Tag des Milchviehhalters: Ein Format mit Tradition

Der diesjährige Tag des Milchviehhalters am Zentrum für Tierhaltung und Technik im altmärkischen Iden wartete mit einem Fachvortrag zur Tierzucht und einer Reise zu Milchviehbetrieben auf fünf Kontinenten auf.

Der Tag des Milchviehhalters in Sachsen-Anhalt bietet Praktikern alljährlich im Frühjahr und im Spätherbst die Möglichkeit, sich zu speziellen fachlichen Themen weiterzubilden und Erfahrungen auszutauschen. Am 10. November erlebte die traditionsreiche Gemeinschaftsveranstaltung der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau (LLG), des Landeskontrollverbandes für Leistungs- und Qualitätsprüfung und der Rinder-Allianz GmbH ihre 50. Auflage.

Angesichts der aktuell sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation der Milcherzeuger wurde aber auf eine Jubiläumsveranstaltung verzichtet. Stattdessen gab es am Zentrum für Tierhaltung und Technik (ZTT) der LLG in Iden eine Tagung mit zwei Vorträgen, die Mut machen sollten in einer Zeit, in der die Branche unberechtigterweise in „schwere See“ geraten ist, wie RinderAllianz-Geschäftsführer Dr. Matthias Löber bei der Begrüßung der Teilnehmer sagte.

Tiergesundheit im Blick

Im ersten Vortrag ging Hermann Swalve, Professor für Tierzucht und amtierender Direktor am Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Martin-Luther-Universität in Halle/S., auf den „Beitrag der Züchtung zu Gesundheit und Wohlergehen von Rindern“ ein.

Grundlage seiner Ausführungen war eine Stellungnahme des Genetisch-Statistischen Ausschusses der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ), dem Swalve vorsteht. Unter Verweis auf andauernde gesellschaftliche Debatten zu Fragen der Tierzucht sagte er, anfangs habe die züchterische Steigerung der Produktionsleistungen im Vordergrund gestanden, längst stünde aber auch die Verbesserung der Gesundheit und Robustheit der Nutztiere im Fokus.

Prof. Hermann  Swalve
Prof. Hermann Swalve (c) Detlef Finger

Schließlich liege die Tiergesundheit auch im ökonomischen Interesse der Tierhalter. Moderne Zuchtprogramme wichteten die Leistung im Zuchtziel häufig schon zu weniger als 50 %. Gesellschaftliche Vorstellungen von Tierwohl gingen aber teils deutlich über die Mindestanforderungen des Tierschutz- und des Tierzuchtgesetzes hinaus und seien zudem sehr heterogen, was eine Konsensfindung erschwere.

Naturnahe Haltungssysteme

Swalve betonte, moderne Tierzüchtung müsse auch die Umweltbedingungen beachten. Naturnahe Haltungssysteme stellten meist hohe Anforderungen an die Tiere hinsichtlich Gesundheit, Fitness und Robustheit. Es sei notwendig, Tiere für die Umwelten zu züchten, in denen sie typischerweise gehalten werden. Innerhalb einer Tierart habe dies zur Differenzierung in unterschiedliche Rassen mit unterschiedlichen Ansprüchen geführt.

Ein wichtiges Anliegen der Tierzüchtung sei zudem der Erhalt der genetischen Variation der Nutztierpopulationen. Eine möglichst große natürliche genetische Variation sei ein Wert an sich, sichere die Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Haltungs- und Umweltbedingungen und ermögliche zukünftige Zuchterfolge. Hierzu müssten sowohl bedrohte Nutztierrassen als auch die genetische Variation in modernen Nutztierrassen geschützt werden.

Darüber hinaus müsse Tierzüchtung dem Ressourcenschutz dienen. Das Verbessern der Effizienz der Nährstoffverwertung sei möglich und sinnvoll. Zudem könne dies zum Vermindern des Ressourcenverbrauchs und einer besseren Umweltverträglichkeit der Tierhaltung beitragen.


Sachsen-Anhalt aktuell

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Milchviehbetriebe: Von Europa bis Amerika

Danach nahm Bauernzeitungsredakteur Fritz Fleege die Teilnehmenden zum Tag des Milchviehhalters in Sachsen-Anhalt mit auf eine Reise zu Milchviehbetrieben auf fünf Kontinenten, die er dienstlich oder privat besucht hat.

Stationen waren neben Deutschland u. a. die Niederlande samt ausgefeilter Grünlandwirtschaft, Dänemark und seine roten Kühen, Schweden mit den vielen Melkrobotern, Norwegen mit den höchsten Milchpreisen in Europa (> 60 ct/kg), Russland mit in Aktiengesellschaften umgewandelten Kolchosen, Kanada mit den teuersten Milchquotenpreisen (ca. 30.000 $/kg Milchfett), die USA mit ihrem Milchland Wisconsin, Kolumbien mit seinen Wald-Weide-Systemen, Argentinien mit der kostengünstigsten Milcherzeugung, Südafrika und seine Spitzenzucht am Fuße des Tafelbergs, Israel mit der höchsten mittleren Laktationsleistung (gut 12.000 kg), Saudi-Arabien mit dem größten Kuhstall der Welt (40.000 Stallplätze), Indien als weltgrößter Milchproduzent sowie Australien und Neuseeland als größte Milchexportländer.

Der Leiter des Zentrums für  Tierhaltung und Technik, Dr. Gerd  Heckenberger (l.), mit Bauernzeitungsredakteur Fritz Fleege
Der Leiter des Zentrums für Tierhaltung und Technik, Dr. Gerd Heckenberger (l.), mit Bauernzeitungsredakteur Fritz Fleege

Rund 60 Staaten hat Fritz Fleege inzwischen besucht. Eine Zusammenfassung eines großen Teils seiner Reiseeindrücke bietet sein derzeit leider vergriffenes Fachbuch „Menschen. Milchvieh. Melkroboter: Begegnungen in 38 Ländern auf fünf Kontinenten“.

Standort Iden stärken

LLG-Präsident Dr. Falko Holz freute sich, dass der Milchviehhaltertag den Standort Iden in den Blickpunkt rückt. Das sei wichtig, vor allem für die vor Ort vermittelte Überbetriebliche Ausbildung für angehende Land- und Tierwirte sowie Fachkräfte Agrarservice aus Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Hans-Jürgen Schulz, Abteilungsleiter im Agrarministerium, sicherte zu, dass das Land die in Iden geplanten Investitionen, darunter den Neubau eines Kuhstalles, zu Ende bringen werde, um den Standort als Kompetenzzentrum für art- und umweltgerechte Nutztierhaltung zu entwickeln. Dem Zentrum für Tierhaltung und Technik bescheinigte er „hervorragende Arbeit“. Matthias Löber dankte am Tag des Milchviehhalters in Sachsen-Anhalts schließlich den Sponsoren für deren Beitrag zum Gelingen der Tagung und die Unterstützung der Milcherzeugerbranche.

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Junglandwirtinnen: Spitzenduo mit Bodenhaftung

Ihre Betriebe liegen anderthalb Autostunden auseinander. Und doch verbindet Stefanie Peters und Caroline Bartsch eine langjährige Freundschaft. Kennengelernt haben sich die beiden Junglandwirtinnen bei einem Lehrgang für Führungskräfte, und beide übernehmen Verantwortung über ihre Arbeit hinaus: Sie wollen Junglandwirte vernetzen.

Von Heike Mildner

So ganz jung sei der Junglandwirtestammtisch nun auch nicht mehr, schmunzelt Caroline Bartsch: „Wenn du Betriebsleiter wirst, hast du ja schon ein gewisses Alter.“ Die 35-Jährige ist wie die knapp zwanzig jungen Landwirte, mit denen sie sich seit ein paar Jahren trifft, mit ihren Aufgaben gewachsen. Fünf, sechs Mal treffen sie sich bei einem von ihnen auf dem Hof, schauen sich um, fachsimpeln, trinken ein Bier zusammen. Caro – keiner nennt sie hier anders – knüpft die Fäden.

Landwirtschaft ist ihr Zuhause: Ihr Vater, Frank Bartsch, bewirtschaftet einen Ackerbaubetrieb in Groß Rietz, Landkreis Oder-Spree, im Südosten Brandenburgs. Ihre Mutter führte die Bücher, hatte mit der Agrarpraxis nicht so viel im Sinn. Caro schon. Der Vater züchtet Pferde, sie reitet. Und auch wenn sie nach Abi und Ausbildung zur Bankkauffrau erst einmal ins Ausland ging, war klar, dass sie den väterlichen Betrieb einmal übernimmt. In ein paar Jahren wird es soweit sein.

Austausch bei Feldbegehung in Glienicke am ersten schneefreien Tag im Februar in Weizen und Raps
Austausch bei Feldbegehung in Glienicke am ersten schneefreien Tag im Februar in Weizen und Raps (c) Sabine Rübensaat

Hand in Hand

Dass die Landwirtschaft früher als geplant an die Tür klopfte, war ein glücklicher Zufall namens Manuel. Das war 2011. Mittlerweile haben die beiden zwei Kinder. Und seit 2017 führen sie die Glienicker Agrar GmbH. Gemeinsam mit vier Mitarbeitern beackern sie 800 Hektar ganz in der Nähe des väterlichen Hofes. Vorher machte Caro ihren „Bacelor of Sience“ in Agrarwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin. In Glienicke und im Betrieb ihres Vaters erledigt sie die Buchführung, engagiert sich im Bauernverband, dazu zwei kleine Kinder. Wie man das auf die Reihe kriegt? „Familie und Arbeit gehen Hand in Hand“, erzählt sie, tradierte Rollenbilder hätten schon in ihrer Kindheit keine Rolle gespielt, jetzt auch nicht.

Im Herbst vergangenen Jahres wurde Caroline Bartsch auf dem digitalen Bauerntag in den Landesbauernverband Brandenburg gewählt. Und da sie dort so schön den Altersdurchschnitt senkt, ist sie jetzt für die Junglandwirte zuständig. Die Bilanz beim ersten Fachausschuss Junglandwirte fiel allerdings eher ernüchternd aus. In den wenigsten Landkreisen gibt es solche Begegnungsmöglichkeiten wie den Stammtisch in ihrer Region. Und bevor es ans Vernetzen geht, braucht es erst einmal motivierte Strippenzieher in den Landkreisen.

In der Landwirtschaft aufgewachsen

Eine ist Stefanie Peters aus dem Havelland. Obwohl sie sich schon ein paar Jahre kennen, ist sie heute zum ersten Mal auf dem Hof von Caroline Bartsch. Anderthalb Stunden war sie unterwegs, Brandenburg kann ziemlich groß sein, wenn man von Nordwest nach Südost an Berlin vorbei muss. Die Freude, sich zu sehen, ist dafür umso größer. Telefonate, soziale Medien und Online-Konferenzen können persönliche Begegnungen nicht ersetzen. Und ein Arbeitstreffen zu zweit ist zwar noch kein Stammtisch, aber es geht im Gespräch bei einer Tasse Kaffee und einer Runde über den Acker schon mal in die Richtung.

Kennengelernt haben sich die beiden Frauen 2018 bei einem Jahreskurs für Nachwuchsführungskräfte in der Brandenburgischen Landwirtschaftsakademie: Jeden Monat zwei Tage Weiterbildung in der Heimvolkshochschule am Seddiner See, das verbindet. Beide wollten nach ihrem Studium lernen, wie man einen Betrieb führt. Stefanie Peters hatte an der Universität Greifswald Biochemie studiert und wollte in den Betrieb ihres Vaters einsteigen. Anknüpfungspunkte für Unterhaltungen gab es eine Menge.

Auch Stefanie ist mit der Landwirtschaft aufgewachsen. Auch bei Peters führte die Mutter die Bücher, der Vater leitetet nicht nur die Agrofarm Nauen: ein breit aufgestelltes Unternehmen mit rund 2.500 Hektar, Hofladen und angegliedertem Lohnunternehmen. Er ist auch seit vielen Jahren Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Havelland. Große Fußstapfen. Stefanie wollte erst mal eigene in den Boden drücken: Nach ihrem Biochemie-Studium arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin an der Uni. Aber das Hangeln von Projekt zu Projekt spricht in der Wissenschaft leider gegen eine gesunde Lebensplanung. Als 2017 vom Vater ein Angebot kam, das die Arbeit im Betrieb mit einem interessanten Wissenschaftsprojekt anreicherte, kam sie zurück nach Nauen. Sie leitet heute nicht nur die Pflanzenproduktion, sondern begleitet dabei auch ein groß angelegtes Forschungsprojekt, bei dem Methoden des Ökolandbaus in den konventionellen Landbau integriert werden. Es geht um Biodiversität, Gewässerschutz, Anwenderschutz und Digitalisierung.

Havelland gut vernetzt

Mit der Vernetzung der Junglandwirte klappt es auch im Havelland ganz gut, erzählt Stefanie: Es gibt einen Stammtisch und gemeinsame Ausflüge. Eigentlich. Ende März sollte zum Beispiel eine Studienfahrt nach Köln und Leverkusen gehen. Aber die fällt wegen Corona genauso ins Wasser wie der Stammtisch im Januar. Der Havelländer Stammtisch ist – anders als der in Oder-Spree – immer am selben Ort: bei einem Landwirt mit angeschlossener Gaststätte. Es gibt Hackepeterbrötchen, Bier und Gespräche.

Außerdem sind im Havelland die LandFrauen sehr aktiv. Und Steffi mischt auch bei ihnen mit. „Wir haben jetzt mit einem Online-Yogakurs angefangen, um auch jüngere Frauen zu erreichen, die auf dem Land leben“, erzählt sie. Landwirtinnen sind darunter aber eher selten. Kein einziges Mal fällt in unserem Gespräch das Wort Landjugend – was die Brandenburger Verhältnisse diesbezüglich gut widerspiegelt.

Die Buchhaltung frisst immer mehr Zeit, die dem Ehrenamt verloren geht.
Die Buchhaltung frisst immer mehr Zeit, die dem Ehrenamt verloren geht. (c) Sabine Rübensaat

Dennoch können die beiden Frauen auf die guten Erfahrungen bauen, die sie in ihren Regionen gemacht haben. Damit das nicht abreißt, wollen sie andere junge Leute im Berufsstand ermutigen, sich in ihren Regionen zu engagieren. Verbandszugehörigkeit ist dafür eine Voraussetzung, die keine der beiden infrage stellt. Sie sind nicht nur in die Betriebe hineingewachsen, sondern auch in ihre Kreisverbände. Hier haben sie Freundschaften geschlossen und Verantwortung übernommen. Caroline war ein Jahr als Brandenburgische Erntekönigin Botschafterin der Landwirtschaft. Stefanie wurde im Oktober vergangenen Jahres von Julia Klöckner mit der Professor-Niklas-Medaille geehrt. Eine Auszeichnung, die sie als Ansporn für junge Leute versteht, sich für eine nachhaltigere Landwirtschaft zu engagieren. Denn bisher durften sich vor allem ehemalige Minister oder Verbandsgrößen mit würdigem Lebenswerk über die Medaille freuen – Jochen Borchert, Franz Fischler, Albrecht Bartmer … – und dafür ist Stefanie Peters eindeutig zu jung.

Große Erwartungen

Es wird also viel erwartet. Aber schnell wird es nicht gehen. Ein ganzes Jahr ist bei den Junglandwirten fast alles ausgefallen. Nach Corona müssen die beiden erst einmal die Aktivitäten in ihren beiden Regionen wieder anschieben. Und vielleicht müssen ja auch anderswo Frauen die Fäden knüpfen und zusammenführen, auch wenn sie unter den Landwirten eindeutig in der Minderheit sind. „Bei einem Frauenstammtisch würden wir nur zu dritt sitzen“, sagt Caro.

Caroline Bartsch (M.) beim Junglandwirte-Stammtisch.
Caroline Bartsch (M.) beim Junglandwirte-Stammtisch. (c) privat

Übrigens: Zum Frauentag bekommen beide noch immer jedes Jahr Blumen. Vom Vater die eine, von einem traditionsbewussten Kollegen die andere. Gleichberechtigtes Arbeiten ist in ihren Betrieben Alltag. Und das betriebliche Highlight des Jahres – da sind sie sich einig – nicht der 8. März, sondern jeder einzelne Tag in der Erntezeit.

Milchleistungsprüfung 2021: Leichtes Plus, aber Bestandsabbau

Milchleistungsprüfung 2021 im Osten: Die Gesamtzahl der Milchviehbetriebe im Osten ging nahezu um 6 Prozent zurück. Die Kühe aus Sachsen zeigen kontinuierlich die höchsten Leistungen.

Die durchschnittliche Milchleistung ist in den ostdeutschen Milchviehbetrieben im zurückliegenden Kontrolljahr (1. Oktober 2020 bis 30. September 2021) weiter gestiegen, allerdings nur sehr verhalten. Während von 2019 auf 2020 ein mittleres Plus von 237 kg Milch zu Buche stand und erstmals im Schnitt die Marke von 10.000 kg Milch pro Kuh und Jahr überschritten wurde, betrug der Leistungszuwachs in diesem Jahr lediglich sechs Kilogramm – von 10.024 kg auf 10.030 kg pro Kuh.

Auch die Milchinhaltsstoffe blieben nahezu unverändert: Im Mittel der ostdeutschen Länder werden für die Rohmilch der geprüften Kühe 4,04 % bzw. 405 kg Fett (+1 kg) sowie 3,45 % bzw. 346 kg Eiweiß (-1 kg) ausgewiesen.

Milchviehbetriebe : Sechs Prozent weniger

Die Zahlen gehen aus dem Jahresabschluss der Milchleistungsprüfung (MLP) 2021 der Vereinigten Informationssysteme Tierhaltung w. V. (vit) hervor. Der im niedersächsischen Verden ansässige Dienstleister ist der Datenverarbeiter für alle ostdeutschen Landeskontrollverbände (LKV) und Herdbuchzuchtverbände sowie einige westdeutsche Organisationen, darunter Niedersachsen.

Im Jahresmittel standen danach in Ostdeutschland noch 1.764 Betriebe mit zusammen 616.766 Kühen in der Milchkontrolle, das waren im Mittel 350 Kühe je Betrieb. Für die ostdeutschen Länder stehen folgende Zahlen zu Buche:



Die Gesamtzahl der Milchviehbetriebe im Osten ging im Vergleich zu 2020 um nahezu 6 % zurück, der Kuhbestand um drei Prozent. Die anteilig größten Rückgänge bei den Betrieben verzeichneten Mecklenburg-Vorpommern (-7,4 %), Sachsen-Anhalt (-6,9 %) und Berlin-Brandenburg (-6,2 %), gefolgt von Thüringen (-5 %) und Sachsen (-4,7 %). Der Kuhbestandsabbau war in Sachsen-Anhalt am höchsten (-5,1 %), dahinter rangieren Thüringen (-4,4 %), Berlin-Brandenburg (-3,3 %), Mecklenburg-Vorpommern (-2,4 %) und Sachsen (-1,2 %).


Kühe im Melkkarussell der Agrargenossenschaft Reichenbach
(c) Sabine Rübensaat, Fritz Fleege

Karussellfahrt für 280 Kühe pro Stunde

Tierwohl in der Milchkuhhaltung spielt in der Agrargenossenschaft Reichenbach im Vogtland eine besondere Rolle. Die Milchviehanlage dort wurde nach neuesten Erkenntnissen errichtet. Davon haben sich auch Milcherzeuger des IVM ein Bild gemacht. mehr


Sachsens kühe an der Spitze

Im ostdeutschen Ranking blieben bei der Leistung die sächsischen Kühe an der Spitze mit 10.149 kg Milch und 762 kg Fett und Eiweiß (FE), gefolgt von Sachsen-Anhalt (10.117 kg Milch, 754 kg FE) und von Mecklenburg-Vorpommern (10.014 kg Milch, 750 kg FE).

Auch Thüringen knackte mit 10.004 kg Milch (753 kg FE) die Schallmauer, die Berlin-Brandenburg mit 9.842 kg Milch (734 kg FE) verfehlte. Leistungsmäßig am stärksten legte gegenüber 2020 Sachsen-Anhalt zu (+87 kg Milch).

Auch Sachsen (+46 kg) und Thüringen (+26 kg) verzeichneten Zuwächse. In Berlin-Brandenburg (-89 kg) und Mecklenburg-Vorpommern (-26 kg) war die mittlere Milchleistung rückläufig.

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Digitale Bodenkunde

Jeder Boden benötigt für ein gutes Pflanzenwachstum unterschiedliche Mengen an Nährstoffen. Dünger flächig zu streuen, kann aber bedeuten, dass auf Teilen des Ackers zu wenig oder zu viel Nährstoffe ankommen.

Von Julian Delbrügge, Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung e.V. (ILU)

Für eine perfekte Düngung wäre es am besten, Nährstoffe quadratmetergenau zu platzieren. Dies ist ein Aspekt der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung. Dafür braucht es digitale Bodenkunde mit einer komplexen Bodenanalyse und modernen Messsystemen.

Die Veranstaltung „Digitale Bodenkunde – Einblicke in die teilflächenspezifische Bewirtschaftung“ machte diese zum Thema. Die eintägige Veranstaltung von „Landwirtschaft im Dialog“, ein Wissenstransferformat der Koordinierungsstelle im Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) und des Bauernverbandes Brandenburg, bot Vorträge und kurze praktische Vorführungen. Ort des Geschehens: Die agt Agrargenossenschaft Trebbin in Trebbin. Eine dortige Maschinenhalle bot Platz für 30 Zuhörer und auf angrenzenden Flächen wurden die teilflächenspezifischen Lösungen vorgeführt.

Geophilus: Benannt nach einem Tausendfüßler

Anfang 2000 entwickelten das Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) und das Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam den Geophilus. Dieser wird vom IGZ für wissenschaftliche Projekte genutzt und vom Mitentwickler Dr. Jörg Rühlmann in Dienstleistung eingesetzt.

Der Geophilus ist als Anhänger konstruiert und wird von einem Geländewagen über die zu untersuchende Fläche gezogen. Wegen seiner Gelenkigkeit benannten die Entwickler ihr Messgefährt nach dem wissenschaftlichen Gattungsnamen für einen Tausendfüßler.

Geophilus: So funktioniert er

Ein Gammasensor am Geophilus erkennt die natürliche Gammastrahlung des Bodens, die in enger Beziehung zum Tongehalt steht. „Je höher der Gehalt, desto höher die Gammaaktivität“, wie Diplom-Agraringenieur Jörg Rühlmann ausführte. Flächige Unterschiede im Tongehalt werden bis zu einer Tiefe von 30 cm erkannt.

Die zwölf Räder des Tausendfüßlers bestehen aus Metall und übernehmen so den Job einer Elektrode. Denn das vordere Radpaar leitet während der Fahrt ein elektrisches Signal in den Boden. Die übrigen zehn Metallräder – die Messelektroden – empfangen dieses Signal und leiten es zu einem Widerstandssensor. Dabei erfassen die Elektrodenpaare eine Bodentiefe von bis 1,5 m. Der Bodenwiderstand wird unter anderem beeinflusst von Korngröße, Wassergehalt und Verdichtungsgrad, die Korngröße sagt zudem etwas über Humusgehalt, Wasser- sowie Nährstoffspeicherfähigkeit aus.

Besucher der Veranstaltung  „Digitale Bodenkunde“ interessieren sich für den Sammelarm  für Bodenproben der Firma  Agricon
Besucher der Veranstaltung „Digitale Bodenkunde“ interessieren sich für den Sammelarm für Bodenproben der Firma Agricon. (c) Julian Delbrügge

Ein GPS-Empfänger auf dem ziehenden Fahrzeug liefert dazu noch die Geodaten. Zusätzlich werden an wenigen Punkten im Feld echte Bodenproben als Referenz genommen, um den Sand-, Ton- und Schluffgehalt festzustellen.

Durch Verrechnung aller Daten stehen am Ende digitale Karten, die zeigen, wo Areale mit hohen Tongehalten beziehungsweise Sandgehalten liegen. Daraus leiten sich für einen Landwirt Informationen für das Management ab: Zur auszubringenden Saatgut- und Kalkungsmenge, Düngerverteilung beziehungsweise welche Nährstoffmengen wo einzubringen sind. Ist eine optimale Befahrbarkeit gegeben, können 100 bis 120 ha pro Tag bei 18 m Spurabstand befahren und gemessen werden.

kalkung optimieren: Sensorpaket im Dreipunkt

In dem Forschungsprojekt pH-BB wiederum wird die Kalkung optimiert. Hier ermittelt der Geophilus-Sensor die Korngrößenverteilung, den pH-Wert sowie Humusgehalt liefert eine Multisensorplattform. Diese Entwicklung aus den USA wird in der Dreipunktaufhängung eines Schleppers über den Acker gezogen und wurde vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) erweitert. Am Ende des Projektes steht eine Software für Praktiker, die aus allen Daten teilflächenabhängige Kalkmengen errechnet.

Agricon: Ein nichtmetallischer Schlitten

Den elektrischen Widerstand misst auch Agricon. Die Firma setzt aber auf das verbreitete EM 38, das als nichtmetallischer Schlitten hinter einem Fahrzeug hergezogen wird. Es bildet nur eine Tiefenschicht ab, ebenso bis 1,5 m. Bodenproben nimmt später eine Vorrichtung am Fahrzeug während der Fahrt auf. Deren Laboranalyse liefert die pH-Werte und Gehalte an Phosphor, Kali und Magnesium, um daraus die Strategie für die Kalkung, Grunddüngung und organische Düngung, aber auch Saatausbringung abzuleiten.

Darüber hinaus bietet Agricon den sogenannten N-Sensor von Yara an, der, montiert auf dem Schlepperdach, den aktuellen Stickstoffgehalt in der Ackerkultur erfasst und so bei der Stickstoff-Planung hilft.

Die eigentliche Berechnung der Düngeplanung geschieht in der firmeneigenen Plattform Agriport. Agricon hält Mehrerlöse bei richtiger Phosphor- und Kali-Planung von bis zu 50 Euro pro Hektar und Jahr für möglich, ebenso bei zielgenauer Kalkung.

FarmLab: Mit drei Stichen zum Ergebnis

Seit Sommer 2020 ist das Farm-Lab der Stenon GmbH im Handel und mittlerweile von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) zertifiziert, allerdings fehlt noch die VDLUFA-Anerkennung. Das FarmLab besitzt neben einem GPS-Sensor Licht- und Wettersensoren. Am Fuß des spatenähnlichen Gerätes folgen optische und elektronische Sensoren.

Auf dem Acker wird das FarmLab in den Boden gesteckt. Alle von den Sensoren erfassten Daten werden in eine Cloud gesendet und dort per Algorithmus in konkrete Werte umgerechnet. Für ein korrektes Ergebnis bedarf es dreier Einstiche, drei Minuten später folgt ein Messergebnis. Voraussetzung allerdings: „Eine stabile Internetverbindung“, wie Martin Jahr von Stenon betonte. Werte können aber auch gespeichert und später, wenn eine Internetverbindung besteht, übertragen werden.

Die gewonnenen Werte sind umfangreich: Darunter die klassischen Nährstoffe und der pH-Wert, aber auch organischer Kohlenstoff, Humusgehalt sowie Temperatur und Feuchtigkeitswerte. Über eine Software können sich Landwirte anschließend eine Düngeempfehlung für ihren Betrieb ausgeben lassen.

Pix4D: Äcker mit der Drohne kartieren

Das Messergebnis des FarmLab  von Stenon kommt aus der Cloud.  Lange warten muss man darauf  nicht, wenn das Internet stabil  genug ist.
Das Messergebnis des FarmLab von Stenon kommt aus der Cloud. Lange warten muss man darauf nicht, wenn das Internet stabil genug ist. (c) Julian Delbrügge

Julius Petri von Pix4D stellte einen noch ganz anderen Ansatz vor. Pix4D kartiert mit Drohnen die Äcker. Die Flugplanung für eine Drohne ist zum Beispiel mit einem Tablet recht einfach möglich.

Der Drohnenpilot markiert vor Ort die Fläche auf einer digitalen Karte, eine Software berechnet die Flugbahn, die die Drohne automatisch absolviert. Durch Abfliegen der Feldgrenzen lässt sich zum Beispiel ein Schlag vermessen, die Einzelbilder der Drohne lassen sich zudem zu einer georeferenzierten Karte zusammenfügen. Das hilft Landwirten, Lücken im Bestand zu entdecken und auszumessen – gut als Nachweis bei Versicherungsfällen. Regelmäßiges Befliegen unterstützt so beim Überwachen des Aufwuchses.

Aktuell arbeitet die Firma an der Eingrenzung von Unkrautnestern für einen teilflächenspezifischen Herbizideinsatz. Hier werden noch Landwirte für eine Zusammenarbeit gesucht.

Die genannten Aufgaben sind mit herkömmlichen Drohnen mit Standard-Kameras möglich und können von Landwirten selbst übernommen werden. Die Firmensoftware „PIX4Dfields“ hilft beim Erstellen der Karten.

Pflanzenstress multispektral erkennen

Mit teuren Multispektralkameras dagegen, die auch nicht sichtbares Licht nutzen, lässt sich Pflanzenstress sichtbar machen. Ausgelesen wird das vom Blattgrün reflektierte Licht, das sich je nach Zustand der Pflanze unterscheidet. Über den Vitalindex NDVI können Dienstleister somit Flächen in Beständen mit schlechter Stickstoffversorgung identifizieren und daraus eine Applikationskarte erstellen.

DIWELA: Bodenproben im Computertomograph

Isabell Szallies von der Agrathaer GmbH stellte das Projekt DIWELA vor. Hierbei durchleuchten die Wissenschaftlerinnen mit einer Medizinischen Computertomographie (CT) und einer Micro CT Bodenproben. Dadurch werden alle Gänge, Feinwurzeln sowie Verdichtungen im Boden sichtbar, in teils hoher Auflösung. Die Gänge entstehen häufig durch Regenwürmer, viele davon bedeuten also ein aktives Bodenleben.

Und noch mehr wird sichtbar: So sind Proben von Äckern, die per Direktsaat bewirtschaftet werden, feiner durchwurzelt und zeigen mehr Bodenleben, als Proben gepflügter Äcker. Ziel des Projektes ist, aus den gewonnenen Erkenntnissen und mithilfe weiterer Parameter Rückschlüsse auf das Bodengefüge zu ziehen.

Digitale Bodenkunde: FAZIT

Der finanzielle Einsatz für die teilflächenspezifischen Bewirtschaftung zahlt sich vor allem aus, wenn die Techniken kontinuierlich angewendet werden. Ebenso braucht es seine Zeit, bis die Wirtschaftenden die komplexe Technik der digitalen Bodenkunde routiniert anwenden. Zwar fehlen noch Schnittstellen, zum Beispiel zur bestehenden landwirtschaftlichen Technik, doch die Technik verbessert sich ständig.


Mehr Informationen zum Thema unter www.ilu-ev.de


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Traktoren des Jahres gewählt

Normalerweise werden die Tractor-of-the-Year-Gewinner zur Agritechnica ausgezeichnet. Dieses Jahr wurden die von Agrarjournalisten gewählten Sieger ohne die Messe bekanntgegeben, die Zeremonie soll später folgen.

Von Roman Engeler, Chefredakteur Schweizer Landtechnik, Jurymitglied www.tractoroftheyear.org

Dieses Jahr nahmen insgesamt 14 Traktoren von elf Herstellern am Wettbewerb um die begehrten Auszeichnungen im Rahmen von Tractor of the Year teil: Jeweils fünf in der Hauptkategorie und bei Best Utility (vielseitig einsetzbare Vierzylinder-Traktoren mit maximal 10,5 t Gesamtgewicht) und vier im Rennen um den besten Spezialtraktor.

Wie schon im Vorjahr, so war es auch 2021 nicht möglich, dass die Jury, bestehend aus Vertretungen von 25 landtechnischen Fachmagazinen aus ebenso vielen Ländern Europas, alle Modelle Probe fahren konnte. Die Hersteller stellten aber neben detaillierten, technischen Angaben weitere Unterlagen wie Erklär- und teilweise auch Einsatzvideos zur Verfügung, die dieses Manko beseitigen sollten. Seit zwei Jahren wird dieser Wettbewerb vom aufstrebenden indischen Reifenhersteller BKT unterstützt und begleitet.

Tractor of the Year

Beim John Deere 7R 350 AutoPowr überzeugte sich die Jury von der digitalen On-Board-Technologie, den Automatisierungsmöglichkeiten und der geräumigen, komfortablen Kabine. Neben der Leistung punktete dieser Traktor auch mit der spritsparenden Treibstoffgarantie.

Ein weiteres Highlight bei diesem Traktor ist das Active Command Steering, mit dem ein Fahrer die Bedienung weitgehend an seine Vorlieben und Bedürfnisse anpassen kann. EZballast ermöglicht zudem die automatische Installation und Deinstallation von 1.700 kg Zusatzgewicht.


Allzweck-Traktor

In der Kategorie Best Utility gewann ebenfalls John Deere, und zwar mit dem Modell 6120M Auto-Powr. Das ausgereifte stufenlose Getriebe, der kurze Radstand von 2.400 mm, das maximale Gesamtgewicht von 10.450 kg und modernste Technik für Precision Farming-Methoden sprachen für diesen Traktor, der für die unterschiedlichsten Aufgaben von Frontladerarbeiten bis hin zur Bodenbearbeitung und Transporten eingesetzt werden kann.

DIE KANDIDATEN

Hauptkategorie Tractor of the Year:
■ Case IH Optum 300 CVX,
■ John Deere 7R 350 AutoPowr,
■ Massey Ferguson 8S.305 Dyna-VT,
■ New Holland T6.180 Methane Power
■ Valtra T235 Direct

Best Utliity:
■ Claas Arion 470,
■ John Deere 6120M AutoPowr,
■ Landini 5-120 Dynamic,
■ Massey Ferguson 5S.145 Dyna-6 und
■ Valtra A 115 Hitech 4

Best of Specialized:
■ Antonio Carraro SRX 5800,
■ Carraro Tractors Compact VLB 75,
■ Ferrari Vega 85 DualSteer und
■ Reform H 75 Pro

Zusätzlich waren alle Kandidaten für den Award Sustainable Tractor of the Year nominiert.

Spezialtraktor

Mit dem Metrac 75H Pro von Reform gewann ein Außenseiter die Trophäe Best of Specialized. Außenseiter deshalb, weil es Nischenprodukte aus dem Segment der Berglandtechnik in der von Flachländern dominierten Jury doch eher schwer haben. Der niedrige Schwerpunkt, das hydrostatische Getriebe und die Möglichkeit, mit zwei Arbeitsgeräten gleichzeitig arbeiten zu können, gaben letztlich den Ausschlag zugunsten von Reform.

Keine Überraschung: New Holland gewinnt mit  dem T6.180 Methane Power die Nachhaltigkeitsauszeichnung Sustainable Tractor of the Year.
Keine Überraschung: New Holland gewinnt mit dem T6.180 Methane Power die Nachhaltigkeitsauszeichnung Sustainable Tractor of the Year. (c) Werkbild

Nachhaltigkeitspreis

Mit dem New Holland T6.180 Methan Power kam der erste kommerziell gebaute Traktor mit der Möglichkeit, betriebseigenes Biogas als Treibstoff zu verwenden, in den Genuss des Titels Sustainable Tractor of the Year.

Das Grundkonzept mit Chassis, Kabine und Getriebe ist zwar nicht neu, aber der für den Gas-Betrieb modifizierte 6,7-l-NEF-Motor von FPT überzeugte die Jury insofern, als dass dieser die gleichen Leistungswerte wie sein Diesel-Äquivalent aufweist. Neben den Kosten werden vor allem die Emissionswerte gesenkt, zudem kann auf die aufwendige Abgasnachbehandlung verzichtet werden, da nur noch ein einfacher Dreiwege-Katalysator notwendig ist, um die Abgasnormen einzuhalten.

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Rote Karte für Gebietskulisse

Ein Paukenschlag war die kürzliche Aufhebung der Düngelandesverordnung in Mecklenburg-Vorpommern. Lesen Sie hier die erste Einschätzung eines in das Verfahren involvierten Experten.

Von RA DR. Robert Krüger, Geiersberger, Glas & Partner mbB, Hansestadt Rostock

Nun war es endlich soweit: Das Oberverwaltungsgericht Greifswald hat am 12. November 2021 die Urteilsgründe für seine viel beachtete Entscheidung übermittelt, in der es die Düngelandesverordnung (DüLVO) für das gesamte Landesgebiet Mecklenburg-Vorpommerns aufgehoben hat. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig; die Landesregierung hat einen Monat Zeit, um mit dem Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil vorzugehen.

Nachfolgend werden wesentliche Erwägungen des Gerichts dargestellt und die Pressemitteilung des Landwirtschaftsministeriums vom 12. November 2021 eingeordnet.

Keine Nutzung von Stützmessstellen

Das Gericht hat die DüLVO aufgehoben, weil die zugrunde liegende Regionalisierung, das heißt die von den belasteten Messstellen ausgehende Ermittlung der mit Nitrat belasteten Flächen, gegen die zwingenden Vorgaben verstößt. Es fehlt, wie von den Klägern vorgetragen, die Plausibilisierung an sogenannten Stützmessstellen, zum Beispiel mithilfe der neuen durch die Landwirtschaft errichteten Messstellen.

Das Gericht stellt fest: Ein Regionalisierungsverfahren, welches eine solche Plausibilitätsprüfung methodisch nicht zulässt, ist keine rechtskonforme Grundlage für die Ausweisung der mit Nitrat belasteten Gebiete. Dasselbe gilt, wenn eine Plausibilitätsprüfung nicht durchgeführt wurde, obwohl das genutzte Regionalisierungsverfahren diese eigentlich zulässt.


Gebäude des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) in Greifswald
(c) David Benzin

Düngelandesverordnung MV: Verfahrensschritte nicht eingehalten

Das Oberverwaltungsgericht Greifswald hat heute sein Urteil zur Düngelandesverordnung MV begründet. Erforderliche Verfahrensschritte wurden nicht eingehalten, weshalb das OVG die Düngelandesverordnung für unwirksam erklärt hat. mehr


Blick in die Zukunft: Aktuelle Daten nötig

Das Gericht macht in seiner Entscheidung Ausführungen, welche Möglichkeiten die Landesregierung hat, um nach der Aufhebung der DüLVO auf das Fehlen von roten Gebieten zu reagieren. Es sei grundsätzlich möglich, auf der Grundlage von § 13a Abs. 4 der bundesweit geltenden Düngeverordnung (DüV) eine Gebietskulisse festzulegen, ohne eine neue Rechtsverordnung zu erlassen.

In diesem Zusammenhang arbeitet das Gericht deutlich heraus, dass die chemischen Zustände der Grundwasserkörper aus den Bewirtschaftungsplänen der EU-Wasserrahmenrichtline des Jahres 2015 nicht die Basis einer solchen Ausweisung sein können. Wörtlich wird ausgeführt: „Eine in der Vergangenheit erfolgte Festlegung von mit Nitrat belasteten Grundwasserkörpern ist dafür offensichtlich ungeeignet.“

DüV: Sinnvoll nur mit Binnendifferenzierung

Es ist aber nicht vertretbar, auf der Basis von § 13a Abs. 4 DüV für Mecklenburg-Vorpommern ohne eine Binnendifferenzierung (Regionalisierung) neue rote Gebiete auszuweisen. Diese Vorschrift würde es nach ihrem Wortlaut allenfalls erlauben, die Grundwasserkörper mit einer belasteten Messstelle als rote Gebiete auszuweisen, die nach der Wasserrahmenrichtlinie einen guten chemischen Zustand aufweisen (grüne Grundwasserkörper). Es entstünde die absurde Situation, dass dann nur die grünen Grundwasserkörper mit ihrer verhältnismäßig geringen Nitratbelastung als rote Gebiete gelten. Denn eine entsprechende Festlegung in den Grundwasserkörpern mit einer größeren Nitratbelastung (schlechter chemischer Zustand – rote Grundwasserkörper) unter Nutzung von § 13a Abs. 4 DüV scheitert daran, dass diese Regelung keine Berechtigung enthält, hier ohne eine Binnendifferenzierung rote Gebiete festzulegen.

Und eine Anwendung dieser Vorschrift über den ausdrücklichen Wortlaut hinaus verstößt gegen das Verfassungsrecht, wonach die rechtliche Grundlage für ein belastendes Handeln gegenüber dem Bürger nicht durch analoge Anwendung einer Norm gewonnen werden darf. Hinzu kommt: Es fehlt in Mecklenburg-Vorpommern die Bestimmung, welche Behörde für eine Festlegung nach § 13a Abs. 4 DüV als zuständige Stelle gilt.

Folglich müsste die Landesregierung erst die Düngerechtszuständigkeitsverordnung entsprechend ändern. Die vorstehenden Bedenken sind so gewichtig, dass die einzige vertretbare Reaktion der Landesregierung auf das Gerichtsurteil der Erlass einer neuen DüLVO ist, die die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Gebietsausweisung (AVV GeA) des Bundeslandwirtschaftsministeriums und die Gerichtsentscheidung berücksichtigt.

Dabei wäre darauf zu achten, dass lediglich im Sinne der AVV GeA geeignete Messstellen genutzt werden. Letztlich ist eine Ergänzung des Messstellennetzes unumgänglich. Bei einer erneuten Regionalisierung (Binnendifferenzierung) wären dann Stützmessstellen für eine Plausibilisierung der modellierten Gebiete zu nutzen, wie sie durch das OVG Greifswald gefordert werden. Es liegt nahe, dass es auch die Aufgabe der Landwirtschaft ist, die zusätzlichen Messstellen und Stützmessstellen zu identifizieren und ihre Berücksichtigung einzufordern.

Konstruktiv arbeitenfür differenzierte Lösung

Das Landwirtschaftsministerium hat kurz nach der Übermittlung der Urteilsgründe auf die Gerichtsentscheidung im Rahmen einer Pressemitteilung reagiert, erweckt dabei zum Teil aber einen falschen Eindruck. Es ist – vorsichtig ausgedrückt – missverständlich, wenn das Ministerium schreibt, dass „[…] in dem Urteil […] in keiner Weise kritisiert [wurde], dass die vom Land zur Ausweisung der roten Gebiete einbezogenen 552 Grundwassermessstellen ungeeignet waren.“

Tatsächlich hat das Gericht während des Verfahrens in einem schriftlichen Hinweis aufgezeigt, dass die Frage der Eignung der Messstellen durch ein gerichtliches Gutachten zu klären wäre. Dazu hätte sich das Gericht nicht veranlasst gesehen, wenn die Eignung der Messstellen außer Frage gestanden hätte.


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Die Aussage, künftig könnten „[…] ca. bis zu 85 Prozent landwirtschaftliche Fläche zu roten Gebieten erklärt werden“, steht im Widerspruch zu den zwingenden rechtlichen Vorgaben für eine Ausweisung der roten Gebiete und zu den tatsächlich anzutreffenden Nitrat-Verhältnissen. Die befürchteten hohen Flächenanteile erreicht das Land nur dann, wenn es ganze GWK als rote Gebiete ausweist, was einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten dürfte, wie oben dargelegt wurde.

Angesichts der Herausforderungen für die Ausweisung einer rechtskonformen Gebietskulisse erscheint der Aufruf des Ministeriums, dass nun alle Beteiligten konstruktiv gemeinsam an einer Lösung arbeiten, der richtige Weg zu einer rechtskonformen Ausweisung der belasteten Gebiete zu sein.

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TAP: Gespräch über gelegte und ungelegte Eier

Wir führten ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Trebnitzer Agrarproduktions GmbH, Dirk Steinhoff. Darin ging es um den neuen Produktionszweig der Legehennen, um Zufriedenheit und Zukunft.

Das Gespräch führte Heike Mildner

Seit wir vor etwa zwei Jahren das erste Mal auf dem Betrieb in Trebnitz waren, hat sich viel getan. Damals berichteten wir über ein Seminar zur Umstellung auf ökologischen Landbau, und Frank Schumacher, der 2019 die erste Biosaat in der Erde hatte, berichtete begeistert vom ackerbaulichen Herangehen an die Umstellung. Diesen Prozess wollten wir begleiten! Seit Ende April 2020 war die TAP Praxispartner der Bauernzeitung in Brandenburg. Unseren letzten Besuch nutzen wir für ein Gespräch mit TAP-Geschäftsführer Dirk Steinhoff.

Die Umstellung ist abgeschlossen, die Ställe stehen, die Hühner legen. Läuft alles zu Ihrer Zufriedenheit?
Ja, der Betrieb läuft rund. Die Legehennen erweisen sich wie versprochen als robust, die Verluste liegen bislang unter einem Prozent. Derzeit müssen wir ein bisschen aufpassen, dass nicht zu viele L-Eier gelegt werden, denn das wirkt sich langfristig auf die Gesundheit der Hennen aus. Wir können das bis zu einem gewissen Grad über das Futter regulieren, hat mir unser Tierarzt eben am Telefon bestätigt.

Wie geht es betrieblich weiter, wo jetzt alles rund läuft?
Wir bauen gerade eine zweite Anlage für die Bio-Legehennenhaltung, also zwei weitere Doppelställe für weitere 12.000 Legehennen: mit demselben Planer, denselben Firmen, derselben Förderung, denselben Züchtern. Die Bedingungen stimmen, wir haben ausreichend Fläche, und der Markt gibt es her. Wir werden auch noch in eine Packstelle investieren, damit wir hier zu noch mehr Regionalität kommen. Außerdem sanieren wir gegenüber vom zweiten Stallensemble ein Bauernhaus, das wir vor 25 Jahren mitgekauft haben. Die Trebnitzer warten schon seit 20 Jahren, dass da was passiert. Ich habe hier also noch einiges vor.

TAP-Brandenburg Mitarbeiter
Abschied vom TAP-Team: Olaf Maske, Azubi Max Schurke, Jessie Heyer und allen anderen „Hühnerflüsterern“. (c) Heike Mildner

Sie haben also den genauen Vergleich – auch was die Stallbaukosten betrifft?
In der Tat. Die sind in nur einem Jahr um 20 Prozent gestiegen. In der Kalkulation macht sich das mit einem Cent weniger Gewinn bei jedem künftigen Ei bemerkbar. Außerdem kommt es am neuen Standort zu Verzögerungen bei der Versorgung mit Strom und Wasser. Wir werden den Strom in der Bauphase wohl mit einem Dieselgenerator erzeugen müssen.

Dennoch haben Sie offenbar keinen Grund, für bessere Bedingungen zu demonstrieren.
Ich komme aus der „Göttinger Schule“ und bin groß geworden mit Butterbergen und vollen Interventionslägern für Getreide, weil da vollkommen am Markt vorbei produziert wurde. Daher bin ich überzeugt: Bei allem, was wir tun, müssen wir davon ausgehen, dass die Agrarförderung in der heutigen Form irgendwann vollständig wegfällt.

Und was ist mit den schlechten Brandenburger Böden, dem Standortnachteil?
Wir haben ja auch Standortvorteile. Zum Beispiel, dass die Böden hier keine 80.000 Euro kosten. Auch bei der Pacht kann man maßvoll bleiben. Es sind nicht nur Aldi und Co., die die Pachtpreise nach oben treiben, sondern auch mancher Berufskollege.


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Apropos: Der Name Steinhoff ist kein unbeschriebenes Blatt. Sie haben ganz sicher nicht irgendwo ein Möbelhaus stehen?
Ganz sicher nicht. Außerdem gibt es noch einen Fliegergeneral und eine Forstdynastie Steinhoff – nein, ich gehöre zu keinem davon, nur zu mir. Auch landwirtschaftlich bin ich ein Quereinsteiger, kein Hoferbe. Reiten und Pferde waren mein Ding, ich wollte Tiermedizin studieren, dafür reichte das Abizeugnis nicht. Mein Vater hatte in Salzgitter viel mit Landwirten zu tun: Ich habe eine Lehre gemacht und später Agrarökonomie studiert. Aber ich hatte die Chance, diesen Betrieb zu kaufen, habe die letzten 20 Jahre von meinen Einkünften in der Computerbranche gelebt und alles im Betrieb gelassen. In sieben Jahren werd ich 70, dann will ich mit meiner Frau in Leipzig den Ruhestand genießen.

Und was wird dann aus der TAP?
Die zweite Stalleinheit baue ich gemeinsam mit meinem Sohn Carl. Der hat sich schon als Kind in Trebnitz sehr wohl gefühlt, ist auch jetzt häufig und gern hier, hat Landwirtschaft studiert und wird die TAP einmal übernehmen.

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Gans im Glück – Der Biohof am Jakobsweg

Noch schnattern sie – die rund 900 Gänse auf dem Biohof am Jakobsweg im brandenburgischen Jänickendorf. Doch ihre Tage sind gezählt: Zu Weihnachten werden sie als Festtagsbraten die Gaumen verwöhnen.

Von Bärbel Arlt

Was verbinden Sie mit Weihnachten? Klar, den Gänsebraten, der schön knusprig-braun gebrutzelt sein muss. Und dazu gehört neben Klößen und Rotkohl natürlich auch die Geschichte von der Weihnachtsgans Auguste, die bekanntlich nie im Backofen landete und sogar zum Filmstar wurde. 1946 hatte Friedrich Wolf die Erzählung verfasst. Auguste wäre somit in diesem Jahr 75 Jahre alt geworden. Ist sie natürlich nicht, doch immerhin schaffte es die Filmgans – die übrigens ein Ganter war – immerhin auf stolze 26 Jahre. Altersschwach hörte sie 2013 im brandenburgischen Marzahne auf zu schnattern.

900 Gänse für die Berliner und Brandenburger Backöfen

Auf dem Biohof am Jakobsweg im brandenburgischen Jänickendorf hingegen schnattern die Gänse noch zu Hunderten und scheinen um die lautesten Töne wetteifern zu wollen. Rund 900 sind es noch, sagt Gänsehalter Michael Chickowsky.

Doch ihr Konzert wird bald beendet sein, denn anders als Auguste werden die Biogänse vor allem in Berliner und Brandenburger Backöfen landen. Am 18. Dezember, so erzählt er, werden sie ihre letzte Reise antreten. Ziel ist Altengönna in Thüringen, wo sie artgerecht getötet und geschlachtet werden. Sozusagen bratfertig kommen sie dann zum Biohof zurück. Auch zum Martinstag mussten schon etliche Gänse für einen deftigen Braten Federn lassen.

Doch warum die weite Reise nach Thüringen? „Es gibt hier im Umkreis einfach keinen Schlachthof mehr“, sagt Michael Chickowsky. Zudem müssen hohe Hygiene- und Tierwohl-Standards erfüllt werden. Immerhin ist der Biohof am Jakobsweg biozertifiziert, gehört zum Bioland-Verband und das Federvieh wird nach strengen ökologischen Richtlinien für das Weihnachtsgeschäft aufgezogen.

Direktverkauf auf Märkten

Die Geschichte von der Weihnachtsgans Auguste ist dem gebürtigen Niederrheinländer übrigens nicht fremd, schließlich lebt er seit zehn Jahren auf seinem Biohof in Jänickendorf und verkauft seine Gänse in Direktvermarktung überwiegend auf Märkten in Berlin und Brandenburg. Da bleibt es nicht aus, dass er von Kunden die Geschichte vom schnatternden Federvieh immer mal wieder am Verkaufstresen serviert bekommt.

Vom Niederrhein über Westberlin nach Jänickendorf

Seine Lebensgeschichte serviert er uns allerdings nicht am Tresen und auch nicht bei Gänsebraten – sondern in der Hofküche des Biohofes am Jakobsweg bei frisch gebratenen Spiegeleiern mit Hirschschinken. „Und Mike kann nicht nur erzählen, er hat auch was zu erzählen“, warnt uns seine Schwester Monika vor, die dem Bruder an diesem Tag auf dem Hof unter die Arme greift. Wir lauschen also bei Ei und Kaffee, staunen und lachen. Doch hier alles aufzuschreiben, würde Seiten füllen, also fassen wir uns kurz:

Geboren und aufgewachsen ist Michael Chickowsky mit sieben Geschwistern im Wallfahrtsort Kevelaer am Niederrhein in Nordrhein-Westfalen. Er ist ein leidenschaftlicher Tänzer und mag keine Schlagermusik. Er lernte Pferdewirt und war Sanitäter bei der Bundeswehr. 1987 fuhr er mit einem Wohnmobil und „3.000 DM minus auf dem Konto“, wie er sagt, nach Westberlin – und blieb, arbeitete zunächst als Krankenpfleger und machte sich 1991 in Berlin mit einer Hauskrankenhauspflege selbstständig. 19 Jahre hat er das durchgezogen, zwar viel Geld, aber nicht wirklich das große Lebensglück gefunden. Auf der Suche danach wollte er, wie so viele es tun, auf dem Jakobsweg pilgern und die Erleuchtung finden, wobei ihm das Wandern, wie er zugibt, nicht wirklich im Blut liegt.

Und zum Glück musste er auch nicht losziehen, denn als sich seine damalige Freundin zwei Highland-Rinder zulegte, zog es ihn zurück aufs Land. Er erwarb etwa 50 Kilometer östlich der Hauptstadt zwischen Jänickendorf und Schönfelde im Landkreis Oder-Spree einen Hof – und das am nahe vorbeiführenden ostbrandenburgischen Jakobsweg, der von Frankfurt/Oder nach Berlin führt. Das Gute oder die Erleuchtung sind eben manchmal so nah.

gänsequartier mit 14 Hektar Auslauf

Zu den zwei Highland-Rindern gesellten sich dann auf dem Biohof am Jakobsweg nach und nach weitere Galloway- und Limousin-Rinder, Hühner, Gänse, Truthennen, aber auch eine Hochzeits- und Partyscheune, Ferienwohnungen sowie Wohnmobilstellplätze. „Mein Lebensweg war ein ganz unruhiger“, fasst Michael Chickowsky kurz und knapp seine 60 Lebensjahre zusammen, wobei er selbst die Ruhe in Person sei. Wir können uns ein Schmunzeln nicht verkneifen und machen uns auf zu den Weihnachtsgänsen, schließlich sind wir ja ihretwegen auf dem Biohof.

Doch bevor wir ihnen nahekommen, werfen wir von einer Dachterrasse erstmal einen Blick über den rund 50 Hektar großen Hof, auf dem allein die Gänse 14 Hektar Auslauf haben – und das mit viel frischem Grün, von dem jetzt logischerweise nur noch Reste abgezuppelt werden. Doch schmachten muss das Federvieh nicht, stehen doch unter anderem auch Weizen und Hafer auf ihrem Speisezettel.

gänseweide mit badevergnügen

Aber nicht nur genussvolles Futter und viel Auslauf gehören zu einem glücklichen Gänseleben, sondern auch ein ausgiebiges Badevergnügen. So sind die beiden Teiche auf der Gänseweide gut besucht, um abzutauchen. Vor allem der neue Teich, der erst vor wenigen Wochen angelegt wurde, ist zum beliebten Tummelplatz geworden. Besonders abends, bevor es für die Gänse ins Strohbett in die Scheune geht, wird, wie es sich gehört, nochmal ordentlich gebadet. „Dann sieht man nur noch Weiß auf der Wasserfläche“, beschreibt Chickowsky das abendliche Spektakel. Die Übernachtung in der Scheune hält er für wichtig, auch um die Tiere vor unerwünschten Gästen wie Fuchs, Waschbär oder Wolf zu schützen.

gänsemast ohne zwang und stress

Stress kennt dieses Federvieh am Jakobsweg also nicht und grausame Zwangsmast schon gar nicht. Fast acht Monate haben die Gänse auf dem Hof verbracht und hatten viel Zeit, an der frischen Luft langsam und genüsslich zuzunehmen.

Am 2. Mai kamen sie als klitzekleine Küken aus einer sächsischen Biobrüterei. Jetzt bringen sie als ausgewachsene Weihnachtsgänse stolze vier bis sechs Kilo auf die Waage. „Und sie passen bequem in den Backofen“, versichert der Gänsehalter und erinnert sich an die Weihnachtszeit im vergangenen Jahr. Denn dem Appetit auf Gänsebraten konnte Corona rein gar nichts anhaben.

Insgesamt 1.500 Tiere vom eigenen Hof und – weil die Nachfrage so groß war – von einem biozertifzierten Hof in Mecklenburg-Vorpommern hat Michael Chickowsky aus seinem Verkaufswagen, in dem er auch Produkte von seinen Hochlandrindern und Wildfleisch anbietet, vor allem in Berlin an nur zwei Tagen an viele Gänsebraten-Liebhaber gebracht.

Kostspieliger Weihnachtsbraten?

Auch in diesem Jahr ist die Nachfrage nach frischen Weihnachtsgänsen für den Festtagsbraten riesig, wenngleich Verbraucher beim Preis durchaus auch Federn lassen müssen. Denn der Gänsemarkt ist deutschlandweit angespannt. Gründe dafür sind neben der anhaltenden Corona-Pandemie auch die bis ins Frühjahr 2021 grassierende Vogelgrippe sowie gestiegene Futter- und Energiekosten. Viele Elterntiere mussten aufgrund der Geflügelpest gekeult werden, damit standen letztendlich weniger Küken zur Verfügung.

Mit Preissteigerungen zwischen zehn und 20 Prozent ist zu rechnen, so die Agrarmarkt Informationsgesellschaft AMI. Das heißt, das Kilo Gans wird gegenüber dem Vorjahr um etwa ein bis zwei Euro pro Kilo teurer. Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeute dies Preise von mindestens 10 bis 15 Euro pro Kilogramm. Bei Biogänsen sind es mindestens 20 Euro“, teilt die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung mit. Hinzu kommt, dass es seit Mitte Oktober erneut in einigen Bundesländern Fälle von Geflügelpest gibt. Doch Michael Chickowsky bleibt optimistisch. Er hofft, dass sein Biohof verschont bleibt und die Gänse noch bis kurz vor Weihnachten fröhlich weiterschnattern können.

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Agrargenossenschaft Theuma-Neuensalz: Im regionalen Kreislauf

Die Agrargenossenschaft Theuma-Neuensalz wirtschaftet konventionell, hat aber einen Schweinestall nach Ökokriterien gebaut. Der komplett direktvermarktende Betrieb hält sich damit Optionen offen.

Von Silvia Kölbel

Der neue Stall, den die Schweine der Agrargenossenschaft Theuma-Neuensalz im Vogtland Mitte November nach einem Jahr Bauzeit bezogen haben, ist nach ökologischen Kriterien errichtet worden und hat die Premium-Förderung für mehr Tierwohl in Höhe von 40 % erhalten.

Die Agrargenossenschaft ist allerdings ein konventionell wirtschaftender Betrieb. Diesen scheinbaren Widerspruch erklärt der Vorstandsvorsitzende Udo Weymann: „So ein Stall ist eine Investition in die Zukunft. Auf eine eventuelle Umstellung auf ökologische Landwirtschaft sind wir vorbereitet, auch wenn wir das derzeit nicht planen. Wir möchten, dass die Tiere sich wohlfühlen. Das einzig konventionelle an unserer Schweinhaltung ist jetzt nur noch das Futter. Das beziehen wir von der Reika aus Reinsdorf. Dorthin liefern wir auch unser Getreide“, so Weymann.

Zum Schlachten bringt die Agrargenossenschaft ihre 120 bis 125 Kilogramm schweren Schweine ins 30 Kilometer entfernte Irfersgrün. „Geschlossene regionale Kreisläufe sind uns wichtig. Auch unsere Läufer bekommen wir von einem vogtländischen Ferkelerzeuger“, erklärt Weymann.

Schweine hält der Betrieb ausschließlich für die eigene Direktvermarktung. In der Dorfmitte von Theuma betreibt die Agrargenossenschaft ihren Hofladen, der Bauernmarkt heißt und in dem es neben den selbst erzeugten Produkten, wie Wurst und Fleisch von Rind und Schwein sowie Konserven, auch weitere Lebensmittel zu kaufen gibt. Erst Ende Oktober renovierte der Betrieb seinen Laden und erneuerte die Decke und den Fußboden.

Kooperation mit Edeka

In ihrem Bauernmarkt geht die Agrargenossenschaft eine Kooperation mit dem Einzelhändler Edeka ein. Dieser beliefert das Geschäft mit Lebensmitteln. An die beiden selbstständigen Edeka-Einzelhändler Kadelke mit drei Standorten im Vogtland und im Zwickauer Umland sowie Voigt in Plauen liefert die Agrargenossenschaft Halbkonserven aus eigener Herstellung.

Außerdem kochen die Mitarbeiter in der betriebseigenen Küche täglich 200 Portionen für den Kindergarten, die Schule und für private Kunden. Zudem vermarktet der Betrieb seine Erzeugnisse über ein Verkaufsmobil und zwei Filialen.

Schweinestall: Platz für 400 Tiere

Der Neubau des Schweinestalls gehört zum Gesamtkonzept der Modernisierung des Betriebes. Es entstand ein 20 mal 45 Meter großes Gebäude mit drei mal neun Meter großen Buchten für jeweils 30 Läufer. Mit dem Heranwachsen der Tiere halbiert der Herdenmanager später die Anzahl der Tiere pro Box. Insgesamt reicht der Platz im Stall für 400 Tiere. Der Vorstandsvorsitzende geht allerdings davon aus, dass kaum mehr als 300 Schweine gleichzeitig im Stall leben.

Die zwei-Phasen-Fütterung ist so konzipiert, dass die Schweine ab einem Körpergewicht von 80 Kilogramm energiereicheres Futter erhalten. Trotzdem verfolgt die Agrargenossenschaft mit ihrer Strategie eine extensive Mast und verzichtet auf das Rein-Raus-Prinzip, was auch dem Bedarf der Direktvermarktung geschuldet ist, der aktuell bei 15 bis 20 Tieren pro Woche liegt.

Agrargenossenschaft Theuma-Neuensalz: Tierwohl und Tiergesundheit im Fokus

Als Standort für den Neubau hat der Betrieb eine vom Dorf abgewandte Fläche gewählt, um Geruchsbelästigungen so gering wie möglich zu halten. Die Schweine leben im mit Stroh eingestreuten Stall im Wesentlichen unter außenklimatischen Bedingungen. Der Kotbereich der Boxen lässt sich für die Reinigung abtrennen.

Gegen Langeweile und zur Befriedigung des natürlichen Beiß- und Kautriebes erhalten die Schweine Beschäftigungsmaterial, das Schwanz- und Ohrbeißen verhindern soll. Die Spaceboard-Wände und das Sheddach lassen viel Licht und frische Luft in den Stall. Die Jalousien der Seitenwände lassen sich bei extremen Witterungsbedingungen manuell schließen.

Zum Schutz vor Kälte werden die Boxen mit Schweinehütten ausgestattet. „Wir haben uns im Vorfeld vergleichbare Ställe angeschaut. In den gut eingestreuten Boxen und durch den Schutz der Schweinehütten halten die Tiere mittels Eigenwärme eine Umgebungstemperatur von etwa 20 Grad. Die Zunahmen sind bei diesem hohen Eigenenergieverbrauch im Winter natürlich geringer, was aber für uns kein Problem darstellt“, so Udo Weymann.


Sachsen aktuell

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Nächstes Bauprojekt: neuer milchkuhstall

In einem nächsten Bauprojekt soll ein neuer Stall für die 480 Milchkühe in Theuma entstehen. Geplant ist der Wechsel vom 24er Melkkarussell zu acht Melkrobotern. „Wir verbessern damit die Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeiter. Der Umstieg auf das Robotermelken in Verbindung mit einem Tierüberwachungssystem dient auch dem Tierwohl und damit der Tiergesundheit. Langfristig ist es unser Ziel, die Nutzungsdauer der Kühe und die Zwischenkalbezeit zu verlängern“, so Weymann.

Im Bau befindet sich derzeit ein neues Sozialgebäude mit einer Grundfläche von 300 Quadratmetern mit Sanitärtrakt, Umkleide- und Aufenthaltsräumen. „Wir nutzen dafür ein seit Jahren leer stehenden Stallgebäude“, so der Vorsitzende.

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Impfen gegen Geflügelpest?

Die gefährliche Seuche ist nur eine Herausforderung, vor der Geflügelhalter stehen. Die Branche sieht sich zudem stark gestiegenem Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Ab Januar greifen zusätzliche Auflagen.

Von Gerd Rinas

Vergnügungssteuerpflichtig war das Amt der Vorsitzenden des Geflügelwirtschaftsverbandes Mecklenburg-Vorpommern noch nie. Seit Jahren stehen Geflügelhalter vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Doch die aktuelle Lage scheint allem die Krone aufzusetzen:

„Immer mehr und strengere Auflagen machen uns das Leben schwer. Die Schere zwischen Erlösen und Kosten geht immer weiter auf. Küken werden teurer, die Preise für Futter, Strom und Gas steigen – die Einnahmen wachsen nicht mal ansatzweise mit. Puten- und Hähnchenmäster sind besonders betroffen“, machte die langjährige Verbandsvorsitzende Marion Dorn auf der Mitgliederversammlung in Teterow ihrem Unmut Luft. Der Strukturwandel bei den Geflügelmästern sei nicht mehr aufzuhalten. „Nur wer viele Tiere hält, hat bessere Überlebenschancen“, so die Vorsitzende.

Kopfschütteln bei den Praktikern

Marion Dorn
Marion Dorn

Dass die Politik der Branche Vorschriften macht, offenbar ohne die Bedingungen zu kennen, sorgte in der Versammlung mehrfach für Kopfschütteln. Wenn laut neuer EU-Ökoverordnung sieben Wochen alte Bio-Junghennen bei jedem Wetter ins Freiland sollen, dann ist das aus Sicht der Praktiker in Norddeutschland bei den hiesigen Wetterverhältnissen „Wahnsinn“: „Darauf sind die jungen Hennen nicht vorbereitet“, argumentierte Marion Dorn und forderte für den Schutz der Tiere Ausnahmegenehmigungen.

Henner  Schönecke
Henner Schönecke

Auch zur kostenaufwendigen Aufzucht der Bruderhähne redete die Vorsitzende Klartext: 80 bis 90 Tage lang werden die Tiere vier Mal am Tag gefüttert. Am Ende stehen ganze 600 g Mastausbeute. „Wenn mit der Genschere das Geschlecht schon vor dem Schlüpfen bestimmt werden kann, warum tun wir es nicht?“, fragte Marion Dorn in die Runde. „Ab dem 1. Januar 2022 dürfen keine Küken mehr getötet werden. Genau genommen hat der Lebensmitteleinzelhandel den Gesetzgeber aber überholt“, machte Henner Schönecke, Vorsitzender des Bundesverbandes Ei, aufmerksam.

Schon heute kommt fast kein Ei mehr aus einer Haltung, wo noch ein Hahn getötet wird. Jedes zweite Ei geht an Großverbraucher. Auch wegen der hohen Auflagen sind deutsche Eier bis zu 40 % teurer als die von europäischen Wettbewerbern. „Wir wissen nicht, wie es im nächsten Jahr weitergeht, wenn wir unsere Eier nicht mehr an die weiterverarbeitende Industrie verkaufen können“, so Schönecke ratlos.

Geflügelpest: noch keine größeren verluste in mv

Friedrich-Otto  Ripke
Friedrich-Otto Ripke

Dabei sorgt die Geflügelpest seit einigen Wochen für noch mehr Unruhe. Zwar blieben in Mecklenburg-Vorpommern bisher zum Glück größere Verluste aus. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind der Seuche aber schon wieder große Puten- und Entenbestände zum Opfer gefallen. In MV waren die Verluste 2020 und in der ersten Jahreshälfte 2021 katastrophal: Mehr als 347.700 Hühner, Enten, Gänse und Truthühner tötete die Geflügelpest. Die Tierseuchenkasse zahlte über 5,1 Mio. Euro Entschädigungen.

Geflügelhalter müssten sich auf steigende Beiträge einrichten, kündigte Dr. Monika Walter, Geschäftsführerin der Tierseuchenkasse (TSK) MV an. Wegen der Zahlungen ist die Rücklage in der Geflügelkasse auf ca. 40 % abgeschmolzen. Laut Beschluss des TSK-Verwaltungsrates und mit Zustimmung des Agrarministeriums soll in drei Jahren die Rücklage aufgefüllt werden. Angesichts der ersten Fälle von Geflügelpest in diesem Herbst werde man dafür aber „mit Sicherheit keine drei Jahre Zeit“ haben, weil früher Entschädigungen fällig werden könnten, so Walter.


Gänse in einem Stall, dessen Seiten offen, aber vergittert sind.
(c) Karsten Bär

Geflügelpest: Das Risiko reduzieren

Nach wie vor ist das Geflügelpest-Risko in Deutschland hoch. Das zeigen fortwährend auftretende Ausbrüche in Geflügelbeständen und Fälle bei Wildvögeln. Unser Fachautor ruft die Verhaltensregeln in Erinnerung, die zur Minimierung des Infektionsrisikos beitragen. mehr


impfen: Mehr Diskussionen unter Wissenschaftlern

Vor dem Hintergrund der großen wirtschaftlichen Verluste durch die Geflügelpest brachen Marion Dorn und Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbands der deutschen Geflügelwirtschaft, eine Lanze für das Impfen von Geflügel.


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Elisabeth  Aßmann
Elisabeth Aßmann

„Anders als noch vor fünf Jahren wird auch unter Wissenschaftlern immer häufiger über das Impfen diskutiert“, ließ Dr. Carola Sauter-Louis vom Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald durchblicken. Allerdings tue sich bei der Entwicklung eines Impfstoffs eher wenig, weil er bisher nur in wenigen Situationen zum Einsatz gekommen wäre.

„Der Weg zum Impfen ist lang. Für 2022 ist damit nicht zu rechnen“, sagte Dr. Kim Hüttner vom Epidemiologischen Dienst des Landesamtes (LALLF) in Rostock. Beide Referenten stellten die Ergebnisse neuester Studien vor, die den Nutzen hoher Biosicherheitsstandards in den Geflügelhaltungen eindrucksvoll belegen.

Landtagsabgeordnete Elisabeth Aßmann (SPD) versicherte, dass bessere Bedingungen für die Tierhalter im Land wichtiges Anliegen in der Koalitionsvereinbarung der neuen Landesregierung seien. Darauf hob Hähnchenmäster Ludwig Schulz ab. „Ich erwarte von der Politik, dass Entscheidungen nicht vertagt, sondern ohne Zeitverzug und vor allem fachkompetent getroffen werden. Das neue Teslawerk in Grünheide bei Berlin zeigt, was möglich ist“, gab er Politikern und Verbandsvertretern mit auf den Heimweg.

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Mietbeet: Gärtnern macht glücklich …

… auch ohne eigenen Garten. Denn es gibt eine Alternative: das Mietbeet, das vor allem bei Städtern sehr beliebt ist – wie im brandenburgischen Mehrow am nordöstlichen Berliner Stadtrand.

Von Bärbel Arlt

Er ist superstolz auf seine hängenden Kürbisse – Truong Cong Chinh aus Vietnam. „Genauso wachsen sie in meiner Heimat auch“, sagt er überglücklich, denn im Frühjahr hat er nicht wirklich so recht glauben mögen, dass die grünen Riesen hier, am Berliner Stadtrand, so prächtig gedeihen und die Ernte so reichlich ausfällen würde.

Hier, am Berliner Stadtrand – das ist die brandenburgische Gemeinde Ahrensfelde oder genauer der Ortsteil Mehrow/Trappenfelde. Nebenerwerbslandwirt Martin Buchholz vermietet hier seit drei Jahren Gartenbeete mit einer Größe von rund 45 Quadratmetern. 37 Beete sind es in diesem Jahr gewesen. Gemietet werden sie überwiegend von Berlinern, die im nahen Hellersdorf und Marzahn zu Hause sind. Die Klientel der Hobbygärtner reicht vom Studenten über Familien bis hin zum Rentner. Die einen mieten, weil sie einfach Spaß am Gärtnern haben, für andere ist die Scholle Ausgleich zum stressigen Alltag, und für Familien ist es wichtig, hier draußen Natur mit den Kindern zu erleben und ihnen zu zeigen, was wo wann und wie wächst.

„ Mieten kann man unsere Beete von Anfang Mai bis Ende Oktober in drei Varianten“, erklärt Martin Buchholz. „In der Premium-Version wird die Fläche von uns mit etwa 20 Gemüsesorten – von Salat, Radieschen, Zwiebel über Brokkoli, Zucchini, Rote Bete bis hin zu Blumenkohl, Pastinaken und Hokkaido – bepflanzt und auch die Saison über automatisch bewässert. In der Standardversion wird auch automatisch bewässert, aber die Bepflanzung erfolgt durch den Mieter. Und in der Basisversion erfolgt alles in Eigenregie, wobei Brunnenwasser vor Ort zur Verfügung steht, ebenso Gießkannen und Gartengeräte für jeden.“

Mietbeet: eINE Fruchtbare Geschäftsidee

Was die Hobbygärtner auf ihren Mietbeeten säen und pflanzen – ihrer Kreativität sind dabei fast keine Grenzen gesetzt. „Doch drei Einschränkungen gibt es“, sagt Martin Buchholz. Angebaut werden dürfen keine Pfefferminze und kein Topinambur, „weil man diese Pflanzen nie wieder loswird“, und auch keine giftigen, illegalen und halluzinogenen Pflanzen. „Die kompletten rund 3.200 Quadratmeter sind von einem Wildzaun umgeben, sodass sich Kaninchen, Rehe, Wildschweine nicht am Gemüse bedienen können“, versichert Buchholz.

Und mit Blick über die Mietbeete erzählt der 37-Jährige, dass diese Fläche vorher von seinen Eltern, Mutter ist Tierarzthelferin und Vater gelernter Agrotechniker, seit 1992 im landwirtschaftlichen Nebenerwerb bewirtschaftet worden war. Angebaut wurden dort wie auch auf den insgesamt 24 ha Ackerflächen, die zum Familienbetrieb gehören, hauptsächlich Weizen, Gerste und Roggen als Futtergetreide.

Doch vor drei Jahren fiel die Entscheidung der Eltern, kürzerzutreten und Flächen abzugeben. So kamen Sohn Martin und seine Freundin Michaela auf die Idee, einen Teil der Fläche zu vermieten. Und damit lagen der Prüfingenieur für Elektrotechnik und die Tierarzthelferin goldrichtig. Denn viele Städter sind hungrig nach Grün, frischer Luft, frischem Gemüse aus eigenem Anbau. Zudem sind Kleingärten in Berlin zur Mangelware geworden und die Wartelisten lang. So waren die Beete in Mehrow auch ruckzuck vermietet.

Ein Stück Vietnam vor den Toren Berlins

Seit diesem Jahr gehören auch Truong Cong Chinh und seine Frau Xuan Nguyen Thi, die in Marzahn wohnen, zu den glücklichen Mietbeet-Gärtnern. „Ein Geschenk unserer Tochter“, sagt der 67-Jährige voller Stolz und überglücklich. Denn aus den 45 m2 hat er seit Anfang Mai einen prachtvollen vietnamesischen Garten gemacht, in dem nicht nur hängende Kürbisse gewachsen sind, sondern auch anderes asiatisches Gemüse wie Pak Choi, Wasserspinat, kletternder Spinat, Chrysanthemen, Chili, Klebemais.

Und fast alles gedeiht prächtig, was nicht zuletzt der guten Pflege zu verdanken ist, denn Herr Chinh ist fast jeden Tag mit seiner pflegebedürftigen Ehefrau im Garten. „Nur bei den Erdnüssen hat es mit dem Anbau leider nicht geklappt, für sie ist es hier doch zu kalt“, sagt er.

Dafür können zu seiner Überraschung reichlich Süßkartoffeln geerntet werden. Und bei jedem Gemüse, das er uns vorstellt, merkt man ihm an, wie sehr er sich über das Gedeihen der überwiegend fernöstlichen Pflanzen freut, und er verrät dazu gleich noch Rezepte und gibt gärtnerische Tipps. So wird zum Beispiel Wasserspinat, der in Asien als Sumpfpflanze gedeiht, nur kurz gedämpft, dann im Wok mit Knoblauch leicht angebraten. Dazu gibt es Rindfleisch und Nudeln. Und Wühlmäuse, so versichert er, vertreibt eine Brühe aus Essig, Chili und Knoblauch.

Mietbeet mit hängenden Kürbissen
Die prachtvollen hängende Kürbisse sind der ganze Stolz von Herrn Chinh und seiner Frau Xuan Nguyen Thii, die in dieser Saison fast täglich ihr Mietbeet beackert haben. (c) Thomas Uhlemann
Herrn Chinh und seiner Frau Xuan Nguyen Thii vor ihrem Mietbeet. (c) Thomas Uhlemann

1982, so erzählt er, kam er in die damalige DDR, hat in Leuna Chemiefacharbeiter gelernt, dann in Coswig gearbeitet. Seine Frau kam 1987 nach und war als Näherin tätig.

Seit 30 Jahren wohnen beide in Berlin-Marzahn, und bei seinen Radtouren habe er den Miet-Beet-Garten in Mehrow entdeckt und war begeistert. Tochter Huong Truong hat dann ein Beet gemietet, wohl wissend, dass sie mit diesem Geschenk ihren Eltern eine große Freude bereitet und das kleine Stück Garten so manche Heimatgefühle hervorrufen würde.

Und so kam es auch: „Das Beet mit all dem asiatischen Gemüse weckt Erinnerungen an meine Kindheit in der nordvietnamesischen Provinz Ninh Binh, wo ich aufgewachsen bin. Denn dort gab es frisches Obst und Gemüse immer aus dem eigenen Garten“, schwärmt Herr Chinh. Und jetzt endlich, nach so vielen Jahren, hat er nun gemeinsam mit seiner Frau auch sein eigenes kleines grünes Paradies – wenn auch fernab der Heimat.

Kräuteranbau und Miteinander auf dem Mietbeet

Doch nicht nur das vietnamesische Mietbeet ist eine Augenweide. Gleich nebenan gedeihen auf den Beeten von Klaus Alex aus Hellersdorf vor allem Kräuter, darunter viele exotische wie Japanischer Wasserpfeffer, Mammutbasilikum, Argentinische Myrte, Australisches Zitronenblatt, Andorn, Eibisch, Matico und auch Jiaogulan, das als Kraut der Unsterblichkeit gilt.

Alle Pflanzen hat er beschriftet und sogar mit einem QR-Code versehen, denn Fragen zu den Kräutern, die er anbaut, gibt es oft. Der 63-jährige Profikoch hat die Liebe zu den Kräutern einst in der Küche des „Französischen Hofes“ nahe dem Gendarmenmarkt in Berlin entdeckt, und sie sind für ihn unbedingter Bestandteil einer gesunden Ernährung. Doch nicht nur deshalb baut er sie auf seinem Mehrower Mietbeet an. Für ihn ist der kleine Garten auch ein Ort des Miteinanders und des Austausches. So gibt es natürlich vor allem mit seinem vietnamesischen Gartennachbarn Herr Chinh viele fruchtbare Gespräche.

Auf dem Mietbeet von Klaus Alex wächst Japanischer Wasserpfeffer, der, wie schon sein Name verrät, scharf und pfeffrig schmeckt und gern für Sushi und Sashimi verwendet wird. Die Pflanze blüht im Herbst und schmückt Gärten mit ihren dunklen, rot-grün marmorierten Blättern. Begeistert ist der Koch auch vom Australischen Zitronenblatt, dessen fleischige Blätter voller aromatischer ätherischer Öle sind und sich hervorragend für Eistee und zur Verfeinerung von Joghurt und Obstsalat eignen. (c) Thomas Uhlemann

Die meisten Beete sind jetzt Mitte Oktober fast abgeerntet. Am 1. November, so sagt Martin Buchholz, gibt es den sogenannten Räubertag. Da darf jeder Mietbeet-Gärtner mitnehmen, was noch auf der Fläche zu finden ist. Danach wird sie umgebrochen „Über den Winter säen wir dann eine Gründüngung, bestehend aus Senfsaat, damit sich der Boden erholen kann und genug Kraft für die neue Saison hat“, erklärt Martin Buchholz.

Mietbeet-Fläche wird verdoppelt

Im kommenden Jahr soll die Anbaufläche verdoppelt werden, denn die Nachfrage nach den Mietbeeten, die immer nur für eine Saison gemietet werden können, sei inzwischen riesig, und die Wartelisten seien auch dementsprechend lang geworden.

Klaus Alex und Truong Cong Chinh hoffen, dass auch sie wieder zu den Glücklichen gehören und im kommenden Jahr einen Garten mieten und bestellen können. Herr Chinh weiß auch schon, dass er es dann mal mit dem Anbau von Schwammgurken versuchen möchte, einer einjährigen Rankpflanze, die im tropischen Asien heimisch ist. Und mehr Süßkartoffeln soll es auch geben. Klaus Alex wiederum hat aus den diesjährigen Kräutern Samen gewonnen, die dann in der nächsten Gartenjahr in die Erde kommen.

Übrigens trägt jedes Mietbeet auch einen Namen. Das von Klaus Alex heißt „My Food“, andere nennen sich „Kunterbunt“, „Koljas Kolchose“, „Mamas Yoga“. Herr Chinh hat dem Mietbeet den Namen „Thanh Xuan“ gegeben. „Das bedeutet soviel wie junger Frühling“, sagt er mit einem fröhlichen Lächeln. Na, wenn das kein gutes Vorzeichen für die nächste Mietbeet-Saison ist.

Weitere Nachrichten aus den Bundesländern

Grüne Woche 2022: Erste Länder sagen Teilnahme ab

Unter dem Eindruck steigender Inzidenzwerte haben einige Bundesländer angekündigt, von einer Teilnahme an der Internationalen Grünen Woche im Januar 2022 abzusehen.

Sachsen wird wegen der dynamischen Pandemieentwicklung nicht an der Internationalen Grünen Woche (IGW) Ende Januar teilnehmen. Dies gab Landwirtschaftsminister Wolfram Günther heute (25.11.) bekannt.
„Die stark zugespitzte Corona-Lage hat uns veranlasst, Sachsens Teilnahme an der Grünen Woche abzusagen. Das haben wir schweren Herzens getan. Denn die IGW ist für die sächsische Agrarwirtschaft und das regionale Ernährungsgewerbe traditionell eine enorm wichtige Plattform. Es ist eine Entscheidung, die der Pandemie und der mit ihr verbundenen Unwägbarkeiten verantwortungsvoll Rechnung trägt, die alle Beteiligten schützt und unnötige Ausgaben der Vorbereitung vermeidet.“

igw 2022: Welche Bundesländer haben bereits abgesagt?

Zuvor sagte wie schon Hessen, Baden-Württemberg auch Sachsen-Anhalt aufgrund des dynamischen Pandemiegeschehens seinen Messeauftritt ab. Die Entscheidung sei im Austausch mit anderen Bundesländern getroffen worden, sagte Wirtschafts- und Agrarminister Sven Schulze (CDU). Das Land reagiere damit auch auf die Absage langjähriger Aussteller in der Sachsen-Anhalt-Halle. Auch in Niedersachsen fiel die Entscheidung, nicht an der Messe in Berlin teilzunehmen.

In Thüringen konnten sich noch vor dem Sommer interessierte Aussteller für die Teilnahme am Gemeinschaftsstand des Freistaates bewerben. Angesichts der aktuellen Pandemielage prüfe man nun, ob und wie ein Auftritt auf der Grünen Woche 2022 möglich sein werde, hieß es am Dienstag aus Erfurt.

Man beobachte die entwicklungen der pandemie

Im Schweriner Agrarministerium ging man zu Wochenbeginn noch von einer Teilnahme Mecklenburg-Vorpommerns an der IGW aus. Angesichts erster Absagen anderer Bundesländer sollte die bisherige Entscheidung jedoch noch einmal neu bewertet werden. Ähnlich äußerte sich ein Sprecher des sächsischen Agrarministeriums. Während die Teilnahme Sachsens am Länderabend bereits gestrichen worden sei, habe der Messeauftritt zunächst nicht zur Debatte gestanden. Am Mittwoch (nach Redaktionsschluss) wollte man sich jedoch noch einmal mit anderen Ländern abstimmen.

Das Brandenburger Agrarministerium beobachte derzeit die Entwicklungen der Coronapandemie und beziehe diese in die laufenden Planungen für die Brandenburg-Halle ein, so ein Sprecher am Dienstag. Dabei sei man in engem Austausch mit der Messe Berlin. 52 Stände in der Brandenburg-Halle seien bereits an Ausstellende vergeben. red

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