Rindermedizin: Ein Tag mit Dr. Sabine

Sie hatte nicht zu viel versprochen: Im Landwirtschaftsbetrieb Griepentrog in Steinhagen erlebten wir, wie für Tierärztin Dr. Julia Francke ein Arbeitstag „mit vollem Programm“ aussieht.

Von Gerd Rinas

Als wir uns an diesem Donnerstagmorgen in der Tierarztpraxis in der Neuen Bahnhofsstraße in Bützow treffen, hat Tierärztin Dr. Julia Sabine Francke, alias Dr. Sabine vom Instagram-Account @Rindermedizin, ihren ersten Notfalleinsatz schon hinter sich: In einem Milchviehbetrieb war eine Kuh ausgegrätscht und hatte sich so schwer verletzt, dass sie schmerzlos eingeschläfert werden musste. „Manchmal können auch wir nicht helfen“, sagt die Tierärztin nachdenklich.

Seit mehr als sechs Jahren arbeitet Julia Francke in der Tierarztpraxis von Dr. Uwe Reinicke. Behandelt werden hier praktisch alle Haus- und landwirtschaftlichen Nutztierrassen. Spezialisiert haben sich Reinicke und sein Team auf Rinder.

Seit anderthalb Jahren veröffentlicht Julia Francke mit zwei Berufskollegen, Freunden aus Studienzeiten, auf dem Instagram-Account @Rindermedizin pointierte Fachbeiträge, die auf großes Interesse stoßen. Wir wollen ihr einen Tag lang bei der Arbeit in einem Milchviehbetrieb über die Schulter schauen. „Einen Arbeitskittel habe ich für Sie. Haben Sie Stiefel dabei?“, fragt Francke. Als ich bejahe, fahren wir los.

09:10 Uhr

Unser Ziel ist der Landwirtschaftsbetrieb Griepentrog KG in Steinhagen, knapp zehn Kilometer von Bützow entfernt im Landkreis Rostock. In dem Unternehmen mit 55 Mitarbeitern, davon 27 in der Tierhaltung, erwartet uns Herdenmanager Sascha Kiekbusch.
In Steinhagen stehen 1.600 melkende Kühe in einer 1.930er-Milchviehanlage. Sie wurde 1976 eröffnet und in den vergangenen Jahren immer wieder modernisiert. Die durchschnittliche Milchleistung betrug zuletzt 12.950 kg (3,88 % Fett, 3,46 % Eiweiß) pro Kuh und Jahr. Im Betrieb gaben bisher 63 Kühe 100.000 l Milch und mehr, berichtet Kiekbusch.

„Die Tiergesundheit spielt in Steinhagen eine große Rolle. Der Betrieb legt viel Wert auf Prophylaxe. Einzeltierbehandlung wird hier noch großgeschrieben“, sagt Tierärztin Francke. Sie oder ein Kollege sind jeden Tag in der Anlage. Das Unternehmen wurde nach der Wende von Klaus Griepentrog und seinen Mitarbeitern aus einer LPG aufgebaut. Schon seit Jahren zählt es bundesweit zu den leistungsstärksten Milchviehbetrieben. Mittlerweile wird es von den beiden Griepentrog-Söhnen Andy und Silvio geführt.

„Wir stehen vor den gleichen Problemen wie viele andere Milchproduzenten in Deutschland: Unsere Flächen liegen zu einhundert Prozent im roten Gebiet, 15 Prozent in FFH-Gebieten. Auch hier drohen Einschränkungen“, geht Kiekbusch kurz auf die aktuelle Lage ein. Dr. Sabine schaut auf die Uhr. „Im Stall wartet man auf uns. Wir haben ein volles Programm“, mahnt die Tierärztin.

18 Kühe sollen ihr heute vorgestellt werden. Danach will sie drei Wochen alte Kälber gegen Rindergrippe impfen. Ihre Behandlung ist in den Tagesablauf im Stall genau eingepasst. „Verspäten dürfen wir uns nicht, sonst kommt alles durcheinander. Bis 13.30 Uhr müssen wir mit den Kühen durch sein.“ Der Treibegang, in dem jetzt die kranken Tiere warten, muss dann wieder frei sein für die Kühe, die zum Melken gehen.

09:50 Uhr

Im Stall ist es angenehm kühl. Für die Wohlfühlatmosphäre sorgen über 60 temperaturgesteuerte Lüfter. Repromeister Enrico Laube hat alles für die Arztsprechstunde vorbereitet: Die Kühe, die untersucht werden sollen, sind selektiert, der Reprobereich ist empfangsbereit. Auf einem kleinen Tisch stellt die Tierärztin ihre Tasche ab und legt Instrumente bereit. Schon wird die erste Patientin in den Behandlungsstand geführt. Francke und Laube sind ein eingespieltes Team. Kurz informiert der Repromeister die Tierärztin über die Krankengeschichte der Kuh. Genauso konzentriert gibt Francke nach der Untersuchung ihre Anweisungen.

Am Morgen hatte Karussellmeister Rüdiger Bissa Bescheid gegeben, dass das Euter der Kuh Nr. 7841 rot verfärbt und geschwollen ist. Dr. Sabine schaut das Tier von allen Seiten und vor allem das Euter an, misst Fieber, hört mit dem Stethoskop in die Kuh hinein, begutachtet das Probegemelk und stellt schließlich eine Euterentzündung fest. Die Kuh bekommt eine Infusion und wird außerdem „gedrencht“: Ihr werden 40 Liter Flüssigkeit mit Pansenstimulanzien, Hefe und Elektrolyten verabreicht, damit Toxine ausgeschwemmt und ihre Fresslust angeregt werden. Danach dokumentiert die Ärztin die Tierdaten, verabreichte Medikamente und Sperrzeit.

Eine erkrankte Kuh versperrt den  Treibegang. Was tun? Repromeister Enrico Laube und Tierärztin  Julia Francke fanden eine Lösung  für das Problem.
Eine erkrankte Kuh versperrt den Treibegang. Was tun? Repromeister Enrico Laube und Tierärztin Julia Francke fanden eine Lösung für das Problem. (c) Sabine Rübensaat

Eine Kuh nach der anderen betritt den Behandlungsstand: Tierärztin Francke diagnostiziert verschiedenste Erkrankungen: Entzündungen des Euters und der Gebärmutter, eine Lungen- und eine Bindehautentzündung. Von einer Kuh musste nach einer Verletzung der Schwanz auf halber Länge amputiert werden. „Im Schwanz verläuft das Rückenmark. Bei einer Infektion kann es zu Lähmungen in der Hinterhand kommen.“ Die Tierärztin reinigt die Wunde und schützt sie mit einem Verband.

Bei einer anderen Kuh hat sich der Schenkelspalt entzündet. „Zwei, drei Tage, bevor das Kalb kommt und die Milch noch nicht abgerufen wird, eutern Kühe auf. Besonders bei Erstkalbinnen reibt das Euter an den Innenschenkeln. Ich reinige und behandle die Flächen mit Zinksalbe und beobachte, ob die Entzündung nach dem Kalben, wenn das Euter sich leert, zurückgeht“, erläutert die Tierärztin.

Im Behandlungsstand ist Dr. Sabine in ihrem Element: Immer in Bewegung, mit den Augen überall und in der Behandlungstechnik gern auch mal unkonventionell: Bei der Rektaluntersuchung steht sie breitbeinig auf einer Sprosse des Behandlungsstands: „So hab ich den besten Zugriff“, lacht die 36-Jährige, die in dem hessischen Städtchen Bad Sooden-Allendorf aufgewachsen ist.

Arbeiten Hand in Hand: Während Julia Francke eine Infusion  verabreicht, fi xiert Enrico Laube  die tierische Patientin.
Arbeiten Hand in Hand: Während Julia Francke eine Infusion verabreicht, fixiert Enrico Laube die tierische Patientin. (c) Sabine Rübensaat

Sie schätzt es, ihre Patienten „mit allen Sinnen“ zu untersuchen: „Anfassen, tasten, riechen, sehen, hören – die klinische Untersuchung ist immer noch die Basis, bei allen Fortschritten der Gerätemedizin und den Vorteilen, die sie bietet“, meint Francke, die an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover studiert und in den Praktika dort ihr Herz an die Rinder verloren hat: „Sie sind die perfekten Patienten, aufmerksam, ruhig und leidensfähig. Letzteres wird ihnen manchmal aber zum Verhängnis“, hat Julia Francke herausgefunden.

Einmal werden Dr. Sabine und Repromeister an diesem Vormittag unruhig: Eine große, schwere Kuh liegt plötzlich mitten im Treibegang und versperrt den Weg, den die Kühe in etwa einer Stunde zum Melken nehmen müssen. Was tun? Für Technik, etwa einen Radlader, um die Kuh zu transportieren, fehlt der Platz: Über dem Treibegang läuft das Futterband. Julia Francke unterbricht schließlich ihre Arbeit und eilt herüber zu dem Tier, das nicht mehr stehen will. Sie geht um das Rind herum, beobachtet es und entscheidet dann, eine Infusion und Schmerzmittel zu verabreichen. Nach 20 Minuten ist die Kuh im sprichwörtlichen Sinn „vom Eis“: Sie steht von alleine auf und findet den Weg ins Krankenabteil.

13:10 Uhr

Alle vorgestellten Milchkühe sind untersucht, Therapien eingeleitet, fortgesetzt oder beendet, Wiedervorstellungen, wenn nötig, festgelegt. Dr. Sabine trägt die fehlenden Angaben in das Behandlungsbuch ein. Danach packt sie ihre Sachen zusammen, verabschiedet sich von Repromeister Laube, um geradewegs ins Freie zu eilen: Gleich neben dem Milchviehstall stehen die Iglus mit den Kälbern.

Vor dem Impfen eines Kalbs: Dr.  Julia Francke und Britta Bischoff.
Vor dem Impfen eines Kalbs: Dr. Julia Francke und Britta Bischoff. (c) Sabine Rübensaat

Um ihre Immunabwehr zu stärken, haben die Kälber schon eine Schutzimpfung mit bestandseigenen, auf das Keimmilieu im Betrieb zugeschnittenen Vakzinen erhalten.
Heute will Julia Francke Kälber gegen Rindergrippe impfen. Bei den jüngsten Rindern haben Britta Bischoff und Britta Becker den Hut auf. „Im Monat kommen zwischen 120 und 130 Abkalbungen. Trotz aller Prophylaxe bleiben Kinderkrankheiten nicht aus. Ein enger Kontakt mit dem Tierarzt ist bei den Kälbern besonders wichtig“, sagt Bischoff. In Steinhagen zahlt sich das aus: Mit 3,5 % liegen die Kälberverluste deutlich unter dem Landesdurchschnitt.

Neugeborene kommen zunächst in Einzelboxen unter die Wärmelampe. Allerdings erst, wenn die Boxen gründlich gemistet, gekärchert, desinfiziert und frisch eingestreut sind. Nach zwei bis drei Wochen beziehen die Kälber in Iglus oder im großen Laufstall Quartier. „In den Iglus füttern wir Müsli, Trockenfutter, zweimal täglich Milchaustauscher und zwischendurch Wasser“, erläutert Britta Bischoff. Im großen Stall gibt es am Automaten Milchaustauscher, dazu Silage, Müsli und Trocken -TMR.

Zwölf bis 14 Wochen nach der Geburt wechseln die Tiere aus dem Kälberabteil in die Jungrinderaufzuchtanlage nach Hof Rühn. Fünf bis sechs Monate verbringen sie auf der Weide, bevor sie als hochtragende Färsen in den Stall kommen. Für Britta Bischoff steht fest, dass die Grundlagen für die Gesundheit der Kälber in der Mutter gelegt werden, wenn die noch als hochtragende Färse auf der Koppel läuft: „Hier stärken sie ihre Immunabwehr und bilden gesunde Klauen aus.“

15:00 Uhr

Pause für Dr. Sabine. Alle drei Wochen alte Kälber sind gegen Rindergrippe geimpft, Herdenmanager Sascha Kiekbusch gibt der Tierärztin einen Kaffee aus.

Doch lange hält es Francke nicht auf ihrem Platz. Um 16 Uhr wird sie im 28 km entfernten Zehlendorf von einer Pferdezüchterin erwartet. Deren Fohlen hatte sich beim Versuch, die Gabel des Pferdeanhängers zu überspringen, eine tiefe Wunde zugezogen, die Julia Francke klammern musste. Heute injiziert sie dem Fohlen ein Schmerzmittel und Entzündungshemmer und deckt die Wunde mit einem Sprühverband ab. Fohlen und Züchterin schauen wieder etwa beruhigter in die Welt.

Wolfsrisse: Über 1.200 tote oder verletzte Nutztiere

Bei Rissvorfällen, bei denen der Wolf als Verursacher festgestellt wurde oder nicht ausgeschlossen werden konnte, sind in diesem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern bis Anfang November 202 Nutztiere getötet oder verletzt worden.

Von Gerd Rinas

Das geht aus der jüngsten Übersicht hervor, die das Umweltministerium in der vorigen Woche auf seiner Internetseite veröffentlichte.

Wolfsrisse MV: Höchste Verluste bei nutztieren seit 2007

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Weitere Informationen

Im Vergleich zum Vorjahr, als 452 Nutztiere mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Wolfsrisse getötet oder verletzt wurden, ging die Zahl der Wolfsrisse zurück. Des ungeachtet belegen die Zahlen von 2021 hohe Verluste der Tierhalter trotz umfangreicher Präventionsmaßnahmen. Sie entsprechen in etwa der Schadensbilanz von 2019, als laut Übersicht 204 Nutztiere wahrscheinlich durch Wölfe getötet oder verletzt wurden. Nach 2020 sind dies die höchsten Verluste bei Nutztieren seit 2007, als begonnen wurde, diese Zahlen zu erfassen. Seitdem sind laut Übersicht in Mecklenburg-Vorpommern durch Wölfe bei insgesamt 248 Vorfällen 904 Nutztiere getötet und 308 verletzt worden.

Bei den 49 Rissvorfällen von Januar bis Anfang November diesen Jahres wurden laut den Angaben auf wolf-mv.de elf Mal die Kriterien für den Grundschutz vor Wolfsattacken nicht eingehalten. Weitere sechs Mal wies der Grundschutz der Weidetiere Mängel auf. Tierhalter in MV wurden bisher mit insgesamt 152.480 Euro für Wolfsrisse entschädigt.

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Derzeit 14 Wolfsrudel

Regional betrachtet, kam es in den Landkreisen Vorpommern-Greifswald (15) und Ludwigslust-Parchim (14) in diesem Jahr zu den meisten Rissvorfällen. Am wenigsten betroffen waren die Landkreise Rostock, einschließlich der Stadt Rostock (3), sowie Mecklenburgische Seenplatte (4) und Nordwestmecklenburg (5). Im Kreis Vorpommern-Rügen kam es 2021 bisher zu sieben Rissvorfällen.

Derzeit leben im Nordosten 14 Wolfsrudel, ein paar und fünf territoriale Einzelwölfe. Im Monitoringjahr 2020/21 (1.5.–30.4.) waren es 15 Rudel, sechs Paare und drei einzelne Wölfe.


Schäfermeister Stoll mit vom Wolf gerissenen Schafen auf dem Stralsunder Boulevard
© Norbert Fellechner

Tote Schafe auf dem Stralsunder Boulevard

Schäfermeister Ingo Stoll hat am Dienstag (04. Mai) mit einer öffentlichen Aktion auf dem Stralsunder Boulevard auf die nicht hinnehmbare Situation vieler Schafhalter nach der Rückkehr des Wolfs aufmerksam gemacht. mehr


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Corona: Welche Messen finden 2022 noch statt?

Nachdem die Internationale Grüne Woche bereits abgesagt wurde, fällt nun auch die Agritechnica 2022 coronabedingt aus.

Die Agritechnica 2022 findet nicht statt. Angesichts der aktuellen nationalen und globalen Entwicklungen der Corona-Pandemie, der in zahlreichen Ländern stark gestiegenen Infektionszahlen sowie den damit verbundenen eingeschränkten Reisemöglichkeiten und behördlichen Verordnungen sind die DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) als Veranstalter, der VDMA Landtechnik und der Ausstellerbeirat der Agritechnica gemeinsam zum Schluss gekommen, dass die Rahmenbedingungen für eine Durchführung der Weltleitmesse der Landtechnik nicht mehr gegeben sind. Die Gesundheit und Sicherheit der Besucher, Aussteller, Partner, Mitglieder und Mitarbeiter haben in dieser Situation oberste Priorität. Der nächste Termin der Agritechnica ist der 12. bis 18. November 2023 in Hannover.
 
Die Agritechnica wäre im Frühjahr 2022 der internationale Treffpunkt der Landwirtschaft und des Agribusiness gewesen. Fachlicher Austausch, Netzwerken und Innovationen sollten im Mittelpunkt stehen und die notwendigen Impulse für eine zukunftsfähige Landwirtschaft liefern. Das angekündigte Ausstellungs- und Fachprogramm traf bei den Besuchern der Weltleitmesse bereits auf großes Interesse.

2022 auch keine internationale Grüne woche

Es sei furchtbar traurig und frustrierend, kommentierte auch Projektleiter Lars Jaeger die Absage der Internationalen Grünen Woche (IGW). Noch im Sommer habe das IGW-Team mit voller Kraft und Zuversicht an den Vorbereitungen gearbeitet. Auch auf eine digitale Variante, wie sie in diesem Jahr ersatzweise an zwei Tagen durchgeführt wurde, soll 2022 verzichtet werden.

Eine Grüne Woche lebe davon, dass Gäste ohne Einschränkungen essen, trinken, fühlen, schmecken, probieren können, so Jaeger. All das wäre angesichts der sich aktuell zuspitzenden Corona-Krise absehbar nicht machbar gewesen. So sei sich die Messe Berlin ihrer Verantwortung bewusst geworden und habe entschieden, die Verbrauchermesse 2022 nicht durchzuführen. Auch die Hippologica, das größte Hallen-Reitsportturnier der Hauptstadt, das sich seit 2018 an die IGW anschließt, fällt im kommenden Jahr aus.

Online-Varianten oder Absagen

Hingegen wird der Kongress Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) vom 24. bis 28. Januar 2022 in einer Online-Variante stattfinden. Zudem hält das Bundeslandwirtschaftsministerium als Veranstalter am 15. Zukunftsforum ländliche Entwicklung am 26. und 27. Januar 2022 fest.

Die Biofach vom 15. bis 18. Februar ist sogar weiterhin als Präsenzveranstaltung geplant. Das bestätigte die Leiterin der Biofach bei der NürnbergMesse, Danila Brunner, am Montag auf Anfrage. Es werde „gemeinsam mit unseren zahlreichen angemeldeten internationalen Ausstellern mit Hochdruck an den Vorbereitungen gearbeitet“, erklärte Brunner.

Andere Veranstalter haben anders entschieden: So wird die Fruit Logistica nicht wie üblich im Februar stattfinden, sondern auf den 5. bis 7. April 2022 verschoben. Damit will die Messe nach eigener Darstellung „hinter die vierte Corona-Welle“ kommen, um eine Präsenzveranstaltung ermöglichen zu können.

Zur vorerst letzten  regulären Messe im  Januar 2020 hatte  die IGW mehr als  400.000 Messeund Kongressbesucher aus 75 Ländern  angelockt.
Zur vorerst letzten regulären Messe im Januar 2020 hatte die IGW mehr als 400.000 Messe- und Kongressbesucher aus 75 Ländern angelockt. (c) Messe Berlin

messen 2022: Aussteller sagen teilnahme ab

Die „Pferd & Jagd“, Deutschlands größte Messe für Reiter, Jäger und Angler, wurde hingegen zum zweiten Mal in Folge komplett abgesagt. Die nächste „Pferd & Jagd“ soll nun vom 8. bis 11. Dezember 2022 auf dem Messegelände in Hannover stattfinden. AGE/red

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Überraschungen am laufenden Band

Auch wenn der Mais im Silo und der letzte Weizen gedrillt ist, kann von Winterruhe auf der Agrofarm in Lüssow keine Rede sein. „Kein Tag ist wie der andere und jeder Tag hält seine Überraschungen bereit“, sagt Lars-Peter Loeck. Der Vorstand weiß, wovon er spricht.

Von Gerd Rinas

Am Dienstag voriger Woche erreichte ihn die Hiobsbotschaft, dass ein Brunnen ausgefallen ist: Die Pumpe, die so lange Wasser für 950 Milchkühe und deren Nachzucht förderte, hatte ihren Geist aufgegeben. Dem Vorstand schwante nichts Gutes. Längst bekommen auch Landwirte wegen unterbrochener Lieferketten Engpässe bei Maschinen und Ersatzteilen zu spüren. Zwar haben die Lüssower schon vor Jahren einen zweiten Brunnen gebohrt und einen Speicher für 160 m³ Wasser angelegt. „Der Vorrat reicht für einen Tag. Nur wenn beide Brunnen Wassern fördern können, ist die Versorgung abgesichert“, sagt Lars-Peter Loeck.

Doch in diesem Fall war seine Sorge unbegründet. Nach einem Telefonat mit Brunnenbau Zelck in Bützow entspannte sich die Lage. Die Firma wartet seit vielen Jahren Brunnen und Wasserwerk der Agrofarm eG Lüssow. Die defekte Pumpe brachte Brunnenbaumeister Holger Zelck nicht in Verlegenheit. Schon am nächsten Morgen rückte Mitarbeiter Mirko Gehrke mit einem neuen Gerät an. Zusammen mit Andreas Ricker und Patrick Knoll von der Agrofarm brachte der Brunnenbauer einen kleinen Kran in Stellung. Die Männer zogen die Steigleitung aus dem Brunnenschacht, bauten die alte Pumpe aus, die neue ein, verschraubten den Brunnenkopf an der Wasserleitung – gegen Mittag war die Pumpe einsatzbereit.

Glasfaserkabel für die Agrofarm Lüssow

Zu dem Zeitpunkt hatten auch Robert Funke und Eric Grabley von der Firma MTF Anlagenbau das härteste Stück Arbeit geschafft. Am Morgen waren sie mit Lkw und Transporter aus Kriesow bei Stavenhagen angereist und begannen gegenüber der Agrofarm eG Lüssow mit Tiefbauarbeiten. Im Auftrag der Telekom verlegten sie Leerrohre für Glasfaserkabel. Auf dem letzten Abschnitt bis zum Verwaltungsgebäude der Agrofarm musste die Landesstraße L 14 durchörtert werden.

Rekordverdächtig: In nur knapp sechs Stunden haben Mirko Gehrke (r.), Andreas Ricker und Patrick Knoll (v. l.) die neue Pumpe eingebaut.
Rekordverdächtig: In nur knapp sechs Stunden haben Mirko Gehrke (im Bild), Andreas Ricker und Patrick Knoll die neue Pumpe eingebaut. (c) Gerd Rinas

Am Übergabepunkt hatten die beiden Tiefbauer eine Grube ausgehoben und eine Horizontalbohrmaschine in Position gebracht: Mit der „Ditch Witch JT 24“ und ihrem bis zu 81 m langen Bohrgestänge durchstießen sie am Vormittag den lehmigen Straßenuntergrund und eine Fläche bis zu einer zweiten Baugrube neben dem Bürogebäude der Agrofarm.

Nach der Pilotbohrung zog die Maschine das Leerrohr für das Glasfaserkabel durch den neuen Kanal zum Übergabepunkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. „So, das war‘s für uns. Das Glasfaserkabel wird später von anderen verlegt. Wir packen zusammen und fahren weiter zur nächsten Baustelle“, verabschiedete sich Robert Funke.



„Richtig zufrieden sind wir nicht“

Wann in der Agrofarm eG Lüssow schnelles Internet anliegen wird, weiß Lars-Peter Loeck nicht. Als die Telekom vor zwei Jahren das analoge Telefonnetz abschaltete, waren die Lüssower plötzlich ohne Festnetzanschluss.

„Als Einzelkunde 800 Meter außerhalb der Ortslage waren wir für eine DSL-Leitung nicht interessant genug. Weil wir die Festnetznummer behalten wollten, bauten wir uns eine Antenne aufs Dach und telefonierten fortan mit verschiedenen Anbietern übers Internet. Manchmal gibt es Aussetzer. Richtig zufrieden sind wir nicht. Wenn jetzt schnelles Internet über Glasfaserkabel anliegt, werden wir wohl wieder zurückwechseln. Vielleicht überrascht uns die Telekom dieses Mal ja positiv“, hofft Lars-Peter Loeck.

Eric Grabley und Robert Funke packen zusammen: Zumindest das  Leerrohr für das Internet-Glasfaserkabel zur Agrofarm ist verlegt.
Eric Grabley und Robert Funke packen zusammen: Zumindest das Leerrohr für das Internet-Glasfaserkabel zur Agrofarm ist verlegt. (c) Gerd Rinas
Besonderer Fund: Dr. Friedhelm Zedler (l.)  und Lars-Peter Loeck zeigen einen „Grapen“  (mittelalterlicher Kochtopf).
Besonderer Fund: Dr. Friedhelm Zedler (l.) und Lars-Peter Loeck zeigen einen „Grapen“ (mittelalterlicher Kochtopf). (c) Gerd Rinas

Suche nach Spuren vergangener Zeit

Das erlebte der Vorstand in der vorigen Woche, als Dr. Friedhelm Zedler in der Tür stand. Der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger fragte nach, ob er in einer Niederung bei Strenz mit Spaten und Metalldetektor nach Spuren vergangener Zeiten suchen darf.

Der agile Ruheständler hat sich der Aufgabe seit zweieinhalb Jahren mit Haut und Haaren verschrieben und schon bemerkenswerte Fundstücke geborgen. Darunter Beile und Sicheln aus der Bronzezeit und ein seltener „Grapen“ – ein Kochtopf aus dem Mittelalter. Wie viele Bodendenkmalpfleger im Land hofft Zedler, dass Mecklenburg-Vorpommern bald ein archäologisches Landesmuseum bekommt, damit solche Funde endlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. „Bisher sind wir das einzige Bundesland ohne eine solche Ausstellung“, erfahren wir von Friedhelm Zedler.

Bei Lars-Peter Loeck findet er sofort ein offenes Ohr. „Ich interessiere mich für Geschichte und finde es gut, wenn Leute ihr auch hier in unserer Region nachspüren“, ermuntert der Landwirt den Archäologen im Ehrenamt.

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Schlachtkapazitäten: Ohne Umweg an den Haken

Für mehr Schlachtkapazitäten im Land soll Sachsen auch auf dezentrale Lösungen setzen. Das hat der Landtag einstimmig gefordert. Der Minister wertet das als Rückenwind.

Der Landtag hat die Staatsregierung aufgefordert, sich für mehr Schlachtstätten in Sachsen einzusetzen. Der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Antrag „Regionale und hofnahe Schlachtung in Sachsen stärken“ wurde vom Plenum einstimmig angenommen. Die Staatsregierung wird darin ersucht, Konzepte und Vorhaben zu fördern, die einen Lückenschluss in der gesamten Wertschöpfungskette der „umwelt- und tierwohlgerechten Fleischproduktion im Freistaat“ zum Ziel haben.

Darüber hinaus soll der Freistaat unter anderem die praxisorientierte Forschung zum Ausbau regionaler und mobiler Viehschlachtung unterstützen, Investitionen und Ersatzanschaffungen für die Schlachtung fördern, die rechtlichen Grundlagen für regionale und hofnahe Schlachtung in Form eines Handlungsleitfadens aufbereiten und sich auf Bundesebene für rechtliche Erleichterungen für die Weideschlachtung einsetzen.

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Tierleid reduzieren

Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) bezeichnete den Antrag als „Rückenwind für eines meiner Kernanliegen: Landwirtschaft, Tierhaltung und Verarbeitung nachhaltiger zu machen und die regionale Wertschöpfung deutlich auszubauen.“ Kurze Wege bei der Schlachtung seien ein Beitrag, Tierleid zu reduzieren und CO2-Emmissionen zu verringern sowie mehr Wertschöpfung vor Ort zu schaffen und unabhängiger von Preisschwankungen auf dem Weltmarkt zu werden.

In Sachsen gibt es 379 Schlacht- und 68 Zerlegungsbetriebe, die gemäß Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zugelassen sind. Das geht aus der Stellungnahme der Staatsregierung auf den Antrag hervor.

Zugleich verweist das federführende Landwirtschaftsministerium auf den Umstand, dass ein großer Teil der in Sachsen erzeugten Schweine und Rinder außerhalb des Landes geschlachtet wird. So würden zum Teil auch Schweine zur Lohnschlachtung nach Hof oder Bayreuth gebracht und anschließend regional in Sachsen verarbeitet und vermarktet.

Auch der Großteil sächsischer Rinder wird nicht in Sachsen geschlachtet, sondern meist im Schlachthof Altenburg. „Dadurch werden längere Tiertransportwege erforderlich und Wertschöpfungspotenzial geht verloren“, heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums. Es hält daher die Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen im Land für ausbaufähig. Doch auch als Produktionsstandort für die Fleischerzeugung sieht das Ministerium für Sachsen noch Potenziale. Denn der Selbstversorgungsgrad mit tierischen Produkten sei eher gering. Er betrage für Rind 60 %, für Schwein 45 %, für Schaf 21 % und für Geflügel 41 %.

Sachsen: Abbau der Schlachtkapazitäten

Zwar hat der Abbau der Schlachtkapazitäten in der Vergangenheit, etwa die Schließung des letzten großen sächsischen Schlachthofes in Chemnitz 2011, offenkundig nicht zu einer Reduzierung der Schlachtschweineproduktion geführt (Grafik). Doch die Transportwege wurden länger und insbesondere regionale Vermarktungsmodelle wie das Programm „Sachsenglück“ sahen sich mit zunehmendem Aufwand konfrontiert.

Die Einstellung der Schweineschlachtung im Vion-Standort Altenburg Anfang 2020 und Stockungen bei der Abnahme infolge der Coronapandemie gaben im vorigen Jahr für den Sächsischen Landesbauernverband (SLB) und die Sächsische Fleischerinnung den letzten Anstoß, ernsthaft über den Aufbau eines regionalen Schlachthofes nachzudenken. Mit dem Auftreten der Afrikanischen Schweinpest (ASP) bei Wildschweinen in Sachsen und dem eklatanten Mangel von Schlachtkapazitäten für Schweine aus der Sperrzone II („gefährdetes Gebiet“) bekam das Ansinnen noch einmal deutlich mehr Brisanz.


Sachsen aktuell

Regional und praxisnah: Die Bauernzeitung versorgt Sie regelmäßig mit allen wichtigen Informationen rund um die Landwirtschaft und das Landleben in Sachsen. mehr


Mehrwert-Initiative: Anschaffung von mobilen Schlachteinrichtungen ausgewählt

Die Pläne für eine neue regionale Schlachtstätte unterstützt auch das Landwirtschaftsministerium. In das Förderprogramm Mehrwert-Initiative „Nachhaltig aus der Krise“ wurde eigens der Fördergegenstand „Konzeption und modellhafte Umsetzung zur Viehschlachtung zur Stärkung der regionalen Vermarktungskette für Vieh und Fleisch“ aufgenommen. Unter den eingereichten und für die Förderung ausgewählten Projekten befindet sich auch das vom SLB eingereichte Projekt einer Machbarkeitsstudie zur Erweiterung der Dienstleistungsschlachtkapazitäten in Sachsen, die Grundlage für den Aufbau eines regionalen Schlachthofes sein soll. Die Sächsische Aufbaubank hat den eingereichten Förderantrag des SLB zum 12. Oktober bewilligt. Gemeinsam mit den beteiligten Partnern will der SLB bis Ende September 2022 die Machbarkeitsstudie erstellen.

Des Weiteren wurden im Rahmen der Mehrwert-Initiative Projekte zur Errichtung von kleineren Schlachtstätten sowie zur Anschaffung von mobilen Schlachteinrichtungen ausgewählt. Gleiches gilt für das Projekt der Universität Leipzig „Entwicklung eines innovativen, modellbasierten Konzeptes zur tierschutz- und lebensmittelhygienisch konformen mobilen Schlachtung im Sinne der Regionalität“. Ziel dieses Vorhabens ist es, modellhaft den Ablauf einer mobilen Schlachtung abzubilden und ein in der breiten Praxis anwendbares Konzept zu erarbeiten.

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Beef on Dairy: Väter mit Doppellende

Die Anpaarung von Milchkühen mit Fleischrindbullen – oder wie der Fachmann sagt „Beef on Dairy“ – ist zum Trend geworden. Gern wird dabei auf Weißblaue Belgier gesetzt, aber es gibt eine Alternative.

Text und Fotos von Prof. Dr. Wilfried Brade, Norddeutsches Tierzuchtberatungsbüro


Die Besamungen älterer Milchkühe mit Sperma ausgewählter Fleischrindbullen und die Kombination dieser Strategie mit gleichzeitigem Einsatz von geschlechtssortiertem Sperma (= bevorzugte Erzeugung männlicher Kreuzungskälber zur Mast) hat sich als besonders effizient erwiesen. Die so erzeugten (männlichen) Kreuzungskälber zur Weitermast ermöglichen einen höheren Verkaufserlös im Vergleich zu Reinzuchttieren; speziell bei Anpaarung ausgewählter Fleischrindbullen (aktuell vorzugsweise: Weißblaue Belgier).

Allerdings sind Anpaarungen mit Fleischrindbullen an Färsen – aufgrund der überproportionalen Zunahme an Schwergeburten (mögliche Ausnahme: Nutzung leichtkalbiger Angusrinder als Paarungspartner) – strikt zu vermeiden. Und auch bei den Altkühen sind nur solche Fleischrassebullen mit nachgewiesener günstiger Vererbung für den Geburtsverlauf weiter zu empfehlen.

Fleischrinder: Extreme Muskelfülle der Weißblauen Belgier

Die belgische Rinderrasse Weiß-blaue Belgier (WBB) ist vor allem durch eine starke Muskelfülle gekennzeichnet. Spezifisch für die Rasse WBB ist das Vorhandensein sogenannter Doppellender. Diese natürliche Mutation führt zu einem extrem mageren Fleisch und hoher Schlachtausbeute. Das WBB-Rind kann in den Farben weiß, schwarz-weiß oder blau-weiß vorkommen.

In den meisten Fällen benötigen die reinrassigen WBB-Kühe eine intensive Geburtshilfe; oft sogar einen Kaiserschnitt. In einigen Ländern ist die Haltung dieser Rasse deshalb sogar verboten. In Deutschland spielt die WBB-Reinzucht keine Rolle.

WBB-Bullen werden jedoch in vielen europäischen Ländern erfolgreich als Vaterrasse in der Gebrauchskreuzung mit Holsteinkühen eingesetzt. 2020 entfielen circa zwei Drittel aller Besamungen mit Fleischrindersperma in Deutschland auf die Rasse WBB. Die erwähnten Kalbeprobleme der WBB in Reinzucht treten im Rahmen der Kreuzung mit anderen Rinderrassen (Holsteins, Jerseys) nicht auf, sofern diese Rasse nicht auch über das Doppellender-Gen verfügt. Männliche Nutzkälber aus Einfachkreuzungen WBB x Holstein-Kühe realisieren aktuell die höchsten Verkaufserlöse bundesweit; oft mehr als 150–180 € je Kalb (erster Qualität) gegenüber reinrassigen Holsteinbullenkälbern gleicher Qualität.

„Beef on Dairy“ mit Spezialisierter Rasse

In Frankreich, aber auch Italien, ist die Rasse INRA 95 als spezialisierte Fleischrinderrasse seit Jahren ein Erfolg. INRA 95 wurde speziell als Paarungspartner für Milchkühe in einer Versuchsherde in Carmaux (nordöstlich von Toulouse) der staatlichen französischen Agrarforschung (INRA = Institut national de la recherche agronomique) als Neuzüchtung entwickelt. Das Zuchtprogramm wurde bereits Ende der 1960er-Jahre gestartet.

Bei der Zucht der Rasse INRA95 wurde auf das Doppellender-Gen der Weißblauen Belgier gezielt selektiert.
Bei der Zucht der Rasse INRA95 wurde auf das Doppellender-Gen der Weißblauen Belgier gezielt selektiert. (c) Prof. Dr. Wilfried Brade

Die Fellfärbung ist bei der Rasse aufgrund des hohen Charolais-Anteils (54 %) überwiegend weiß; kann jedoch auch rote oder blaue Flecken aufweisen. INRA 95 ist eine Neuzüchtung, in der Merkmale der Rassen Charolais, WBB, Blonde d‘Aquitaine, Limousin und Maine Anjou (Rouge des prés) erfolgreich kombiniert wurden. Das Doppellender-Gen wurde in der Selektion bevorzugt. Ein besonderer züchterischer Schwerpunkt wurde – ab Versuchsbeginn – auf möglichst geringe Kalbeschwierigkeiten und hohe Vitalität der Kälber gelegt. Leichtkalbigkeit, vitale Kälber und eine vergleichsweise hohe Fleischleistung sind somit die besonderen Vorzüge von INRA-95-Hybriden. Die Bullen sind aber nicht nur zur Kreuzung auf Milchrinder, sondern auch für Robust- und Fleischrassen geeignet. Allerdings sollte mit den Nachkommen nicht weiter gezüchtet werden.

Typisches Kreuzungskalb aus der Anpaarung Weißblaue Belgier und  Deutsch Holstein.
Typisches Kreuzungskalb aus der Anpaarung Weißblaue Belgier und Deutsch Holstein. (c) Prof. Dr. Wilfried Brade

ANpaarung mit FLeischrindbullen: Probleme beim Kalben?

Es gibt viele Faktoren, die dazu beitragen können, dass eine Kuh leicht oder schwer kalbt. Sowohl in der Fleischrinder- als auch in der Milchrinderzucht ist jede notwendige Unterstützung bei der Geburt unerwünscht. Schwergeburten verringern die Lebensfähigkeit der Kälber, verursachen Verletzungen, reduzieren die nachfolgende Reproduktionsfähigkeit der Muttertiere und erhöhen die Arbeitsbelastung sowie die tierärztlichen Kosten. Das Geburtsgewicht und die Trächtigkeitsdauer und damit die Häufigkeit von Schwergeburten werden durch den Genotyp des Kalbes, genetische Effekte der Mutter und weitere nichterbliche Auswirkungen während der Trächtigkeit (Fütterungsintensität der Muttertiere in den letzten sechs Trächtigkeitswochen) bestimmt.

Der Anteil schwerer Geburten ist bei WBB-Kreuzungskälbern etwas höher als bei reinrassigen Holsteinkälbern (Tab. 1). Die Tragezeit der WBB-Kälber ist jedoch kaum länger als bei reinrassigen Holsteinkälbern. Geburtsprobleme wirken offenbar bis in die folgende Laktation. Die Abgangsrate der Mütter von WBB-Kreuzungskälbern liegt in der nachfolgenden Laktation (36,1 %) über der von Müttern mit Holsteinkälbern (30,4 %). WBB-Bullen sind somit nur bei mehrkalbigen Kühen einzusetzen.

Kreuzungskälber zeichen sich  auch durch Großrahmigkeit aus.
Kreuzungskälber zeichen sich auch durch Großrahmigkeit aus. (c) Prof. Dr. Wilfried Brade

Leider liegen noch keine Direktvergleiche bezüglich des Kalbeverlaufs und/oder der Lebensfähigkeit der Masthybriden aus INRA 95- oder WBB-Anpaarungen mit deutschen Holsteinkühe vor. Zugehörige umfangreiche französische Studien lassen hier Vorteile der INRA 95-Nachkommen erkennen (Abb. 1)

Die Vorzüge der Masthybriden aus WBB-Anpaarungen (bessere Mast- und Schlachtleistung gegenüber reinrassigen Holsteintieren) konnten jetzt erstmalig auch bei den Hybridnachkommen von INRA-95-Vätern in einer sehr großen, neuen italienischen Studie gezeigt werden (Abb. 2).

Akzeptanz erhöhen

Die Nutzung von INRA-95-Bullen ist somit als eine echte Alternative zur bisherigen Bevorzugung von WBB-Bullen in der Masthybriderzeugung mit Milchkühen. Da das Zuchtprogramm reinrassiger WBB-Rinder von vielen Tierschützern abgelehnt wird, könnte der Einsatz von INRA-95-Bullen gegenüber dem intensiven Einsatz von WBB-Bullen auch dem Image der deutschen Rindfleischerzeugung zugutekommen. Die Rinder-Union West (RUW) mit Sitz in Münster (NRW) bietet ihren Mitgliedern seit Jahren erfolgreich INRA-95-Bullensperma an. Die dortige Zufriedenheit bezüglich der INRA-95-Kreuzungskälber aus Holsteinmüttern ist sehr groß.

Da die RUW ein wichtiger Partner in der neu gebildeten gemeinsamen Zuchtkooperation ‚Phönix-Group‘ ist, kann nun auch über den Spermaaustausch zwischen den verschiedenen Besamungsstationen dieser Kooperation künftig INRA-95-Sperma in den östlichen Bundesländern leicht genutzt werden. Und auch die Masterrind GmbH, die vorrangig in Sachsen aktiv ist, hat zwischenzeitlich die Vorzüge der Rasse INRA 95 erkannt und bietet seit August 2021 Sperma dieser Rasse an.

Allerdings muss sich der künftige Einsatz von INRA-95-Bullen erst noch am hiesigen Kälbermarkt etablieren, da Kreuzungstiere aus WBB-Anpaarungen schon zu einer Qualitätsmarke im Kälberhandel geworden sind. Die Strategie „Beef on Dairy“ ist mittlerweile auf vielen Betrieben bundesweit fest etabliert. Entsprechend spürbar beeinflusst sie bereits den Nutzrindermarkt bzw. Mastkälberhandel. Gleichzeitig verkleinert sie das Angebot an weiblichen Zuchtrindern (Färsen), was wiederum zur Stabilisierung der Erlöse am Zuchtrindermarkt beigeträgt.

FAZIT

Die regelmäßige Besamung von züchterisch weniger wertvollen Milchkühen mit Fleischrindbullensperma festigt sich zunehmend bundesweit; nicht nur im Holstein-Zuchtbereich, auch bei anderen Milchrinderrassen (Jersey). Dabei wird überwiegend Sperma von Bullen der Rasse Weiß-blaue Belgier (WBB) genutzt. Jüngste Studien zeigen jedoch einen geringeren Anteil an Schwergeburten, wenn stattdessen Sperma der relativ jungen französischen Rasse INRA 95 genutzt wird. Da generell die Haltung von reinrassigen WBB-Bullen in deutschen Besamungsstationen kritisch hinterfragt wird, dürften künftig INRA-95-Bullen als Alternative stärker zur Masthybriderzeugung mit Milchkühen und damit auch zur Verbesserung des Images der deutschen Rindfleischerzeugung beitragen.


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Die Zukunft kann kommen

Der Bundeswettbewerb der Bau- und Landmaschinenmechatroniker fand dieses Jahr erstmals im Osten statt. Der knappe Siegerstand erst nach der letzten Aufgabe fest.

Von Uwe Manzke

Dieses Jahr ist ein besonderes Jahr für den inzwischen 70. Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks, dem wohl größten europäischen Berufswettbewerb. Er wird jährlich in allen über 130 Handwerksberufen auf bis zu vier Stufen durchgeführt. Bei Berufen mit vielen Lehrlingen beginnt er auf der Innungsebene und wird dann auf Handwerkskammer-, Landes- und Bundesebene fortgesetzt.

Zugangsvoraussetzung ist die Note Gut und ein Alter von maximal 27 Jahren. Natürlich gibt es dafür auch einen Slogan: Profis leisten was, abgekürzt PLW. Insgesamt nehmen jährlich bis zu 3.000 Junghandwerker an einem PLW teil, rund 800 von ihnen haben die Gelegenheit, als Landessieger auf Bundesebene um den Bundessieg zu kämpfen.

Erstmals im Osten

Der Bildungs- und Innovationscampus Handwerk (BIH) der Potsdamer Handwerkskammer in Götz – einem Ortsteil von Groß Kreutz – war am 30. Oktober erstmals Ausrichter des Bundeswettbewerbs der Land- und Baumaschinenmechatroniker.

„Mit der konzentrierten Ausrichtung auf die Meister- und Servicetechnikausbildung genießt unser Zentrum einen bundesweit anerkannten Ruf“, berichtet Tilo Jänsch, Geschäftsführer des BIH. „Die Nachfrage nach der Meisterausbildung an unserem Campus ist hoch, auch, weil wir über eine technische Ausstattung verfügen, die bundesweit mit führend ist“, so Jänsch.

Sieg durch Leidenschaft

Elf Einzelkämpfer traten in einem leidenschaftlichen und engen Finale an. Mit seiner Leidenschaft für Landtechnik sicherte sich der 20-jährige Tim Damierus aus Hessen den Bundessieg. Ausschlaggebend war für den bisher jüngsten Sieger die letzte Aufgabe, die Kalibrierung des Trecker-Fahrwerks. Mit knapp 95 Punkten holte er sich den ersten Platz. Damierus kommt aus Trebur und ist für ATC Agratechnikcenter GmbH in Groß-Gerau angetreten. Bereits im Mai 2022 wird er mit der Meisterausbildung fertig sein. „Die Vielseitigkeit und meine Leidenschaft für alte und neue Landtechnik haben mich motiviert, diesen Weg einzuschlagen. Ich freue mich schon heute, die kommenden Herausforderungen nach der Meisterausbildung in einem Unternehmen zu bewältigen, so Damierus.

Hohe Anforderungen

Plätze zwei und drei gingen an Tim Künsztler aus Baden-Württemberg (91,5 Punkte) und Nicola Heucher aus Rheinland-Pfalz (90,5 Punkte).

Unerwartet kam für Heucher aus Rheinland-Pfalz der dritte Platz. Die Anforderungen waren hoch, so Heucher, denn es wurden auch Aufgaben abgefragt, die in der Tagesroutine oftmals nicht abgefordert werden. Auch er will seinen Meister in zwei bis drei Jahren haben.

Isobus-Technik verlangte viele Fachkenntnisse ab

Nur knapp verfehlten Michelle Kraatz, Mecklenburg-Vorpommern, und Timm Bergmann, Land Brandenburg, einen Platz unter den Besten. „Der Wettbewerb spornte uns alle an und vertiefte unser Fachwissen. Die durchlaufenen Stationen hatten abwechslungsreiche Fehlerquellen, besonders die Isobus-Technik verlangte einiges an Fachkenntnissen ab“, so der Brandenburger Landessieger Bergmann von Bartling Landtechnik.

Aus Demmin von der Fricke Landtechnik hatte Michelle Kraatz teilgenommen. Sie hatte Freude daran elektrische Schaltungen nach einem Schaltplan zu gestalten.

Tim Damierus (c) Uwe Manzke

Viele Fehler suchen

Mit je einer 30-minütigen Fehlerdiagnose und Dokumentation zog sich der Bundeswettbewerb der Bau- und Landmaschinenmechatroniker über sechs Stationen. Insgesamt galt es, sechs Aufgaben in jeweils einer halben Stunde zu lösen.

Die Bandbreite ging über einen defekten Bagger, Hydraulikfehler in einer Rundballenpresse, Diagnose einer Motorsteuerung, ein nicht kalibriertes Fahrwerk bis hin zu einer defekten Motorsäge und einem nicht funktionierenden Düngerstreuer mit Sensortechnik. Darüber hinaus sollte auch eine Langzeitaufgabe gelöst werden. Für den Aufbau an einer elektronischen Schaltung standen drei Stunden zur Verfügung. Dabei mussten die Teilnehmer einen komplexen Schaltkreis konstruieren, sauber nachbauen und verlöten.

Handwerk zeigt Flagge

Alle angetretenen Landessieger und die einzige Landessiegerin aus Mecklenburg-Vorpommern überzeugten beim Bundeswettbewerb der Bau- und Landmaschinenmechatroniker mit dem Ehrgeiz und der Leidenschaft für den Beruf. Ein Großteil von ihnen hat sich bereits heute für eine Meisterlaufbahn entschieden, so Olaf Boche, Geschäftsführer Landesverband Brandenburg.

„Alle Landessieger sind Gewinner, denn mit dem Engagement sind die Mechatroniker auf einem guten Weg, die Herausforderungen der Zukunft im Bau- und Landmaschinenbau zu lösen. Beim Sieger hat die Herangehensweise an das jeweilige Problem zum Erfolg geführt. Damit war die Zeit gut einzuhalten und die maximalen Punkte gut erreichbar. Das professionelle Abarbeiten der Aufgaben wurde somit belohnt, hebt Boche hervor.

Die Bundessieger werden verbandsseitig traditionell am Tag der LandBauTechnik vor den Spitzenvertretern und Premiumpartnern der Branchenkampagne „Starke Typen“ gesondert geehrt. Zur Siegerehrung in Götz gab es eine Teilnahmeurkunde und ein Starke-Typen-Paket für alle.

Die Ehrung der PLW-Bundessieger fand am 3. Dezember 2021 während einer Festveranstaltung zum Abschluss des Leistungswettbewerbs des Deutschen Handwerks in Berlin statt. Die Arbeitsproben oder Gesellenstücke der Bundessieger werden im Rahmen der Festveranstaltung öffentlichkeitswirksam präsentiert.

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Flurneuordnung weiterhin nötig

Auf seiner Jahrestagung zeigte der Verband der Teilnehmergemeinschaften die aktuell bestehenden Probleme bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der ländlichen Infrastruktur auf.

Von Dr. Harald Lütkemeier

Der Verband der Teilnehmergemeinschaften Sachsen-Anhalt (VTG) zog Mitte November in Bernburg-Strenzfeld Bilanz seiner Arbeit im zurückliegenden Jahr. VTG-Vorsitzender Ekkehard Horrmann skizzierte zunächst jedoch die aktuelle Situation. Danach sei die stetig steigende Mitgliederzahl mit nunmehr 208 Teilnehmergemeinschaften (TG) auch ein Zeichen des Bedarfs an Flurneuordnung, etwa zur Lösung von Landnutzungskonflikten, zum Verbessern ländlicher Infrastruktur, für Maßnahmen gegen Wind- und Wassererosion, zum Erhalt der Kulturlandschaft und für vieles mehr.

Flurneuordnung: Bürokratie abbauen

Die Flurneuordnung fördere das bürgerliche Engagement. Ohne den Verband wären die meisten Projekte aber nicht mehr umsetzbar, denn die Umsetzung der Maßnahmen erfordere im finanziellen wie im bautechnischen Bereich qualifiziertes Fachpersonal, so Horrmann. Vom Verband würden deshalb vielfältige Wege erprobt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Horrmann kritisierte, dass hierzulande Verfahren stocken, weil der Aufwand pro Maßnahme immer größer werde, die Personaldecke in den Landwirtschaftsämtern dünn sei und gleichzeitig die Bürokratie ausufere. Hemmend wirkten auch die angespannte finanzielle Situation in den Betrieben, mangelnde Eigenanteile und hohe Ausschreibungskosten. Viele Verfahrenszeiträume seien zu lang, es gelte, die Verfahren schneller zu Ende zu bringen.

Ekkehard  Horrmann
Ekkehard Horrmann (c) Detlef Finger

Horrmann forderte die Fortführung des Dialogs mit dem nunmehr zuständigen neuen Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium zur zügigeren Bearbeitung der Verfahren.

Der Vorsitzende dankte zugleich den Mitarbeitern des Verbandes und der Behörden sowie den vielen Ehrenamtlichen in den Teilnehmergemeinschaften für ihr besonderes Engagement. Es gelte, den VTG als Bindeglied zwischen Verwaltung, Teilnehmergemeinschaften und Wirtschaft weiterhin zukunftsfähig zu entwickeln. VTG–Geschäftsführer Joachim Hartmann berichtete, dass im Verband für das Jahr 2021 rund 16 Mio. Euro Ausführungskosten (Umsatz) zu Buche stehen. Zehn neue Teilnehmergemeinschaften seien hinzugekommen. Die Liquidität des Verbandes sei derzeit mit ca. 950.000 Euro Eigenmitteln gesichert. Aufgrund geringerer Einnahmen seien für einen ausgeglichenen Jahresabschluss entsprechende Mittel aus den Rücklagen vergangener Jahre eingesetzt worden.


Sachsen-Anhalt aktuell

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Umlage erhöht

Die geprüfte und genehmigte Jahresrechnung für das Haushaltsjahr 2020 wurde einstimmig beschlossen, ebenso der Haushaltsplan für das Jahr 2022. Auch die Erhöhung der Verbandsumlage (Beitrag) von derzeit fünf auf acht Prozent aufgrund wesentlich gestiegener Aufwendungen für die Umsetzung der Maßnahmen erfuhr nach intensiver Diskussion ausnahmslos Zustimmung.

Der Geschäftsführer machte ferner den zunehmenden Aufwand für das Finanzierungsmanagement und nicht zuletzt den langen Zeitraum von fünf bis sechs Monaten (vor drei Jahren noch etwa 80 Tage) vom Beginn der Planung bis zur Bauausführung deutlich. „Es muss alles im ersten Halbjahr vorbereitet sein, um die zur Verfügung stehenden Mittel auch im gleichen Jahr umsetzen zu können,“ schlussfolgerte er und machte die vielen Unwägbarkeiten sehr eindrucksvoll sichtbar.

Joachim Herrmann
Joachim Herrmann

Eine breite Diskussion gab es schließlich zur Änderung der Satzung hinsichtlich der Beschlussfassungen des Verbandes bei außergewöhnlichen Notsituationen und zur Unterhaltung des ländlichen Wirtschaftswegenetzes.

Verbandsvorsitzender Ekkehard Horrmann, selbst Landwirt, forderte am Ende der Tagung seine Berufskollegen auf, gemeinsam mit den Landeigentümern die bedeutsamen Ziele der Flurneuordnung zu realisieren. Auch gelte es, das Solidar- und Kooperationsprinzip von Landwirtschaft und Kommune weiter auszubauen.


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Walnüsse: Eine Frau und ihr Kern-Geschäft

Herkunft: Chile, Kalifornien, China – doch Walnüsse „von hier“ suchst du vergeblich. Der heimische Anbau steckt noch im Keimstadium. Vivian Böllersen will das ändern. Ein Wagnis?

Von Jutta Heise

„Wir hatten uns etwas mehr erhofft.“ Den diesjährigen Ertrag, einen der ersten auf ihrer 4,5 ha großen Walnusspflanzung, bilanziert Vivian Böllersen, Inhaberin der Walnussmeisterei nüchtern. Einer der Faktoren, die in Summe Erwartung ergeben, muss aus der Reihe geschert sein. Böllersen wird rauskriegen, wer. Natur ist nicht hundertprozentig programmierbar. Sowieso: Die rund 200 Bäumchen in circa 30 Sorten (unterschiedlich etwa in Ertrag sowie Geschmack, Aussehen, Größe, Ölgehalt der Früchte) wurden in Velten, unweit des nordwestbrandenburgischen Herzberg, wo Böllersen ihr Domizil hat, in die Erde gesetzt. Sie haben erst fünf Winter erlebt. Ein Klacks für diese Kultur!

Erst in weiteren fünf, besser zehn Jahren bringt sie Vollertrag. Der wird in Breiten, wo die Walnuss zu den gängigen Kulturen zählt, etwa in Frankreich, auf 50 kg pro Baum angesetzt. Auf Bedingungen der Brandenburger Böden rechnet Böllersen mit etwa 20 kg Trockenertrag. Bis dahin heißt es bonitieren, Baumscheiben mähen, besonders in der Anfangszeit, auf die Walnussfruchtfliege, den wohl ärgsten Feind der Früchte, oder den Bakterienbrand achten und Spätfröste austricksen.

Vivian Böllersen
Walnussmeisterei Vivian Böllersen
Tel. 03392-6729993 / info@walnussmeisterei.de

Anbau von Walnüssen braucht Durchhaltevermögen

Walnussanbau, ob als Hobby oder als Erwerbszweig betrieben, braucht Durchhaltevermögen, ist Generationensache; er ist aufwendig und nicht billig. Vivian Böllersen hat ihn nach ihrem Studium „Öko-Agrarmanagement“ an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde zum Thema ihrer Masterarbeit gemacht. Die gebürtige Berlinerin erwähnt als Impuls den Charme des ausladend-knorrigen, alten Solitärs im elterlichen Garten, der so viele Früchte trug, dass man sie über den Zaun verkaufen konnte.

Emotionen als Entscheidungsfinder? Das wollen wir der zierlichen jungen Frau, die sachlich–strukturiert, detailliert–informiert auftritt, nicht abnehmen. Nun ja, es habe sie gereizt, der Dominanz der ausländischen Ware in den Supermärkten die Juglans regia entgegenzusetzen, wie die einheimische Walnuss auf Botanisch heißt. Und auch die Herausforderung, Lücken zu füllen, nichts „von der Stange“ zu bearbeiten, sei Anstoß gewesen. Immerhin war der Wissensfundus, den es noch vor Jahren über den heimischen Anbau gab, eher spärlich.

In der letzten Zeit habe die Sache jedoch vor dem Hintergrund der Agroforst-Thematik, in der die Walnuss eine riesengroße Rolle spiele, an Fahrt aufgenommen. Ein Formel-Eins-Rennen ist sie noch nicht. „Es gibt im Grunde noch keinen wirtschaftlich erwähnenswerten Anbau in Deutschland“, so Böllersen, zugleich nehme die Nachfrage nach Nüssen als Bestandteil moderner Ernährungstrends dynamisch zu. Genaue Angaben zu den Anbauern liegen nicht vor. Böllersen schätzt sie auf etwa 50. Abgesehen von dem als Pionier des Anbaus in Mitteldeutschland geltenden Nestor (in Sachsen-Anhalt wirtschaftend, sehr medienscheu, über 80, Böllersens Mentor und Ratgeber), sind sie in Süddeutschland konzentriert: Vivian Böllersen kennt die meisten persönlich: durch Vor–Ort–Besuche oder die Interessengemeinschaft Nuss – Sektion Frucht, ein Netzwerk, das sie mit initiiert hat.

Öffnungszeiten Hofladen

Wissensakquise

Was sie in der Theorie zusammengetragen hat, will die junge Frau nach dem Studium praktisch umsetzen. Sie kann besagte 4,5 ha über die Genossenschaft der Ökonauten erwerben. 2017 Umzug nach Herzberg, ein Dorf vor den Toren Neuruppins. Dort hat sie ihre Firma „Die Walnussmeisterei Böllersen“ gegründet.

Ihr Ansatz: Bevor der Vollertrag auf ihrer Anlage reift, kauft sie Nüsse von Kleinerzeugern und anderen Anbauern auf, verarbeitet sie selbst oder lässt in der Region veredeln. „Viele Leute verwerten ihre Nüsse nicht. Es ist ihnen zu aufwendig: Laub beseitigen, Nüsse aufsammeln, trocknen, da landen sie eher auf dem Kompost.“ Dass es eine andere Möglichkeit gibt, musste erst publik werden.

Böllersens Walnussmeisterei ist Praxisbetrieb ihrer ehemaligen Alma mater. Studierende betreiben auf ihrem Hof Wissensakquise, übernehmen die Bonitur der Anlage und gingen auch der Frage nach: Wie lässt sich der Haus-und-Hofbaum kartieren, wo kann man Standorte ansetzen. Man entschließt sich, oldschool, dort Flugzettel zu verteilen. Die Idee greift. Die Walnussmeisterei setzt eine strenge Auslese beim Ankauf an, das Kriterium „regional“ allein reicht nicht. Alterntiges und neue Ernte dürfen z. B. nicht vermischt werden, die Nüsse müssen frei von Schädlingsbefall und leicht zu knacken sein.

Vermarktet werden sie auf Märkten, online, über den Hofladen: Nüsse, pur und ungeknackt; Kerne, kandiert oder mit Salz; Öl, Shampoo, Senf, Likör aus grünen, im Frühsommer geernteten Nüssen, mit Aronia-Beeren-Saft angesetzt. Die Nachfrage ist groß. „Bis Weihnachten können wir noch Nüsse vorhalten. Danach muss ich mir etwas einfallen lassen.“

Vivian Böllersen
Söhnchen Tom ist mitunter dicht an der Materie.
Walnuss Manufaktur
In kleinen Manufakturen wird die Nuss zum Beispiel für Shampoo und Senf veredelt.
Baumschule
Die Baumschule und fachliche Beratung sind feste Säulen der jungen Firma. Die Setzlinge von 15 Sorten sind gefragt.

Wir kommen auf die „Generationenaufgabe“ zurück: Eine gemächliche Kultur hat auch Vorteile, sagt die Expertin. Du kannst über die Zeit empirisch Erfahrungen sammeln, von Anbau über Ernte und nachgeordnete Prozesse bis hin zur Vermarktung, zugleich neue Erkenntnisse einfließen lassen. Wissenschaft und Praxis schlafen in Sachen Juglans regia nicht mehr.

Beispiele sind schnell zur Hand: So knobelt die Branche derzeit an Maschinen, die nach dem Vorbild der Beerntung von Streuobstwiesen zum Einsammeln der reifen Nüsse einsetzbar sind und beispielsweise bisher gängige, nach dem Prinzip kleiner Straßenkehrmaschinen arbeitende Gerätschaften optimieren sollen.

Aber noch mehr ist echte Pionierarbeit: Wohin mit den Schalen, die in Größenordnungen anfallen? Verheizen? Nussschalen sind als Brennstoff in Deutschland nicht zugelassen. Böllersen stößt auf eine andere Möglichkeit: Schalen kann man mahlen, das grobe Pulver wird als Sandstrahlmittel eingesetzt. Es heißt, einen Abnehmer zu finden. Ein Teil der Nüsse wird in einer kleinen Ölmühle der Region verarbeitet. Wie lässt sich der Presskuchen, der noch einen recht hohen Ölgehalt hat, nachhaltig verwerten? Verfüttern? Gibt es andere Ideen? Ein Hofladenbesucher trägt ihr zu: Aus den Kämben, der Wand zwischen den Kernhälften, stelle man in Indonesien Tee her. Der Selbsttest fällt positiv aus, dranbleiben!

Beratung, Baumschule

Zwei feste Säulen des Betriebskonzepts sind die Beratung für Anbauwillige und die Baumschule. „Wir bieten Erst- und Einsteigerberatung an, Projektplanung und Realisierung mit Standort-Begehung, digitaler Pflanzplanung. Die Setzlinge holen wir aus Tschechien, Ungarn, Frankreich. Dort wird stärker gezüchtet als bei uns, wo es nur eine Handvoll Walnuss veredelnder Betriebe gibt.“

Das Pflanzgut ist teuer, gleichwohl ist es wieder gefragt: Die beste Zeit, einen (Nuss-)Baum zu pflanzen, war vor 20 Jahren. Die zweitbeste ist – jetzt!, lautet ein geflügeltes Wort. Alles in allem: Das Team um Böllersen, zwei festangestellte Minijobber, eine FÖJlerin, braucht „Kern-Energie“. Last but not least hilft die Familie, wenn es, egal wo, knackig hergeht. Zumal sich für Böllersen im Moment vieles um ein kleines Zentralgestirn dreht: Ihr Sohn ist diesen März geboren.

In naher Zukunft wolle man die betriebliche Ausstattung optimieren, greift Böllersen voraus. Man plane Umbaumaßnahmen bei gleichzeitigem Erhalt der Altsubstanz des Hofes, einer alten Schmiede, bis vor wenigen Jahren noch voll in Betrieb. „Wir haben kein Kühllager, die Kunden fragen aber auch im Sommer Nüsse nach. Uns fehlen eine kleine Produktionsküche und eine Zuwegung. Bisher sind wir nach Süddeutschland gefahren, wo die einzige Knackmaschine in der passenden Größenordnung stand. Nun konnten wir selbst eine anschaffen, die wir auch zum Lohnknacken betreiben. Sie braucht eine ordentliche Halle.“ Ein kleines Café wäre ebenfalls denkbar.

„Sinnhaftigkeit des Tuns und Wertschätzung gegenüber Personen werden bei uns hoch gehalten, alle im Team sollen sich als Teil von etwas Besonderem sehen“, formuliert Böllersen den Kern der Unternehmensphilosophie. Zugleich müsse sie den Betrieb wirtschaftlich stabil aufstellen. Sie sei zufrieden: „Mit unseren Zahlen, aber auch mit der unerwartet großen Medienpräsenz. Die nehmen wir als Anerkennung unserer Arbeit und unseres Anspruchs.“ Genau so ist sie gemeint.

Kurz und knackig
„Walnüsse gehören zu den ältesten Kulturpflanzen und stammen aus Asien. Funde belegen, dass sie bereits vor 9.000 Jahren der menschlichen Ernährung dienten. Heute wird die Kultur weltweit in Ländern mit gemäßigtem Klima angebaut.
Der erste Walnussgarten in Kalifornien, einem bedeutenden Exporteur, wurde 1867 gepflanzt. Die Standzeit eines Baumes beträgt mindestens 50 bis 60 Jahre.

Die Walnuss gehört mit einem Fettanteil von durchschnittlich 62 Prozent zu den besonders energiereichen Nüssen. Es handelt sich um gesundheitlich positiv wirkende einfach und mehrfach gesättigte Fettsäuren. Das Holz des Baums zählt seit Langem zu den weltweit begehrtesten Hölzern.

SLB-Wettbewerbsgewinner auf YouTube vorgestellt

Auf dem YouTube-Kanal des Sächsischen Landesbauernverbandes gibt es drei neue Videos. Darin werden landwirtschaftliche Betriebe aus Sachsen vorgestellt, die beim Landeswettbewerb ausgezeichnet worden sind.

Ein Beitrag vom Sächsischen Landesbauernverband (SLB)

Auch im November 2021 durften sich die Abonnenten und Besucher des YouTube-Kanals des Sächsischen Landesbauernverbandes auf einige Neuerscheinungen freuen. Denn in den drei neuen Filmbeiträgen werden landwirtschaftliche Betriebe aus Sachsen vorgestellt, die mit ihrem Betrieb als Sieger im Landeswettbewerb für „Tiergerechte und umweltverträgliche Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren“ 2019/2020 ausgezeichnet wurden.

Sächsischer Landesbauernverband mit eigenem youtube-kanal

Darunter Landwirt Robert Gierth für seine vorbildliche Kälberaufzucht, die Agrargenossenschaft eG Reichenbach für ihre moderne und tiergerechte Jungrinderhaltung und der Familienbetrieb Hartenstein für seine besonders artgerechte Haltung von Mastrindern der Rasse Limousin einschließlich Mutterkühen. Die Filme entstanden im Auftrag des Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) und wurden von den beiden Filmproduzenten Annett und Michael Rischer erstellt.

Landwirt Robert Gierth wurde für artgerechte Kälberhaltung ausgezeichnet. (c) SLB

Glückliche Kühe bei Hartensteins: Ihr Familienbetrieb wurde mit dem Tierwohlpreis ausgezeichnet. (c) SLB

Sachsen aktuell

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Seit August verfügt der SLB über einen eigenen YouTube-Kanal. Hier werden in sporadischer Reihenfolge Filme aus und über die sächsische Landwirtschaft veröffentlicht.

Highlight war unter anderem die Eröffnung eines Livestreams aus dem Kuhstall in Großzschocher, der seit Beginn der Ausstrahlung bereits über 6.000 Aufrufe, darunter auch aus Österreich, erzielte. Aufgrund der hohen Nachfrage nach dem beliebten „Kuhkanal“ möchten nun mehrere Anwender auf diesen zugreifen, sodass hier momentan eine technische Anpassung notwendig ist. Sobald die Liveübertragung wieder startet, wird der SLB berichten.


Zum YouTube-Kanal des des Sächsischen Landesbauernverbandes

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Die Messehallen bleiben leer

Die 125. Lipsia-Bundesschau wurde wegen Corona abgesagt. Die Messehallen bleiben nun zum zweiten Mal in Folge leer, ob es staatliche Hilfen für den Ausfall geben wird, ist noch unklar.

Von Kathrin Grosse

Kein Schnattern, kein Gurren, kein Gackern – die Leipziger Messehallen bleiben vom 3. bis 5. Dezember 2021 erneut leer. Die traditionsreiche Lipsia-Bundesschau, es wäre die 125. gewesen, muss wegen der zu stark gestiegenen Inzidenzen in der Corona-Pandemie zum zweiten Mal in Folge abgesagt werden. Auch die 70. VDT-Schau der Rassetaubenzüchter findet nicht statt.

Lipsia: Absage ist bitter

„Wir brauchten nichts mehr zu entscheiden. Die Landesregierung in Dresden hat entschieden, Messen fallen aus, und das war es dann für uns“, sagte Dr. Lothar Heinrich, 2. Vorsitzender des Lipsia – Leipziger Rassegeflügelzüchtervereins 1869 e.V.

Die Absage ist bitter. Mehr als 3.000 Aussteller hatten sich mit 37.000 Tieren für die diesjährige Schau angemeldet. Einen Ersatztermin Anfang Januar gibt es ebenfalls nicht.

Als Trost für die kurzfristige Absage soll aber in diesem Jahr zumindest der unvollendete Ausstellungskatalog veröffentlicht werden. Das haben die Ausstellungsleitung und der Vorstand entschieden. Dadurch soll den Züchtern die Möglichkeit gegeben werden, sich direkt mit den Ausstellern über verkäufliche Tiere austauschen zu können. Der Katalog kann online über die Lipsia-Vereinsseite eingesehen werden. Es fehlen coronabedingt die Bewertungen sowie aus datenschutzrechtlichen Gründen das Ausstellerverzeichnis. Deshalb hilft der Verein per E-Mail bei der Kontaktaufnahme zu den Züchtern weiter oder Interessenten greifen auf ältere Lipsia-Kataloge aus den Vorjahren zurück.


Sachsen aktuell

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Staatliche Hilfen sind noch nicht sicher

Die Veranstalter müssen jetzt die Kosten aufrechnen, die bisher angefallen sind: Katalogbearbeitung, Tieranmeldungen, Arbeitslöhne, die Preise und Pokale. Der Leipziger Verein rechnet mit einer mindestens fünfstelligen Summe. Ob es staatliche Hilfen gebe, sei noch unklar, so Heinrich. Im September erst ist ein Hilfsprogramm der Landesregierung ausgelaufen.

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Uckermärkerzucht: Ganz in Familie

Am Rande von Burg Stargard (Mecklenburg-Vorpommern) hat die Familie Stoltenfeld im Nebenerwerb eine Uckermärkerzucht mit florierender Direktvermarktung für Fleisch und Wurst aufgebaut. Das Erfolgsrezept: Alle packen mit an.

Von Gerd Rinas

„Wenn wir ein Foto machen, dann muss die ganze Familie mit rauf. Ohne Familie würde hier auf dem Betrieb gar nichts gehen“, sagt Rico Stoltenfeld. Als sich alle um den neuen Trecker aufgestellt haben, ist Stoltenfeld zufrieden. „Das ist ein Schuss fürs Familienalbum“, freut sich der 31-Jährige, der die treibende Kraft auf dem Nebenerwerbsbetrieb der Stoltenfelds am Ortseingang von Burg Stargard, aus Richtung Neubrandenburg kommend, ist.

Uckermärkerzucht Auf Großvaters Hof

Rico Stoltenfelds Großeltern hatten hier Anfang der 1970er-Jahre eine Hofstelle mit drei Hektar Land gekauft. Den größten Teil der Fläche bewirtschaftete vor der Wende die LPG, Großvater Adolf Leiss konnte auf einem kleineren Stück Weizen, Kartoffeln und Rüben als Futter für seine Tiere anbauen. „Es gab drei Bullen und ein Pferd, Schweine, Gänse, Enten, Hühner, Tauben – und eine Weiße Deutsche Edelziege“, erinnert sich Rico Stoltenfeld, der nach der Schule eine Ausbildung als Karosserie- und Fahrzeugbauer und danach ein Studium als Marketing-Vertriebsexperte abschloss. Seit einigen Jahren verkauft er erfolgreich Landmaschinen in der Uckermark.

Von der Landwirtschaft kam Rico Stoltenfeld nie los. Nach der Wende hatte der Großvater die drei Hektar Land zurückbekommen. Als ihm die Arbeit auf dem Hof schwerer fiel, brachten sich die anderen Familienmitglieder mehr ein. 2007 – Rico war 17 – nahm der Nebenerwerbsbetrieb Fahrt auf. „Wir kauften die ersten vier Uckermärkerfärsen. Es folgten der erste Traktor und weitere Technik“, erinnert sich Stoltenfeld.

Uckermärkerzucht: Betrieb ist gewachsen

Mittlerweile ist der Bauernhof in der dritten Generation auf über 100 ha Acker- und Grünland und die Rinderherde auf 80 genetisch hornlose Uckermärker angewachsen. „Wir sind Uckermärker-Herdbuchzuchtbetrieb“, sagt Rico Stoltenfeld nicht ohne Stolz.

Angebaut werden Gerste, Weizen, Raps und Mais. Vom Grünland kommt Heu und Grassilage. Die Rinder erhalten ausschließlich wirtschaftseigenes Futter. „Unsere Uckermärker stehen ganzjährig auf der Weide. Sie fressen 98 % Gras, dazu zwei Prozent Weizenschrot. Auf Mastfutter und den unnötigen Einsatz von Medikamenten verzichten wir“, erläutert Rico Stoltenfeld.


Ein weibliches Uckermärker-Rind auf einer Weide, dahinter Bäume und ein grauer Himmel.
(c) Reiner Schumann

Uckermärker Rinder: Ein Produkt der Kreuzungszucht

Die Rinderrasse Uckermärker stammt aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Als Produkt der Kreuzungszucht entstanden mit ihnen Rinder, die sich durch hohe Tageszunahmen und gute Milchleistungen auszeichneten. mehr


„ausgestattet wie ein Haupterwerbsbetrieb“

Die meisten Arbeiten auf dem Betrieb verrichten Stoltenfelds selbst. Entsprechend ist der Hof mit Technik ausgestattet. Neben dem Fendt Vario 930 und einem Case IH Maxxum 120 gibt es noch einen älteren Deutz und einen Teleskoplader. Zum Maschinenpark gehören ein 6-Schar-Volldrehpflug mit Packer und Krümelwalze, eine 6-m-Kurzscheibenegge, ein 3-m-Tiefengrubber und eine Drillmaschine, dazu Mähwerke, Schwader, Heuwender, Siloballenwickler und Rundballenpresse. „Wir sind ausgestattet wie ein Haupterwerbsbetrieb“, lacht Stoltenfeld. Aus seiner Sicht macht es aber Sinn, in Technik zu investieren. „Unser Zeitfonds ist begrenzt, ich komme meist erst gegen 18 Uhr oder später von der Arbeit. Wenn wir was schaffen wollen, muss die Technik effektiv sein.“

Als Stoltenfelds sich vor zwei Jahren entschlossen, Getreide und Raps selbst zu dreschen und dafür alte Technik kauften, erwies sich dies als keine gute Idee. „Wir haben drei Wochen geschraubt und zwei Wochen nach Feierabend gedroschen. Das war nicht effektiv“, ärgert sich Rico Stoltenfeld.

In diesem Jahr wurde der Mähdrusch neben dem Pflanzenschutz wieder als Lohnarbeit an benachbarte Haupterwerbsbetriebe vergeben. „Wir haben zwar keinen Maschinenring, aber man hilft sich“, so Stoltenfeld. Für alle Zeit will der Technikfreak den Mähdrusch mit eigener Technik nicht ausschließen. „In zehn Jahren haben wir einen großen Drescher. Jetzt investieren wir erst einmal in Boden.“

Direktvermarktung von Fleisch und Wurst

Technik des Hofes
Ein Teil der Technik findet unter dem Schleppdach Platz. Das Strohlager daneben bietet einen großen Vorrat an Winterfutter. (c) Gerd Rinas

Die Aufgaben rund um die Uckermärkerzucht sind im Betrieb klar verteilt: Während sich Rico Stoltenfeld und Dirk Dittmann um die Feldarbeiten und das Grünland, Mutter Petra und Schwester Nadin um Buchhaltung und Vermarktung kümmern, schaut Vater Hartmut Stoltenfeld nach den Tieren.

„Wenn die Uckermärker zwei Jahre alt sind, entscheidet sich, ob wir sie für die Zucht behalten oder sie in die Vermarktung kommen“, sagt Rico Stoltenfeld. Zwischen zehn und 15 Tiere lässt der Landwirt im Jahr bei Danish Crown in Teterow schlachten. Bei der Zerlegung arbeitet man mit zwei Firmen in Woldegk und Neustrelitz zusammen. Vor viereinhalb Jahren hat die Familie eine Kühlkammer in Betrieb genommen, in der drei zerlegte Rinder eingelagert werden können. Wenn sie sich leert, wird geschlachtet.

Stoltenfelds vermarkten Fleisch und Wurst ihrer Uckermärkerzucht direkt, entweder über den Hofladen oder das Internet. „Unser Angebot wird sehr gut nachgefragt“, sagt Rico Stoltenfeld.

Wochentags hat der Hofladen ab 17 Uhr geöffnet, am Wochenende ab 9.30 Uhr. Im Angebot sind zehn Sorten Wurst und Schinken und 28 Fleischprodukte, darunter neun Steaksorten. Kunden können zwischen Paketen von drei bis sieben Kilo wählen. In der Grillsaison gibt es spezielle Angebote, etwa mit Grillwurst und Burger-Patties, und möglichst kein Suppenfleisch. „Das essen die Leute im Sommer eher weniger“, so Rico Stoltenfeld.