisierte die Sternfahrt der Zehntausend eben nicht. Obwohl eine breite Vielfalt nicht nur von Betriebsformen, -größen und -ausrichtungen, sondern auch an Meinungen vertreten war, stand die überwältigende Mehrheit hinter der Botschaft des Dialogs: „Wir sind nicht gegen den Schutz von Umwelt, Insekten und Grundwasser – wir sind nur dagegen, dass darüber ohne uns entschieden wird.“

Man wird sehen, wie die Bundesregierung diesen Tag der Bauerndemonstration bewertet. Bis jetzt gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass über einen Neustart des Insektenschutzprogramms nachgedacht wird. Einfach nur besser erklären, wie es die Bundeslandwirtschaftministerin erst in Münster, nun in Berlin versucht hat, reicht aber nicht. „Wir werden uns sicher noch öfter in Berlin sehen“, rief ein Landwirt seinen Berufskollegen von der Bühne zu. Vielleicht hat er Recht.

Vielleicht setzen sich unter den zornigen Bauern beim nächsten Mal aber auch jene durch, denen friedlich ablaufende Kundgebungen und perfekt organisierte Sternfahrten mit möglichst wenig Verkehrsbehinderungen schon jetzt eigentlich nicht reichten. Allzu viel Zeit, den offenbar doch recht schwierigen Dialog weiter zu üben, bevor endlich Ergebnisse herauskommen, bleibt nun wohl nicht mehr.

Bauerndemo Berlin: Das sagen die Landwirte

Wie war die Stimmung, was bewegte die Teilnehmer der Bauerndemo in Berlin und wie haben sich die Redner geäußert? Wir haben nachgefragt und mit verschiedenen Anwesenden gesprochen.

40.000 Menschen nahmen an der Bauerndemo in Berlin teil. Zur Sternfahrt machten sich etwa 8.600 Traktoren aus ganz Deutschland auf den Weg in die Hauptstadt. Die Bilder gingen durch Deutschland und um die Welt. Was alle eint, ist die Angst um die Zukunft der Betriebe. Ministerin Julia Klöckner machte Zugeständnisse, wich jedoch nicht von ihrer bisherigen Linie ab. Das Insektensektenschutzprogramm würde sich nicht lockern und auch die verschärfte Düngeverordnung sei unumgänglich. Was die Teilnehmer der Bauerndemo darüber denken und mit welchen Gefühlen sie nach Hause fahren, haben sie im Interview erzählt. Organisiert wurde die Bauerndemo von der Initiative „Land schafft Verbindung“.


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Caroline Klutke aus Mecklenburg-Vorpommern

Die Rügenerin ist begeistert vom Zusammenhalt aller Beteiligten. Die Gesellschaft sollte die Landwirtschaft mehr wertschätzen. „Fridays For Future“ und die Landwirtschaft haben für sie ähnliche Ziele.


Ostfriesische Landwirte sehen sich von der Agrarpolitik bedroht.

Ein Landhändler und mehrere Landwirte haben sich ganz vorne am Brandenburger Tor positioniert. Sie sehen sich und ihre Berufskollegen in ihrer Existenz bedroht. Trotzdem haben sie Hoffnung auf positive Veränderungen aus der Politik.

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Ein Biolandwirt aus Franken fordert höhere Preise für Lebensmittel.

Er ist mit einer Gruppe von Berufskollegen mit Unimogs angereist. Bei der Demo sorgte er mit 3000 Grillwürstchen direkt vor der Bühne für gute Verpflegung der Kolleginnen und Kollegen. Er hat klare Vorstellungen von den Anforderungen an die Zukunft.


Eine Landwirtsfamilie aus Brandenburg hat das schlechte Image des Berufsstands satt.

Sie wollen sich und der Branche nicht länger den schwarzen Peter zuschieben lassen. Vor allem das Bashing und Mobbing von Bauernkindern ist für sie nicht länger tolerierbar.

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Junglandwirt Philipp aus Niedersachsen

Er ist einer der jüngsten selbst angereisten Landwirte. Der 17-jährige möchte den elterlichen Betrieb nach seiner Landwirts-Lehre weiterführen. Uns verrät er, was er sich von der Politik wünscht.


Landwirtin Heike Müller ist zufrieden mit dem Ablauf.

Die Präsidentin der Landfrauen in Mecklenburg-Vorpommern und stellvertretende Bauernpräsidentin sieht die Demonstration in Berlin als Erfolg. Wie sich „Land schafft Verbindung“ nun weiterentwickelt, werde sich zeigen.

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Fachschüler Stephan aus Thüringen

Er ist mit seinen Mitschülern der Fachschule für Agrarwirtschaft Stadtroda nach Berlin gefahren. Nun sind sie wieder auf dem Weg zurück – 4 bis 6 Stunden brauchen sie, schätzt der Junglandwirt.


Agrar-Student Paul denkt in Generationen.

Er möchte den Familienbetrieb in der Altmark in Sachsen-Anhalt auch noch in Jahrzehnten bewirtschaften und einmal an seine Kinder und vielleicht sogar Enkelkinder übergeben.

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David aus der Prignitz ist geteilter Meinung zur Klöckner-Rede auf der Bauerndemo.

Der Brandenburger bewertet den Auftritt der Agrarministerin Klöckner mit gemischten Gefühlen. Bei den Themen Grünlandumbrüche und Nitratmessnetz zeigte sie sich einsichtig, findet der Agrarstudent der Hochschule Neubrandenburg. Andererseits redete Klöckner seiner Meinung nach auch etwas um den heißen Brei.


Auch die Polizei Berlin sieht die Bauerndemo als Erfolg.

Die Behörde ist zufrieden mit dem Ablauf der Sternfahrt nach Berlin. Das vorbildliche Verhalten der Bauern machte die Herausforderung für sie machbar. Auch die Bildung von Rettungsgassen klappte anstandlos.

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Bauernprotest: Tausende Landwirte vor dem Brandenburger Tor

Die Wut über das Agrarpaket trieb Landwirte aus der ganzen Republik nach Berlin. Die Veranstalter von „Land schafft Verbindung“ sprechen von 40.000 Teilnehmern, die Polizei zählte 8.600 Traktoren in der Hauptstadt. Zum angekündigten Dialog aber kam es nur ansatzweise.

Die Fronten zwischen Bauern und Bundesumweltministerin Svenja Schulze bleiben verhärtet. Schulze beteuerte am Dienstag auf der Großdemonstration von Landwirten aus ganz Deutschland in Berlin, dass auch im Umweltressort große Wertschätzung für die Arbeit der Bauern bestehe. Jeder wisse, wer die Lebensmittel herstelle. Gleichzeitig gebe es aber auch „Riesenprobleme“ beim Grundwasser und dem Insektenschutz, was auch die Landwirtschaft selbst bedrohe, betonte die Ministerin.

Bauern als „Teil der Lösung“

Nachholbedarf sieht sie zudem beim Klimaschutz und der Verbesserung des Tierwohls in der Landwirtschaft. Schulze bezeichnete die Bauern als „Teil der Lösung“. Sie und ihr Ressort seien im Dialog mit dem Berufsstand und setzten dabei auf eine intensive Beteiligung der Praktiker. Sie gehe davon aus, dass auch die Landwirte ein Interesse daran hätten, im Einklang mit der Natur zu arbeiten, so die SPD-Politikerin.


Live-Stream der Veranstaltung anschauen

https://www.facebook.com/landschafftverbindung/videos/740682766337440/UzpfSTY1NzY0NjE4NzU4NjM4MDozNTg4NjYxODk3ODE4MTEz/

Landwirte hätten auch in Zukunft die Aufgabe, Lebensmittel zu produzieren. Sie müssten aber gleichzeitig dafür sorgen, dass „das Wasser sauber und der Insektenbestand erhalten bleiben“. „Dafür brauchen wir klare Regeln“, stellte Schulze vor den Demonstranten klar. In ihrer Reaktion auf einen Landwirt, der unter großem Beifall Respekt für den Berufsstand, Freiraum zum Wirtschaften und Schutz für Bauernkinder gegen Mobbing einforderte, entgegnete die Umweltministerin, sie empfinde es als Respekt, wenn jeder Bundesbürger jedes Jahr im Schnitt 114 Euro für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bezahle. Dies rief in der Menge allerdings lautstarken Protest hervor.

Nach Buhrufen und unter lauten Pfiffen verließ die Ministerin die Bühne, ohne dass es zu einem echten Dialog kam. „Wir haben zu Tisch gebeten, und das hat in diesem Fall nicht geklappt“, kommentierte Henrik Wendorff, Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg, den Redebeitrag Schulzes. „Ich glaube, wir sehen uns hier noch mal wieder“, sagte er unter Beifall.

Klöckner bietet Bauern Dialog

Sichtlich ernsthafter nahm Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner den Dialogversuch auf. Sie lud zum bereits angekündigten Landwirtschaftsgipfel mit der Bundeskanzlerin am 2.  Dezember ein, kündigte ein nationales Dialogforum an, um an verschiedenen Orten in Deutschland mit Bürgern und Umweltverbänden ins Gespräch zu kommen. Es soll erstmals während der Grünen Woche im Januar in Berlin stattfinden. Die CDU-Politikerin regte außerdem an, eine öffentlichkeitswirksame Kampagne für mehr Wertschätzung aufzulegen – von einer professionellen Agentur, die in Manier der früheren CMA arbeiten könnte. 



Eine intensive Diskussion entspann sich zwischen ihr und den Landwirten Dirk Andresen und Sebastian Dickow von der Initiative „Land schafft Verbindung“ auf der Bühne. Dabei ging es vor allem um die Düngeverordnung und das geplante Aktionsprogramm Insektenschutz.

Klöckner versicherte mehrfach, die Bundesregierung stehe auf der Seite der Bauern. Sie zeigte Verständnis für den Frust über die Düngeverordnung, wies aber auch darauf hin, dass schon vor Jahren hätte gehandelt werden müssen. Dass die schon damals nötigen Veränderungen nicht entschieden genug angepackt worden seien, lastete sie auch den berufsständischen Interessenvertretungen an. Auf den immer wieder geäußerten Vorwurf, Bund und EU würden beim Nitrat mit falschen Zahlen hantieren, reagierte sie ausweichend: „Ich hätte mir auch gewünscht, dass die Verschärfung der Düngeverordnung von 2017 hätte erst einmal wirken können.“

Unterm Strich verteidigte Klöckner sowohl die Düngeverordnung als auch das Agrarpaket ohne Abstriche. Änderungen an den Beschlüssen kündigte sie nicht einmal andeutungsweise an. Was es gab, waren zwei Zusagen: Erstens will die Bundesregierung den Anpassungsprozess in den Betrieben mit zusätzlichen Geldern unterstützen, zweitens sollen Bauernvertreter intensiver als bei normalen Gesetzgebungsverfahren in die Diskussionen über die konkrete Umsetzung einbezogen werden.

Text: Ralf Stephan (mit AgE)



Die Bilder der Bauernproteste

In Berlin demonstrieren die Bauern – und die ganze Republik schaut hin. Die Landwirte haben ihrem Ärger über eine verfehlte Agrarpolitik Luft gemacht – und haben mit ihrem kreativen Protest jede Menge sehenswerter Bilder produziert.

Für viele Teilnehmer war es ein anstrengender Tag: Bereits morgens in aller Früh ging es für viele Landwirte auf die Straße, wollten sie doch pünktlich zu der großen Protestkundgebung von „Land schafft Verbindung“ an das Brandenburger Tor nach Berlin kommen. Und das taten sie zahlreich: Die Veranstalter zählten rund 40.000 Demonstranten aus, laut Berliner Polizei waren rund 8600 Schlepper in der Hauptstadt unterwegs.

Die Bilder der Bauernproteste

Fotos: (c) Bettina Karl; Imago Image: Christian Spicker / Nordphoto / Uli Winkler / epd)


Scharfe Ernte: Meerrettich aus dem Spreewald

Schön ist er nicht – aber scharf! Im Spreewald geht es dem Meerrettich jetzt an die Wurzeln. Auf rund zehn Hektar wird geerntet – bis der erste Frost kommt. Und das ist knüppeldicke Arbeit für die Landwirte und ihre Helfer.

Von Bärbel Arlt

Fast im Schneckentempo tuckert Dirk Richter mit dem Traktor übers Feld. Immer wieder blickt er kontrollierend zum Roder, der das Wurzelgeflecht, das bis zu 50 Zentimeter fest im Erdreich steckt, aus dem Boden schüttelt. Wenig später rollt sein Cousin mit einem alten Deutz auf den Schlag und Helferinnen laden das verzweigte Wurzelwerk auf den Hänger.

Der rollt dann auf den nahen Hof des Gemüsebetriebes in Klein Klessow bei Lübbenau, wo Familie, Freunde, Bekannte und Saisonkräfte den Rettich zurechtstutzen: Die dicken Wurzelstangen werden von den vielen Nebenwurzeln befreit, gereinigt und nach Qualität sortiert – für den Verkauf zum Beispiel an den Spreewälder Traditionsbetrieb Rabe. Die Schwigatze – so werden die dünneren Nebenwurzeln im Spreewald bezeichnet – wiederum kommen über den Winter bündelweise in eine Erdmiete – und im Frühjahr als Pflanzgut wieder aufs Feld. 25.000 Schwigatze, so Dirk Richter, sind es pro Hektar. 

Meerrettichernte ist Handarbeit

Meerrettichernte ist seit jeher ein Knochenjob und zum größten Teil Handarbeit. Ohne helfende Hände wären Anbau und jetzt die Ernte nicht zu bewältigen. So ist auch Werner Busch aus Klein-Klessow seit einigen Jahren auf dem Hof von Dirk Richter mit dabei und meint: „Das ist doch mal echte Nachbarschaftshilfe.“ Trotz der sehr aufwendigen Arbeit hat sich Landwirt Richter für den Meerrettichanbau entschieden – aus Enthusiasmus und Tradition wie er sagt, denn Meerrettich gehört zum Spreewald wie die Gurke – und ist wie die Gurke auch geografisch geschützt.

Helfer bearbeiten den Meerrettich im Spreewald

Drei bis vier Hängerladungen schaffen die Helfer pro Tag. (c) Thomas Uhlemann

Meerrettichernte im Spreewald

Mit dem Roder werden die Wurzeln aus dem Boden gelöst (c) Thomas Uhlemann

Meerrettichernte im Spreewald

Die herausgelösten Wurzeln auf dem Feld (c) Thomas Uhlemann

Meerrettichernte im Spreewald

In Handarbeit werden die herausgelösten Wurzeln aufgeladen. (c) Thomas Uhlemann

Meerrettichernte im Spreewald

Landwirt Dirk Richter zählt zu den Haupterzeugern im Spreewald. (c) Thomas Uhlemann

Meerrettichernte im Spreewald

Pro Tag werden mehrere Hänger mit Meerrettich beladen. (c) Thomas Uhlemann

Meerrettichernte im Spreewald

Pflanzgut für das kommende Frühjahr (c) Thomas Uhlemann

Meerrettichernte im Spreewald

Dirk Richter will die alte Landsorte künftig vermehrt anbauen. (c) Thomas Uhlemann

Im vierten Jahrhundert, so belegen es Aufzeichnungen, sollen die Slawen die scharfen Stangen in den Spreewald gebracht haben und sie wurden seither über Jahrhunderte angebaut. Allerdings kam nach der Wende der Anbau nahezu  zum Erliegen. Dirk Richter setzte 1993 wieder die ersten Schwigatze in die Erde und baut die Wurzeln heute auf 1,4 Hektar an. Damit ist er der zweitgrößte Produzent im Spreewald hinter dem Gemüsebaubetrieb „Spreewald“ in Klein Radden. 

Trockenheit mag er gar nicht

Insgesamt werden im Spreewald gut zehn Hektar Meerrettich angebaut. Durchschnittlich liegt der Ertrag pro Hektar bei zwölf bis 13 Tonnen. Dirk Richter mag zwar keine Ernteprognose abgeben, doch er zeigt sich relativ zufrieden. Sein Standort ist mit Nährstoffen gut versorgt, und der lehmunterlagerte Boden hält die Feuchtigkeit. Marcel Mich vom Gemüsebaubetrieb Spreewald aber geht von Ertragseinbußen aus. Denn der zwar warme, aber wieder zu trockene Sommer hat den Pflanzen erneut zugesetzt. Die Folge sind weniger stark entwickelte Hauptwurzelstöcke und die Ausbildung von mehr Nebenwurzeln.

Wissenswert

Zitrone des Nordens

Meerrettich (Armoricia rusticana) wurde bereits vor 2.000 Jahren entdeckt und hat seine historischen Wurzeln in Ost- und Südeuropa. Auch in der Antike war er geschätzt. So sprachen die alten Griechen im Orakel von Delphi:  „Radieschen ist sein Gewicht in Blei wert, Rettich in Silber, aber Meerrettich in Gold.“ Für den stechend scharfen Geschmack sind die Senföle verantwortlich, die so manchem die Tränen in die Augen treiben. Doch sie bewirken wahre gesundheitliche Wunder, sind antibakteriell, fiebersenkend, und helfen bei Stoffwechsel- und Verdauungsproblemen sowie Harnwegsinfektionen. Den Blättern wird helfende Wirkung bei Erkrankungen wie Gicht und Rheuma, Zahn- und Kopfschmerzen nachgesagt.

Aufgrund des sehr hohen Vitamin-C-Gehaltes wird der Meerrettich auch als Zitrone des Nordens bezeichnet. Er stärkt Abwehrkräfte und löst den Husten. Landwirt Dirk Richter weiß zu berichten, dass es Spreewälder gibt, die bei Husten Meerrettich auf die Brust auftragen, das mache die Bronchien frei. Auch eine Kette aus Meerrettichscheiben soll vor Husten schützen und Fieber senken. Aberglaube hin oder her: Eine kleine Meerettichscheibe soll im Portemonnaie dafür sorgen, dass das Geld nicht alle wird. Und wie isst der Spreewälder den Meerettich am liebsten?  „Frisch gerieben auf Brot mit Leberwurst“, meint Landwirt Dirk Richter. Andreas Traube vom Spreewaldverein schwört als leidenschaftlicher Angler auf den  Spreewälder Klassiker „Hecht in  Meerettichsoße.“ Auch zu Tafelspitz, Rinderbrust und Wildgerichten passe das geriebene Wurzelgemüse hervorragend.

Mehr Infos: www.spreewaldverein.de

„Wir sind im Frühjahr schon mit einem Niederschlagsdefizit gestartet“, sagt Michael Petschick vom Vorstand des Spreewaldvereins. Und Trockenheit mag der Tiefwurzler nun mal gar nicht. „Er braucht die Feuchtigkeit von unten.“ Da habe auch die Beregnung im Sommer nicht viel bewirken können. Hinzu kommt, dass das Grundwasser so achtzig Zentimeter bis einen Meter gefallen ist und die Wurzeln dadurch nicht optimal versorgt werden konnten. „Unter den gegebenen Bedingungen wäre ein Gesamtertrag von rund 120 Tonnen in dieser Saison ein Erfolg“, so Petschick. 

Meerrettich-Verarbeitung direkt im Spreewald

Landwirt Dirk Richter macht in Meerrettich.
Landwirt Dirk Richter macht in Meerrettich. (c) Thomas Uhlemann

Geerntet wird bis Ende November beziehungsweise bis zum ersten Frost auf zwei Drittel der Gesamtfläche. Im Frühjahr kommt dann der Rest vom Acker. Damit ist die frische Rohware über einen längeren Zeitraum für die Verarbeitungsbetriebe verfügbar und muss nicht eingelagert werden. Der größte Verarbeitungsbetrieb im Spreewald ist die Firma Rabe Spreewälder Konserven GmbH in Boblitz. „Die Nachfrage bei den Verbrauchern ist konstant stabil“, sagt Markus Belaschk, der den über 100-jährigen Familienbetrieb in fünfter Generation führt. Geliefert wird vor allem an den Lebensmitteleinzelhandel, der Osten Deutschlands ist das Hauptabsatzgebiet. Aber auch Gastronomen und Fleischereien sind Meerrettichabnehmer.

Um alle vertragsgerecht beliefern zu können, wird auch zugekauft, so aus Ungarn, dem europäischen Hauptanbaugebiet. Neben dem Beelitzer Spargel und den Spreewälder Gurken besitzt der Spreewälder Meerrettich das EU-Gütesiegel „Geschützte geografische Angabe“. Damit ist garantiert, dass bei der Verarbeitung überwiegend Meerrettich aus regionalem Anbau verwendet wird. Und für die Zertifizierung müssen die Landwirte jeden Arbeitsschritt akribisch dokumentieren.  Die Produkte, die in Boblitz in die Gläser kommen, basieren übrigens noch heute zum Teil auf DDR-Rezepturen und die des Großvaters von Markus Belaschk. Und natürlich kommen immer wieder neue Sorten wie Sanddorn-Meerrettich hinzu. 

Alte Landsorte wieder im Kommen 

Künftig soll die alte Spreewälder Landsorte oder offiziell „Meerrettich Spreewälder Herkunft“ vermehrt angebaut werden. „Dabei geht es nicht vordergründig um großen Ertrag, sondern um den Erhalt einer alten Kulturpflanze“, so Michael Petschick. Sie soll schärfer sein, sich besser putzen und verarbeiten lassen, als der jetzige „Virusfreie“.


Meerrettich im Glas

EU-Gütesiegel

Beim Kauf von Meerrettich sollten Verbraucher auf das Siegel „Geschützte geografische Angabe“ achten. Das bedeutet, dass bei der Veredlung überwiegend Meerrettich aus regionalem Anbau verwendet wurde.


Leider hat es die alte Landsorte auf die bundesweite Rote Liste bedrohter Kulturpflanzen geschafft. „Im Biosphärenreservat Spreewald sollte es eine Ehrensache sein, diese Pflanze weiterhin zu erhalten. Der Auftrag der Unesco, solche Genreserven zu schützen und wirtschaftlich tragfähige Konzepte zu entwickeln, wird in kleinen Schritten verwirklicht“, sagt Petschick. 

Dirk Richter baut die alte Sorte bereits auf 0,6 Hektar an und plant fürs nächste Jahr einen knappen Hektar: „Ich will den Anbau voranreiben, das ist mein Ziel.“

Nitratgebiete: In der roten Zone

Die roten Zonen sorgen für Diskussion: Darüber, wie die Nitratgebiete in Sachsen ermittelt wurden und welche ackerbaulichen Optionen betroffene Landwirte haben, informierte das Landesamt auf einer Veranstaltung.

Voraussichtlich im kommenden Frühjahr wird die nächste Novelle der Düngeverordnung (DüV) in Kraft treten. Sie bringt deutliche Verschärfungen mit sich – vor allem für die sogenannten roten Gebiete mit hohen Nitratbelastungen des Grundwassers. Angesichts der drohenden Folgen hinterfragen viele Landwirte, auf welcher fachlichen Grundlage die Ausweisung der Nitratgebiete in Sachsen erfolgte. Dieser Forderung nach Transparenz kam das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) vergangene Woche nach und informierte in Nossen über Stand und Perspektiven der Nitratgebiete in Sachsen.

Oft gibt es Kritik daran, dass das deutsche Messnetz auf die Belastungspunkte orientiert sei und das schlechte Abschneiden im europäischen Vergleich damit quasi bewusst provoziere. Aus Sicht der Fachbehörde verkennt dieser Einwand jedoch die rechtlichen Grundlagen. Dr. Peter Börke, Referatsleiter Siedlungswasserwirtschaft Grundwasser im LfULG, verwies darauf, dass laut europäischer Nitrat-Richtlinie von 1991 der Eintrag von Nitrat konkret aus landwirtschaftlichen Quellen in Grundwasser und Oberflächengewässer zu reduzieren sei und diese Einträge messstellenbezogen zu ermitteln sind. Die Probleme seien lange bekannt, nur gehandelt habe man nicht, so Börke.

Nitratgebiete in Sachsen: Das sind die Quellen

Recht verlässlich lasse sich auch die Quelle der Belastungen abschätzen: Laut dem Modell „Stoffbilanz“ stammen 47,2  % der Nitrateinträge in sächsische Gewässer von Acker- und 5,2 % von Grünlandflächen. Aus Kläranlagen und aus Siedlungen stammen jeweils etwas mehr als 11  % der Nitrateinträge. Anders als beim Phosphor, wo knapp 42  % der Einträge aus Kläranalgen stammen, ist Börke zufolge beim Nitrat somit die Landwirtschaft eindeutig Haupteintragsquelle. Börke machte deutlich, es sei nach Bestimmung des Alters von Grundwasser nicht festzustellen gewesen, dass es sich bei der Belastung mit Nitrat überwiegend um DDR-Altlasten handele. Auch Deponien beeinflussten den Nitratgehalt des Grundwassers nicht. Zwar gäbe es Einträge, jedoch betreffe dies andere Stoffe und nicht Nitrat.

Grundwassermessnetze gibt es in Sachsen Börke zufolge zu verschiedenen Zwecken und von verschiedenen Betreibern. Das EU-Nitratmessnetz umfasst in Sachsen 36 Messpunkte. Für die Ausweisung der Nitratgebiete in Sachsen seien allerdings Daten von weitaus mehr Messstellen auch anderer Netze verwendet würden. Allerdings könne man nicht ohne Weiteres die Daten von anderen Messnetzbetreibern veröffentlichen.

Regionalisierung der Nitratwerte

Das Grundwassermessnetz werde weiter ausgebaut; kurzfristig werden 15 Messstellen, mittel- und langfristig weitere 85 entstehen. Von anwesenden Landwirten wurde bei der Veranstaltung angeregt, vorhandene Brunnen, die ohnehin beprobt würden, künftig in die Messungen einzubeziehen.

Nitratmessgerät misst Schadstoffgehalt
Vom Landesamt wurde die Auswahl der Messstellen in den roten Gebieten näher spezifiziert. (c) Sabine Rübensaat

Die Regionalisierung der Nitratwerte erfolgte in Sachsen auf Grundlage von insgesamt 1.689 Messstellen verschiedener staatlicher Messnetze sowie der Messnetze in Bergbaugebieten, Analysen der Trinkwasserverbände, der staatlichen Betriebsgesellschaft für Umwelt und Landwirtschaft (BfUL) und des forstlichen Umweltmonitorings sowie Nitratmessungen anderer Bundesländer.

Ausgehend von den Punktmesswerten wurde mittels zweier Verfahren unter Berücksichtigung der Fließrichtungen und der Grundwasserstockwerke die Verteilung der Nitratkonzentration im Grundwasser berechnet, legte Heiko Ihling vom LfULG dar. Statt ca. 5.200 km2 Fläche mit Grundwasserkörpern in einem schlechten chemischen Zustand aufgrund von Nitrat wurde somit die binnendifferenzierte Nitratkulisse auf Teilflächen von 2.200  km2 reduziert. Dort können Maßnahmen zur Reduzierung des Nitrateintrags fokussiert werden. Nicht identifiziert werden könne jedoch ein konkreter Verursacher an einzelnen Belastungsstellen.

Rotes Gebiet: Kritik von Landwirten

Kritisch, das zeigten die Wortäußerungen der Anwesenden, sehen Landwirte, dass auf den Flächen mancher Betriebe, die im roten Gebiet wirtschaften, keine einzige Messstelle sei. Das Messnetz, wandte Börke ein, sei nicht auf Betriebe oder gar Schläge bezogen. Wem die Einordnung nicht plausibel erscheine, könne sich an das LfULG wenden. Falsche Schlüsse aus den Messdaten zu ziehen, warf Wolfgang Grübler, Agrarbetrieb Lommatzscher Pflege eG, den Behörden vor. Sein Betrieb habe nachweislich nie mehr als 25  kg Reststickstoff in der Bilanz vorzuweisen, dennoch liege man im roten Gebiet. Hierzu gab Dr. Ulrich Henk, zuständiger Referent im Landwirtschaftsministerium, zu verstehen, dass es eine Diskrepanz zwischen bedarfsgerechter und wasserschutzgerechter Düngung gebe. N-Überschüsse von höchstens 10 bis 20  kg seien nötig, um das Nitratproblem wirksam anzugehen.

Nitratgebiete: N-Effizienz verbessern

Welche Veränderungen auf die Landwirte im Rahmen der DüV-Novelle voraussichtlich zukommen, fasste LfULG-Düngungsexperte Dr. Michael Grunert zusammen. Folgenreich sind die Bestimmungen vor allem für die Nitratgebiete – hier muss unter anderem die N-Düngung um 20 % gegenüber dem ermittelten Düngebedarf reduziert werden. Das schmälert nicht nur den Ertrag, sondern auch die Qualität, vor allem bei der Erzeugung von Qualitätsweizen, die nur noch eingeschränkt möglich sein wird.



Entgegengewirkt werden kann dem in begrenztem Maße mit einer höheren N-Effizienz im Betrieb. Dazu zähle, im Rahmen der Möglichkeiten organische Dünger zeitnah zum Nährstoffbedarf, optimal verteilt und durch Einsatz entsprechender Technik verlustarm auszubringen. Auch die fachlich erweiterte N-Düngebedarfsermittlung des Programms BESyD, die die Bestandsentwicklung berücksichtigt, hilft, den N-Einsatz zu begrenzen. Eine optimale Versorgung mit anderen Grundnährstoffen steigert ebenfalls die N-Effizienz, ebenso wie die teilflächenspezifische Düngung.

Pauschale Herbst-N-Düngung vermeiden

Eine pauschale Herbst-N-Düngung sollte vermieden werden. Als Handlungsmöglichkeiten auf die Reduzierung der N-Düngung im Nitratgebiet empfahl Grunert, bestimmte Kulturen auf Nicht-Nitratgebiete zu verlagern, den Düngebedarf qualifiziert zu ermitteln und alle ackerbaulichen Faktoren zu optimieren.

Mit einzelbetrieblicher Beratung und Praxisvorführungen unterstützt das LfULG die Landwirte sowohl in den Nitratgebieten in Sachsen als auch in der für die Wasserrahmenrichtlinie relevanten Kulisse dabei, Stoffeinträge in Gewässer zu vermeiden, wie Referentin Silke Peschke informierte. Fachlich wird dieser Wissenstransfer durch die AgUmenda GmbH übernommen. Schwerpunkte sind unter anderem die Düngebedarfsermittlung, teilschlagspezifische Düngung oder die Düngerverteilung. In Versuchen konnte gezeigt werden, dass Maßnahmen, wie etwa eine verringerte Intensität der Bodenbearbeitung nach Raps, die N-Freisetzung verringert oder der Einsatz von Nitrifikationshemmern einen Mehrertrag im Mais und damit höheren N-Entzug brachte. kb