Wolfsbestand: „Läuft aus dem Ruder“

Aktionsbündnis sieht Maß für akzeptablen Wolfsbestand in drei Ostländern als überschritten an und legt erstmals Modell zur Regulierung vor.

Schon im laufenden Jahr sollten im Land Brandenburg 80 Wölfe entnommen werden, damit sich der Bestand der Raubtiere auf eine tragbare Größe von 510 Tieren einpegeln kann. Die Verbände im Aktionsbündnis Forum Natur (AFN) haben mit diesen für zunächst ein Land durchgerechneten Zahlen erstmals ein Modell für das Bestandsmanagement der Wölfe in Deutschland vorgestellt.

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Akzeptanzbestand wird ermittelt

In mehreren Bundesländern fange der Wolfsbestand an, „aus dem Ruder zu laufen“, begründete Eberhardt Hartelt, Vorstand im Aktionsbündnis Forum Natur und Umweltbeauftragter des Deutschen Bauernverbandes (DBV), den Vorschlag. Es müsse daher ein gesetzliches Verfahren geschaffen werden, das die Anzahl der für die einzelnen Bundesländer zulässigen Wölfe definiert.

Das unter Mitwirkung renommierter Wildbiologen erarbeitete Modell bewertet die „Geeignetheit“ von Lebensräumen und verschneidet sie mit dem vorhandenen Wolfsbestand. Somit baue es ausdrücklich auf den offiziellen Wolfszahlen und Gutachten des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) auf, betonte Hartelt. Anhand dieser Daten werde ein sogenannter Akzeptanzbestand ermittelt, der sich zwischen einer Obergrenze – der vollständigen Besetzung aller geeigneten Gebiete – und einer Untergrenze – dem Besatz mit lediglich 60 Prozent – einpegele. Aus dem Mittelwert ergibt sich eine Entnahmequote für jedes Land. Für die Umsetzung soll der Wolf in das Jagdrecht. Nach Einschätzung der Verbände ist die Regulierung für Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt bereits heute notwendig.

Regulierung nur in Brandenburg nicht möglich

Dem von AFN-Geschäftsführer Gregor Beyer auf einer Veranstaltung des DBV zur Weidetierhaltung vorgestellten Modell erteilte das Bundesumweltministerium umgehend eine Absage. Der zuständige Unterabteilungsleiter, Josef Tumbrinck, wies während der Tagung darauf hin, dass das Bestandsmanagement unvereinbar sei mit dem Schutzstatus durch die FFH-Richtlinie. Eine Regulierung nur in Brandenburg wäre ohnehin nicht möglich, da Deutschland noch zahlreiche Wolfserwartungsgebiete aufweise. Damit befinde sich der heimische Bestand nach Brüsseler Lesart in keinem guten Zustand.

Tumbrinck, der bis 2019 Vorsitzender des Nabu Nordrhein-Westfalen war, unterstrich stattdessen erneut die Wichtigkeit des Herdenschutzes. Zudem erinnerte er daran, dass die EU bereits ein Pilot verfahren, eine Vorstufe zu einem Vertragsverletzungsverfahren, wegen der deutschen Wolfspolitik eingeleitet habe. AGE/red

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Wagyus im Oberspreewald: Der Tierarzt als Züchter

Dr. Bernd Henning ist nicht nur Veterinär im Unruhestand. Seit 30 Jahren züchtet er im Oberspreewald Mutterkühe, hat vieles ausprobiert und ist letztlich bei Wagyus angekommen – vor allem aus kulinarischen Gründen.

Von Heike Mildner

Familie Henning in Hollbrunn ist eine Familie von Tierärzten: Vater Bernd, Mutter Angelika, Sohn Felix Franz und Schwiegertochter Dana – alles Tierärzte, und die Praxis in Hollbrunn eine Hausnummer für Groß- und Kleintierhalter im Oberspreewald. Aber deswegen sind wir nicht hier. Hennings hatten sich im Herbst mit einem Grünlandproblem an die Bauernzeitung gewandt, das wir an dieser Stelle in einer der nächsten Ausgaben der Bauernzeitung besprechen werden.

Heute wollen wir die Geschichte von Dr. Bernd Hennings Nebenerwerb erzählen, die mit einem Schwarzbunten Niederungsrind begann, über Galloways und interessante züchterische Versuche bis zu einer kleinen Fast-Wagyu-Herde mit zwei Stammkühen, einer Färse und drei Ochsen führt.

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• Zuhause auf dem Land
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Wagyus im Oberspreewald: Die erste eigene Kuh

Die Tiere stehen recht scheu auf der nasskalten Weide hinter einem stromführenden Zaun und lassen uns nur über das Teleobjektiv näher heran. Weiter hinten ein Unterstand, der im Winter das Heu trocken hält und Schutz bietet. Fast täglich ist Henning hier draußen, seit er die Tierarztpraxis seinem Sohn übergeben und endlich mehr Zeit hat, Bauer zu sein.

Zu seiner ersten eigenen Kuh kam Bernd Henning 1990, es war ein Schwarzbuntes Niederungsrind. Zuvor hatte er 15 Jahre als Tierarzt im Auftrag des Rates des Kreises Schweine und Milchkühe betreut. „Fast alle meine Betriebe gingen innerhalb von vier Wochen in Konkurs. Es fehlte an Mut, Verantwortung zu übernehmen, die Ställe aus den 60ern waren heruntergewirtschaftet, die Schweine für den westdeutschen Markt zu fett, wurden fast verschenkt, 1.500 Milchkühe innerhalb von vier Wochen über die Viehhändler abgeholt“, erinnert sich Henning.

Auf Anraten seines Arbeitgebers machte er sich selbstständig. „Damals hielten alle die frische D-Mark fest und holten den Tierarzt nur in größter Not“, erinnert sich Henning. Er war 40, hatte gemeinsam mit seiner neuen Partnerin acht schulpflichtige Kinder zu versorgen und im Jahr nach der Währungsunion nur 17.500 DM Einnahmen.

Hennings schafften sich eine Kuh mit Kalb an, die jeden Tag gemolken wurde und neben ihrem Kalb die Familie mit Milch, Sahne und Quark versorgte. „Drei Liter haben wir abgenommen, das Kalb hat nachgemolken“, so Henning. „Ein halbes Jahr hat uns die Kuh über Wasser gehalten.“

Dr. Bernd Henning bei seinen  80-Prozent-Wagyus auf der  Weide bei Hollbrunn.
Dr. Bernd Henning bei seinen 80-Prozent-Wagyus auf der Weide bei Hollbrunn.

Galloway-Rinder auf dem Grünland

Dann entdeckte er die Galloways. „Unser Grünland ist nicht das beste, zum Teil haben wir stauende Nässe und Sauergräser. Für schwerere Mastrinder ist es nicht geeignet, für Galloways schon.“ Gemeinsam mit einem Freund, der wusste, wie in der Schwäbischen Alb Landschaftspflege mit Rindern funktioniert, stieg er in die Galloway-Zucht ein.

Außerdem beteiligt waren zwei Galloway-Kühe und der Bulle Papageno mitsamt Zauberflöte. Zu fünf Hektar eigenem Land konnten vier von der BVVG gekauft und weiteres gepachtet werden: Auf 50 ha Dauergrünland wuchs die Herde auf 25 Tiere. „Es hat unheimlichen Spaß gemacht“, erinnert sich Henning.

Galloways seien mehr Individuen als Herdentiere und leicht zu händeln, zumal da der Faktor Wolf noch zu vernachlässigen war. „Andere Züchter haben uns die Absetzer gern abgenommen. Auf dem Höhepunkt unserer Reproduktionsleistung kam die BSE.“

Auf Kreuzungswegen mit Shorthorn Rinder

Galloway mit Shorthorn zu kreuzen, war schon ein länger gehegter Plan, um die Galloways etwas größer und leichtwüchsiger zu machen, sodass sie nicht erst nach drei, sondern nach zwei Jahren schlachtreif sind. „Just an dem Tag, an dem BSE losging, gab es ein Züchtertreffen in Norddeutschland“, erzählt Bernd Henning. Er kaufte einen hornlosen, umgänglichen Shorthorn-Bullen und erzeugte mit ihm ein F1-Produkt, das von den Mästern angenommen wurde.

„Galloways werden alt, wir haben sie behalten, bis sich die ganze Sache beruhigt hatte“, so Henning. Er behielt die weiblichen Tiere aus den Kreuzungen und experimentierte mit ihnen weiter: Sie bekamen einen Blonde-d’Aquitaine-Bullen namens Egon zum Decken: „Umgänglich, lieb und von Statur wie ein Bodybuilder. Da kam ein ganz tolles Produkt raus“, schwärmt Henning. Seine Züchtermaxime: „Das Vatertier muss reinrassig sein und dem Markt entsprechen, das Muttertier dem Standort.“

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Das männliche Wagyu-Rind kann ein Gewicht von bis zu 1100 kg erreichen. Fotos (c) Reiner Schumann

Wagyu Geschmacksexplosion

Die Tierarztpraxis wuchs nebenbei weiter, auch, weil Henning mit der Mutterkuhhaltung so erfolgreich war. Ein Paradox, denn für die blieb immer weniger Zeit. In der Folge trennten sich die Geschäftspartner, der Tierarzt verfolgte auf seinen elf Hektar Eigenland im kleinen Stil seine Ideen vom robusten, leckeren Weiderind weiter. Nach weiteren Züchtungsexperimenten, u. a. mit Angus, hatte er ein kulinarisches Bekehrungserlebnis auf einer Grünen Woche.

Nach Investition von zehn Euro in eine Wagyu-Bratwurst haute den durchaus schon verwöhnten Rindfleisch-Gourmet eine „Geschmacksexplosion“ um: „Das Geheimnis des Geschmacks ist und bleibt das Fett, und das ist beim Wagyu in der kettigen Zusammensetzung ganz anders als bei anderen Rindern.“ So sei der Schmelzpunkt wesentlich niedriger, was man bereits beim Verarbeiten merkt: Die Hände sind fettig. Und auch in einem Steak beispielsweise bleibe das Fett länger geschmacklich wirksam.

Das neue Zuchtziel stand fest: Die Herde auf Wagyu umstellen! Ernüchterung stellte sich nach dem Besuch des Zuchtleiters Wagyu-Deutschland ein, den Bernd Henning in Chemnitz besuchte. Er sah sich den Betrieb an und erfuhr etwas über Embryonentransfer mit Angus als Träger. Aber vor dem eigentlichen Ziel der Reise, mit einem Bullen nach Hause zu kommen, schreckte er dann doch zurück: 8.000 Euro sollte das sieben Jahre alte Tier kosten.

In der Tierarztpraxis ist Bernd Henning nur noch aushilfsweise tätig.
In der Tierarztpraxis ist Bernd Henning nur noch aushilfsweise tätig.

Wagyu mit Holstein

Henning ging einen anderen Weg: Inzwischen gab es einen Wagyu-Bullen in der Besamungsstation des Rinderzuchtverbandes Berlin-Brandenburg (RBB). Einige Betriebe hatten bereits ein paar Tiere mit ihm besamt und die F-1-Tiere waren auf dem Markt. Henning kaufte drei dieser Färsen und tastete sich über Besamung weiter an die Wagyu-Genetik heran.

Die Kälber der F1-Färsen hatten bereits einen Wagyu-Anteil von 75 %, bei den jetzigen Kälbern liegt er über 80 %. „Die Bedingungen auf der Weide stecken die Tiere ganz gut weg“, beobachtet Henning. „Und da in den Mutterkühen noch Holstein steckt, ist die Milchleistung so gut, dass auch die Kälber gut versorgt aufwachsen.“

Zuletzt der Weideschuss

Am anderen Ende eines Wagyu-Lebens in Hollbrunn steht der Weideschuss, der Bernd Henning als Jäger genehmigt wird. Innerhalb von 20 Minuten bringt er das getötete Rind zehn Kilometer zu einem EU-zertifizierten Schlachthof. Nach seiner Wunschliste zerlegt, bekommt er es in Kisten zurück, konfektioniert es nach Vorbestellung und verteilt es im Familien- und Freundeskreis: u. a. acht Kinder, 25 Enkel und ein Urenkel sind dankbare Abnehmer.

Zwar ist beim Wagyu-Rind die Ausbeute an Edelfleisch größer, doch fallen auch rund 50 kg Talg an. Das eignet sich gut, um Pfannkuchen auszubacken oder abgehangenens, sauberes Fleisch in lauwarmem Fett einzubetten und es reifen zu lassen, hat Bernd Henning in seinem jüngsten Gourmet-Experiment herausgefunden. Jetzt muss es nur noch mit dem Grünland klappen.

Probleme gibt es mit Ackerkratzdistel und Gänsefingerkraut, die Kulap-Förderung schränkt die Bekämpfungsmöglichkeiten ein. Was man tun kann, beschreibt unser Grünlandexperte Erik Pilgermann bald in der Bauernzeitung.

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Ein Fleischstück vom Wagyurind. Zum 27. Thüringer Fleischrindertag stellte das junge Unternehmen Marblelution GmbH sein Konzept vor. (c) IMAGO / agefotostock
Vorrang für mehr Windkraft in Thüringen

In zwei Jahren soll ein in Teilen geändertes Landesentwicklungsprogramm in Kraft treten. Dies will unter anderem den stockenden Ausbau der Windenergie forcieren.

Von Frank Hartmann

Schulen und Verkehr im ländlichen Raum sowie der Ausbau der Windenergie sollen im Landesentwicklungsprogramm (LEP) neu bewertet werden. Dafür kündigte Agrarministerin Susanna Karawanskij eine Teilfortschreibung des bestehenden LEP an. Dem vom Landtag beschlossenen Leitbild für die Neugliederung der Gemeinden folgend, sollen alle neu gebildeten Gemeinden, die bis 2035 eine prognostizierte Einwohnerzahl von mindestens etwa 6.000 erreichen, als Grundzentrum gelten: „Wenn sich Gemeinden freiwillig zu größeren und leistungsfähigen Strukturen zusammenschließen, können sie mehr Angebote der öffentlichen Daseinsvorsoge wie Schulen, Ärzte und Einkaufsmöglichkeiten bieten“, so die Ministerin.

Aktualisieren will man zudem die Kriterien für den Ausbau der Windkraft in Thüringen. Zentral ist dabei die Ausweisung von Vorranggebieten für Windkraftanlagen. Dies war, ist und bleibt ein hochemotionales Thema für viele Menschen in den Dörfern. Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung beabsichtigt, die planungsrechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass mindestens ein Prozent der Landesfläche als Vorranggebiete zur Verfügung stehen. Zwar gibt es einen sogenannten Windenergieerlass, der genau das vorschreibt. In den aktuellen Plänen der vier Planungsregionen spiegelt sich dies mit einer Ausnahme allerdings nicht wider.

Mehr WIndkraft in Thüringen: weit vom Ziel entfernt

So sind in Mittelthüringen 0,63 % der Fläche in zwölf Vorranggebieten ausgewiesen: In Südwestthüringen sind es 0,35 % (9 Vorranggebiete), in Nordthüringen 1,2 % (24) und in Ostthüringen 0,4 % (22). Damit würden landesweit derzeit nur 0,6 % der Fläche für die Windenergienutzung bereitstehen, stellt die „Metastudie: Potenziale Vorranggebiete Wind“ fest, die im Vorjahr im Auftrag des Umweltministeriums erstellt wurde und Grundlage für die Diskussion um den LEP sein soll.

Der Ostthüringer Windenergieplan war im vorigen November vom Verwaltungsgericht Gera zurückgewiesen worden, weil dieser Vorranggebiete zu restriktiv bestimmt hatte. Auch vergaßen die Ostthüringer, das zwischenzeitlich vom Landtag geänderte Waldgesetz, das Windräder im Wald verbietet, zu berücksichtigen.

Laut der Untersuchung besitzt eine Windpräferenzraumstudie aus dem Jahr 2015 eine hohe Aussagekraft. Unter Einbeziehung des Waldes wären danach in Nordthüringen 1,31 % der Flächen als Windvorrangflächen geeignet, in Mittelthüringen 1,40 %, in Ostthüringen 0,78 % und in Südwestthüringen 0,61 %. Schließt man hingegen die Waldgebiete aus, wird folgende Verteilung empfohlen: Nordthüringen 1,59 %, Mittelthüringen 1,71 %, Ostthüringen 0,58 % und Südwestthüringen 0,31 %. In der Variante ohne Wald müssten landesweit statt zusätzlich rund 6.000 ha etwa 8.000 ha neu ausgewiesen werden.


Thüringen Flagge

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Ohne Wald mehr Land für Windenergie in Thüringen

Für Nord- und Mittelthüringen seien bei der Betrachtung ohne Waldnutzung höhere Flächenanteile erforderlich, weil in den anderen Regionen große Flächenpotenziale wegen Bewaldung wegfielen. Die Studienmacher gehen bei ihren Annahmen von einem Abstand zur Wohnbebauung von mindestens 1.000 m aus.

Bedauerlicherweise nehmen die LEP-Absichten des Agrarministeriums die jüngsten Empfehlungen aus dem Landtag, Ackerland vor Gewerbegebieten besser zu schützen, nicht auf. Bis zum 8. April kann in der ersten öffentlichen Anhörungsrunde zum LEP noch darauf hingewiesen werden.


Informationen zum LEP-Verfahren gibt es hier


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Horns Hafer macht das Rennen bei pro agro

Die Preisträger des pro agro-Marketingpreises 2022 stehen fest. Alle Ausgezeichneten konnten am vergangenen Freitag ihre Urkunden in Empfang nehmen. Die Gewinnerinnen und Gewinner im Überblick.

Die Preisträger des pro-agro-Marketingpreises 2022 stehen fest: Vergangenen Freitag gaben Landwirtschaftsminister Axel Vogel und pro-agro-Geschäftsführer Kai Rückewold in einem Live-Stream die Gewinner bekannt. Zudem wurde Tobias Fahlberg für Safran aus dem Oderbruch der Edeka-Regionalpreis überreicht.

pro-Agro Preisträger aus der Ernährungswirtschaft

1. Platz: Kornwerk für regionale Biodiversität und Kranichsberger Agrargesellschaft mbH
Der Anbau alter Getreidesorten wird unterstützt, indem Höfen wie dem von Carlo Horn eine solidarische Preisgarantie ausgesprochen wird. Produkte wie Haferdrinks in Mehrwegflaschen haben durch kurze Transportwege eine geringere CO2-Belastung und fördern eine ökologische und soziale Landwirtschaft.

2. Platz: Fischerei Schröder
Unter der Dachmarke „nah&pur“ vertreibt die Fischerei von Wolfgang Schröder seit Oktober 2021 selbst hergestellte Produkte wie die Saure Bratbrasse, Fischbuletten sowie geräuchertes Brassen- und Karpfenfilet im Lebensmitteleinzelhandel in Berlin und Brandenburg.

3. Platz: Golßener Fleisch- und Wurstwaren GmbH & Co. Produktions KG
Die Golßener werden für eine neue pflanzliche Wurstalternative ausgezeichnet. Produziert wird im Spreewald, mit kurzen Transportwegen und überwiegend regionalen Rohstoffen wie Erbsen- und Sonnenblumenkernproteinen, verfeinert mit Rapsöl. Ein hoher Ballaststoffgehalt und die Veredelung mit Gemüse ergeben eine regionale vegetarische Alternative.

pro agro preisträger aus der Direktvermarktung

1. Platz: Kanow Mühle
Mit den saisonalen Themenboxen wie Müllers Kürbisbox, Grillbox oder dem Adventskalender wird den Kunden ein Ensemble aus hochwertigen Naturprodukten und drei passenden Rezepten zum einfachen Nachkochen geboten. Die Produkte werden in der Kanow Mühle hergestellt oder haben einen regionalen Bezug.

2. Platz: Bäckerei Exner
Die „Genusskarte“ ist eine nicht personalisierte Prepaid-Karte, die auch als Gutschein zu verschenken ist. Nutzer können anonym exklusive Vorteile genießen und für die Produkte mit hohem Regionalanteil bargeldlos zahlen.

3. Platz: Fleischerei Weiland
In der Wildsalami „Wilder Mönch“ wird Wildschwein-, Reh- und Hirschfleisch von regionalen Jägern verwendet. Dazu kommt Mönchspfeffer aus Zeischa.

3. Platz: Landwirtschaftsbetrieb Frank Trogisch
Nach dem letzten Einsatz des Mähdreschers E 512 beschloss Landwirt Frank Trogisch, ihn zu einem Grill-Mähdrescher umzubauen. Auf den Rost kommen nur Produkte aus eigener Herstellung.


Landesflagge Brandenburg

Brandenburg aktuell

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pro agro Preisträger aus dem Landtourismus

1. Platz: Seenland Oder-Spree
Beim „Picknick im Seenland“ packen 23 regionale Anbieter Picknick-Körbe mit regionalen Produkten, die an besonderen Natur- und Kulturorten genossen werden können.

2. Platz: Zickengang
Im Wohnstubenrestaurant Zickengang kommen dank vieler guter Ideen so viele regionale Produkte wie möglich zum Einsatz. In der Pandemie wurde täglich für das dörfliche Umfeld gekocht.

3. Platz: Gemeinde Fehrbellin
Die 35 km lange „Rhinluch-Runde“ ist ein infrastrukturell gut erschlossenes Tourismusangebot für Wassersportler. red

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Netzwerk Fokus Tierwohl: Seminare für Schweine-, Rinder- und Geflügelbetriebe

Das Netzwerk Fokus Tierwohl unterstützt Betriebe bei einer tierwohlgerechteren und nachhaltigen Nutztierhaltung. Dafür wurden Tierwohl-Kompetenzzentren für Rind, Schwein und Geflügel eingerichtet. Im Frühjahr werden breit gefächerte Seminare angeboten.

Bundesweit tätigen Tierwohlmultiplikatoren und Experten bündeln dabei Wissen im Erfahrungsaustausch mit Praktikern der teilnehmenden Impulsbetriebe. Für die breite Etablierung von mehr Tierwohl wird das Know-how allen Interessierten und den Akteuren der Wertschöpfungskette zur Verfügung gestellt. So können Innovationen weiterentwickelt und auch an Ihre betrieblichen Gegebenheiten angepasst werden.

Erfahren Sie mehr bei den nächsten Veranstaltungen als Onlineseminar, für die aufgrund begrenzter Teilnehmerzahlen rechtzeitige Anmeldungen nötig sind. (Die Veranstaltungen werden zum Teil auch als fachliche Fortbildung anerkannt.):

Ausschnitt aus dem Seminarprogramm Anfang Februar

(weitere Seminare werden im März und April angeboten)


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Zwölf Euro sind nicht zu stemmen!

Im Interview mit Uwe Kühne, Geschäftsführer der Agrargesellschaft Friedrichsthal mbH und Chef des Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes Thüringen, stellten wir Fragen zu den neuen Mindestlohnplänen und deren Folgen.

Von Frank Hartmann

Herr Kühne, die Bundesregierung will im Oktober den Mindestlohn auf zwölf Euro festlegen. Was heißt das für die Thüringer Agrarbetriebe?
Auf uns würden enorme Belastungen zukommen. Die meisten Betriebe wissen nicht, wie sie das stemmen sollen. Das trifft besonders Tierhalter und all jene, die auf Saisonarbeitskräfte angewiesen sind, also Anbauer von Obst, Gemüse und Sonderkulturen.

■ Uwe Kühne führt die Geschäfte  der Agrargesellschaft  Friedrichsthal mbH  und ist Chef des Landund Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes Thüringen
Uwe Kühne führt die Geschäfte der Agrargesellschaft Friedrichsthal mbH und ist Chef des Land-und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes Thüringen (c) TBV

Worauf gründet Ihr Urteil ?
Angesichts niedriger Erzeugerpreise, enormen Kostensteigerungen bei den Betriebsmitteln und der Aussicht auf deutlich geringere EU-Beihilfen ab 2023, gibt es die wirtschaftliche Lage der meisten Betriebe einfach nicht her. Wenn man die zwölf Euro mit all ihren ‚Nebenwirkungen‘ kalkuliert, kostet das über den Daumen zusätzliche 100 Euro pro Hektar; personalintensive Betriebszweige liegen klar darüber. Bekanntermaßen können wir Landwirte höhere Kosten nicht auf den Verkaufspreis der Produkte umlegen. Und: Wenn wir dieses Jahr die zwölf Euro bekommen, heißt es ja nicht, dass die Mindestlohnkommission in den nächsten Jahren keine weiteren Erhöhungen festlegt.

Wie sehen denn die ‚Nebenwirkungen‘ aus?
Der Mindestlohn berührt ja unser ganzes Lohngefüge: Die Lohngruppe eins des Tarifvertrages ist der Mindestlohn, der 75 Prozent des Ecklohns in der Lohngruppe fünf beträgt. Wir empfehlen den tarifgebundenen Betrieben stets, die prozentualen Abstände zwischen den Lohngruppen aufrecht zu halten. Dies bedeutet: Steigt der Mindestlohn, steigt auch das Niveau aller anderen Lohngruppen. Hinzu kommt ein höherer Arbeitgeberanteil: Bei zwölf Euro sind das knapp 2,70 Euro. Nicht zu vergessen: Die Festlegung der Mindestlohnkommission, binnen eines Jahres den Stundensatz von 9,60 auf 10,45 Euro in diesem Sommer anzuheben, stellt bereits einen Kraftakt dar. Wir reden allein hier über eine Lohnsteigerung von nahezu neun Prozent.

Beschäftigung
20.700 Beschäftigte zählt die Thüringer Landwirtschaft. Darunter sind u. a.: 1.100 Betriebsinhaber im Haupt- und 1.700 im Nebenerwerb; 1.400 Familienarbeitskräfte; rund 1.000 Betriebsleiter bzw. mitarbeitende Gesellschafter in Juristischen Personen und Personengesellschaften; 4.100 Saisonkräfte (290 Betriebe); 2.500 Mitarbeiter (davon 1.800 teilbeschäftigt) in Betriebszweigen wie Energie (400 Betriebe), Direktvermarktung (410 Betriebe) oder Dienstleistung (450 Betriebe). Laut Agrarstatistik gibt es insgesamt 9.300 vollbeschäftigte, ständige Arbeitskräfte. Red


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Wie kommen die Betriebe aus dem Dilemma heraus?
Am einfachsten wäre es, wenn wir Landwirte besser verdienen würden. Dann könnten wir höhere Löhne, die wir unseren Mitarbeitern wirklich gönnen, auch zahlen. Das bleibt aber wohl eine Illusion. Bei Kosteneinsparungen sehe ich kaum Reserven. Wir haben in den vergangenen Jahren massiv rationalisiert. Unsere Personalsituation bewegt sich längst an der Grenze. Als Landesverband stützen wir unseren Bundesverband, der im gesamtdeutschen Arbeitgeberverband an einer rechtlichen Überprüfung dieser Mindestlohnpläne mitwirkt. Wir glauben, dass die Bundesregierung widerrechtlich in die Tarifautonomie eingreift. Dass es irgendwann die zwölf Euro geben wird, ist sicher. Aber wir können nicht akzeptieren, dass dies auf einen Schlag passiert.

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Agrofarm Lüssow will raus aus roten Gebieten

Die Stimmung auf der Agrofarm Lüssow ist angespannt. Weil eine Messstelle zu viel Nitrat im Grundwasser anzeigt, drohen auf über 1.000 Hektar Ertragseinbußen. Die Lüssower wollen raus aus dem roten Gebiet.

Von Gerd Rinas

Prüfend schaut Tom Harnack auf den Getreideschlag neben der Milchviehanlage und beugt sich über die jungen Pflanzen. „Der Weizen ist bisher gut durch den Winter gekommen. Keine Auswinterungen“, freut sich der Abteilungsleiter Pflanzenproduktion. Was für den Weizen gilt, trifft auch auf die anderen Winterkulturen der Agrofarm in Lüssow bei Rostock zu. Die Gerste, die im Herbst etwas spät in den Boden kam, hat den Rückstand aufgeholt. Dem milden Winter sei Dank. Trotzdem sieht Tom Harnack dem Vegetationsstart mit gemischten Gefühlen entgegen. „Mit so vielen Unbekannten wie in diesem Frühjahr hatten wir es noch nie zu tun“, sagt der 31-Jährige.

Dünger knapp und teuer

Normalerweise bestellt die Genossenschaft im Juni den Dünger für die folgende Feldsaison. „Im vorigen Juni war keine Ware da. Später gingen die Preise, vor allem bei Harnstoff, durch die Decke. Wir warteten ab und setzten darauf, dass die Preise zum Jahresende fallen werden“, erinnert sich Tom Harnack. Das trat so nicht ein. „550 Tonnen Grunddünger haben wir inzwischen eingelagert. Er kostete über 70 Euro pro Tonne mehr als im vorigen Jahr. Jetzt fehlen uns noch der Harnstoff und die Hälfte des Bedarfs an Flüssigdünger für die Blattbehandlung im Raps. Die Zeit wird langsam knapp“, so Harnack.

rote Gebiete: 1.145 ha Ackerland der agrofarm lüssow betroffen

Der andere Unsicherheitsfaktor: Nach der Düngelandesverordnung 2020 wurden Flächen der Genossenschaft rotes Gebiet: Eine Grundwassermessstelle weist eine Nitratbelastung von durchschnittlich 52,97 mg/l, maximal 60,34 mg/l auf. „Nach den geltenden Einschränkungen dürfen wir im roten Gebiet nur 20 % unter dem Pflanzenbedarf düngen. „Betroffen sind 1.145 ha Ackerland. Davon sind 440 Hektar mit Winterweizen bestellt, 405 Hektar Raps, 65 Hektar Wintergerste und 235 Hektar Erbsen“, erläutert der 31-jährige Abteilungsleiter.

Wie Tom Harnack sind auch die Vorstände Lars-Peter Loeck und Wencke Ladwig durch die Düngeeinschränkungen beunruhigt. „Welchen Einfluss die Unterversorgung im vergangenen Jahr hatte, lässt sich nicht genau nachvollziehen. Das Wetter hat uns 2021 in die Hände gespielt, die Bestände sahen super aus. Aber am Ende blieben die Erträge unter dem dreijährigen Mittel“, erinnert sich Lars-Peter Loeck.

Von der Nachricht aus dem Landesamt sind Wencke Ladwig, Lars-Peter  Loeck und Tom Harnack gleichermaßen enttäuscht. 90.000 € investierte  die Agrofarm in vier Grundwassermessstellen. Keine davon wurde in das  Landesmessnetz übernommen.
Von der Nachricht aus dem Landesamt sind Wencke Ladwig, Lars-Peter Loeck und Tom Harnack gleichermaßen enttäuscht. 90.000 Euro investierte die Agrofarm in vier Grundwassermessstellen. Keine davon wurde in das Landesmessnetz übernommen. (c) Sabine Rübensaat

Die unerfüllten Ertragserwartungen beförderten einen Zweifel: „Wir trauen den Werten der einzigen roten Messstelle in unserem Beritt nicht“, lässt Loeck durchblicken. „Sie stammt aus dem Jahr 1967 und wurde nicht zum Messen der Nitratbelastung im Grundwasser eingerichtet. Laut Landesamt LUNG ist ein Neubau für das Landesmessnetz geplant. Wir glauben, dass die Nitratbelastung nicht aus der landwirtschaftlichen Nutzung kommt“, sagt Lars-Peter Loeck überzeugt.

Die Messstelle steht nahe am Rand eines Ackers, einen Steinwurf entfernt vom Dorf Groß Schwiesow. Hier wurde erst nach der Wende eine zentrale Ortsentwässerung gebaut. „Die Wohngebäude, darunter ein Block mit sechs Wohnungen, wurden bis dahin sehr individuell entwässert“, deutet Loeck an. Der Vorstand will Nitratlasten aus früheren Zeiten nicht ausschließen, kann diese aber nicht nachweisen.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor: Nur wenige Kilometer entfernt werden seit vielen Jahren Abwässer behandelt. „Festzulegen, dass Landwirte in roten Gebieten pauschal weniger düngen sollen, ist einfach. Wenn aber andere Quellen für die Nitratbelastung infrage kommen, müssen sie überprüft werden. Das Verursacherprinzip muss angewendet werden. Wenn dies nicht geschieht, können wir im Einzelfall noch so wenig düngen – trotzdem werden wir das Problem nicht in den Griff kriegen“, argumentiert Vorstand Loeck.

Wenig kooperativ

Die Lüssower wollen bei den Nitratwerten auf Nummer sicher gehen und haben sich deshalb für eine Doppelstrategie entschieden. Einerseits beauftragten sie eine hydrologische Fachfirma auf eigene Rechnung, vier Messstellen zu bohren. Für ein optimales Ergebnis bei der Standortwahl und den Anforderungen an die Messstellen wandte sich das Fachbüro im Auf-trag der Agrofarm an das Landesamt LUNG. Das Amt stellte einen Kriterienkatalog für die Messstellen zur Verfügung, hielt sich sonst aber mit Hinweisen oder gar Unterstützung zurück – obwohl das Land über jede neue Messstelle doch froh sein könnte. Denn mit einer Messstelle pro 4.100 ha bleibt Mecklenburg-Vorpommern geradeso unter der EU-Norm von 4.500 ha pro Messstelle.

„Wir arbeiten seit jeher konstruktiv mit der Agrar- und Umweltverwaltung zusammen. Eigene Messstellen zu bohren, hielten wir für eine gute Idee, um mehr Sicherheit bei den Nitratwerten zu kriegen. 90.000 Euro haben wir in die neuen Messstellen investiert. Aber spätestens seit voriger Woche haben wir das Gefühl, dass das LUNG uns im Regen stehen lässt“, so Vorstand Loeck.

Rote Gebiete: agrofarm lüssow bohrte neue Messstellen

In einem Brief teilte das Amt den Landwirten mit, dass keine der drei gebohrten und auswertbaren Messstellen in das Landesmessnetz übernommen werden soll. Als Gründe werden in zwei Fällen die Tiefe des Filters und die Mächtigkeit der Überdeckung und bei allen drei Messstellen der geringe Abstand zur Landesmessstelle Groß Schwiesow genannt. Dabei hatte das LUNG in einem Schreiben im Juli 2021 zu den neuen Messstellen der Agrofarm darauf hingewiesen, dass ein Ersatzstandort „nahe der alten Messstelle zu suchen“ sei. Die neuen Messstellen liegen zwischen 300 und weniger als 2.000 m von der alten entfernt. „Alle drei Messpunkte weisen Nitratbelastungen von unter 0,1 mg Nitrat pro Liter aus“, versichert Lars-Peter Loeck. An keiner Messstelle wurden Einträge von Pflanzenschutzmitteln nachgewiesen. Für den Vorstand ist das ein Hinweis darauf, dass die Nitratbelastung an der alten Messstelle nicht aus landwirtschaftlichen Quellen stammt.

Normenkoontrollverfahren: Urteil mit Folgen

Teil zwei der Lüssower Doppelstrategie: Die Agrofarm schloss sich einem Normenkontrollverfahren gegen die Landesdüngeverordnung vom Dezember 2020 an. Daran beteiligten sich über 200 Landwirtschaftsbetriebe aus Mecklenburg-Vorpommern. Im November 2021 entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald, dass die Verordnung unwirksam sei. „Wir waren nach dem Urteil erleichtert, weil wir dachten, das Landwirtschaftsministerium würde nun die Fehler, die das Gericht kritisiert hat, beheben. Stattdessen hat das Ministerium Beschwerde gegen das Urteil eingelegt und eine neue Düngelandesverordnung für Anfang März angekündigt“, berichtet Lars-Peter Loeck.

Beides bringt die Lüssower ihrem Ziel, das rote Gebiet zu verlassen, wohl nicht näher. Zwar hat das OVG die Beschwerde des Ministeriums abgelehnt und an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weitergeleitet. Solange das Bundesgericht darüber aber nicht entschieden hat, gilt die Düngeverordnung vom Dezember 2020 weiter. „Und unsere Flächen bleiben rot“, so Loeck. Nach der neuen Landes-DÜV soll der Umfang der roten Gebiete landesweit sogar noch steigen – von 13 auf knapp 50 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche. „Welche konkreten Auswirkungen für unseren Betrieb zu erwarten sind, ist schwer abzuschätzen“, sagt Vorstand Wencke Ladwig. Eines ist für sie klar: „Das Grundwasser muss sauber sein. Das sage ich als Landwirtin, aber auch als jemand, der mit seiner Familie im Nachbardorf im Einzugsbereich der Agrofarm lebt.“

Abwärtsspirale bei den Erträgen befürchtet

Im Betrieb werde dafür alles getan, versichert Ladwig. So werden sämtliche Angaben zum Boden in der Ackerschlagkartei dokumentiert. Die Fruchtfolge wurde in den vergangenen Jahren erweitert, der Erbsenanbau auf 250 ha ausgedehnt. Das gilt auch für Zwischenfrüchte, die in diesem Winter auf 240 ha stehen und überschüssigen Stickstoff aufnehmen. Jedes Jahr werden Bodenproben gezogen und die Nmin-Werte bestimmt. In der Düngebedarfsermittlung wird mit der LMS Agrarberatung auf Basis des Durchschnittsertrags der vergangenen drei Jahre und der aktuellen Ertragserwartung festgelegt, wie viel Stickstoff je Kultur und Standort gedüngt wird. „Die Einführung der automatisierten Düngung auf Basis des RTK-Signals hat uns etwa zehn Prozent Einsparungen gebracht. Als nächsten Schritt beschäftigen wir uns mit der teilflächenspezifischen Düngung“, sagt Lars-Peter Loeck.

Bleibt es bei der Einordnung von etwa 40 % der Nutzfläche in das rote Gebiet, könnte das für die Agrofarm einschneidende Folgen haben. Vorstand Loeck befürchtet bei einer Düngung von 20 % unter dem Pflanzenbedarf über mehrere Jahre eine Abwärtsspirale bei den Erträgen.

Bisher haben die Lüssower mit einem Teil der Erlöse aus der Marktfruchtproduktion die Milchviehhaltung subventioniert. Wenn in den roten Gebieten kein Qualitätsweizen mehr produziert werden kann und die Betriebskosten weiter so rasant steigen, könnten dafür die Mittel fehlen. „Ich hoffe bei der Senkung der Nitratbelastung im Grundwasser auf Augenmaß bei den Politikern und darauf, dass die Betriebe jetzt nicht per Gesetz kaputtgeschrumpft werden. Damit wäre niemandem geholfen“, sagt Lars-Peter Loeck zum Abschied.

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Es treibt nach der besseren Lösung

Bei der Agrargenossenschaft Teichel eG hat man bereits geplant, wie man mit den Gewässerrandstreifen auf dem Ackerland umgeht. Ärgernis bereitet zurzeit nur ein Biber, der immer näher zum Betriebsgelände rückt.

Von Frank Hartmann

Lang überlegen musste Pflanzenbauvorstand Eric Engelmann in der vorigen Woche nicht: Zwei Tage leichter Frost boten die Chance, auf zwei geplanten Maisflächen den Grubber bzw. Pflug einzusetzen. Die schlechte Befahrbarkeit im Spätherbst hatte dies verhindert. „Ich hoffe natürlich, dass wir noch einmal Frost für eine Bodengare bekommen.“ Einer der Schläge liegt im steilen Gelände und unterliegt der Erosionsgefährdungsklasse 1 (Wasser). „Hier grubbern wir quer zum Hang.“ – Mit dem Wunsch nach Frost sei das natürlich so eine Sache. Denn ab 1. Februar ist es theoretisch möglich, wieder organischen Dünger auszubringen: „Ist der Boden gefroren, dürfen und machen wir das natürlich nicht.“


Im August beginnt Marie George, hier mit Vorstand Stefan Blöttner, ihre Ausbildung in Teichröda.

Agrargenossenschaft Teichel eG

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Agrargenossenschaft Teichel: Gewässerrandstreifen auf Ackerland

Geplant hat Engelmann derweil, wie man ab dieser Saison mit den Gewässerrandstreifen auf Ackerland weiter verfährt. Wo Nutzflächen an Gewässer Zweiter Ordnung grenzen, verlangt das Thüringer Wassergesetz einen zehn Meter breiten Streifen, auf dem weder Dünger noch Pflanzenschutzmittel eingesetzt noch Leguminosen angebaut werden dürfen. Alternativ kann ein fünf Meter breiter begrünter Streifen stehen. „Mit Beginn der Regelung im Jahr 2020 entschieden wir uns auf Ackerflächen für die zehn Meter: Wir drillten die Kultur des Schlages normal aus und unterließen in der Folge auf den zehn Metern alle weiteren Maßnahmen.“

Hierbei habe sich bei der Agrargenossenschaft aber gezeigt, dass die Ernte des unbehandelten Streifens außer Aufwand und Ärger kaum etwas bringt. Zudem verlange die Verunkrautung auf dem Streifen und auf den sich unmittelbar anschließenden Ackerteilen viel Arbeit ab. „Daher wollen wir ab diesem Jahr auf zwölf Meter Breite eine Ackergrasmischung mit Rohrschwingel etablieren. Somit erschließen wir uns Futterflächen und minimieren hoffentlich die bisherigen Bewirtschaftungsprobleme der Ackerränder.“

Biber machen ärger

Ein unvermindertes Ärgernis bleiben die Biber. An der Remdaer Rinne, ein Flüsschen, das Teichröda auf seinem Verlauf zur Mündung in die Saale quert, fühlen sie sich immer wohler. An mehreren Stellen sind Flächen der Agrargenossenschaft betroffen. Ein neuer Biberdamm, nur 100 m von den Silos und dem Milchviehstall entfernt, lässt die Rinne anschwellen und überschwemmt eine Ackerfläche, die nicht mehr nutzbar ist.

Zwar will das Umweltministerium eine Biber-Förderrichtlinie ähnlich wie beim Wolf auf den Weg bringen, die Prävention und Entschädigung regelt. Allerdings warten nicht nur die Thüringer Landwirte seit Jahren darauf, dass sie in Kraft tritt. Erste Stellungnahmen zum Entwurf sandten Verbände bereits Mitte 2019 ein. Für Vorstandschef Dr. Stefan Blöttner ist es inakzeptabel, dass der Betrieb auf dem Schaden bzw. entgangenen Ernten sitzen bleibt. Und je näher der Nager an das Betriebsgelände rückt, umso ungeduldiger wird man.

Neue Investitionen in den Stall

Geduld hingegen ist gefragt, wenn Blöttner an die Milchproduktion denkt. Man habe damit begonnen, sich ernsthaft mit dem Umbau der Liegeboxen zu beschäftigen, was spätestens in zwei Jahren erfolgen soll. Mit den Matten der Tiefliegeboxen, die im Zuge des Stallneubaus 2014 zum Einsatz kamen, will man sich nicht zufriedengeben. Anders als im strohfrei konzipierten Stall kommt einmal pro Woche Stroh auf die Matten. „Der Liegekomfort, das zeigen die Gliedmaßen, ist nicht optimal. Auch sind die Tiere nicht so sauber, wie wir uns das wünschen.“ Einmal täglich werden während des automatischen Melkens die Flächen händisch gereinigt.

Die für zwei Kuhgruppen nachträglich eingebauten hohen Tiefliegeboxen, die mit einem Kalk-Stroh-Gemisch eingestreut werden, würden arbeitswirtschaftlich nicht überzeugen. „Hier haben wir zwar saubere Kühe, die gut und gerne liegen: Allerdings sind der Aufwand für die tägliche Reinigung der Boxen und der wöchentliche Austausch der Einstreu zu groß. Es treibt uns bessere Lösungen zu finden.“ Jede Investition in höhere Standards müsse sich aber betriebswirtschaftlich rechnen. Favorit möglicher Alternativen sind für Blöttner Sandbettmatten, zumal er die Kosten eines Umbaus im Zaum halten will. In der nächsten Zeit will man sich dies bei Berufskollegen anschauen.

Dass Blöttner an Investitionen denkt, liegt zweifellos an den aktuellen Milchpreisen – ob-wohl gestiegene Betriebsmittelpreise das Plus wieder egalisieren. Auch die Lohnkosten steigen weiter. Die Genossenschaft hält sich an die tariflich empfohlenen Abstände der Lohngruppen: Mit jeder Mindestlohnerhöhung steigen die Stundensätze der folgenden Lohngruppen. Zum Insolvenzverfahren sagte Blöttner, dass eine Aufhebung des Verfahrens mit dem Ziel des Wegfalls des Insolvenzgrundes erreicht werden könne. Ob dies gelinge, werde sich in wenigen Wochen erweisen.

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Kuhstallgeschichten: In aller Freundschaft

Sie können stur, ängstlich, selbstbewusst und sogar Plaudertaschen sein – jede Kuh hat durchaus einen anderen Charakter. Wie der sich äußert, hat unsere Autorin Susanne Gnauk erlebt und im Teil 5 ihrer Kuhstallgeschichten für die Bauernzeitung aufgeschrieben.

Von Susanne Gnauk

Kühe haben ihren eigenen Rhythmus, darüber habe ich im letzten Teil meiner Kuhstallgeschichten geschrieben (sie wurde in der Bauernzeitung 42/2021 veröffentlicht). Sie passen eigentlich so gar nicht in unsere hektische Welt. Kühe laufen gerne Kurven, geradlinig wäre ja auch zu schnell und zu langweilig. Der wahre Grund dafür ist, dass sie so ihren Blickwinkel erweitern und ihre Umgebung besser abchecken können. Das Rind bewegt sich sowieso am liebsten in gemächlichen drei bis vier Stundenkilometern vorwärts. Im Melkstand, wo Zeit ein knappes Gut ist, hat mich das immer wieder wahnsinnig gemacht. Aber besser man passt sich dem Rhythmus der Kühe an. Doch Kühe haben nicht nur ihren eigenen Rhythmus. Jede Kuh hat auch ihren eigenen Charakter, und mit manchen schließt man so etwas wie Freundschaft.

KUHSTALLGESCHICHTEN: ICE verpasst und Freundin gefunden

Die 148 ist eine ganz schöne Zicke. Die kleinrahmige schwarze Färse mit Jerseyblut und kleinen Hörnern legt sich gerne mal mit ihren Kolleginnen in der Gruppe an. Vielleicht hat sie nur eine Freundin – und die bin ich. Ich hoffe aber eigentlich, dass sie auch eine Kuh-Freundin hat. Denn Kühe sollen tatsächlich Freundschaften untereinander schließen. Man sieht immer mal wieder Tiere einträchtig zusammen stehen oder nebeneinander liegen, wobei sie sich gerne gegenseitig mit ihren großen Zungen bearbeiten.

Zwei Kühe
© Susanne Gnauk

Ich erinnere mich noch gut, als die 148 in der Gruppe der Frischabkalberinnen stand. An einem besonders stürmischen Tag schoss die gesamte Gruppe, die immer zum Schluss gemolken wird, auf dem Weg zurück zum Stall wie eine Horde durchgegangener Pferde an mir vorbei. Ein heftiger Wind hatte in die Jalousien vom Vorwartehof reingedroschen, der Lärm muss die Fluchttiere erschreckt haben. Nur die 148 hatte den Anschluss an diesen „Kuh-ICE“ verpasst. Verloren stand die kleine Schwarze im Treibegang, noch nie war sie diesen Weg vom Melkstand zurück in die Gruppe gegangen. Und weder von mir noch von meinem Kollegen ließ sie sich dazu bewegen. Ich holte eine ruhige Altkuh von den Abkalberinnen zurück, die auch brav mit mir zur 148 zurücktrottete. „Na komm schon!“, muhte sie die 148 an und spannte sich vor sie. Die junge Kuhdame lief tatsächlich ein paar Meter hinter ihr her. Dann blieb sie wieder wie angewurzelt stehen. Es war nichts zu machen. Altdame 133 ging mit schaukelndem Euter im gemächlichen Kuhgang allein zurück in den Stall.

Die 148 haben wir dann in die Gruppe 3 mit dem kürzesten Weg vom Melkstand gebracht, dazu konnten wir sie gerade noch bewegen. Und dort stand sie anfangs oft am Tor, schaute mich erwartungsvoll an und ließ sich den Hals tätscheln. Wenn ich in Gruppe 3 die Kuhbetten „aufschüttelte“, begleitete sie mich auf Schritt und Tritt. Einmal sah ich sie ganz verloren hinter den Kühen, die alle aufgereiht am Fresstisch standen. Sie traute sich nicht zwischen die Altkühe und ließ sich auch von mir nicht auf den letzten freien Fressplatz ganz am Ende des Futtertisches locken. Eine sture, ängstliche Jungkuh mit Jerseyblut – und die haben oft ihren ganz speziellen Charakter. Doch wie bereits beschrieben, kann sie sich aber mittlerweile ganz gut durchsetzen.

Seitdem hatte ich eine neue Freundin im Kuhstall in Wolde, die mich immer wieder erdete, wenn ich zu hektisch wurde und die Kühe schnell zum Melkstand treiben wollte. Mach mal halblang, schien sie mir zu sagen. Eine Streicheleinheit ist ja wohl noch drin. Einen Apfel, den ich mit ihr teilte, hat unsere Freundschaft vertieft. Mitunter kehrte sie nach dem Melken um und besuchte mich nochmal im Melkstand. Noch heute denke ich an die 148, wenn ich die Delle in meinem metallenen Kaffeebecher sehe. Scheuchte ich die Jerseydame fort, lief sie in übermütigen Bocksprüngen davon.

Dürres Mädel mit Sonderrechten

Die 29 war dagegen eine großrahmige schlanke, ja nahezu dürre Milchdame, eine typische Holstein, die alle ihre Energie in die Milch zu stecken schien. Einmal haben wir fast übersehen, dass sie „auf dem Zahnfleisch kroch“, sie hatte körperlich total abgebaut. Unserer Herdenmanagerin ist sie schließlich aufgefallen, und sie behandelte sie. Seitdem beobachtete ich die 29 besonders genau beim Treiben der Kühe zum Melkstand. Sie hatte ein Sonderrecht bei mir, und das wusste sie. Sie kostete es aber nie über Gebühr aus. Sie stand immer mit als Letzte auf, ließ sich von mir streicheln, trottete dann zum Futtertisch und fraß. Ich ließ sie gewähren, während ich den Mist von den Strohbetten entfernte und alle anderen Kühe bereits zum Vorwartehof des Melkstandes gingen. Das „dürre Mädel“ musste schließlich „was auf die Rippen“ bekommen! Mein letzter Akt, bevor es zurück zum Melkstand ging, war immer das Reinigen der Tränken. Das wusste die 29, das war ihr Signal. Sie kam dann stets selbst vom Futtertisch zur Tränke gelaufen, soff noch etwas Wasser und trottete dann der Herde hinterher in den Vorwartehof zum Melkstand. Nie musste ich sie extra holen, sie wusste immer, wann der Zeitpunkt gekommen war zu gehen.

Die 29 verstarb leider sehr plötzlich. Eines Morgens lag sie tot im Stall für die Trockensteher. Ich habe es nur einmal erlebt in sieben Monaten Kuhstallarbeit in Wolde, dass eine Kuh bei uns in den Ställen gestorben ist. Wir vermuten, dass sie ein Verdauungsproblem hatte. Und so ist sie mir in Erinnerung geblieben: Ich säubere eine Tränke, während sie noch aus der anderen daneben säuft. Dann schaut sie mich mit triefendem Maul an, nickt mir zu und trottet zum Melkstand. Vielleicht hat sie mir nicht zugenickt – in meiner Erinnerung schon.

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Eine Kuh im Melkstand

Kühe haben Charakter: Die war 60 verwöhnt. © Susanne Gnauk

Verwöhnte Plaudertasche – eine besondere Kuhstallgeschichte

Ich sage immer scherzhaft: Die 60 war früher ein Mensch! Die große, fast weiße Kuh will sich ständig mit den Melkern unterhalten. Sie steht auf dem Vorwartehof und muht. Sie steht im Melkstand und muht. Beim Melken neigt sie oft ihren hübschen weißen Kopf nach unten und hat mich durch die Beine der Kuh vor ihr, wenn ich dieser das Melkzeug ansetzte, gemustert. Und sie muht auch gerne, wenn sie wieder rausgeht, bleibt auch gerne stehen und lässt sich gerne mehrfach bitten. Sie ist total „vertoort“, hat unsere Herdenmanagerin gesagt. Schon als Kalb wurde sie sehr verwöhnt. Sie gibt aber viel Milch, zappelt nie beim Melken oder Euter anrüsten und erfreut sich einer robusten Gesundheit. Ich habe nie erlebt, dass sie mal behandelt werden musste. Eine besondere Kuh aus den Kuhstallgeschichten.

Die Autorin Susanne Gnauk
Die Autorin Susanne Gnauk. © Susanne Gnauk

KuhstallgeschichteNDie hübsche Unkomplizierte

Es gibt vielleicht immer ein paar Tiere, zu denen die Pfleger oder Melker ein besonderes Verhältnis aufbauen. So wurde die 61, eine hübsche unproblematische Holstein-Kuh, von einer jungen Kollegin stets im Melkstand mit einer Süßigkeit verwöhnt. Sie war fast immer die Erste ihrer Gruppe im Melkstand. Ihre Gönnerin ging dann zum Studium. Selbst zwei Monate später reckte die 61 weiterhin ihren Kopf in die Melkergrube, um sich ihre Süßigkeit abzuholen. Von mir bekam sie allerdings nur eine Streicheleinheit auf den Nasenrücken.

Streicheleinheiten fürs Wohlbefinden der Kühe

Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien haben in einer Studie herausgefunden, dass sich Kühe bei menschlicher Zuneigung erheblich entspannter zeigen, was sich wiederum positiv auf ihre Gesundheit und die Milchleistung auswirken soll. So entspannen die Paarhufer zum Beispiel, wenn sie gestreichelt werden und der Mensch dabei mit ihnen spricht. Darüber hinaus sei auch am Verhalten abzulesen, ob eine Kuh entspannt ist: Gefällt ihr das Streicheln, streckt sie oft den Hals, genau wie beim gegenseitigen Lecken mit einer Artgenossin. Auch hängende Ohren deuten auf Entspannung hin. Streicheleinheiten in Kombination mit sanften Worten sind also keine Zeitverschwendung im Umgang mit den Paarhufern.


Teil 1 bis 4 der Kuhstallgeschichten von Susanne Gnauk sind in den Ausgaben 14/2021, 21/2021; 27/2021 sowie 42/2021 erschienen.


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Die Sorten-Prüfer

Sie haben einen spannenden Job. Davon konnten wir uns bei einem Besuch in der Prüfstelle des Bundessortenamtes im sächsischen Wurzen überzeugen. Dort werden unzählige neue Obstzüchtungen auf Herz und Nieren geprüft – naschen darf man auch.

Von Achim Werner (GartenFlora) und Bärbel Arlt


Es ist Erntezeit – auch im Bundessortenamt in Wurzen unweit der sächsischen Metropole Leipzig. Immerhin wollen Äpfel und Birnen von den Bäumen, Herbsthimbeeren und Brombeeren von den Sträuchern. Das erledigt das Team der Prüfstelle gemeinsam mit gärtnerischen Helfern, von denen viele einst auch im Bundessortenamt ihre Ausbildung absolvierten. Bei den 600 Sorten Äpfel zum Beispiel rechnet Stefan Eschke, der Technische Leiter der Prüfstelle, mit rund zwölf Tonnen Ertrag. „Das ist ein sehr gutes Ergebnis. Auch mit Fruchtqualität, Ausfärbung und Geschmack sind wir sehr zufrieden.“ Interessant ist für den Sortenprüfer, dass die älteren der rund 2.500 Apfelbäume in diesem Jahr einen geringeren Behang haben als die jüngeren. „Wahrscheinlich haben sich die alten Bäume in den trockenen Vorjahren zu sehr verausgabt und die jungen punkten mit ihrer jugendlichen Frische“, sagt er etwas scherzhaft. Ein Teil des geernteten Obstes dient der Merkmalserfassung, der Rest geht an Schulen, Kitas, Seniorenheime und Tierparks in der Region. Fallobst kommt zum Saftpressen.

Prüfstellenleiter Dr. Erik Schulte  studierte nach einer gärtnerischen  Berufsausbildung zum Baumschulgärtner Gartenbauwissenschaften.
Prüfstellenleiter Dr. Erik Schulte studierte nach einer gärtnerischen Berufsausbildung zum Baumschulgärtner Gartenbauwissenschaften.

Doch die Obsternte ist nicht die eigentliche Arbeit des hochkarätigen Expertenteams. Es hat die Aufgabe, Tausende von Obstgehölzen in Hunderten von Sorten – altbewährten und brandneu gezüchteten –, die hier wachsen, zu prüfen. Prüfstellenleiter Dr. Erik Schulte führt uns auf die Freilandflächen, wo gut 2.000 Sorten von rund einem Dutzend Obstarten teils über Jahre, manche gar über Jahrzehnte kultiviert werden.

An scheinbar endlosen Himbeerreihen treffen wir Brigitte Schramm. Mit Stift und Block aus-gerüstet, geht die Gartenbauingenieurin an den Spalieren entlang und notiert, was ihr die Beerenobstgehölze in die Feder diktieren. Festgehalten werden Eigenschaften wie Fruchtform, Fruchtfarbe und Reifezeitraum. Zu anderen Jahreszeiten können es Blütezeit oder Wuchshöhe, Rutenanzahl oder Bestachelung sein. Handelt es sich um eine Neuzüchtung, muss diese Prozedur mindestens drei Jahre lang erfolgen, damit sie als Sorte registriert wird. Hat der Züchter darüber hinaus den sogenannten Sortenschutz beantragt, darf er seine Züchtung allein unter dem Begriff „Geschützte Sorte“ vermarkten – eine Art Patent.

Die Ergebnisse dieser objektiven Prüfungen werden veröffentlicht. Eine wertvolle, zudem kostenlose Entscheidunghilfe für Obstanbauer, Baumschuler, Händler und auch Hobbygärtner, um die besten Sorten für Plantage und Gartencenter bzw. Hausgarten zu finden.

Die farbigen Sorten sind im Trend

Aber was ist überhaupt eine Sorte? „Sie muss unterscheidbar, homogen und beständig sein“, erfahre ich von Stefan Eschke, dem Technischen Leiter. „Unterscheidbar heißt, dass es keine andere Züchtung mit exakt den gleichen Merkmalen geben darf. Sonst wären es ja keine eigenen Sorten“, ergänzt er. Dann könnte sie nicht als neue Sorte registriert werden und keinen Sortenschutz erhalten. Das leuchtet ein. „Homogen bedeutet“, ergänzt Sortenprüferin Brigitte Schramm, „dass alle Individuen einer Sorte gleich sein müssen, und beständig, dass sich ihre Eigenschaften nicht verändern dürfen.“

Bei vegetativ vermehrten Gehölzen wie Obstgehölzen liegt das auf der Hand. Schließlich sind sie genetisch identische Kopien ursprünglich einer einzigen Mutterpflanze. Meine Annahme ist nicht verkehrt, doch kann es gelegentlich zu spontanen, zufälligen Mutationen kommen, erfahre ich. Daraus gingen und gehen attraktive Farbvarianten hervor, etwa der Apfel ’Roter Boskoop‘ aus der unauffällig grau berosteten Traditionssorte ’Boskoop‘. Gartenmeister Andreas Zschammer, der inzwischen im Ruhestand ist, erklärt: „Das ist ein ganz allgemeiner Trend im Obsthandel und im Garten. Farbige Sorten sind bei sonst identischen Sortenmerkmalen mehr gefragt denn je. Beispielsweise ist die Birne ’Rote Williams Christ‘ eine Farbvariante der ’Williams Christ‘.“

Nicht nur das Aroma bestimmt die Auswahl

Als Trendbarometer taugt so ein Sortenamt also auch. Selbst in Bezug auf Klimatrends und deren Folgen: Nur dort, wo Obstsorten über Jahrzehnte stehen wie in Wurzen, können verlässliche Daten erhoben werden. So blühen Obstgehölze heute um Wochen früher als noch vor 30 Jahren und sind deshalb empfindlicher gegenüber Blütenfrösten. Um diesen vorzubeugen, sollte die Bodenoberfläche unter den Kronen vor kalten Nächten aufgebrochen und Mulchschichten entfernt werden. So strahlt das Erdreich Wärme nach oben ab. Das kann zumindest einen Teil der Blüte retten.

Keine Geheimniskrämerei
Die Sorteninfos, die das Bundessortenamt erarbeitet, stehen hier kostenlos zur Verfügung. Sie sind dort als „Beschreibende Sortenlisten“ in kompakter Form und mit jeweils einem Sortenfoto zusammengefasst. Viele der Listen gibt es auch als gedruckte Broschüren. Andere Prüfstellen, verteilt im gesamten Bundesgebiet, prüfen u. a. Gemüse, Zierpflanzen, Kartoffeln, Stauden.

So viel zur Praxis. Jetzt probieren wir die eine oder andere Beere, bekommen unterschiedliche Äpfel angeboten – und stellen beträchtliche Unterschiede im Geschmack fest. Mit die wichtigste Eigenschaft, die hier selbstverständlich ebenfalls geprüft, mit denen anderer Früchte verglichen und bewertet wird. „Das Aroma spielt beim Hobbygärtner sicher die größte Rolle bei der Sortenwahl. Das kann aber leicht zu Fehlentscheidungen führen. Er sollte auch Resistenzen und Toleranzen gegenüber wichtigen Pilzkrankheiten im Blick haben“, rät Stefan Eschke. Stimmt, ich beispielsweise hole mir keine Sorte mehr in den Garten, ohne zuvor geprüft zu haben, ob sie mit wenig oder sogar ohne Pflanzenschutzmitteleinsatz gedeihen kann. Deshalb rät Experte Eschke von beliebten Sorten wie ’Gloster‘, ’Granny Smith‘, ’Golden Delicious‘ oder ’Jonagold‘ dringend ab und empfiehlt, auf schorf- und mehltauresistente Apfelsorten auszuweichen, etwa Pi-Sorten wie ’Pilot‘ oder Re-Sorten wie ’Rebella‘ sowie den leuchtend roten ’Topaz‘ oder den wenig allergenen Apfel ’Santana‘.

Bei Birnen achte man auf feuerbrandfeste Sorten wie ’Harrow Delight‘. „Und viele ältere Stachelbeersorten wie die einst beliebte ’Hönings Früheste‘“, weiß Sortenprüferin Brigitte Schramm, „sind wegen ihrer starken Anfälligkeit gegenüber Amerikanischem Stachelbeermehltau heute nicht mehr gartenwürdig“.

Wie auch beim Apfel spielen im Handel sowie im Garten farbige Sorten eine zunehmend größere Rolle. Häufi g sind dies nur zufällig auftretende Mutationen bekannter Sorten wie ’Sweet Sensation‘, die sich von der köstlichen Herbstsorte ’Vereinsdechantsbirne‘ nur äußerlich unterscheidet.

Wie auch beim Apfel spielen im Handel sowie im Garten farbige Sorten eine zunehmend größere Rolle. Häufig sind dies nur zufällig auftretende Mutationen bekannter Sorten wie ’Sweet Sensation‘, die sich von der köstlichen Herbstsorte ’Vereinsdechantsbirne‘ nur äußerlich unterscheidet.

Trendobst Gojibeere: Hier drängen jährlich neue Sorten auf den Markt. In Wurzen werden Unterschiede und Anbaueignung objektiv verglichen, und die Unterschiede sind groß, wie man sieht

Trendobst Gojibeere: Hier drängen jährlich neue Sorten auf den Markt. In Wurzen werden Unterschiede und Anbaueignung objektiv verglichen, und die Unterschiede sind groß, wie man sieht.

Beim einheimischen und bei uns länger bekanntem Sanddorn gibt es ein stabiles, bereits geprüftes Grundsortiment.

Beim einheimischen und bei uns länger bekanntem Sanddorn gibt es ein stabiles, bereits geprüftes Grundsortiment.

Resistenzen sind wichtige Sortenmerkmale. Die Stachelbeere ’Rolonda‘ beispielsweise ist kaum anfällig gegenüber dem Amerikanischen Stachelbeermehltau.

Resistenzen sind wichtige Sortenmerkmale. Die Stachelbeere ’Rolonda‘ beispielsweise ist kaum anfällig gegenüber dem Amerikanischen Stachelbeermehltau.

Brombeeren zeigen große Unterschiede in der Fruchtgröße. Die kleinen Früchte der alten Sorte ’Theodor Reimers‘ neben den mehr als doppelt so großen Früchten der modernen Sorten ’Nachez‘ und ’Jumbo‘.

Brombeeren zeigen große Unterschiede in der Fruchtgröße. Die kleinen Früchte der alten Sorte ’Theodor Reimers‘ neben den mehr als doppelt so großen Früchten der modernen Sorten ’Nachez‘ und ’Jumbo‘.

Spindelbüsche sind eine verbreitete Wuchsform, nicht nur für den Profi . Sie passen auch gut in kleine Gärten.

Spindelbüsche sind eine verbreitete Wuchsform, nicht nur für den Profi . Sie passen auch gut in kleine Gärten.

Die neuen Sauerkirschsorten ’Boas‘, ’Tarina‘ und ’Jachim‘(Foto) zeichnen sich durch schmalen Wuchs und aromatische Früchte aus. Naschobst für den kleinen Garten.

Die neuen Sauerkirschsorten ’Boas‘, ’Tarina‘ und ’Jachim‘(Foto) zeichnen sich durch schmalen Wuchs und aromatische Früchte aus. Naschobst für den kleinen Garten.

Das bedeutet jedoch nicht, dass alle alten Obstsorten aus unseren Gärten verbannt werden sollten. Im Gegenteil. Viele von ihnen sind in Gärten entstanden und machen sich noch heute gut auf der privaten Scholle. Sie zu bewahren, ist eine von Brigitte Schramms Aufgaben. Hier in Wurzen stehen ganze Sortimente erhaltungswürdiger Birnen-, Brombeer- und Himbeersorten. Die Wildobstsammlung zum Beispiel mit Goji oder Sanddorn befindet sich im Aufbau. Ganz praktische Traditionspflege. Aber nicht nur das: Auch weniger attraktive alte Sorten können wertvolle Eigenschaften vererben, die nicht verloren gehen dürfen. So viel Information am Rande der Apfelernte – ein Glück, dass das Bundessortenamt sie gern teilt.

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Sendepause statt Dialog?

Verbände kritisieren Kommunikationsverhalten des Ministeriums. Hier geht es hauptsächlich um die mangelnde Einbindung des Berufsstandes in die gemeinsame Agrarpolitik.

In einem offenen Brief an Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) haben drei landwirtschaftliche Verbände die aus ihrer Sicht mangelnde Einbindung des Berufsstandes in die Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) kritisiert. Vertreter von Land schafft Verbindung Sachsen (LsV Sachsen), Sächsischem Landesbauernverband (SLB) und dem Verband Familienbetriebe Land und Forst Sachsen und Thüringen übergaben vorige Woche Donnerstag ihren Brief vor dem Landwirtschaftsministerium in Dresden und führten anschließend ein Gespräch mit Günther.

Offener Brief Wolfram Günther: Knappe Zugangsfrist

In ihrem Brief sprechen die Verbände von einer „Nicht-Gemeinsamen Agrarpolitik“ des Freistaates. Vergangenes Jahr habe über Monate „Sendepause“ zwischen Ministerium und Verbänden geherrscht. Zu einer Onlineveranstaltung Mitte Dezember, in der es um die Umsetzung der GAP ging, habe man erst wenige Tage vorher die sehr komplexen Unterlagen bekommen.

Die vorgestellten Maßnahmen waren „weder mit Verbänden der Umwelt- und Landschaftspflege noch mit allen Landwirtschaftsverbänden zuvor besprochen oder abgestimmt worden.“ In anderen Bundesländern sei das Jahr 2021 „gemeinsam mit Bürgern und Landwirten aktiv für eine wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Gestaltung der künftigen GAP“ genutzt worden. Demgegenüber sprechen die Verbände in ihrem Brief von „einer verfehlten Kommunikationsstrategie“ des sächsischen Ministeriums, die zu „hochbürokratischen und teilweise unpraktikablen sächsischen Förderbedingungen“ geführt habe.

„Die Diskussion darüber hätten wir gern mit dem Ministerium geführt“

Zu diesen zählt LsV-Mitglied Marco Birnstengel beispielsweise die Vorschrift, bei der Maßnahme „Sukzession an Gewässerrändern“ einen Meter Abstand zwischen natürlichem Gewässerrand und Maßnahmenfläche einzuhalten. Auch schränke die Vorgabe von Kulissen für die meisten Agrarumweltmaßnahmen ihre Anwendung in der Praxis erheblich ein und wirke willkürlich. Und dies seien nur wenige Beispiele. „Die Diskussion darüber hätten wir gern mit dem Ministerium geführt“, sagt Birnstengel, der nach der Übergabe des offenen Briefes am Gespräch mit Minister Günther teilnahm.

Gemeinsam mit dem Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverband (SSZV) hat der SLB seine Kritik in einer Stellungnahme an das Ministerium noch einmal untermauert. Die Bereitschaft zum Dialog werde vom Ministerium nicht angenommen. Die Einwände der Verbände hätten keine Berücksichtigung in den im Dezember vorgelegten Entwürfen der Umwelt-, Klima- und anderen Bewirtschaftungsverpflichtungen in der Förderperiode 2021–2027 gefunden. „Wir sehen in den derzeit vorliegenden Maßnahmen erhebliche Probleme zwischen den Zielen der einzelnen Maßnahmen und deren praktischer Umsetzung in den landwirtschaftlichen Unternehmen“, heißt es in der Stellungnahme.

Kritikpunkte beider Verbände sind unter anderem, dass trotz der hohen fachlichen Anforderungen an die Maßnahmen keine berufliche Qualifikation der Antragssteller sowie belastbare Betriebskonzepte vorausgesetzt werden. Auch fehle die Anreizkomponente bei einzelnen Maßnahmen, die teilweise nicht einmal den entgangenen Markterlös ausglichen. SLB und SSZV erneuerten in der Stellungnahme auch ihre Forderung nach der Abkehr von starren Terminvorgaben und nach dem Verzicht auf Technikvorgaben für die Grünlandbearbeitung.

Vorwurf zurückgewiesen

Währenddessen zeigte sich das Ministerium verwundert über den im offenen Brief gemachten Vorwurf. Denn alle drei unterzeichnenden Verbände seien Wirtschafts- und Sozialpartner, mit denen das Ministerium zur neuen EU-Agrarförderperiode seit 2018 im regelmäßigen Austausch stehe. „Daneben gibt und gab es weiteren regelmäßigen Austausch mit den berufsständischen Vertretern“, so Ministeriumssprecher Robert Schimke. „Wir werden die Transformation der Landwirtschaft weiterhin mit der Branche und in enger Abstimmung mit ihr voranbringen.“

Auf Anfrage erklärte das Ministerium, dass im Mai eine Veranstaltung zu flächenbezogenen Interventionen, an der der SLB teilnahm, und im Juni eine weitere zum GAP-Strategieplan, mit Teilnahme des SLB und der Familienbetriebe Land und Forst, stattfand. Stellungnahmen, die zu den Entwürfen für flächenbezogene Agrarumweltmaßnahmen abgefragt wurden, seien nur vom SLB eingegangen. Die Anregungen seien berücksichtigt worden, wo die Rahmensetzung der EU dies ermöglichte und mit den fachlichen Zielen des Ministeriums übereinstimmte, so das Ministerium gegenüber der Bauernzeitung.


Sachsen aktuell

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Evaluierung zur Halbzeit

Zu Wort meldete sich nach Übergabe des offenen Briefes an Wolfram Günther auch der Landesverband der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die als der Partei von Minister Günther nahe stehend gilt und ebenfalls als Wirtschafts- und Sozialpartner angehört wird. Landesgeschäftsführer Clemens Risse sagte, dass die Übersendung der Programmentwürfe im Dezember in der Tat sehr kurzfristig gewesen sei. „Wir als AbL haben aber nicht den Eindruck, dass es seitens des Ministeriums gegenüber den Verbänden eine ‚Sendepause‘ gab“, so Risse. Wichtig sei, dass den Landwirten schnell verbindliche Maßnahmen präsentiert werden, die zukunftsfähig sind und Planungssicherheit bieten. Beim Vorwurf zu bürokratischer Regelungen ist der AbL-Vertreter geteilter Meinung. Für den einzelnen Betrieb könne er de Klage darüber nachvollziehen, anderseits müssten die Programme auch hieb- und stichfest sein.

An den von LsV, SLB und Familienbetrieben Land und Forst im offenen Brief kritisierten Programm entwürfen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen sind vorerst keine Änderungen möglich, da sie zur Genehmigung bei der EU eingereicht wurden. Die Forderung der drei Verbände, bis Monatsende an einer Neugestaltung beteiligt zu werden, sind somit obsolet. Wie Marco Birnstengel erklärte, habe Minister Günther indes auf die Möglichkeit verwiesen, an der Evaluierung der Maßnahmen zur Halbzeitbewertung 2025 mitzuwirken.

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Tiertherapie: Landwirtschaft als Suchttherapie

Der Verein Sinalkol betreibt im havelländischen Kieck (Brandenburg) eine Einrichtung für alkoholkranke Menschen, die sich dort in die Arbeit des zertifizierten landwirtschaftlichen Biobetriebes einbringen können.

Von Silvia Passow

Kieck, der winzige Ort rund 20 Kilometer nördlich der Havelstadt Brandenburg, ist über die Landstraße 99 gut erreichbar, aber dennoch, eingebettet in Wälder und Wiesen, abgelegen – und damit optimal für Menschen, die sich von einer Krankheit erholen wollen.

Der idyllische Flecken wurde nach der Wende vom Verein Sinalkol gepachtet, der hier ein Zentrum für Suchtkranke unterhält und damit Therapie mit viel frischer Luft möglich macht, weitab der großen Städte und ihren vielen Versuchungen. 45 Therapieplätze gibt es.

Domstift Kieck war schon immer landwirtschaftlich geprägt. Die Arbeit auf dem Feld und mit Tieren passt nicht nur in die Gegend, sie hilft auch den Bewohnern auf Zeit. In der Landwirtschaft erlernen die Suchtkranken die Übernahme von Verantwortung. Thorsten Michalek ist Suchttherapeut und Geschäftsführer in Kieck. Für ihn steht nicht so sehr der Ertrag des Hofes im Vordergrund, sondern die Erfüllung hoher Biostandards.

Aktuelle Ausgabe
Titelseite Bauernzeitung Ausgabe 35/2024

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• Zuhause auf dem Land
• Trockenstellen ohne Antibiotika
• Kugelschuss auf der Weide
• Märkte und Preise

Zur aktuellen Ausgabe

Kieck – ein Glücksfall

Katja Hallman ist Landwirtin und seit 2016 in Kieck beschäftigt. Zusammen mit einer Kollegin und einem Mitarbeiter ist sie für den landwirtschaftlichen Betrieb in Kieck zuständig. Auf 58 Hektar wird Ackerbau betrieben, Roggen, Hafer, Triticale und Luzerne werden als Tierfutter angebaut.

Daneben gibt es Felder mit Kartoffeln, Spargel, Erdbeeren, Kürbis, Salat, Kohl, Kräutern, Rote Bete. Im Gewächshaus reifen Gurken und Tomaten. Auf den 38 Hektar Dauergrünland stehen Sommer wie Winter 34 Rinder und Bulle Rudi, treu sorgender Familienvater, der seine Herde, zu der im Moment auch 28 Kälber gehören, gut im Auge behält. „Rudi ist ein sehr fürsorglicher Vater“, sagt Katja Hallmann, die bei einem Besuch auf der Weide den stattlichen Bullen stets im Auge behält.

Sie sucht die Weide nach Lilly und Billy ab, zwei Kälber, die sie mit der Flasche aufgezogen hat. Nahe der neuen Futterstelle entdeckt sie Lilly. Die Weide mit den Kühen ist ihr Lieblingsort auf Kieck sagt die 36-Jährige. Für sie ist Kieck ein Glücksfall, denn anders als die früheren Studienkollegen, kommt sie aus keiner landwirtschaftlich geprägten Familie.

Der Bulle Rudi
Der Bulle Rudi (c) Silvia Passow

Ein Schweineleben an der frischen luft

Ohne Stall kommen auch die zwei Sauen, 13 Ferkel und 26 Mastschweine aus. Die Tiere leben in Freilandhaltung, ihre Unterstände können sie nach Lust und Laune selbst aufsuchen. Das könnte wegen der Afrikanischen Schweinepest zum Problem werden. Zaun und Desinfektionsmittel sollen die Seuche von den Tieren fernhalten. „Noch sind die Einschläge entfernt“, heißt es aus Kieck. Thorsten Michalek ist dennoch vorbereitet, hat Hallenzelte bestellt. Die Amtstierärztin hält diese Zelte für eine Möglichkeit, sagt er. Die Enten und Gänse müssen ohnehin bald dran glauben, hier hofft man, dass die Geflügelpest einen Bogen um Kieck schlägt.

Auch sonst läuft einiges anders als im konventionellen Betrieb. Da sind zum Beispiel Piggeldy und Frederick. Sie galten als mickrige Schweine, und der Züchter wollte sie deshalb merzen, berichtet Michalek. Er nahm die kleinen Ferkel mit nach Kieck und inzwischen ist nichts mehr mit zu klein. Um die 120 Kilogramm bringen sie jetzt auf die Waage. Sie werden nun irgendwann geschlachtet, vorher hatten sie ein echtes Schweineleben an der frischen Luft.

Hofschlachtung scheitert an Vorgaben

Auch die 13 Ferkel, die Mitte Juli geboren wurden, haben nicht alle den gleichen Entwicklungsstand. Es sind propere Ferkel dabei und sehr zarte Ferkelchen. Eingegriffen wird nicht. „Was wird, das wird“, sagt Hallmann. Es braucht dann eben etwas länger bis die Tiere Schlachtreife haben. Wenn es so weit ist, verlassen sie Kieck zum ersten Mal. „Das geht stressfrei“, sagt Michalek. „Die kennen ja nichts Böses. Man hält ihnen etwas Grünzeug vor die Nase und sie folgen bis auf den Hänger“, beschreibt er die letzte Tour.

Bis zum Schlachter ist es nicht allzu weit, sagt Michalek. Allerdings sei es immer schwieriger, Schlachthäuser für Tiere nach Biostandard zu finden. Eine mobile Lösung, die Hofschlachtung, wäre für ihn durchaus wünschenswert, doch sind die Vorgaben für den kleinen Betrieb nicht zu erfüllen. Was in Süddeutschland gut funktioniert, ist in weiten Teilen Brandenburgs an unzähligen Vorgaben gekoppelt, bedauert Michalek. Bis es soweit ist, werden die Borstentiere ausgiebig verwöhnt.

Herausforderungen durch Biostandard

15 der derzeitigen Bewohner aus der Suchttherapie bei Sinalkol sind in der Landwirtschaft tätig. Sie bauen Zäune, helfen beim Füttern, und verteilen zwischendrin reichlich Streicheleinheiten. Auch Landwirtin Hallmann krault hier und da hinter den rosa Öhrchen. Ein Stück weiter verrät das Gackern und Quaken die Anwesenheit von reichlich Federvieh. Hühner, deren Eier verkauft werden, 210 Enten und nebenan tummeln sich 120 Gänse. Alle mit eigenem Gelände inklusive Poollandschaft. Bis kurz vor Weihachten können sie den Rundum-Service genießen, dann enden auch sie als Weihnachtsbraten.

Auch hier hält der Biostandard wieder Herausforderungen bereit. Die Transportwege sind ein Problem, sagt Hallmann, ebenso wie die Beschaffung von Bioküken. Die kamen zuletzt aus Bayern, sagt sie. Doch für Michalek käme nur die Biolandwirtschaft infrage, sagt er. „Ich möchte, dass die Leute, wenn sie zu uns auf den Hof kommen, über die Produktion der Lebensmittel nachdenken.“

Der Kartoffelroder von 1984: reine Chefsache

Auf dem Hof von Sinalkol geht es aber nicht nur um Fleisch. Auch Kartoffeln werden angebaut. Für die Ernte kommt ein Kartoffelroder von 1984 zum Einsatz: Er wurde im vergangenen Jahr angeschafft, ist Thorsten Michaleks Lieblingsstück und sein „Betrieb somit reine Chefsache“, sagt er.

Grund dafür ist aber auch das Förderband, das nicht nur Kartoffeln befördern, sondern auch die Finger unaufmerksamer Erntehelfer verletzen kann. Hier opfert der Chef sich also selbst und Katja Hallmann hat nichts dagegen. „Das Band läuft so schnell. Da wird man glatt seekrank“, sagt sie. Bevor die Technik einzog, war die Kartoffelernte eine große Gemeinschaftsaktion.

Sinalkol: Produkte werden regional vermarktet

Die Arbeit in der Landwirtschaft ist für die suchtkranken Bewohner von Sinalkol keine Pflicht, sondern Kür. Neben der Arbeit auf den Feldern bieten auch Tischlerei und Kfz-Werkstatt sinnvolle Beschäftigungen an. Ohne die Hilfe aus der Therapie würde der Betrieb nicht funktionieren, sagt Hallmann. Sei es Pflege wie Unkrautjäten oder Unterstützung bei der Ernte. „Beim Aufessen sind dann wieder alle gern dabei“, sagt Michalek lachend. Dazu trifft man sich im Café der Einrichtung. Zum Hofcafé gehört auch eine Terrasse direkt am Teich. Hier lässt es sich gut munden.

Im Hofladen können viele Produkte des Domstifts gekauft werden. Besonders zur Spargelzeit kommen viele Brandenburger nach Kieck, und bei manchen Berlinern gilt der abgelegene Ort als Geheimtipp für das Königsgemüse. Die Kälber werden über Bio-Park vermarktet. Auch in den Geschäften der Bio-Insel in Rathenow und Brandenburg/Havel sind Kieck-Produkte erhältlich. Und im Restaurant „Am Humboldthain“ in der Havelstadt Brandenburg landen auch Kieck-Produkte wie Kürbis auf den Tellern. Die Rote Bete gehen an eine Mosterei in Ketzür.

Schwarze null im Visier

Dennoch, verdienen lässt sich mit dieser Form der Landwirtschaft nicht viel, sagt Michalek. Denn immer wieder müssen auch Investitionen in den landwirtschaftlichen Betrieb getätigt werden. So habe man beispielsweise kürzlich einen wolfssicheren Zaun um die Rinderkoppel gezogen. „Der sollte eigentlich zu 100 Prozent gefördert werden. Am Ende lag die Förderung bei 80 Prozent. Doch sicher ist sicher.“ Einen Wolf gesichtet hat man hier noch nicht, wohl aber gehört und Fährten von ihm gesehen. Und dann ist da noch die ASP. „Wenn die nicht reinhaut, könnte es noch was werden, mit der schwarzen Null“, ist Michalek optimistisch.

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