Drama mit Ansage: Rehe ertrinken am ASP-Wildzaun

In den sozialen Netzen sorgten Anfang des Jahres Bilder für eine Welle der Entrüstung. Darauf zu sehen: an einem ASP-Wildzaun im Nationalpark Unteres Odertal kläglich verendete Rehe.

Von Heike Mildner

Die großflächigen Polder zwischen Winterdeichen, die ganzjährig die Ortschaften schützen, und Sommerdeichen, die zwischen November und April geöffnet werden, um der Oder mehr Raum zu geben, sind für Rehe zur Falle geworden. Ähnliche Bilder hatte es bereits im Februar 2021 gegeben, als Rehe und Wildschweine die Polder Richtung Westen verlassen wollten und am erstgebauten ASP-Zaun, der polderseitig entlang des Winterdeichs verläuft, scheiterten.

ASP-Wildzaun: Tiere sitzen in der Falle

Der zweite ASP-Grenzzaun, der mit dem ersten einen Korridor bildet, wurde im Nationalpark nicht westlich des ersten, sondern entlang der Polderseite des Sommerdeichs gezogen. Nördlich von Schwedt zerschneidet er den Nationalpark in Nord- und Südhälfte. Die Wildtiere – Rehe werden im Nationalpark seit 2007 nicht mehr geschossen – sitzen in der Falle.

Auch Dirk Treichel, Leiter des Nationalparks, schätzt die Lage als dramatisch ein. Das kleinere Hochwasser über den Jahreswechsel sei nur ein Vorbote. Mit der Schneeschmelze im Frühjahr werde das Wasser höher und länger stehen. Er plädiert dafür, den zuerst gebauten Zaun entlang des Winterdeichs auf etwa 22 km weiter ins Landesinnere zu versetzen, damit die Tiere auf höher gelegene Flächen ausweichen können.

Die Karte zeigt den Verlauf der ASP-Zäune: grün der erste, rot der zweite.
Die Karte zeigt den Verlauf der ASP-Zäune: grün der erste, rot der zweite.
(c) Karte: Landkreis Uckermark
(c) Foto: Andrea Zille

Befürchtungen fürs Frühjahr

Während radikalere Stimmen fordern, „von Polen siegen zu lernen“, die ASP sich selbst zu überlassen und „die Schweinebarone mit ihrer Massentierhaltung, vorzugsweise in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen“ nicht länger zu schützen, verweist das zuständige Verbraucherschutzministerium beim Thema Zaunverlauf auf den Landkreis Uckermark. Der gibt zu Protokoll, es handele sich bislang um drei verendete Rehe aufseiten der Polderflächen und drei weitere westlich des Zaunes. Der ASP-Schutzzaun werde täglich abgefahren. „Helfer bzw. Ranger leiten die Tiere zu den Öffnungen. Als Unterstützung soll auch eine Drohne zum Einsatz kommen. Anschließend werden die Tore wieder geschlossen.“

Dirk Treichel sieht diese Maßnahmen skeptisch, kann mindestens zehn verendete Rehe am ASP-Wildzaun bestätigen und befürchtet im Frühjahr Schlimmeres. Sein Widerspruch gegen den Zaunverlauf war vom Landkreis abgewiesen worden, ein ähnlich gerichteter Brief des Agrar- und Umweltministers Axel Vogel blieb folgenlos. Man sei jedoch mit den Verantwortlichen im Landkreis weiter im Gespräch, hieß es aus dem Umweltministerium.


Wildschweine als Überträger der Afrikanischen Schweinepest (ASP)

+++ Alle News zu ASP in unserem Newsticker +++

In Deutschland wurde die Afrikanische Schweinepest bei Wildschweinen in Brandenburg nachgewiesen. Fortlaufend aktualisierte Infos dazu können Sie in unserem ASP-Newsticker verfolgen. mehr


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Stallneubau fördert Wohlbefinden der Kühe

In die Milchviehhaltung investieren oder aufhören – trotz Risiko entschied sich die Teichwolframsdorfer Agrar GmbH für die Milchkühe. Dafür gab es mehrere gute Gründe.

Von Silvia Kölbel

Seit September stehen die 350 Milchkühe der Teichwolframsdorfer Agrar GmbH in einem 6.400 m² großen, neuen Stall. Der Betrieb nutzte die Premiumförderung für Investitionen in eine besonders tiergerechte Haltung und investierte insgesamt rund vier Millionen Euro. Es entstand ein moderner, lichtdurchfluteter Stall mit überdachtem Außenbereich, automatischer Wickellüftung, einem Querlüftungssystem, Komfortgummimatten, Schieberanlagen in den Lauf- und Fressgängen und eine Photovoltaikanlage, die eine energieautarke Versorgung des Stalles mit Strom ermöglicht. Die funkgesteuerte Kuhüberwachung registriert unter anderem die Fressaktivitäten und die Bewegungsaktivitäten. Sie verfügt über eine Brunstüberwachung und ein Findungsprogramm, das dem Herdenmanger hilft, ein Tier ohne großen Zeitaufwand zu lokalisieren.

Schwierige Standortfindung

Die Entscheidung, 2019 die Zusammenstellung der Antragsunterlagen in Angriff zu nehmen und einzureichen, um ein Jahr später mit dem Bau zu beginnen, kam gerade noch rechtzeitig. „Von den in die Höhe schießenden Baupreisen blieben wir verschont. Das konnten wir damals nicht ahnen. Wir hatten einfach nur Glück. Unter jetzigen Bedingungen würde uns der Neubau etwa 30 Prozent teurer kommen“, ist Geschäftsführer Gerd Halbauer froh, die Weichen rechtzeitig gestellt zu haben. Schwierig gestaltete sich die Standortfindung. Gerd Halbauer wäre ein in zwei Bauabschnitte aufgeteilter Neubau am alten Standort am liebsten gewesen, um keinen kostbaren Ackerboden als Bauland opfern zu müssen. Nach langem Ringen gab er diese Idee auf, auch weil der Platz nicht ausreichte.

Stall
(c) Silvia Kölbel

Pro und Contra in sachen Neubau

Der Firmenchef hat sich die generelle Entscheidung über die Zukunft des Betriebs nicht leicht gemacht. Schon vor fünf Jahren stand die Frage im Raum: Wie geht es mit der Milchproduktion weiter? Zwei Möglichkeiten standen zur Auswahl, entweder der Neubau eines Stalles oder der Ausstieg aus der Milchproduktion. Viele Gründe sprachen für einen Neubau. Die Biogasanlage benötigt die Nährstoffe aus der Haltung von 910 Rindern. Die Veredlung zu Milch sei immer noch die wirtschaftlich sinnvollste Nutzung der 223 ha Grünland. „Ohne Milchproduktion wären die Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter gefährdet gewesen und letztendlich gehört Milchkuhhaltung zum ländlichen Charakter“, wirft Halbauer, der in Mohlsdorf-Teichwolframsdorf auch als ehrenamtlicher Bürgermeister tätig ist, die Gründe, die für die Milchproduktion sprechen, in die Waagschale.

Ein Restrisiko bleibt trotzdem: „Fällt der Milchpreis unter 25 Cent, können wir unsere Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen“, hat Halbauer ausgerechnet. Die Entscheidung sei trotzdem die richtige gewesen.

Umzug gut gemeistert trotz enormer umstellung

„Als wir die ersten Kühe in den neuen Stall gelassen haben, konnten wir den Tieren sofort ansehen, dass sie sich wohlfühlen. Sie haben sofort mit Fressen angefangen und sich hingelegt.“ Innerhalb von vier Wochen bezogen die Kühe gruppenweise den Neubau der Teichwolframsdorfer Agrar GmbH. Der Umzug war für die Kühe eine enorme Umstellung, allein schon wegen des Wechsels des Melksystems.

Statt in einen Fischgrätenmelkstand müssen die Kühe zu einem der fünf Melkroboter laufen, was nicht auf Anhieb funktionierte. Um den Kühen den Melkroboter im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft zu machen, wurden sie mit einem besonders beliebten Futter gelockt. Das führte dazu, dass sich ein Teil der Tiere nach Verlassen des Roboters wieder hinten anstellte, andere Tiere dagegen mussten die Mitarbeiter zum Melkroboter führen.

Etwa sechs Wochen dauerte die Umgewöhnungsphase, die auch mit einem vorübergehenden Nachlassen der Milchleistung von etwa zwei Litern pro Tier und Tag einherging. „Das waren aber nur Anfangsschwierigkeiten. Jetzt hat sich alles gut eingespielt“, berichtet Halbauer.

Langlebigkeit der Tiere verbessern

Von der Optimierung der Haltungsbedingungen verspricht sich der Betrieb unter anderem, die Langlebigkeit der Tiere zu verbessern, bei einer gleichzeitigen Erhöhung der Zwischenkalbezeit auf etwa anderthalb Jahre.

Neben der Reproduktion des eigenen Bestandes verkauft der Betrieb auch Zuchttiere. Darüber hinaus erfolgt eine Anpaarung mit Mastrindern. Alle Kälber, auch die männlichen aus der Milchrindanpaarung, mästet der Betrieb selbst, sodass sich der Rinderbestand im Durchschnitt aus 300 Kühen, 50 Trockenstehern, 160 Mastbullen plus der Nachzucht zusammensetzt.

Die Erhöhung der Milchleistung durch die verbesserten Rahmenbedingungen wäre aus Sicht Halbauers ein angenehmer Nebeneffekt, sei aber nicht das vordergründige Ziel. Fest steht aber: „Im alten Stall, einem Gebäude aus den 1980er-Jahren, war eine Steigerung der bis dahin bei etwa 9.800 Liter verharrenden Milchleistung nicht zu erreichen.“

Teichwolframsdorfer Agrar GmbH, Gerd Halbauer im Kälberstall. Im Außenbereich sind auch Kälberiglos.
Gerd Halbauer im Kälberstall. Im Außenbereich sind auch Kälberiglos. (c) Silvia Kölbel

Der Umstieg auf die Robotertechnik von Delaval bringt aus Halbauers Sicht mehrere Vorteile. Das seit 2020 in den Robotern verbaute neue Kamerasystem arbeite sehr genau. „Das Erkennen der Zitzen und das Ansetzen der Becher dauert nur ein paar Sekunden. Die Impulsation regt den Milchfluss an. Nach dem Leermelken jedes einzelnen Viertels löst sich Becher für Becher. „Damit haben wir es hier mit einem sehr euterschonenden Melkvorgang zu tun“, ist Halbauer zufrieden.

Teichwolframsdorfer Agrar GmbH: Mitarbeiter entlastet

Die Entlastung der Mitarbeiter bringt aus Sicht des Geschäftsführers einen zweiten großen Pluspunkt. Ein Großteil der teils schweren körperlichen Arbeit entfalle. Und ganz wichtig: Das geteilte Schichtsystem gehört der Vergangenheit an. „Es wurde immer schwieriger, Mitarbeiter zu finden, die zwei Mal am Tag zum Melken kommen. Und die um vier Uhr das erste Mal mit der Arbeit beginnen. Das war auch wenig familienfreundlich“, so Halbauer. Sechs Mitarbeiter, ein Herdenmanager, drei Melker, ein Futterfahrer und ein Verantwortlicher für die Kälber betreuen zurzeit den Milchkuhbereich.

Zu den Aufgaben der Mitarbeiter gehört auch die Reinigung des Stalls. Diese beschränkt sich auf zweimal wöchentliches Desinfizieren mit Kalk, das Reinigen der drei Meter langen Tränkebecken, die über ein Kreislaufsystem mit Frischwasser versorgt werden und dessen Rohre zum Schutz vor winterlichem Einfrieren durch die Biogasanlage laufen.

Je nachdem, in welchem Bereich sich die Kühe aufhalten, haben sie einen unterschiedlichen Boden unter den Füßen: Beton im Außenbereich zum Abrieb der Klauen, Gummimatten in den Laufgängen zur Schonung der Gelenke und den schneller abtrocknenden und damit sauberen Spaltenboden im Bereich der abkalbenden und kranken Kühe. Die Abkalbeboxen sind mit Stroh eingestreut.

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Skispringen Bad Freienwalde: Aufsteigen und fliegen

Das Skispringen in Bad Freienwalde hat eine fast 100-jährige Tradition. Vor 20 Jahren wurde sie aus dem Dornröschenschlaf geweckt und seither wetteifern junge Brandenburger Adler um Podiumsplätze.

Von Bärbel Arlt

Fotos: Sabine Rübensaat und Andreas Arlt (2)

Bergstadt nannte Heimatdichter Theodor Fontane Bad Freienwalde und wurde nicht müde, immer wieder die märchenhafte Fernsicht von den Bergen zu loben. Und diese Berge sind es auch, die den ältesten Kurort Brandenburgs zum nördlichsten Wintersportzentrum Deutschlands machen. Klingt unglaublich? Blicken wir mal rein.

Skisprungschanze in Bad Freienwalde
Die Skischanze in Bad Freienwalde © Andreas Arlt

Skibegeisterte in Bad Freienwalde

Nicht tief, aber verschneit präsentiert sich an diesem Samstagmorgen die Wintersportarena mit ihren fünf Skischanzen am Papengrund direkt an der Bundesstraße 158. Und die seltene weiße Pracht verleitet die Mädchen und Jungen, die zum Training gekommen sind, natürlich erstmal zu einer Schneeballschlacht. Doch Trainer Stefan Wiedmann ruft seine Schäfchen schnell zusammen. Denn vor dem Vergnügen kommt der Ernst, besser gesagt die Trainingsstunde. Und die beginnt mit dem Aufwärmen. Dann werden Skianzüge und Skistiefel angezogen, Helm, Brille und Handschuhe aufgesetzt, und mit den Ski über die Schultern geht’s auf zu den Schanzen. Wobei das für die Fünf- bis Zwölfjährigen nicht wirklich purer Ernst, sondern eher ein ernstes Vergnügen ist. Denn Skispringen macht allen Spaß. Das versichern sie uns jedenfalls, bevor sie zum Absprung ansetzen.

rainer Stefan Wiedmann wertet mit seinen Schützlingen die Sprünge aus. Diese vier Schanzen (l.) stehen den jungen Adlern zur Verfügung
Skispringen in Bad Freienwalde: Trainer Stefan Wiedmann wertet mit seinen Schützlingen die Sprünge aus. Diese vier Schanzen (l.) stehen den jungen Adlern zur Verfügung. © Sabine Rübensaat

Doch der Reihe nach. Skispringen und Nordische Kombination in Brandenburg – das mutet zugegebenermaßen schon etwas seltsam an, denkt man da doch eher an die traditionellen Wintersporthochburgen in Thüringen und Bayern. Aber Brandenburg? Dieter Bosse, Vorsitzender des „Wintersportvereins 1923“ muss lachen: „Ja, vor 20 Jahren wurden wir tatsächlich belächelt. Doch das ist vorbei, wir sind an der Spitze angekommen.“ Denn die jungen märkischen Adler mischen deutschlandweit bei Wettkämpfen erfolgreich mit. So gehören mit Spezialspringer Max Unglaube und Nordisch Kombinierer Moritz Terei zwei Bad Freienwalder zur deutschen Jugendnationalmannschaft. Und Alvine Holz landete vor zwei Monaten bei den Deutschen Meisterschaften auf Platz 7. Was nicht zuletzt ein Verdienst von Landestrainer Stefan Wiedmann ist, der in Bad Freienwalde rund 32 Skifreudige unter seinen Fittichen hat. Und der 31-Jährige weiß genau, wie die sich fühlen und worauf es beim Training ankommt. „Er war immerhin der erste, der vor 20 Jahren unsere Zehn-Meter-Schanze eingeweiht hat“, erzählt Dieter Bosse voller Stolz. zwölf Jahre alt war Stefan Wiedmann damals, wurde als erster märkischer Adler nach Oberhof zum Sportgymnasium delegiert und stand viele Jahre als Leistungssportler auf den Brettern. Dann studierte er in Potsdam Sportmanagement, kam 2013 zurück nach Bad Freienwalde, wurde hauptberuflicher Landestrainer und 2019 sogar als bester Nachwuchstrainer Deutschlands in den Bereichen Spezialsprunglauf und Nordische Kombination ausgezeichnet. Mit seinen 31-Jahren ist er sozusagen ein „alter Skihase“ im 20-jährigen Bad Freienwalder Wintersportverein, dessen Wurzeln aber weitaus älter sind.

Im Wintersportverein 1923 trainieren Mädchen und Jungen im Skispringen und in der Nordischen Kombination. Trainiert werden sie von Stefan Wiedmann (l.)
Im Wintersportverein 1923 trainieren Mädchen und Jungen im Skispringen und in der Nordischen Kombination. Trainiert werden sie von Stefan Wiedmann (l.) © Sabine Rübensaat
Mädchenpower auf der Schanze: Minna, Mila, Karla und Anja (v. l.)
Mädchenpower auf der Schanze: Minna, Mila, Karla und Anja (v. l.). © Sabine Rübensaat

Skispringen in Bad Freienwalde: Tradition seit 2001 wiederbelebt

Dieter Bosse, Vorsitzender des Wintersportvereins 1923, hoch oben auf der Kurstadtschanze.
Dieter Bosse, Vorsitzender des Wintersportvereins 1923, hoch oben auf der Kurstadtschanze Bad Freienwalde. © Sabine Rübensaat

„Bereits 1923 war Brandenburgs älteste Kurstadt eine Hochburg des Wintersports“, erzählt Dieter Bosse, während wir den jungen Athleten bei ihren Sprungübungen zuschauen. Damals, so sagt er, sollen an so manchen Tagen bis zu 15.000 Besucher und Sonderzüge aus Berlin und Stettin in die Kurstadt gekommen sein, um zu rodeln und Schlittschuh zu laufen. Auch Langlauf und vor allem das Skispringen waren sehr populär. 1924 wurde am Papengrund auf einer aus Schnee gebauten Sprungschanze erstmals ein Skispringen ausgetragen, und Weiten von sechs bis neun Meter imponierten, heißt es in der Vereinschronik. Die Zeitungen berichteten sogar von einem „Märkischen St. Moritz.“ Und Stefan Wiedmann ergänzt, dass sich der Norweger Birger Ruud, Olympiasieger von 1932 und 1936, während seines Berliner Studiums in Bad Freienwalde in Form brachte. Und mit 40,5 Meter hält er den ewigen Rekord auf der damaligen 30-Meter-Schanze, die es wie auch andere Sportanlagen längst nicht mehr gibt. Denn Mitte der 1970er-Jahre kam der Skisport in Bad Freienwalde zum Erliegen – angeblich mangels Schnees. Die Anlagen wurden zurückgebaut, das Gelände wuchs zu. Doch das Feuer für den Skisport ist in der Kurstadt nie erloschen. Wie bei Dieter Bosse, der selbst auf der Pionierschanze in den 1960er-Jahren so manche Urkunde ersprang. So wagte er gemeinsam mit anderen verrückten Skihasen 2001 einen Neustart. Der alte Aufsprungshang wurde freigeschnitten und in nur wenigen Monaten wurden überwiegend in Eigenleistung zwei Naturschanzen aus dem Boden gestampft – mit thüringischer Unterstützung, wie Bosse immer wieder betont. Der Schmiedefelder Wintersportverein stellte Keramikspuren und Matten zur Verfügung und natürlich auch sein Fachwissen. Und schon am 4. November 2001 gab es die ersten Landesmeisterschaften im Skispringen und in der nordischen Kombination. „Das war nicht nur ein anspruchsvoller Wettbewerb, sondern auch ein wunderschönes Wintersportfest“, schwärmt der Vereinschef noch heute und alle Skeptiker werden seitdem eines Besseren belehrt.

Denn im Laufe der Jahre entwickelte sich Bad Freienwalde vor allem mit viel persönlichem Einsatz, aber auch mithilfe von Sponsoren und Fördermitteln Stück für Stück deutschlandweit und auch international zu einem anerkannten Skiort. Beispiel dafür ist nicht zuletzt die Tagung des Weltskiverbandes FIS 2005 in der Kurstadt. Und natürlich waren auch Skilegenden wie Jens Weisflog, Martin Schmidt und Helmut Recknagel, nach dem die 2008 erbaute 60-Meter-Schanze benannt ist, vor Ort. Insgesamt trumpft das Skispringen in Bad Freienwalde heute mit fünf Schanzen auf: einer 3er-, 10er-, 21er-, 42-er und der 60er-Schanze, sodass Mädchen und Jungen aller Altersgruppen trainieren können. Denn die Nachwuchsförderung ist der Anspruch des Wintersportvereins. Mit diesem Ziel wurden er 2001 und die Tradition des Wintersports wiederbelebt. Das passiert sogar länderübergreifend. Denn auch junge polnische Adler trainieren in Bad Freienwalde.

weitere zukunftsinvestitionen geplant

Und die tollkühnen märkischen Skihasen haben weitere „Höhenflüge“ vor Augen. So soll der Treppenturm der 60-Meter-Schanze einen Lift bekommen, ist doch der Aufstieg bis in 100 Meter Höhe für die Athleten sehr mühsam, aber durchaus auch unterhaltsam. Denn eine Ausstellung erzählt über die 20-jährige junge Wintersportgeschichte. Oben angekommen liegt uns eine traumhaft verschneite Berglandschaft zu Füßen, und Dieter Bosse schwärmt von den Plänen für eine große Eventarena, die aber nicht nur mit Ski-Wettkämpfen, sondern auch mit Konzerten, Theater und Ähnlichem Zuschauer anziehen soll. Als Modell gibt es diese Arena schon. „Mit interessierten politischen Partnern an der Seite und einem Sponsor mit dem nötigen Kleingeld könnte die Arena Wirklichkeit werden“, blickt Vereinschef Bosse optimistisch in die Zukunft und hofft zugleich, dass das 100-jährige Wintersportjubiläum 2023 mit den Jugendweltmeisterschaften gefeiert werden kann.

Mit viel Ehrgeiz dabei: die Nachwuchstalente Florian Fechner (l.).und Hotte Mahnke.
Mit viel Ehrgeiz beim Skispringen Bad Freienwalde dabei: die Nachwuchstalente Florian Fechner (l.).und Hotte Mahnke. © Sabine Rübensaat
Junger Skipringer in Brandenburg
Die neue Aufstiegshilfe („Der Zauberteppich“) ging rechtzeitig zu den diesjährigen Landesmeisterschaften im November in Betrieb. © Sabine Rübensaat

Doch zurück in die Gegenwart. Die Trainingsstunde ist schnell vorüber. Und dank des „Zauberteppichs“, der die Kinder nach dem Sprung mühelos wieder nach oben befördert, hat sich die Anzahl ihrer Sprünge erhöht, was wiederum beflügelt. Denn ehrgeizig sind sie alle und gespannt auf die Einschätzung des Trainers, der die Sprünge seiner Schützlinge mit dem Tablet festhält und sie dann gemeinsam mit ihnen auswertet. Nicht ganz zufrieden an diesem Tag ist Florian Fechner. Was nicht an seiner Leistung liegt, sondern daran, dass die 40er- und 60er-Jugendschanzen aufgrund des Schneefalls nicht genutzt werden können. Immerhin möchte der 12-Jährige, der schon mit fünf Jahren die ersten Sprünge wagte, weit hinaus wie seine Vorbilder Pius Paschke und Anze Lanisek. 68,5 Meter sei er schon gesprungen, erzählt er stolz. Aktuell führt er den Nord Cup des Deutschen Skiverbandes an und zählt zu den hoffnungsvollsten märkischen Adlern. Und wer weiß, vielleicht fliegt er mal ganz oben mit.

Dieses ganz große Ziel haben vielleicht nicht alle Mädchen und Jungen des Wintersportvereins 1923. Doch alle haben sie Spaß am Skispringen und am Zusammensein. Und nachdem die Skiausrüstung, die übrigens vom Verein gestellt wird, wieder ordentlich im Vereinshaus verstaut ist, lässt eine fröhliche Schneeballschlacht nicht lange auf sich warten.

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Wandel, aber keine Kehrtwende

Sachsens Bauernpräsident sieht die Landwirtschaft vor ihrer bisher größten Herausforderung: „Die Politik darf die Veränderungsbereitschaft nicht enttäuschen.“

Herr Krawczyk, welche Gefühle haben Sie als Landwirt und Bauernpräsident beim Wechsel vom alten in das neue Jahr begleitet?
Die Umstände gaben im zurückliegenden Jahr – wirtschaftlich wie gesellschaftspolitisch – ein trauriges Bild. Ich kann absolut nachvollziehen, wenn in den Betrieben Frustration herrscht. Schließlich teile ich als Betriebsinhaber ein Stück weit dieses Gefühl. Das neue Jahr, das ist meine Hoffnung, gibt uns die Chance, neu durchzustarten. Wir stehen vor der großen Herausforderung, die Zukunft zu bewältigen. Das zu begleiten, ist Aufgabe des Bauernverbandes. Deshalb müssen wir zeigen, dass wir an die Zukunft glauben.

Worin genau besteht diese Herausforderung?
Ich denke, wir haben uns zu-recht lange Zeit gegen die Forderung nach einer „Agrarwende“ gewehrt. Denn der Begriff suggeriert, dass wir uns um 180 Grad zu wandeln hätten. Aber inzwischen ist allen klar, dass wir in der Landwirtschaft vor einem Transformationsprozess stehen. Dabei geht es allerdings nicht um eine komplette Kehrtwende, sondern um ein Zugehen auf die Gesellschaft, die nachvollziehbare Forderungen an uns hat. Die können wir aber nur erfüllen, wenn es wirtschaftlich darstellbar ist. Unter diesen Umständen ist die Bereitschaft zu Veränderungen unter den Betrieben sehr groß.

Torsten Krawczyk
Torsten Krawczyk ist Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB). (c) SLB

Was muss dafür passieren?
Als erstes geht es darum, die Gemeinsame Agrarpolitik für die nächste Förderperiode umzusetzen. Hier muss sich zeigen, dass die Bereitschaft vieler Landwirte, ökologischer zu werden, über eine angemessene Finanzierung honoriert wird. Allerdings habe ich die Sorge, dass in Anbetracht von Corona, hohen Energiepreisen, Versorgungsengpässen und einer insgesamt belasteten Wirtschaft das Versprechen, attraktive Programme anzubieten, nicht eingehalten wird. In dem Fall droht es, viele Enttäuschte zu geben. Aber auf keinen Fall darf eine Ökologisierung über Verbote und Ordnungsrecht herbeigeführt werden. Das würde die Frustration noch weiter steigern.

Frust herrscht schon lange unter vielen Tierhaltern. Wird deren Lage durch die angestrebte Transformation nicht noch schlimmer?
Gerade in der Tierhaltung gibt es noch viele offene Fragen zu lösen und Rahmenbedingungen zu setzen. Zum einen sind die gesellschaftlich geforderten Veränderungen mit hohen Investitionen verbunden, während die aktuellen Märkte großen Belastungen unterliegen. Den Unternehmen fehlt wirtschaftlich die Luft, die Anstrengungen aus eigener Kraft zu realisieren. Dennoch haben wir eine große Veränderungsbereitschaft – aber wir haben andererseits kein Genehmigungsrecht, das zügige Veränderungen ermöglicht. Es nützt nichts, fünf Jahre auf eine Baugenehmigung für einen tierwohlgerechten Stall zu warten, denn dann sind die Märkte an einem vorbeigegangen. Und nicht zuletzt kommen Zielkonflikte hinzu. Zum Beispiel Gegensätze zwischen Tierwohl auf der einen Seite und Festlegungen des Seuchen- oder Emissionsrechts auf der anderen. Hier ist noch so vieles ungeklärt.

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) hat sich in Sachsen weiter ausgebreitet. Haben Politik und Behörden im Freistaat versagt?
Ich will Politik und Behörden in Sachsen keinen Vorwurf in dieser Schärfe machen. Man muss anerkennen, dass sich die Verantwortlichen problembewusst gezeigt und die Verbände einbezogen haben. Sicher hätte man manches anders machen können. Aber Sachsen hat versucht – anders als Brandenburg –, die Eingriffe in die Landwirtschaft so gering wie möglich zu halten. Beide Ansätze haben die Ausbreitung der ASP nicht verhindern können. Aber dennoch habe ich Respekt vor den Verantwortlichen in beiden Ländern, die mit dem Problem lange allein gelassen wurden. In Mecklenburg-Vorpommern zeigt sich, welchen Sprung die Seuche in kurzer Zeit machen kann – obwohl sich dort die Politik zuvor selbst gutgeschrieben hat, die ASP aus dem Land gehalten zu haben.

Was ist aus Ihrer Sicht zu tun?
Wenn wir der ASP ernsthaft begegnen und ihre Folgen minimieren wollen, ist die konsequente Umsetzung einer gemeinsamen Strategie zwischen Bund und allen Ländern nötig. Ich hoffe, dass inzwischen alle die Notwendigkeit erkannt haben, das Problem gemeinsam anzusprechen. Zweitens müssen wir uns fragen, wie wir die Seuche künftig bewerten. Die ASP breitet sich unter Wildschweinen aus. Wir schränken aber massiv die Nutztierhaltung ein. Das hat enorme wirtschaftlichen Folgen, ohne dass wir die Seuche damit ausrotten. Würden wir mit der ASP so umgehen wie mit der Geflügelpest, wäre die Lage eine andere. Ein solcher Ansatz muss natürlich auf europäischer Ebene abgestimmt werden.


Sachsen aktuell

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Mit einiger Euphorie wurde noch Anfang des Jahres über den Aufbau eines regionalen Schlachthofes unter Federführung des SLB in Sachsen diskutiert. Inzwischen haben viele den Eindruck, es sei um dieses Thema sehr still geworden.
Wir stecken derzeit mitten in der Marktanalyse, werten Statistiken aus und erheben Daten. Es zeichnet sich ab, dass das Ergebnis der Machbarkeitsstudie ein anderes sein wird, als es noch vor zwei Jahren vor Corona und ASP gewesen wäre. Insofern ist es gut, dass wir uns Zeit genommen haben, um ordentlich zu analysieren, wie es werden könnte. Schließlich soll es eine nachhaltige Lösung werden. Außer unserer Machbarkeitsstudie gibt es drei weitere Projekte, die das Thema bearbeiten und mit denen es Austausch und Abstimmungen gibt. Statt eines zentralen Schlachthofes wird es dezentrale regionale Lösungen geben.

Zum Stichwort Regionalität: Hat das Thema die Bedeutung, die Politik und Medien gern vermitteln?
Regionalität ist definitiv ein gesellschaftliches Thema mit Bezügen zu Klimaschutz und Versorgungssicherheit. Als Landwirte müssen wir uns selbstbewusst damit auseinandersetzen und das Thema besetzen – sonst tun es andere und uns bleibt wieder nur die Rolle des Lieferanten. Regionalität begleitet die Transformation der Landwirtschaft und ist eine Chance, den Wandel und die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Insofern gibt es bei allen Schwierigkeiten auch Grund zur Zuversicht.

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Immer weniger Schweine, Schafe und Milchrinder: Tierzahl geht weiter zurück

Seit Jahren geht im vieharmen Thüringen die Zahl der Nutztiere ungebremst zurück. Dieser Trend hält an, wie die Zahlen der jüngsten Bestandserhebungen durch die Agrarstatistik belegen.

Von Frank Hartmann

Dramatisch verläuft die Kurve bei den Schweinen. Erst von der Coronapandemie, dann von der ASP gebeutelt, stecken die Betriebe bald zwei Jahre in der Krise. Ende letzten Jahres wurden gerade noch 600.000 Schweine erfasst. Dies entspricht einem Minus von 100.000 Tieren binnen eines Jahres. Zum Stichtag (3. November 2021) standen, verglichen mit den Novemberzahlen 2020, mit rund 160.000 Mastschweinen gut 20.000 weniger in den Ställen. Bei den Sauen ein ähnliches Bild: Hier wurde der Bestand abermals um 10.000 auf noch 66.000 reduziert. Entsprechend weniger Ferkel konnten gezählt werden. – Hier fließt freilich die Produktionsschließung des insolvent gegangenen Guts Thiemendorf mit ein, einst einer der größten Zuchtbetriebe im Land. Zum Vergleich: Ende 2014 standen in Thüringen noch 220.000 Mastschweine und 100.000 Sauen in den Ställen.

Ende des Bestandsabbaus nicht absehbar

Ein Ende des Bestandsabbaus in der Milchviehhaltung ist ebenso nicht absehbar. Gleichwohl aktuell ein Milchpreis von rund 40 ct/kg erzielt wird, berichten die Milcherzeuger, dass die gestiegenen Kosten das ohnehin zu geringe Plus wieder auffressen. Mit 87.100 Milchkühen erreichte die jüngste Novemberzählung einen neuen Tiefpunkt. Das waren 4.300 Tiere weniger als vor einem Jahr und 13.000 Milchkühe weniger als Ende 2018. Die Mutterkuhhaltung ist mit knapp über 37.000 Rindern hingegen seit Jahren stabil.

Nachdem manche Umweltpolitikerinnen glaubten, die Mutterschafbestände hätte sich zwischen 2018 und 2020 auf niedrigem Niveau wieder stabilisiert, belehrten sie die Novemberzahlen 2021 eines Besseren: Knapp 88.000 Muttertiere erfasste die Statistik, ein Minus von 6.000 Tieren zur vorjährigen Erhebung. Vor zehn Jahren weideten noch 116.000 Muttern auf dem Grünland, vor 20 Jahren 175.000.


Thüringen Flagge

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GAP-Reform verschafft keine abhilfe

Dass die GAP-Reform, die Schaf- und Mutterkuhhaltern eine kleine Weidetierprämie zubilligen wird, an der Misere für die Tierhaltung etwas ändert, darf bezweifelt werden. Für die meisten Milcherzeuger ist nicht absehbar, ob und wann sie einmal Geld verdienen. Schweinehalter sehen sich neben der ASP vor allem mit den Forderungen an neue, sehr teure Haltungsverfahren konfrontiert. Dass das auch andere Nutztiere bis hin zum Mastgeflügel betreffen wird, ist wohl ziemlich sicher.

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LVG Köllitsch: Mehr Milchfett für die Molkerei

Das Lehr- und Versuchsgut Köllitsch hat im vergangenen Milchwirtschaftsjahr eine höhere Milchleistung erzielt und auch beim Fettgehalt einen Schritt nach vorn gemacht. Versuchsweise kommen im Rinderbereich des Betriebes zunehmend digitale Anwendung zum Einsatz. Und auch Fütterungsversuche wird es im neuen Jahr wieder geben.

Sogar für einen kleinen „Titel“ hat es gereicht: In der Größenklasse von 150 bis 199 Kühen ist das Lehr- und Versuchsgut (LVG) Köllitsch im abgelaufenen Milchwirtschaftsjahr laut Sächsischem Landeskontrollverband (LKV) bester ganzjährig geprüfter Betrieb nach Fett-Eiweiß-Kilo. Im Schnitt betrug die Jahresleistung 818 Fett-Eiweiß-Kilo, das sind 33 kg mehr als im Jahr zuvor. Im Einzelnen waren es 437 Fett-Kilo (+29 kg) und 381 Eiweiß-Kilo (+ 3 kg). Und dies bei einer durchschnittlichen Milchleistung von 10.772 kg pro Kuh und Jahr (+ 327 k g ).

Auf bewusste umstellung der fütterung wurde verzichtet

Dass sich der Fettgehalt der Milch von 3,9 % auf 4,05 % erhöhte, habe ihn besonders gefreut, sagt Rüdiger Naumann, Bereichsleiter Rinder im LVG. Denn seit dem vergangenen Jahr liefert das LVG seine Milch an die Molkerei im sachsen-anhaltischen Jessen. Dort wird vor allem Käse produziert und die Bezahlung am Fettgehalt orientiert. „Wir haben im Vorfeld diskutiert, wie wir den Fettgehalt steigern können“, so der Bereichsleiter. Möglich sei dies auf zwei Wegen: über züchterische Auswahl der Tiere, was lange Zeit in Anspruch nimmt, oder eine Umstellung der Fütterung. Da aber die Milchmenge letztlich bedeutender für die Bezahlung der Milch ist, entschied man sich im LVG, auf eine bewusste Umstellung der Fütterung zu verzichten.

Eine „ungewöhnliche Futterzusammensetzung“, wie Rüdiger Naumann sagt, gab es dennoch. Wegen des trockenen Vorjahres musste mit der Grassilage gehaushaltet werden. „Wir haben geschwitzt, dass wir den Anschluss schaffen“, macht der Bereichsleiter deutlich. So enthielten die Rationen deutlich mehr trockenen Mais. Der Kuhgruppe, die vom Automatischen Melksystem (AMS) gemolken wird, wurde zudem statt Grassilage solche aus Futterroggen vorgelegt. Darüber hinaus enthielten ihre Rationen über ein Dreivierteljahr ganze Sojabohnen aus eigenem Anbau. Die rund 55 Kühe umfassende AMS-Gruppe steigerte den Fettgehalt in ihrer Milch deutlich von 3,74 % auf 4,13 % – und zugleich die Leistung um 527 auf 10.821 kg. Doch auch die rund 140 anderen Kühe legten zu. Insgesamt dürfte sich auch das günstigere Wetter im Jahresverlauf 2021 auf Leistung und Gehalt an Milchfett ausgewirkt haben, glaubt Rüdiger Naumann.

Im Köllitscher Milchviehbereich wird viel untersucht und erprobt.
Im Köllitscher Milchviehbereich wird viel untersucht und erprobt.

neue versuche geplant

Zur Fütterung wird es im kommenden Jahr wieder neue Versuche im LVG Köllitsch geben. So soll ein vom Fütterungsexperten Prof. Dr. Olaf Steinhöfel entwickelter Proteinmix zur Anwendung kommen, in dem Erbsen, Soja und Ackerbohnen aus eigenem Anbau komplett Rapsschrot ersetzen. Ein zweiter Versuch betrifft den Aufschluss von Stroh, um es für die Fütterung besser nutzbar zu machen.

Verbessert hat sich auch die Nutzungsdauer der Köllitscher Kühe. Die Lebensleistung lebender Kühe betrug im abgelaufenen Milchwirtschaftsjahr 26.906 kg (+876 kg). Die Lebensleistung gemerzter Kühe stieg um 1.309 kg auf 35.227 kg. Beide Werte liegen deutlich über dem sächsischen Durchschnitt. „Trotzdem besteht hier noch Luft nach oben“, befindet Betriebsleiter Ondrej Kunze.

Digitales kälberdorf im LVG

Technische Neuerungen haben im Milchviehbereich des LVG insbesondere bei den Kälbern Einzug gehalten. Durch die Stabsstelle Digitalisierung im Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG), die in Köllitsch ihren Sitz hat, wurde ein „Digitales Kälberdorf“ eingerichtet, in dem neue Anwendungen auf ihre Praxistauglichkeit getestet werden. Dazu zählt ein „Milchtaxi“, das den Kälbern individuell abgestimmte Menge an Tränkmilch verabreicht, ebenso wie neue Tränkautomaten und Vorrichtungen zur Gesundheitsüberwachung der Tiere. In den Umgang mit diesen neuen, digital gesteuerten Werkzeugen galt es sich einzuarbeiten. „Das hat unsere Mitarbeiter besonders gefordert“, so der Bereichsleiter.

Ohnehin ist er seinen Mitarbeitern für den Einsatz in diesem Jahr dankbar. Trotz der Schwierigkeiten, die die Pandemie mit sich bringt, hätten alle dazu beigetragen, die Arbeitsabläufe im Milchvieh- wie auch im Fleischrinderbereich sicherzustellen.

So sind im Kälberdorf eine Reihe digitaler Anwendungen eingeführt worden.
Im Kälberdorf ist eine Reihe digitaler Anwendungen eingeführt worden.

zukünftig nur noch zentrale fleischrindbullenauktionen

Die drei Fleischrinderherden des LVG sind seit Ende November in ihren Winterquartieren. Eigentlich hätte der Aufwuchs es erlaubt, sie noch länger draußen zu lassen. Doch das Veterinäramt hatte als Frist für die BHV1-Untersuchung den 25. November gesetzt. So wurden Herden nacheinander vom 22. bis 24. November von den Weiden geholt. Jeweils am nächsten Tag bekamen die Tiere ihren Klauenschnitt und einen Aufguss gegen Ekto- und Endoparasiten und Blutproben wurden genommen. Zum Bestand zählen 23 Angus-, 35 Fleckvieh- und 20 Limousinmutterkühe. 62 Absetzer zählte das LVG in diesem Jahr. Davon gehen 13 zur Mast. Die verbleibenden dienen der Reproduktion des Bestandes oder werden als Zuchttiere verkauft.

Leider wird es die Sächsische Bullenauktion in Meißen, die bereits dieses Jahr nur als live übertragene Online-Auktion stattfand, nicht mehr geben, bedauert Michael Kuhn, der im LVG für die Fleischrinder verantwortlich ist und bei der Veranstaltung schon einige Male Prämierungen für Köllitscher Jungbullen sammeln konnte. Die Zuchtorganisation Masterrind hat entschieden, künftig nur noch eine zentrale Fleischrindbullenauktion im niedersächsischen Verden auszurichten und auf die Meißner Auktion künftig zu verzichten.



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Schnitzel für Schweine: Heizen mit Hackgut

Eine Leitlinie der Wiechmann GbR ist es, so viel wie möglich aus den eigenen Ressourcen zu erwirtschaften. Heizen mit Hackgut passt da natürlich perfekt. Bei den Schweinezüchtern sahen wir zudem, wie es gelingen kann, den nachwachsenden Brennstoff möglichst emissionsarm zu nutzen.

Von Christoph Feyer

Fotos von Sabine Rübensaat

Lebensmittel sollen hierzulande möglichst wenig kosten. Die Gründe dafür sind bekannt und auch, dass Landwirte im Allgemeinen und Tierhalter im Besonderen deshalb jeden Cent zweimal umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben können. Da liegt es natürlich nahe, dass sie auch auf die Energiekosten stets einen wachen Blick werfen. In der Schweinezuchtanlage Wiechmann GbR im Landkreis Rostock, bei der sich Zucht und Mast unter einem Dach befinden, nutzt man deshalb Holzhackschnitzel aus „eigenem Anbau“.


„Bis in die 90er-Jahre haben wir hier noch mit Leipziger Mutterboden geheizt“, berichtet Ingo Wiechmann. Der GbR-Geschäftsführer und deutschlandweit bekannte Schweinezüchter spielt damit auf die Rohbraunkohlekessel aus DDR-Zeiten an. „Dann sind wir auf einen Stückholzkessel eines schwedischen Herstellers und Propangasfeuerung umgestiegen.“

Aus wirtschaftlichen Gründen verabschiedete man sich aber 2008 vom Propangas und heizte im Betrieb zehn Jahre lang zusätzlich mit Strohrundballen. Als dann der Wärmetauscher der Strohfeuerung verschlissen war und auch der regionale Hersteller aus Altersgründen nicht mehr zur Verfügung stand, fiel die Entscheidung, künftig betriebseigene Holzhackschnitzel statt Stroh zu nutzen.

Bei dem Halmgutkessel hätten sie zu den 30.000 € Reparaturkosten auch noch weitere Ausgaben gehabt, denn die BImSchG-Vorgaben waren weiter gestiegen. Die Wahl fiel auf zwei Viessmann Vitoligno 300-H mit je 100 kW Leistung, die sich, in Kaskade geschaltet, vor vier Jahren zu dem „alten Schweden“ gesellten.

Die Brennstoffqualität muss stimmen

Diese Heizkessel können mit Holzpellets oder -hackschnitzeln betrieben werden. In Pankelow werden sie über die Förderschnecken aber nur mit Letzterem gefüttert. Eine Fallstufe, Rückbrandtemperatursensoren und ein thermisches Löschventile sorgen für den nötigen Brandschutz. Der Kesselbetrieb erfolgt automatisch, die tägliche Arbeit beschränkt sich auf die Leerung der Aschekästen.

Zudem muss – je nach Bedarf – von Zeit zu Zeit Brennstoff in den Vorratsbehälter gefüllt werden. Das erledigt man mit einem Teleskoplader, der die Holzschnitzel auf dem Betriebsgelände unter einem Schleppdach findet. „Dort lagern sie gut belüftet, aber regengeschützt“, wie der 55-jährige Mecklenburger erklärt. Das sei eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Hackschnitzel wenig von ihrem Brennwert einbüßen und möglichst emissionsarm verbrennen. „Hackschnitzel müssen atmen können.“

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Des Weiteren achte man darauf, das Holz immer erst dann zu bergen, wenn es keine Blätter mehr hat und ihm vor dem Häckseln mehrere Monate Zeit zum Trocknen zu geben. „Davon abgesehen sind die Wintermonate vom Arbeitsanfall her dafür am besten geeignet“, erklärt Ingo Wiechmann. Als Brennstoff verwenden sie zum einen Baum- und Heckenschnitt aus der regelmäßigen Flurpflege, zum anderen Waldholz.

Zum Betrieb gehören nämlich noch 30 ha Bauernwald. Für das Schwachholz werfen die Mecklenburger dann hin und wieder ihren eigenen kleinen Hacker an. Für stärke Äste und ganze Baumstämme kommt einmal im Jahr ein Lohnunternehmer. Der sorge dann mit seiner schlagkräftigen Technik in fünf bis sechs Stunden für die jährlich benötigten rund 600 m³ Kleinholz. Beim Abfahren des Hackgutes nutzen sie natürlich die hofeigenen Schlepper. „Wir versuchen immer, so viel wie möglich aus den eigenen Ressourcen zu erwirtschaften“, erklärt der Landwirt. „Denn wir wollen möglichst unabhängig sein, beispielsweise von steigenden Gaspreisen.“

BETRIEBSSPIEGEL
Schweinezuchtanlage Wiechmann GbR & Landfleischerei Wiechmann GbR 18196 Pankelow
■ Nukleusherde mit 160 Sauen (Landrasse x Duroc)
■ ca. 4.000 Ferkel pro Jahr für die Mast im eigenen Betrieb
■ ca. 1.500 Mastschweine werden jährlich in der eigenen Landfleischerei geschlachtet, Rest beim Schlachthof Perleberg
■ 370 ha Ackerland mit fünfgliedriger Fruchtfolge, Ø 45 BP
■ 30 ha Bauernwald
■ eigene Futtererzeugung
■ Schweinezuchtanlage mit drei Mitarbeitern, einem Azubi
■ 30 Mitarbeiter in der Landfleischerei

Besseres Klima dank Holzfeuerung

Das Holz aus dem Wald und von den Feldrändern hält in der Schweinezuchtanlage Pankelow vor allem Abferkelstall und Flatdeck warm. Früher habe man im Monat gut 4.000 m3 Propangas verbraucht. Für die 1.800 Läuferplätze machte das monatlich 2.000 €. Heute zahlen sie für die Holzhackschnitzel, die in die 300-kW-Feuerung wandern, auch 2.000 € – allerdings pro Jahr. Neben günstigem Holz machten vor allem eigene Technik und vorhandene Arbeitskräfte das für sie so preiswert. Würde man die Hackschnitzel zukaufen, sähe die Geschichte anders aus: Da kostet der Kubikmeter gut 15 bis 20 €.

Worüber sich der Schweinezüchter aber noch freut, ist das enorm verbesserte Stallklima, seit sie sich von den Gasbrennern verabschiedet haben: „Früher mussten wir die teure Wärme immer wieder aus dem Stall blasen. Grund war das Kohlenmonoxid und der daraus resultierende Frischluftbedarf. Jetzt haben wir weniger Heizkosten, ein deutlich besseres Stallklima und können ganz gezielt belüften.“ Und wenn man die Klimabilanz des Unternehmens betrachte, habe der Umstieg von Rundballen auf Hackschnitzel jährlich gut 80 t CO2 eingespart, rechnet der Züchter vor.

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Blick in die Feuerung, hier bei einem Heizkessel für Holzhackschnitzel.
Blick in die Feuerung, hier bei einem Heizkessel für Holzhackschnitzel. © Sabine Rübensaat

Biobetrieb und Wohnhaus

In Pankelow trafen wir an diesem Tag noch einen zweiten Landwirt, genauer gesagt Nebenerwerbslandwirt. Axel Wiechmann ist der ältere Bruder des Schweinezüchters und hauptberuflich Bürgermeister der Heimatgemeinde Dummerstorf. Sein Grundstück grenzt genau wie das seines Bruders an 30 ha Streuobstwiese. Die gehören zu einem Biobetrieb, den die Wiechmannbrüder ebenfalls führen und zu dem neben einer kleinen Schafherde auch ein 26 Kopf starkes Rotwildrudel zählt. In Axel Wiechmanns Hofstelle befinden sich die Büroräume des Biobetriebes sowie ein moderner Mehrzweck-Veranstaltungsraum. Der jährliche Baumschnitt der Streuobstwiese wird natürlich auch zu Hackschnitzeln verarbeitet. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass zur Wiechmann GbR auch eine Landfleischerei mit eigener Schlachtung und Hofladen sowie mobiler Direktvermarktung gehören. Gut 1.500 Mastschweine gehen da jährlich über die Ladentheke.

Und wie sollte es anders sein? Auch Axel Wiechmann heizt mit Hackschnitzeln. Sein Heizkessel Marke PuroWin von der österreichischen Firma Windhager ist aber ein Hackgutvergaser und damit quasi die Weiterentwicklung der herkömmlichen Aggregate.

Daniel Weber, Gebietsvertreter des Herstellers aus dem Salzburger Land, erklärt uns die Technik wie folgt: „Unsere patentierte Gegenstromvergasung macht diesen Kessel zur saubersten Hackgutheizung am Markt, denn wir nutzen die Filterwirkung des Brennstoffes: Zuerst wird der Brennraum mit Hackgut gefüllt. Im untersten Teil entsteht nach der Zündung ein Glutbett. Durch die Hitze verkohlt das darüber liegende Hackgut. Diese Schicht wirkt wie ein Aktivkohlefilter. Aus dem Glutbett steigt das Holzgas auf und wandert durch die Kohle und das unverbrannte Hackgut. Der Feinstaub wird dabei gefiltert. Erst oberhalb des Hackguts erfolgt dann die Verbrennung des Holzgases.“

Die Folge sei eine Staubemission von unter 1 mg, ganz ohne Staubabscheider. Darüber hinaus bleibe das Glutbett durch das patentierte Entaschungssystem auch beim Entfernen der Asche erhalten, was bedeute, dass der Kessel mit voller Leistung weiterlaufen kann. Der Holzvergaser verfügt zudem über einen asymmetrischen Austragungskanal, was verhindert, dass längere Holzstücke mit gefördert werden und eventuell die Zuführung verstopfen. Das Glutbett halte vier Tage, weshalb nicht sehr oft gezündet werden muss, was wiederum Strom spart. Laut Hersteller ist er zudem der erste Heizkessel, der serienreif auch Hackgut ansaugen kann.

Der Hackgutvergaser sorgt für extrem niedrige Emissionswerte, die selbst  die strengsten gesetzlichen Grenzwerte klar unterschreiten.
Der Hackgutvergaser sorgt für extrem niedrige Emissionswerte, die selbst die strengsten gesetzlichen Grenzwerte klar unterschreiten.

Axel Wiechmann kann den Heizungsprofie nur bestätigen: „Der Kessel läuft völlig problemlos und die Asche muss nur einmal die Woche entnommen werden. Bequemer und umweltfreundlicher kann man wohl kaum Heizen.“

EXTRAWISSEN
Seit diesem Jahr fördert die BAFA den Einbau einer Biomasseheizung mit bis zu 55 % der Bruttoinvestitionssumme. Für die Installation von Holzfeuerungen ab 5 kW beträgt der Regelfördersatz 35 %. Bei Austausch einer Ölheizung erhöht sich die Fördersumme auf 45 %. Zudem besteht die Möglichkeit auf weitere 5 % durch den Innovationsbonus und 5 % durch den iSFP-Bonus. Maximal 60.000 € pro Wohnung bei Wohngebäuden und 1.000 €/m² Nutzfläche (maximal 15 Mio. €) bei Nichtwohngebäuden. Weitere Infos unter www.bafa.de

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Mit Herz, Hand und Verstand

Eine Reihe beispielgebender Projekte, die Regionalität fördern, brachten Agrarmarketinggesellschaft, Obstbauverband und weitere Träger auf den Weg oder führen sie fort. Wir stellen einige zwei davon vor: die Streuobstwiese der „Burgschule “ Aschersleben sowie „Brühe für die Seele“ von Bruderhähnen.

Streuobstwiese für die „Burgschule“ Aschersleben

Die landesweit erste Schulobstplantage ist gepflanzt. Im Schulgarten der „Burgschule“ Aschersleben wurden Ende November in Umsetzung des Projektes gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Sekundarschule 15 Obstbäume (Apfel, Kirsche, Pflaume, Birne) in die Erde gebracht. Ziel ist es, den jungen Gärtnerinnen und Gärtnern viel Wissenswertes zum regionalen Obstbau zu vermitteln, sie für gemeinsames Schaffen an der frischen Luft zu begeistern und ihren Schulalltag zu bereichern.

Unterstützt wurde das Vorhaben vom Landesverband Sächsisches Obst, dem Erzeugerbetriebe aus Sachsen und Sachsen-Anhalt angehören, dem Ministerium für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten (MWL) Sachsen-Anhalt, der Agrarmarketinggesellschaft Sachsen-Anhalt (AMG) und von regionalen Obstbauern, die ihr fachliches Wissen bestmöglich einbrachten und zum Gelingen maßgeblich beitrugen.

Nun warten alle an der Aktion Beteiligten gespannt darauf, dass in einigen Jahren an den Obstgehölzen die ersten Früchte reifen und verzehrt werden können. Sie hoffen ferner, dass noch viele solcher innovativen Projekte realisiert werden können, mit denen an weiteren Schulhöfen Streuobstwiesen entstehen, die alljährlich für selbst erzeugtes Obst an den Einrichtungen sorgen.

(c) AMG

An der „Burgschule“ in Aschersleben hat sich bereits eine Arbeitsgemeinschaft junger „Burgschul-Gärtner“ etabliert, die praktisch vor Ort aktiv werden möchte. Das neu geschaffene Areal am Schulhof ist mit einer Hecke abgegrenzt – dort sollen zudem Kräuter wachsen und Hochbeete angelegt werden. Darüber hinaus werden auch zwei Bänke aufgestellt, die in den Hofpausen zum Verweilen auf dem Areal einladen.

„Brühe für die Seele“ von Bruderhähnen


Das Kolping-Berufsbildungswerk Hettstedt (KBBW) wartete in diesem Sommer mit einem neuen Produkt am Markt auf – einer „Bruderhahnsuppe für die Seele“. Das Rezept hierfür wurde gemeinsam mit Markus Seewald, Professor für Ernährungswissenschaften an der Hochschule Anhalt, und dessen Team entwickelt.

Hintergrund für die Initiative ist die vom Gesetzgeber geforderte Beendigung des Tötens von männlichen Legehennen-Küken ab 2022. Eine Alternative hierzu ist die Aufzucht der männlichen Geschwister, der Bruderhähne.

Die Entwicklung der Kraftbrühe hat neben dem ethischen aber auch einen gesundheitlichen Aspekt: Die Rezeptur greift die anti-virale Wirkung von Hühnersuppe auf, die durch die Gewürze Kardamom und Kurkuma verstärkt wird.

Umgesetzt wurde die Idee bzw. die Rezeptur der Hühnerbrühe von den Auszubildenden der Hauswirtschaft des KBBW gemeinsam mit ihren Ausbildern. Anfang Juli erfolgte gemeinsam mit Prof. Seewald und Burkhard Brinkschulte, Geflügelzüchter und Mitglied der Bruderhahninitiative sowie im Ehrenamt Vorsitzender des Geflügelwirtschaftsverbandes Nordrhein-Westfalen, die Markteinführung dieser Delikatesse im Markt am Kupferkreisel in Hettstedt.

Brinkschulte sprach über die ethischen Beweggründe, die Umsetzungsproblematik aus Sicht als Hühnerhalter und die Akzeptanz der Verbraucher. Prof. Seewald informierte über die gesundheitlichen Aspekte und schilderte seine Erfahrungen mit Studierenden.

Für jeden, der Zeit sparen möchte oder aus gesundheitlichen Gründen ein schnell zur Verfügung stehendes Lebenselixier benötigt, ist die „Hühnersuppe für die Seele“ nach hauseigener Rezeptur seither in der Verkaufsstelle des KBBW im Markt am Kupferkreisel in Hettstedt im Angebot. Mit dem Kauf der Brühe leisten Verbraucher einerseits einen Beitrag zu ihrer eigenen Gesundheit und andererseits für das Tierwohl.


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Das Kolping-Berufsbildungswerk im Hettstedter Ortsteil Walbeck ist eine gemeinnützige GmbH und besteht seit 1991 als Einrichtung zur Berufsvorbereitung und beruflichen Erstausbildung sowie beruflichen und sozialen Eingliederung von Jugendlichen, die einen besonderen Förderbedarf haben.

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Jobsharing beim Pflanzenschutz

Ein Landwirt in Sachsen-Anhalt möchte gesunden Raps mit wenig Chemie. Die Verbindung von Hacke und Bandspritzung kommt dem entgegen. Ein Test offenbarte Möglichkeiten, aber auch Grenzen des Verfahrens.

Von Wolfgang Rudolph

Der Einsatz moderner Hacktechnik ist Landwirt Florian Uherek sowohl auf den eigenen Flächen als auch bei seiner Tätigkeit als Dienstleister bereits seit einigen Jahren vertraut. In beiden Unternehmensbereichen geht es ihm dabei um die Reduzierung des chemischen Pflanzenschutzes auf das absolut notwendige Level.

Der 32-Jährige ist überzeugt, dass langfristig nur eine umweltschonende, klimaresiliente, auf den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und des Bodenlebens ausgerichtete Betriebsweise einen wirtschaftlich tragfähigen Pflanzenbau gewährleistet. Als Argument verweist Uherek in diesem Zusammenhang auf eine in der Praxis bereits spürbare Wechselwirkung: „Um gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter zu gewinnen, müssen wir als Arbeitgeber attraktiv sein. Und ein maßgeblicher Faktor dabei ist nun mal das Bild der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit“.

Pflanzenschutz: Pilotfarm für neue Konzepte

Der Familienbetrieb bewirtschaftet mit zwei weiteren Mitarbeitern 400 ha in Gröbitz im Burgenlandkreis (Sachsen-Anhalt). Angebaut werden Winterhartweizen, Winterweizen, Winterraps, Zuckerrüben, Mais, Soja, Sonnenblumen und Gerste. Beim Raps setzt der Landwirt auf den Verzweigungseffekt und drillt konsequent mit halber Saatstärke, was zu dem positiven Nebeneffekt führt, dass dementsprechend die Beizmittelmenge ebenfalls halbiert werden kann.

Schwerpunkt bei den Dienstleistungsangeboten ist das komplette Arbeitsspektrum von der Aussaat bis zur Ernte für die Kulturen Körnermais und Soja. Zunehmend nachgefragt werden dabei Einsätze mit der 18-reihigen Hacke von Schmotzer. Die Mitarbeiter und Maschinen der Agrar Service Uherek GmbH sind zwischen dem Erzgebirge und den Ausläufern des Harzes auf Kundenflächen von insgesamt 2.500 ha unterwegs.

Seit Ende 2020 gehört der Landwirtschaftsbetrieb zu den ersten Innovationsfarmen von Corteva Agriscience in Deutschland. Hier will das Agrarchemie- und Saatgutunternehmen nach eigener Aussage Konzepte entwickeln, mit denen sich ökologische, ökonomische und soziale Aspekte heutiger Landwirtschaft in Einklang bringen lassen und Best-Practice-Beispiele für andere Betriebe liefern.

Versuchsfeld mit verschiedenen Rapssorten

Landwirt Florian Uherek
Landwirt Florian Uherek (c) Carmen Rudolph

Auf den Flächen des Gröbitzer Landwirts gehört dazu neben Agroforstsystemen zur Erosionsvorbeugung und Blühstreifen in Zuckerrüben für die Ansiedlung von Nützlingen auch ein Versuchsfeld mit verschiedenen Rapssorten, darunter die neue sklerotiniatolerante Winterrapshybride PT303. Weitere Besonderheit: Die Anlage des 25 ha großen Schlages erfolgte auf 17 ha per Direktsaat und auf 8 ha per Mulchsaat.

In dem Direktsaatbereich wurde zudem vor der Ernte der Vorfrucht Winterhartweizen als Zwischenfrucht und Begleitsaat zum nachfolgenden Raps Kleesaat eingestreut. Der Klee bindet Nährstoffe, sorgt für durchgehende Bodenbedeckung und dient zugleich als Ablenkungsfrucht für schädliche Insekten, insbesondere den in der Region stark verbreiteten Rapserdfloh. „Die Etablierung des Klees gelang nicht hundertprozentig. Beim nächsten Mal müssen wir wohl früher aussäen“, zieht Uherek eine erste Zwischenbilanz.

Wegen der Untersaat und weil die Bedeckung mit Ernteresten im Mulchsaatbereich ein Durchdringen der Wirkstoffe zur Bodenoberfläche erschwert, aber auch ganz grundsätzlich, um das Bodenleben nicht negativ zu beeinflussen, verzichtete der studierte Landwirt wie üblich auf das Spritzen von Vorauflauf-Herbiziden.

Bodenbewegung ließ Ausfallraps keimen

Auf der Mulchsaatfläche der Pilotfarm in Gröbitz organisierte Corteva Anfang Oktober eine Vorführung für Landwirte aus der Region und Fachjournalisten. Gezeigt wurde der Einsatz von Schmotzer-Hacktechnik der neuesten Generation bei gleichzeitiger Bandspritzung. „Die Kombination von gezielter Herbizidbehandlung der Pflanzenreihen mit einem blattaktiven Spritzmittel wie dem neu zugelassenen Belkar und dem Hacken der Zwischenräume ermöglicht die Reduzierung des Mitteleinsatzes auf bis zu einem Drittel der sonst üblichen Menge“, sagt Dr. Torsten Hentsch von Corteva. Außerdem profitiere die Kultur von den Vorteilen der mechanischen Unkrautbekämpfung wie der Durchlüftung des Oberbodens und einer Unterbrechung des kapillaren Wasseraufstiegs.

Rapsreihen sind in vielen Bereichen des Versuchsfeldes wegen des dichten Auflaufs allerdings kaum zu erkennen. „Das ist zu einem großen Teil Ausfallraps vom Sommer 2018. Durch den Rüssler hatten die Pflanzen die meisten Körner bereits vor der Ernte verloren“, erläutert Uherek. Nach dem Dreschen des Hartweizens in diesem Jahr habe er die Stoppeln längere Zeit liegen gelassen und auch kein Glyphosat angewendet. Das Drillen des Rapses mit Unterfußdüngung in 45er-Reihenabstand und einer Aussaatstärke von 20 Körnern pro Quadratmeter erfolgte dann am 9. September mit der Einzelkornsämaschine Tempo von Väderstad. Einen Tag zuvor wurde die Fläche mit dem Köckerling-Mulchsaatgrubber Vektor bearbeitet und anschließend mit der Lemken-Kurzscheibenegge Rubin glatt gezogen. Seither gab es für den Pflanzenschutz drei Insektizidanwendungen gegen den Rapserdfloh, aber bis zum Vorführtag keine Behandlung mit Herbizid.

Für eine exakte Reihenführung der Hackmaschine Venterra 2K  sorgt das Kamerasystem MK4 von  Claas
Für eine exakte Reihenführung der Hackmaschine Venterra 2K sorgt das Kamerasystem MK4 von Claas. (c) Carmen Rudolph

„Wie man sieht, ermunterte die leichte Bodenbearbeitung im Zuge der Mulchsaat die vor drei Jahren ausgefallenen Rapskörner massenhaft zum Keimen“, zeigt Uherek in Richtung des ausgeprägten Auflaufs auf dem Versuchsfeld, sowohl in als auch zwischen den gesäten Reihen.

Know-how von zwei Firmen

Als Problemlöser trat am Vorführtag die Maschinenkombination aus Schmotzer-Hackmaschine Venterra 2K mit aufmontierter Bandspritzarmatur und Amazone-Fronttank FT-P 1502 an.

Die Sparte Schmotzer-Hacktechnik gehört seit 2019 zu Amazone und die Venterra 2K ist die erste gemeinsame Neuentwicklung. Das äußert sich zum Einen in dem näher an das Zugfahrzeug herangerückten Rahmen mit einem Durchgang von 90 cm für die mechanische Beseitigung von Spätverunkrautungen etwa im Mais oder in Sonnenblumen.

Die Konstruktion basiert auf den Profilelementen der Amazone-Sämaschine Precea und wurde durch die bei Schmotzer typische Möglichkeit der Linear- und Parallelverschiebung des Rahmens ergänzt. „Damit passen wir uns den Beanspruchungen an, die aus den höheren Anforderungen an Flächenleistung und Arbeitsgeschwindigkeit resultieren“, informiert Philipp Kaufmann von Schmotzer.

Hacken ohne Beschädigung der Kulturpflanzen

Eine markante Neuerung sind außerdem die Parallelogramme für die Aufnahme der Werkzeuge. Jedes der Hackaggregate lässt sich einzeln hydraulisch ausheben, in der neuen Maximalvariante bis auf eine Höhe von 50 cm. Im Zusammenspiel mit automatischer Teilbreitenschaltung, Section Control, ermöglichst dies auch beim Einfahren in das Vorgewende spitz zulaufender Schläge ein Hacken ohne Beschädigung der Kulturpflanzen. Das Kürzel 2K steht für zweifache Klappung, also für die Ausleger rechts und links.

Philipp Kaufmann, Schmotzer Hacktechnik
Philipp Kaufmann, Schmotzer Hacktechnik (c) Carmen Rudolph

Reihengeführt wird die Venterra 2K mittels Kamerasystem MK4 von Claas. Die Software zur Bildauswertung erkennt die Pflanzenreihe nicht nur anhand der Kontrast- und Farbunterschiede, sondern bei sehr dichter Bedeckung auch durch die Höhenunterschiede zwischen Kulturpflanze und bodennahem Unkraut.

Optional können zusätzlich an den Hackaggregaten montierte Parallelogramme Nachlaufwerkzeuge wie Häufelscheibe oder Fingerräder für die Unkrautbeseitigung in der Reihe aufnehmen. Diesen Job übernahm am Vorführtag jedoch das Bandspritzsystem. Die dafür auf der Hacke befestigte Armatur TG mit zwei bis sechs Teilbreiten appliziert je nach Justierung in der Höhe bzw. Drehung des Düsenkopfes Spritzbänder von 15 bis 20 cm auf die Reihen. Sie ist im vorderen Teil des Anbaugerätes und damit außerhalb des Staubbereiches angeordnet, um ein Verkleben der Düsenöffnungen zu vermeiden.

Der autarke Fronttank hat ein Fassungsvermögen von 1.500 l. Hinzu kommt ein Spülwassertank mit einem Volumen von 180 l. Die hydraulisch angetriebene Kolbenmembranpumpe ist für Ausbringmengen von 5 bis 100 l/min bei einem Arbeitsdruck von 2 bis 8 bar ausgelegt.

Pflanzenschutz: Kombination nicht die Lösung für alle Fälle

Die bei der Vorführung eingesetzte Venterra 2K hatte eine Arbeitsbreite von 6,75 m und war für zwölf Reihen im Abstand von 45 cm ausgestattet. An elf der insgesamt 13 Kombiparallelogramme (KPP) sind jeweils drei Messer, an den Außenaggregaten nur zwei Messer verbaut. Durch die Überlappung der 140 mm breiten Messer wird das Unkraut und in diesem Fall auch der Ausfallraps zwischen den Reihen ganzflächig abgeschnitten und an der Oberfläche abgelegt.

Dr. Torsten  Hentsch, Corteva Agriscience
Dr. Torsten Hentsch, Corteva Agriscience (c) Carmen Rudolph

Angestrebt wird eine Bearbeitungstiefe von 1 bis 3 cm. „Es gilt zwar, die Kapillarität zu zerschneiden, aber so wenig Boden wie möglich zu bewegen, um keine neuen Unkrautsamen zum Wachsen anzuregen“, nennt Kaufmann als Arbeitsziel. Neben der Einsparung von Spritzmitteln sieht er einen Vorteil in der Kombination von mechanischer Unkrautbekämpfung und Bandspritze darin, dass die Werkzeuge der Hackmaschine nicht so extrem nah an die Kulturpflanzen herangeführt werden müssen.

Knackpunkte der Kombination

Während ein Mitarbeiter des Gröbitzer Landwirtschaftsbetriebes an dem nasskalten Oktobertag mit dem Traktor die Kombination aus Hacke und Bandspritze GPS-gesteuert und kamerajustiert auf der Mulchsaatfläche entlang der Pflanzenreihen zieht und ein recht ansehnliches Ergebnis abliefert, entspannt sich am Feldrand ein Disput. „Eigentlich ist heute kein günstiges Wetter zum Hacken“, meint Uherek. Er setze die Hacke möglichst bei trocknen Bedingungen ein.

Gut funktioniere es nach seiner Erfahrung auch bei leichtem Bodenfrost. Überhaupt seien die unterschiedlichen Wetteranforderungen beim Hacken und beim Spritzen ein Knackpunkt bei der Kombination beider Verfahren. Kritisch bewertet der Landwirt auch den Umstand, dass das gleichzeitige Hacken und Spritzen entweder die Schlagkraft stark senkt oder eine zweite, aber nur zum Teil ausgelastete Arbeitskraft müsse als Zufahrer für das Mischwasser zum Ansetzen der Spritzbrühe fungieren.

Bandspritzung auch wirksam gegen den Erdfloh?

Als Alternative bringt Kaufmann die Bandspritzung in einem gesonderten Arbeitsgang aber dann mit größerer Arbeitsbreite ins Spiel. Mit der Erweiterung AmaSelect Row in Verbindung mit speziellen SpotFan-Düsen biete beispielsweise Amazone dafür ein entsprechendes System an.

„Bei einer Arbeitsgeschwindigkeit von 8 km/h mit der 6 m breiten Hackmaschine ist eine Flächenleistung von 3,5 bis 4 ha pro Stunde realistisch, wenn keine Arbeitsunterbrechungen für die Tankbefüllungen erfolgen müssen“, rechnet Kaufmann vor. „Das entspricht unseren Erfahrungen“, bestätigt Uherek. Bei 18-reihigem Hacken schaffe man 50 ha am Tag, bei 12 Reihen 30 bis 35 ha.

„Interessant wäre es zu erforschen, welche Wirkung sich im Kampf gegen den Erdfloh durch eine Bandspritzung mit einem zugemischten Insektizid erzielen ließe“, wirft Hentsch ergänzend ein.

Landwirt Uherek rechnet jedenfalls trotz der insgesamt erfolgreich verlaufenden Kombianwendung aus Hacke und Bandspritze zumindest auf der Mulchsaatfläche mit keinem allzu guten Ernteergebnis. „Dazu ist die Pflanzendichte innerhalb der Reihen, bedingt durch die hier ja weiterhin bestehende Mischung aus gesätem und Ausfallraps, einfach zu hoch“, vermutet der Betriebschef.

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Viehbesatz, Ertrags- und Kostenniveau sehr hoch

Im dritten Teil des West-Ost-Vergleichs werden die Unterschiede bei den Veredlungsbetrieben vorgestellt. Der Autor hat dazu bekannte Statistiken kritisch hinterfragt und teils neu interpretiert.

Von Dr. Joachim Degner

Mit den Ergebnissen der Testbuchführung kann man die wirtschaftliche Lage verschiedener Betriebs- und Rechtsformen gut beurteilen. Im dritte Teil werden west- sowie ostdeutsche landwirtschaftliche Haupterwerbsbetriebe und juristische Personen mit der Produktionsrichtung Veredlung miteinander verglichen, wobei die geringe Stichprobenanzahl der Veredlungsbetriebe im Osten nur tendenzielle Aussagen erlaubt. Erläuternde Hinweise und Informationen zur Daten- und Berechnungsbasis finden Sie im ersten Teil. Für die Veredlung lässt das vorliegende Datenmaterial obendrein eine Untersetzung in wesentliche Produktionsverfahren nicht zu. Hier beschränkt sich die Differenzierung auf die Kategorien Schweine mit der Unterposition Mast sowie Geflügel.

Flächenausstattung und Viehbesatz

Die Flächenausstattung und der Viehbesatz unterscheiden sich sowohl zwischen den untersuchten Gruppen der Haupterwerbsbetriebe in den alten Bundesländern (HE/ABL, n=899) und in den neuen Bundesländern (HE/NBL, n=19) als auch zwischen HE/NBL und den juristischen Personen (JP, n=26) erheblich.

Geflügel
(c) Heike Mildner

Die HE/NBL verfügen mit durchschnittlich etwa 156 ha von 2011 bis 2020 über die zweieinhalbfache Landwirtschaftliche Nutzfläche (LF) der HE/ABL (63 ha). Die JP haben eine für die Veredlung typische Größe von durchschnittlich 495 ha. Wegen der knappen Flächenausstattung weisen sowohl die HE/ABL mit 310 Vieheinheiten/Betrieb und als auch die JP mit 2.370 VE/Betrieb einen sehr hohen Besatz auf (488 VE/100 ha LF bzw. 479 VE/100 ha LF). Letztere versuchen offensichtlich, Größendegressionseffekte auf der Kostenseite voll auszuschöpfen. Die HE/NBL erreichen mit 505 VE/Betrieb immerhin noch 324 VE/100 ha LF. Bei ihnen dominiert das Geflügel, wobei eine weitere Differenzierung der Produktionsrichtung nicht möglich ist. Die HE/ABL und die JP halten vorwiegend Schweine, die zum größten Anteil Masttiere sind.

Der Wettstreit um die LF mit dem indirekten Kaufzwang spiegelt sich in allen Betriebsgruppen in abnehmenden Pachtflächenanteilen auf 58 bis 74 % im Jahr 2020 wider. Die längere Dauer der Konkurrenz um die Flächen und der extrem hohe Viehbesatz mit sehr knappen Verwertungsflächen für die anfallenden Wirtschaftsdünger sind als Ursachen für das wesentlich höhere Pachtpreisniveau (+290–305 €/ha) in den Nährstoffüberschussgebieten im Westen anzusehen (Abb. 1).

In allen Betriebsgruppen ist ein sehr starker Anstieg der Pachtpreise zu verzeichnen, der das Niveau in den jeweiligen Ackerbaubetrieben noch deutlich übertrifft. In den HE/ABL war der jährliche Preisauftrieb mit über 27 €/ha extrem hoch. Dagegen verteuerten sich die Flächenkosten von einem niedrigeren Ausgangsniveau für die HE/NBL immerhin jährlich noch um rund 18 €/ha und für die JP um knapp 17 €/ha.

Arbeitskräftebesatz

Der Arbeitskräftebesatz in den HE-Veredlungsbetrieben der ABL liegt bei geringfügig höherem Viehbesatz und vergleichbarer Tierbestandsstruktur unter dem der JP (Abb. 2). In den Verfahren der Tierproduktion erhöht sich durch die Lohnarbeitsverfassung (Arbeitsrecht) der Arbeitskräftebedarf. In den HE/NBL betreut eine Arbeitskraft nur 116 VE einschließlich anteilig anfallender Feldarbeiten (entspricht 70 % der ABL bzw. 75 % der JP).

Mit einem für Thüringer Verhältnisse (JP) kalkulierten jährlichen Arbeitszeitbedarf von 12 AKh/Zuchtsau bzw. 0,5 AKh/Mastschwein (ohne Leitung und Verwaltung) ergibt sich ein Tagesarbeitsmaß von 250 Zuchtsauen- bzw. 1.900 Mastplätzen. Bei Einhaltung von tariflichen Arbeitszeitregelungen (1.800 produktive AKh/Jahr) müsste jeder Arbeitsplatz mit 1,6 Personen besetzt sein. In den HE leisten in der Regel die Inhaber mit ihren Familien diese erhebliche Mehrarbeit. Daraus begründen sich für nicht entlohnte Familienarbeitskräfte und Betriebsleiter gehobene Ansprüche auf angemessene Entlohnung.

Unterschiede in der Vermögensausstattung

Das sehr hohe Niveau von durchschnittlich rund 15.740 €/ha von 2011 bis 2020 beim Bilanzvermögen (BV) in den ABL resultiert zu 55 % aus dem Vermögen an Boden mit entsprechend hohen Wertansätzen (ca. 8.580 €/ha LF). Dagegen macht der Boden in den HE/ NBL (BV 9.115 €/ha) 35 % und den JP (BV 9.330 €/ha) 21 % des Vermögens und damit jeweils durchschnittlich knapp 3.185 bzw. 2.005 €/ha LF aus.

Eine angemessene Ausstattung mit Wirtschaftsgebäuden und technischen Anlagen sowie Maschinen (einschließlich der erforderlichen, qualifizierten Arbeitskräfte) beeinflusst einerseits sowohl den Produktionserfolg als auch andererseits die Arbeitserledigungskosten.

Die HE/ABL und die HE/NBL haben auf die Fläche bezogen vergleichbare Mittel in Wirtschaftsgebäude investiert und übertreffen damit die JP um 30 % (stärkere Nutzung von günstiger Altbausubstanz möglich). Hinsichtlich des in technischen Anlagen und Maschinen gebundenen Vermögens liegen die HE/ABL und JP mit ihrem Schwerpunkt Schweineproduktion ca. 20 % über den HE/NBL mit überwiegender Geflügelhaltung.

Die Veredlungsbetriebe wirtschaften vorzugsweise auf den Standorten mit einer mittleren Bodenbonität und geringen Grünlandanteilen. Die in der Buchführung erfassten Ertragsmesszahlen, die aus den Ackerzahlen abgeleitet werden, liegen zwischen 35 für die HE/ABL und 42 für die HE/NBL. Die Eignung dieser Angaben zur Differenzierung der Standorteignung dürfte sich in Grenzen halten. Dazu kommt noch die nicht greifbare Wirkung der Niederschlagsverhältnisse (Ostdeutsche Trockengebiete).

Getreideanbau und -verwertung

Der Anteil der Ackerfläche an der LF bewegt sich in einer für Veredlungsstandorte typischen Größenordnung zwischen 89 % in den JP und 92 % in den HE/ABL. Die Druschfrüchte dominieren mit knapp 80 % erwartungsgemäß in allen drei Gruppen die Ackerflächennutzung. Einen überdurchschnittlich hohen Getreideanteil von 70 % stellen die HE/ABL ins Feld und erzielen damit deutlich höhere Naturalerträge (79 dt/ha) im Vergleich zu ihren Berufskollegen im Osten mit rund 60 % Getreide und 56 dt/ha (HE/NBL) bzw. 63 dt/ha (JP).

Trotz der guten Wirkung von Öl- und Hülsenfrüchten in getreidebetonten Fruchtfolgen hält sich deren Anteil mit 9 % des Ackerlandes (AL) in den HE/ABL in Grenzen. Im Osten stellt diese Fruchtartengruppe mit 16 % bzw. 19 % des AL den größten Anteil der Blattfrüchte. Für die hohe Silomaisanbaukonzentration von 8 – 10 % des AL in allen Betriebsgruppen reicht als Begründung weder der geringe Rinderbesatz (5 VE/100 ha LF) noch die bescheidene Dimension der Stromerträge aus, zumal neben dem Grünland noch 1 – 4 % sonstiges Ackerfutter angebaut werden. Eine mögliche Erklärung könnte in einer Verwechselung von CCM- oder feucht konserviertem Körner- mit Silomais bestehen. Von dem erzeugten Getreide setzen die HE/ABL einen Großteil im Innenumsatz ein. Die Hülsenfrüchte spielen als wirtschaftseigene Rationskomponente in allen Betrieben offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle.

Für die Hauptprodukte der Veredlungsbetriebe liegen keine differenzierbaren finanziellen Marktleistungen vor. Die einzige näherungsweise Angabe zu einem betriebswirtschaftlich relevanten Naturalertrag ist für das Produktionsverfahren der Ferkelerzeugung zu finden. Mit durchschnittlich 29,0 geborenen Ferkeln/Sau erreichen die JP das beste Ergebnis vor den HE/ABL (26,9) und HE/NBL (25,9). Aus den zehnjährigen Reihen lassen sich jedoch keine belastbaren Entwicklungstrends ableiten, zumal nicht die geborenen, sondern die verkaufsfähigen Ferkel letztlich ergebniswirksam sind.


Die Hackfrüchte Kartoffeln und Zuckerrüben haben in Westdeutschland mit zusammen 14 % einen wesentlichen Anteil am Anbauumfang der Haupterwerbsbetriebe und somit auch am Einkommen. Im Osten spielen sie mit insgesamt unter 5 % kaum eine Rolle. Die Ölfrucht Raps gleicht hierzulande den Unterschied aus.
(c) Sabine Rübensaat

Teil 1 des West-Ost-Vergleichs: Ackerbaubetriebe

Im ersten Teil unserer Gegenüberstellung von ost- und westdeutscher Landwirtschaft stehen Ackerbaubetriebe im Haupterwerb sowie juristische Personen im Fokus. Ergebnis: Auf Direktzahlungen sind alle angewiesen. mehr


Gewinn- und Verlustrechnung

Die Veredlungsbetriebe erwirtschaften mit ihrem sehr starken Viehbesatz mit Abstand die höchsten flächenbezogenen monetären Erträge im Vergleich mit den bisher untersuchten Ackerbau- aber auch Milchviehbetrieben. Den betrieblichen Erträgen stehen aber auch entsprechende betriebliche Aufwendungen gegenüber.

Diese folgen offensichtlich proportional den betrieblichen Erträgen. In den HE/ABL werden 87 % der Erträge zur Deckung der in der GuV ausgewiesenen Aufwendungen benötigt. Der relative Anteil der Aufwendungen an den Erträgen (Kostensatz) steigt auf 89 % in den HE/NBL und liegt in den JP erwartungsgemäß am höchsten (95 %). Diese Differenzierung ist zum Teil auf den ansteigenden Personalaufwand für Fremdarbeitskräfte zurückzuführen. Die größeren monetären Erträge aus der Tierproduktion der HE/ABL werden vor allem durch den Tierbesatz erreicht (Tab. 1).

Auf die Vieheinheit bezogen unterscheiden sich die Leistungen der HE/ABL und JP nur unwesentlich (1.280 bzw. 1.165 €/VE). Demgegenüber erreichen die HE/NBL mit ihrem Schwerpunkt der Geflügelproduktion mit einem Ertrag von 1.535 €/VE ein deutlich besseres Ergebnis.

Die Erlöse aus der Pflanzenproduktion spielen in den Veredlungsbetrieben im Vergleich zur Tierproduktion eine untergeordnete Rolle.

Im Westen geringerer Futtermittelzukauf je VE

Die Unterschiede im Viehbesatz haben eine entsprechende Differenzierung der Aufwendungen zur Folge (Tab. 2). Wie zu den ausgewählten Ertragspositionen der Tierproduktion ist auch für analoge Aufwandspositionen methodisch bedingt kein Mengen- und Preisgerüst verfügbar. Das schränkt die Belastbarkeit der Aussagen zu Kostendifferenzen ebenso stark ein. Der moderate Aufwand an direkt zuordenbaren Materialkosten für die Pflanzenproduktion dürfte in der Tendenz dem Getreideertrag und dem Winterrapsanteil folgen.

Vom Materialeinsatz als absolutem Kostenschwerpunkt in den Veredlungsbetrieben fallen die Futtermittel besonders ins Gewicht. Im Verhältnis zum Viehbesatz geben die HE/NBL das meiste Geld dafür aus (610 €/VE). Eine stärkere Zurückhaltung beim Einsatz selbst erzeugter Körnerfrüchte in Futterrationen könnte Teil der Erklärung sein.

Der absolute und spezifische Aufwand für Tierzukäufe als zweitgrößter Materialkostenposition ist in den HE/ABL am höchsten (325 €/VE). Die Differenz zu den ähnlich strukturierten JP lässt sich nicht erklären, weil dazu Informationen zu den Remontierungsverhältnissen bzw. zum Innenumsatz an Tieren im geschlossenen System nötig wären.

Lohnansätze und Pacht

Die Betriebe in den ABL müssen infolge der geringeren Flächenausstattung und zur Bewältigung von Arbeitsspitzen in der Außenwirtschaft mehr Arbeiten an Lohnunternehmen vergeben. Infolge der Ausstattung mit Wirtschaftsgebäuden und technischen Anlagen ergeben sich moderate Mehraufwendungen der HE/ABL für Abschreibungen (ca. +20 % bzw. +10 %) und Unterhaltung (ca. +10 % bzw. +15 %) gegenüber den Betrieben im Osten.

Auf die Diskussion des Personalaufwandes wird an dieser Stelle bewusst verzichtet, weil im Fall der HE der Lohnansatz für den Betriebsleiter (Grundlohn und Betriebsleiterzuschlag) und die Lohnansätze für weitere nicht entlohnte Familienarbeitskräfte für einen objektiven Vergleich hier mit eingerechnet werden müssten.

Die Pacht als Position des sonstigen Betriebsaufwandes hängt neben dem Pachtpreis vom Pachtflächenanteil ab. Trotz niedrigstem Anteil an Pachtflächen der HE/ABL (56 %) liegt der Aufwand mit 308 €/ha LF bei rund 240 % der HE/ NBL (59 % Fremdflächen) bzw. 205 % der JP (69 % Fremdflächen). Die ermittelten Durchschnittswerte für die Pachtaufwendungen sind betriebswirtschaftlich noch darstellbar. Das eigentliche Problem sind extreme Auswüchse, wo Grenzpachtpreise abgeleitet aus Spitzendeckungsbeiträgen in Hochpreisphasen und möglicherweise auch durch den Handlungsdruck infolge extremer Nährstoffüberschüsse geboten werden. Hier wäre wirtschaftliche Vernunft und fairer Umgang der Berufskollegen dringend geboten.

Das Betriebsergebnis als Differenz von betrieblichen Erträgen und Aufwendungen ist die tragende Säule für wirtschaftlichen Erfolg. Darüber hinaus hängt dieser aber noch vom Finanzergebnis und den sonstigen Steuern ab (Tab. 3). Die HE/ABL erwirtschaften bezogen auf die Arbeitskraft mit deutlichem Abstand das höchste Ordentliche Ergebnis (30.000 €/AK). Im Vergleich dazu fallen die HE/NBL mit rund 19.800 €/AK auf 60 % und die JP mit rund 6.500 €/AK auf 25 % drastisch ab. Dabei ist jedoch die Entlohnung der Betriebsleiter und weiterer Familienarbeitskräfte noch außen vor geblieben. Dagegen ist im Ordentlichen Ergebnis der JP der Personalaufwand voll abgegolten.

Veredlungsbetriebe

Deshalb findet der weitere Vergleich unter Nutzung der rechtsformübergreifenden Spitzenkennzahl „Ordentliches Ergebnis + Personalaufwand“ statt.


Die Milchtanks in Ostdeutschland sind überdurchschnittlich groß, denn die Herden sind hierzulande größer und die Kühe geben etwas mehr Milch.
(c) Christian Mühlhausen/Landpixel

Teil 2: West oder Ost – wer hat mehr vom Milchgeld?

Im zweiten Teil des West-Ost-Vergleichs werden die Futterbau-Milchviehbetriebe unter die Lupe genommen. Dabei hat der Autor bekannte Statistiken kritisch hinterfragt und teils neu interpretiert. mehr


Angemessener Lohn wird verfehlt

Das Einkommen je Arbeitskraft (Ordentliches Ergebnis + Personalaufwand) liegt in den Veredlungsbetrieben im mehrjährigen Durchschnitt in einer überschaubaren Spanne (Tab. 3, untere Zeile). Mit rund 38.000 €/AK wird in den HE/ABL das höchste Einkommen je Arbeitskraft erwirtschaftet. Das Jahreseinkommen in den Ostbetrieben liegt praktisch auf gleicher Höhe und verfehlt das Westniveau um 1.900 bzw. 1.800 €/AK. In den HE/ABL sind die größten Jahresschwankungen zu verzeichnen (Maximum 2020 rund 71.200 €/AK; Minimum 2016 rund 22.800 €/AK). Durch volatilere Erzeugerpreise liegen in Veredlungsbetrieben die Einkommensextreme am weitesten auseinander.

Die Direktzahlungen tragen erheblich zur Stabilisierung und Sicherung des Einkommens bei. Ohne diesen Ausgleich für die Wettbewerbsnachteile deutscher Bauern gegenüber der preisbestimmenden internationalen Konkurrenz würden die Jahreseinkommen außerhalb von Hochpreisphasen auf ein existenzbedrohendes Niveau sinken (Abb. 3).

Veredlungsbetriebe

Das noch moderat erscheinende Jahreseinkommen in den HE/ABL von rund 27.500 € würde nach Thüringer Entgelttarifvertrag nicht einmal den Personalaufwand für einen erfahrenen Facharbeiter (Ecklohn Gruppe 5 mit 12,46 €/h) decken. Die Testbuchführung sieht dagegen einen Ansatz für den Grundlohn eines Betriebsleiters in Höhe von rund 33.500 € vor, der damit deutlich verfehlt würde. An eine Abgeltung der in der Regel von ihnen geleisteten jährlichen Mehrarbeit wäre damit ohnehin nicht zu denken.

Das Einkommen steht bei nachhaltiger Wirtschaftsweise nicht ausschließlich zu Konsumtion zur Verfügung. Darüber hinaus müsste mindestens eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals möglich sein.

Mit der Kennzahl „Relative Faktorentlohnung“ lässt sich prüfen, inwieweit mit dem Betriebseinkommen (Ordentliches Ergebnis zzgl. Pacht-, Zins- und Personalaufwand) die eingesetzten eigenen und fremden Faktoren Boden, Kapital und Arbeit entlohnt werden können. In den HE/ABL fehlen im Durchschnitt der Jahre 8 % des Betriebseinkommens zur Faktorentlohnung. Hier wirkt sich offensichtlich das hohe gebundene Eigenkapital (Bodenpreise) nachteilig aus. Die ausreichende Faktorentlohnung in den HE/NBL von 115 % und in den JP von 105 % dürfte durch die geringere Kapitalbindung verursacht worden sein. Ohne Direktzahlungen sinkt die Faktorentlohnung in allen Betriebsgruppen auf ein ungenügendes Niveau zwischen 73 % in den HE/ABL und 90 % in den HE/NBL.

FAZIT

Die Auswertung hat gezeigt, dass die Veredlungsbetriebe im Westen ein um 5 % höheres Jahreseinkommen als ihre Ostkollegen erwirtschaften. Wegen der vom Wettbewerb um den Boden getriebenen höheren Kapitalbindung reicht dieser Vorteil jedoch nicht für eine angemessene Faktorentlohnung aus. Im Mittel der Jahre sind auch die Gruppen der Veredlungsbetriebe in unterschiedlichem Maß auf die Einkommensstützung durch Direktzahlungen angewiesen. In Tiefpreisphasen tragen diese zur Existenzsicherung bei.
Da eine weitere Umverteilung von Mitteln der Ersten Säule in Agrar-Umweltprogramme nicht zu vermeiden ist, sollten die Förderrichtlinien eine faire Teilhabe der Landwirte ohne Einkommensverluste ermöglichen. Dieser Grundsatz verdient in der gerade laufenden Vorbereitung der neuen Förderperiode der GAP besondere Beachtung.


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Hanfanbau in der Lausitz: Genügsam und robust

Auf Kippenflächen in der Lausitz lässt das Bergbauunternehmen Leag von örtlichen Landwirten Hanf anbauen und sucht nach neuen Verwertungen für die alte Kulturpflanze.

Mit dem Hanf wächst auch das Wissen. „Wir lernen als Landwirte mit“, sagt Bernd Starick und zeigt auf eine Hanfpflanze, die er aus dem staubigen Boden gezogen hat. „Die Wurzel gibt viele Antworten.“ Hanf, sagt man, komme mit wenig Wasser aus. „Die Pflanze hat eine Pfahlwurzel, bildet im oberen Bereich aber auch viele feine Wurzeln aus. Dadurch kann Hanf selbst kleine Niederschläge gut nutzen.“ Ein Vorteil für eine Pflanze, wenn sie in der Lausitz wächst, wo – wenn überhaupt – oft nur wenig Regen vom Himmel fällt, und die mageren Böden kaum Wasser speichern.

Hanfanbau in der Lausitz AUF 27 ha

Hanf hat manche Eigenschaft, die ihn für die besonderen Anforderungen in der Bergbaufolgelandschaft prädestiniert erscheinen lässt. Hier, auf den Rekultivierungsflächen des Braunkohletagebaus Jänschwalde bei Cottbus, baut Staricks Betrieb, die Bauern AG Neißetal aus Groß Gastrose, im Auftrag des Energie- und Bergbauunternehmens Leag Hanf an. Die Leag möchte herausfinden, ob und wie die alte Kulturpflanze einen Beitrag zur Rekultivierung der Kippenflächen leisten kann. Und wie sie, auch über die Wiederherstellung der Flächen hinaus, zu einer lohnenswerten Anbaualternative werden könnte. Nach dem Start des Hanfversuches im vorigen Jahr baute der Agrarbetrieb in diesem Jahr Hanf auf drei Flächen von insgesamt 27 ha für das Bergbauunternehmen an, zwei auf der Kippe und zu Vergleichszwecken eine auf gewachsenem Boden.

Genügsam und robust: Mit diesen Eigenschaften punktet der Hanf auf den Kippenflächen. Wobei er hier nach Luzerne wächst (Infokasten „Wie Kippe wieder Kulturland wird“). Dies sei, lacht Christoph Oberndorfer, fast schon Luxus. Oberndorfer ist bei der Leag Betriebsingenieur für Rekultivierung. Er erklärt, dass Hanf das Bodenleben fördert und die Bodenstruktur verbessert und erhält. „Eine rein mechanisch geschaffene Bodenstruktur birgt das Risiko, dass bei Niederschlag der Boden verschlämmt.“ Die Vorfruchtwirkung sei ähnlich wie die von Öllein. Nach der Ernte müsse der Boden kaum bearbeitet werden.

Wie Kippe wieder Kulturland wird

Wenn im Tagebau die Abraumförderbrücke weiterrückt, ist für die Leag die Arbeit nicht vorbei. Wo meterdicke Erdschichten abgetragen wurden, um den Kohlefl öz freizulegen, und zeitweilig eine Landschaft entstanden ist, die gleichermaßen verstörend wie faszinierend wirkt, soll wieder Kulturlandschaft entstehen: Gewässer, Wald und Wiese, aber auch Acker.

Ziel sei es, möglichst gute Flächen wiederherzustellen, versichert Leag-Pressesprecher Thoralf Schirmer. Die Böden werden gezielt verbessert und sollen ein möglichst hohes Potenzial entwickeln. Schon beim Abtragen der oberen Bodenschichten wird planmäßig vorgegangen, der Abraum selektiert, um ihn später gezielt wieder aufzubringen. Der Rohboden sei kulturfähig, aber mit gewachsenem Boden überhaupt nicht zu vergleichen. Einer gezielten Düngung und Kalkung folgt eine siebenjährige Rotationsfruchtfolge, die die Flächen für eine landwirtschaftliche Nutzung vorbereitet.

Ziel ist es, den Boden zu entwickeln und Organik hineinzubringen. In der Rekultivierungsfruchtfolge wird im ersten Jahr Getreide angebaut, vier Jahre Luzerne/Feldgras, wieder Getreide und im siebten Jahr Mais. Eingebunden in die Rekultivierung sind die Landwirtschaftsbetriebe, die für den Tagebau Flächen abgeben mussten. Sie bearbeiten die Flächen als Dienstleistung für die Leag und haben, wenn das Bergamt die Flächen aus dem Bergrecht entlässt, die Option, die Flächen zu pachten oder zu kaufen.

Ohne ein Gramm Pflanzenschutzmittel

Hanfpflanzen bilden schnell einen dichten Bestand. Der Boden wird beschattet, was die Verdunstung verringert – und zugleich unerwünschtem Bewuchs keine Chance lässt. „Der Bestand hier wächst ohne ein Gramm Pflanzenschutzmittel“, sagt Bernd Starick. Ein Umstand, der angesichts der Diskussionen um mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft für den Vorstand der Bauern AG immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Bernd Starick begutachtet die  Wurzel einer Pflanze.
Bernd Starick begutachtet die Wurzel einer Pflanze. (c) Karsten Bär

Der Anbau von Hanf ist einerseits recht simpel – er wird in reiner Drillsaat mit herkömmlicher Technik ausgebracht und stellt kaum Ansprüche an die Bestandespflege. Andererseits warten Unwägbarkeiten auf den Landwirt, etwa wenn es zu ernten gilt. „Die Fasern neigen dazu, sich um die Erntetechnik zu wickeln und sich zu verschlingen“, schildert Bernd Starick. Spezialtechnik für wenige Hektar anzuschaffen, sei teuer und riskant. Funktionierende und praktikable Lösungen werden daher gebraucht.

Freilich baut kein Landwirt Hanf zum Selbstzweck an. Und an der Verwertung scheiterten in der Vergangenheit bereits Versuche, den Hanf wieder als Nutzpflanze zu etablieren. Hierfür neue Wege zu eröffnen und Wertschöpfungsketten zu initiieren, ist Teil des Vorhabens der Leag. Das ergebnisoffene Projekt soll auch Impulse für den Strukturwandel in der Lausitz geben, wenn in absehbarer Zukunft die Braunkohle als Quelle für die Wertschöpfung in der Region entfällt.

Hanfanbau in der Lausitz: regionale Hanf-Spezialitäten

Faserhanf wächst hoch hinaus,  zeigt Christoph Oberndorfer.
Faserhanf wächst hoch hinaus, zeigt Christoph Oberndorfer. (c) Karsten Bär

Potenziale hat der Hanf. Und die gehen noch weit über die Nutzung hinaus, die die Leag im ersten Schritt etabliert hat. Unter der Markenbezeichnung „Lusitia sativa“ – ein Wortspiel aus den lateinischen Bezeichnungen für Lausitz und Nutzhanf (Cannabis sativa) – vermarktet das Energieunternehmen unter anderem Hanföl, das man in der Kanow-Mühle im Spreewald pressen lässt, und andere Spezialitäten aus Hanf. Das regional erzeugte Hanföl habe es bereits bis in Feinschmeckerläden nach Dresden geschafft, sagt Leag-Pressesprecher Thoralf Schirmer.

Doch dies ist nur Anfang. Ziel sei, nicht nur die Körner, sondern auch die Fasern zu nutzen, so Schirmer. Neben der Körnersorte Finola wuchsen daher in diesem Jahr auch vier Fasersorten auf den Hanfversuchsflächen auf der Kippe. Gemeinsam mit Einrichtungen wie dem Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie ATB Potsdam und dem Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften (FIB) sollen Möglichkeiten der Verwertung für den Hanfanbau in der Lausitz gefunden werden.

Wertschöpfungsketten werden gesucht

„Es gibt eine Riesennachfrage für nachwachsende Rohstoffe“, verdeutlicht Starick – und schränkt ein: „Aber wir sind noch weit davon entfernt, damit Geld zu verdienen.“ Denn dafür fehlen noch die Wertschöpfungsketten. Um Innovationen voranzubringen, brauche es Förderung und Netzwerke, die Leute und Ideen zusammenbringen. Der Landwirt berichtet von einem Projekt mit dem Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) in Müncheberg, in dem es um die Nutzung von Luzerne für die Kartonagenherstellung geht. Das könnte eine lohnenswerte Alternative für die Futterpflanze sein. Vorstellbar sei vieles – auch für den Hanf.

Um Veränderungen komme die Landwirtschaft nicht herum. Der Klimawandel erfordere Anpassungen, die Tierhaltung gerate immer stärker unter Druck. Daher würden Alternativen zu bisherigen Einkommenszweigen gebraucht. „Getreide und Mais werden nicht reichen“, meint Bernd Starick. Der Hanfanbau in der Lausitz und seine Nutzung als nachwachsender Rohstoff kann hier ein Baustein sein. „Manchmal“, meint der Landwirt, „fragt man sich, warum man es noch nicht früher angepackt hat.“

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Violette Felder: Lavendelanbau in der Oberlausitz

Die Agrargenossenschaft See erprobt Lavendelanbau in der Oberlausitz. Die Bekanntmachung der Produkte war bis jetzt durch Corona nur bedingt möglich, trotzdem blickt man optimistisch in die Zukunft.

Hier weht ein Hauch Südfrankreich über der Oberlausitz: Nur ein paar Minuten Fußweg vom Verwaltungssitz der Agrargenossenschaft See bei Niesky entfernt, wächst auf zwei Hektar Fläche in langen Reihen Lavendel. Im Sommer zweifellos ein reizender Anblick. Doch vor allem soll die Pflanze mit dem aus ihr gewonnenen Öl für den Betrieb zu einem wirtschaftlichen Standbein werden. Gemeinsam mit Partnern von der HTW Dresden und aus deren Umfeld untersucht die Genossenschaft in einem EIP-Agri-Projekt, ob Lavendelanbau in der Oberlausitz unter den Vorzeichen des Klimawandels und häufigeren Dürrephasen eine lohnenswerte Alternative sein könnte.

Ernte mit handgeführten Geräten

Zwar spielt im Projekt auch das Thema Bewässerung eine Rolle. Doch dies nur in der Jugendentwicklung kurz nach dem Pflanzen, denn Lavendel kommt mit Trockenheit gut zurecht. „Wir sind im zweiten Anbaujahr“, erzählt Andreas Graf. „Das Ertragshoch ist ab dem vierten, fünften Jahr zu erwarten.“

Geerntet wurde bisher drei Mal. „Voriges Jahr zwei Mal mit wenig Ertrag, in diesem Jahr einmal viel“, so der Vorstandsvorsitzende. Immerhin zwei Tonnen Ertrag wurden eingefahren. Ein zweiter Schnitt war in diesem Jahr wegen des kühlen Augusts nicht möglich. Geerntet wurde mit einem handgeführten Gerät, das auch im Kräuteranbau Verwendung findet. „Im nächsten Jahr, wenn die Pflanzen größer sind, wird das nicht mehr reichen“, meint Graf. Dann brauche man andere Lösungen.

Lavendelanbau: Absatz sicherstellen

Aus den Blüten wird mithilfe einer gemieteten mobilen Destillationsanlage Lavendelöl und -wasser gewonnen. Verkauft wird es abgefüllt in Flaschen als Duftöl überwiegend in Direktvermarktung. „Das ist gut angelaufen, und wir wollen das mit dem Aufbau eines Onlineshops auch noch weiter ausbauen“, sagt der Betriebschef. Allerdings hinderte Corona bisher daran, das Produkt in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. So hatte sich die Agrargenossenschaft See auf der inzwischen abgesagten Grünen Woche präsentieren wollen.

Noch ist es zu früh, die Wirtschaftlichkeit des Lavendelanbaus zu bewerten. „Auf dem Papier ist es sehr lukrativ“, gibt der Betriebsleiter zu verstehen. „Aber es muss auch erstmal verkauft werden.“ Um den Absatz bei wachsender Erntemenge sicherzustellen, werden auch größere Abnehmer und Verarbeiter, etwa Seifen- und Kosmetikhersteller, benötigt. Bei denen hofft der Betrieb, mit dem Merkmal Regionalität punkten zu können. Die Qualität des Lausitzer Lavendelöls ist laut Laboranalysen hoch. „Aber aus jeder Sorte gewinnt man ein anderes Öl“, erklärt er. Man müsse mit potenziellen Abnehmern klären, welche speziellen Anforderungen diese haben und gemeinsam Konzepte entwickeln.


Sachsen aktuell

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Vorerst noch nicht gelungen ist es der Agrargenossenschaft, echtem Lavendelhonig zu erzeugen. Vier Völker hatte sich der Betrieb zu diesem Zweck angeschafft. Doch die Analysen ihres Honigs ergaben, dass die Bienen ihren Nektar in diesem Jahr hauptsächlich in Blüten anderer Pflanzen sammelten. Das, hofft Andreas Graf, wird sich im nächsten Jahr ändern.

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