Viel Rübe, wenig Zucker

Hohe Zuckerrübenerträge stehen in der laufenden Kampagne für die Verarbeitung in den Zuckerfabriken in Zeitz und Dobrovice bereit. Für Herausforderungen sorgte vor allem anfangs die Logistik.


Mit guten Erträgen überzeugt in diesem Jahr die Zuckerrübe in Sachsen. Das gilt sowohl für die Regionen, in denen für das Werk Zeitz der Südzucker AG erzeugt wird, als auch für die Oberlausitz, in der Rüben für den tschechischen Verarbeiter Tereos TTD in Dobrovice wachsen.

Hohe Rübenmengen verzögern den zeitplan

Seit dem 20. September läuft in Dobrovice die Kampagne. Täglich von Montag bis Samstag rollen die Rüben aus Ostsachsen in das tschechische Werk, wie Jan Würsig erklärt, dessen Unternehmen Agroservice GmbH Niedercunnersdorf von TTD mit der Abwicklung der Logistik für den sächsischen Teil des Anbaugebietes beauftragt wurde. Um die 40 Lkw sind im Einsatz, um den Ertrag von 2.100 ha Anbaufläche der Verwertung zuzuführen. Manche Betriebe könnten auf Ergebnisse von bis zu 90 t/ha verweisen, sagt Würsig. Ertragsangaben für das gesamte ostsächsische Anbaugebiet stehen allerdings noch nicht bereit.

Vorgesehen war, dass die Kampagne in Dobrovice bis 18. Januar dauern soll. Doch der Zeitplan wird angesichts der hohen Erntemengen nicht einzuhalten sein. Und dies, obwohl die Fabrik bereits Rübenmengen an andere Standorte umgeleitet hat. Schon beim Abtransport habe man bei einzelnen Landwirten aufgrund der Mengen länger gebraucht als vorgesehen, verdeutlicht Spediteur Jan Würsig.

zuckerrübenernte 2021: Mangel an Fahrern

Insgesamt, so der Agrardienstleister, laufe die Kampagne bisher gut. Allerdings mache sich bei beauftragten Subunternehmern zunehmend ein Mangel an Lkw-Fahrern bemerkbar. Und: AdBlue wird knapp. Der Zusatzstoff zur Abgasnachbehandlung koste in Tschechien bereits 4 Euro pro Liter.

Bereits in der ersten Septemberwoche haben die Rodungen für die Zuckerfabrik in Zeitz begonnen. Am 9. des Monats war Anfuhr-, am Tag darauf Verarbeitungsbeginn, wie Christian Beyer, Geschäftsführer des Verbandes Sächsisch-Thüringischer Zuckerrübenanbauer, berichtet. Die Verarbeitung laufe weitgehend gut.

Doch bei der Logistik gab es die eine oder andere Schwierigkeit, die durch den Mangel an Fahrern bedingt war. Ursache war die späte Getreide- und Maisernte, die noch Kräfte band, während es bei den Rüben bereits losging. Das bedeutete, dass Subunternehmer, die sich andere lukrative Angebote nicht entgehen lassen wollten, erst später zur Kampagne dazustießen. „Aber der Knoten löst sich auf, in den letzten Wochen konnten kontinuierlich hohe Anfuhren realisiert werden“, so der Verbandsgeschäftsführer.


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Schwacher Zuckerertrag

Dass hohe Erträge vom Rübenacker geholt werden, hatte sich bereits im August bei den Proberodungen angekündigt und bestätigt sich nun. Im Werksdurchschnitt seien bisher über 80 t/ha zu verzeichnen, so Beyer. Man nähere sich dem Zielertrag von 84 t/ha. Zudem zeige sich in diesem Jahr, dass die Ertragsspreizung innerhalb verschiedener Regionen im Werkseinzugsgebiet nicht mehr so groß sei. Lag die Spanne 2018 und 2019 bei 35 bis 85 t/ha, liegt die untere Grenze heute bei knapp unter 70 t/ha. Dies resultiert aus zwei Effekten: dem günstigeren Wetter und dem Ausstieg ertragsschwacher Erzeuger aus dem Rübenanbau.

Schwach ist bei der aktuellen Zuckerrübenernte hingegen der Zuckerertrag. Er liegt deutlich unter dem Durchschnitt. Dennoch wird im Schnitt über das Anbaugebiet dank hoher Mengenerträge wohl ein höherer Zuckertrag pro Hektar herauskommen. Für die Zuckerfabrik in Zeitz ist im Einzugsgebiet in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt in diesem Jahr eine Anbaufläche von rund 24.500 ha auszugehen. Der hohe Ertrag wird auch in Zeitz vermutlich das Ende der Kampagne um ein paar Tage aufschieben. Geplant war, am 15. Februar zu enden. Erfreulich stellt sich die Entwicklung des Zuckerpreises dar. Angesichts höherer Erträge und besserer Preise dürfte sich im Schnitt über alle Betriebe für die Zuckerrübenerzeugung im Vergleich zu den Vorjahren eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit ergeben.


Die Zuckerrüben von Landwirt Stephan Frank werden im absetzigen Verfahren gerodet.
(c) Christian Beyer

Der Zucker wird unter dem Durchschnitt liegen

In diesem Jahr werden vielerorts Rübenerträge erzielt, die gut 25 Prozent über dem Niveau der vergangenen Jahre liegen. Überdurchschnittlich waren diesmal aber auch die Blattkrankheiten. mehr


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Hopfen: Kaltes Frühjahr bremste Ertragsaussichten

In diesem Jahr zog sich die Hopfenernte im Salzlandkreis witterungsbedingt etwas länger hin, erreichte jedoch leicht überdurchschnittliche Erträge.

Von Dr. Harald Lütkemeier


Die Hopfenerzeuger im Anbaugebiet Elbe-Saale blicken in diesem Jahr auf eine leicht überdurchschnittliche Ernte zurück. Nach Angaben ihres Hopfenpflanzerverbandes wurden in den 29 Mitgliedsbetrieben in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen von zusammen fast 1.600 ha Anbaufläche etwa 61.000 Zentner Hopfen (umgerechnet 3.050 t) in guter Qualität eingefahren. Witterungsbedingt begann die Ernte vielerorts jedoch erst Mitte September und zog sich bis zum Ende der zweiten Oktoberdekade hin.

Hopfenanbau Sachsen-Anhalt: Ernte rund um die Uhr

Zu den zehn Anbauern mit zusammen fast 700 ha Hopfenfläche in Sachsen-Anhalt gehört die Agrargenossenschaft Baalberge im Salzlandkreis. Im Verbund mit der Schlossdomäne Zepzig GmbH und der Agrar Poley GmbH werden am Standort Weddegast, östlich von Bernburg, 46 ha Ertragsanlagen bewirtschaftet. Diese wurden, beginnend am 7. September, binnen vier Wochen geerntet – rund um die Uhr und auch am Wochenende im Schichtsystem.

In der Anlage an der Bundesstraße B6 wachsen Pflanzen der Bittersorten Hallertauer Magnum und Herkules, erweitert durch die Aromasorten Perle, Saazer sowie Polaris. Im vorigen Jahr wurden hier um die 80 t Hopfen geerntet. Und auch die diesjährige Saison brachte erneut eine nur durchschnittliche Menge etwa gleicher Höhe. Zwar konnten Trockenperioden dank Bewässerung überbrückt werden, das kalte Frühjahr forderte letztlich aber seinen Tribut. Zudem drückten etwa vier Hektar Junganlagen den Schnitt.

Besuch von Bankern

Zum Ende der Ernte hin besuchten 37 Kundenberater/innen aus dem Agrarkredit-Geschäftsbereichen ostdeutscher Sparkassen im Rahmen einer Fachtagung die Hopfenanlage in Weddegast und das dortige Erntezentrum. Ihren Fragen stellten sich Eckhard Mädchen, Vorstandschef der Agrargenossenschaft Baalberge, Abteilungsleiter Dirk Schumacher, Hopfenmeister Hagen Demmel, Hopfenkönigin Mari Berthold sowie Reiner Joachim und Andreas Kunze, Vorsitzender bzw. Geschäftsführer des Hopfenpflanzerverbandes Elbe-Saale.

Der Hopfenanbau am Standort Weddegast hat eine lange Tradition, seit den 1950er-Jahren wird die Dauerkultur hier angebaut. Die Anlagen im Erntezentrum wurden kontinuierlich modernisiert.

Hopfenanbau Sachsen-Anhalt: Ins Aufbereiten investiert

Die Agrargenossenschaft hat in den letzten Jahren viel in die Produktion und Aufbereitung investiert, z. B. in die Erweiterung der Hopfenanlage mit computergesteuerter Tröpfchenbewässerung, in einen Grünhopfenbunker zur besseren kontinuierlichen Beschickung des Bandtrockners sowie einen Trockenhopfenbunker zur Homogenisierung des Erntegutes.


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Die Hopfengerüstanlage mit ihren sieben Meter hohen Betonmasten und dem Stahldrahtnetz über den ca. 600 m langen Reihen, die nur durch Durchfahrtswege unterbrochen werden, hat im Vergleich zu Holzanlagen eine deutlich längere Standzeit. Sie ist für mehr als 50 Jahre konzipiert. Der Hopfen selbst erreicht als Kultur erst im dritten Anbaujahr seinen vollen Ertrag und hat eine etwa 15-jährige Lebensdauer.

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Landwirtschaftsschule Oranienburg-Luisenhof: Wissbegier trifft Tradition

Viele Generationen bäuerlicher Familien absolvierten in der Landwirtschaftsschule Oranienburg-Luisenhof, die auf 150 Jahre zurückblicken kann, ihre Aus- und Weiterbildung.

Von Wolfgang Herklotz

Eines musste Sabine Krüger aus dem havelländischen Garlitz gleich zu Beginn ihres kleinen Vortrags deutlich machen: Sie sei keine Musterschülerin gewesen! „Aber ich denke gern an die Zeit in Oranienburg-Luisenhof zurück. Ich konnte hier viel lernen und Kontakte knüpfen, die mir später sehr hilfreich waren!“

Offensichtlich hatte es jedoch der jungen Frau, die von 2004 bis 2006 ihre Ausbildung an der Landwirtschaftsschule absolvierte, nicht an Fleiß und Engagement gemangelt. Denn im Jahr darauf nahm sie bereits am Meisterlehrgang teil, den sie 2009 erfolgreich beendete. Allerdings hätte sie dann fast die Übergabe der Meisterbriefe, die offiziell in Götz erfolgte, versäumt.

„Ich war so mit meinen Tieren beschäftigt, dass ich den Termin beinahe vermasselt hätte!“ Zum Glück gab es einen hilfreichen Anruf, um sich blitzschnell zurechtzumachen und ins Auto zu springen. Sabine Krüger kam gerade noch rechtzeitig an, um den Meisterbrief aus den Händen des Agrarministers entgegenzunehmen. „Und das Bild wurde dann auch noch veröffentlicht!“

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Landwirtschaftsschule Oranienburg-Luisenhof: Auf Traditionen besinnen

Eine Begebenheit, die die sympathische Frau auf der Feierstunde zum Jubiläum der Landwirtschaftsschule in Oranienburg-Luisenhof am 1. November zum Besten gab. Dass Absolventen dieser Bildungseinrichtung im Landkreis Oberhavel aus dem „Nähkästchen“ plauderten, gehörte ebenso zum Ablauf wie die Ehrung der jüngsten Meisterinnen und Meister.

Aus dem „Nähkästchen“ plauderten Sabine Krüger und Richard Cerbe.
Aus dem „Nähkästchen“ plauderten Sabine Krüger und Richard Cerbe.

Seit Jahren ist es hier üblich, dass sie nebst Blumen die gerahmte Kopie eines historischen Dokuments anno 1927 erhalten. Ein Ritual, das dem umtriebigen Förderverein sehr wichtig ist. Denn nach vorn zu schauen, ist ebenso unverzichtbar, wie sich auf Traditionen zu besinnen. Diese reichen bis ins Jahr 1871 zurück.

Den Grundstein für die Luisenhofer Aus- und Fortbildungsstätte legte seinerzeit der Wanderlehrer Otto Schönfeld, der in Wriezen eine private Ackerbauschule betrieb. Dies war ganz in der Nähe von Möglin, dem Wirkungsort des landwirtschaftlichen Reformers Albrecht Daniel Thaer, dessen Lehrstuhl noch gut erhalten in Luisenhof besichtigt werden kann. Besagte Ackerbauschule wurde wenig später nach Oranienburg verlegt.

Luisenhof: Ca. 1.100 Facharbeiter- und Meisterabschlüsse in drei Jahrzehnten

Seit Oktober 1879 ist Oranienburg Sitz einer landwirtschaftlichen Lehranstalt, seit 1921 mit Sitz auf dem Gut Luisenhof. „Luisenhof ist als agrarwirtschaftliches Bildungszentrum zu betrachten, das mit seinen vielfältigen Bildungseinrichtungen und -gängen viele Entwicklungsabschnitte durchmachte“, betonte Dr. Peter Kallabis auf der Feierstunde.

Der langjährige Direktor der Fachschule für Landwirtschaft und späteren Agraringenieurschule gab einen sehr detaillierten Einblick in die Geschichte von „Louisenhof“, so die ursprüngliche Bezeichnung des Standorts. Viele Generationen bäuerlicher Familien erfuhren hier eine solide Aus- und Weiterbildung. Diese reichte von Ackerbau und Milchwirtschaft bis zu Gärtnerei, Imkerei und Hauswirtschaft.

Zur Bilanz gehören allein in den letzten drei Jahrzehnten rund 1.100 Facharbeiter- und Meisterabschlüsse. Luisenhof war und ist ein „zuverlässiger Anlaufpunkt für wissbegierige Menschen“, würdigte Brandenburgs Agrarminister, Axel Vogel, in seinem Grußwort, das von Abteilungsleiter Eduard Krassa vorgetragen wurde.

Einblick in die Geschichte von  „Louisenhof“ gab Dr. Peter Kallabis.
Einblick in die Geschichte von „Louisenhof“ gab Dr. Peter Kallabis.
Kompetent und hartnäckig: Gudrun Glawe leitet die Schule seit 25 Jahren
Kompetent und hartnäckig: Gudrun Glawe leitet die Schule seit 25 Jahren

Landwirtschaftsschule Oranienburg-Luisenhof: Umzug der Einrichtung

Nach den Worten von Ludger Weskamp, Landrat von Oberhavel, ist die heutige Regionalstelle für Bildung im Agrarbereich ein „wichtiger Begleiter für die hiesige Landwirtschaft“. Er kündigte für 2023 den Umzug der Einrichtung in das neu entstehende Technische Ausbildungszentrum an. Dieses, nur wenige Meter vom bisherigen Standort entfernt, wird noch bessere Lernbedingungen ermöglichen.

Weskamp nutzte zugleich die Gelegenheit, Gudrun Glawe zu danken. Sie stehe seit 25 Jahren der Bildungseinrichtung vor und setze ihre Verantwortung mit „Kompetenz und Hartnäckigkeit“ um. „Wir sind zwar die älteste Landwirtschaftsschule in Brandenburg“, erwiderte Gudrun Glawe, „aber alles andere als verstaubt.“ Dies zeigte sich nicht zuletzt bei der musikalischen Umrahmung der Feierstunde. Paulina Brückner und Christoph Gärtner brachten modernes Liedgut zu Gehör.

Oranienburg-Luisenhof
Agrargenossenschaften: Allen Widerständen getrotzt

Auf ihr 30-jähriges Bestehen blicken viele Agrargenossenschaften im Land zurück, die im gleichaltrigen Fachprüfungsverband von Produktivgenossenschaften in Mitteldeutschland organisiert sind.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands hätten viele mit einer flächendeckenden Wiedereinrichtung bäuerlicher Betriebe gerechnet, nur wenige hingegen mit Nachfolgemodellen für die vormaligen LPG. Gegenwind sei vor allem aus der westdeutschen Verbändelandschaft gekommen.

Trotz aller Widerstände hätten die Betriebe an das Genossenschaftsmodell geglaubt. „Heute sind die Agrargenossenschaften fester Bestandteil der Agrarstruktur in den ostdeutschen Bundesländern“, sagte die langjährige Vorstandsvorsitzende des Fachprüfungsverbandes von Produktivgenossenschaften in Mitteldeutschland (FPV), Dr. Cornelia Wustmann, Anfang September auf der Mitgliederversammlung des Verbandes in Garitz. Allerdings gab sie zu bedenken, habe erst 1997 im Vorstandsbericht eine gelungene Umstrukturierung konstatiert werden können.

30 Jahre FPV: Stabile Mitgliederzahl

Wustmann, die seit 1991 im Verband tätig war und seit 2005 an dessen Spitze stand, war bereits zum 30. Juni dieses Jahres in den verdienten Ruhestand eingetreten. In ihrer Festrede zur Tagung, die nach den Verbandsregularien (Geschäftsbericht des neuen Vorstandsvorsitzenden, Matthias Stünz; Bericht des Beirates von Verbandspräsident Norbert Münch) ganz im Zeichen ihrer offiziellen Verabschiedung sowie des 30-jährigen Verbandsjubiläums stand, blickte die ehemalige Vorsitzende auf die Entwicklung des Verbandes und seiner Mitglieder seit den Anfängen 1991 zurück.

Der Fachprüfverband wurde am 20. Februar 1991 in Bernburg von Vertretern von 34 LPG gegründet. Hervorgegangen ist der FPV aus dem damaligen Landwirtschaftlichen Unternehmensverband Sachsen-Anhalts (LUV), der Mitte 1991 aufgelöst wurde.

Heute zählt der Fachprüfverband konstant über 220 Mitglieder, darunter gut 150 Agrargenossenschaften, die überwiegend (86 %) in Sachsen-Anhalt wirtschaften. Weitere zwölf Prozent sind Brandenburger Betriebe. Die stabile Mitgliederzahl verdeutliche das Vertrauen der Mitglieder in den FPV und die Kompetenz seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Ein stabiler Verband braucht stabile Mitgliedsbetriebe als Basis“, sagte Wustmann. Zuletzt habe sich die Lage durch die Witterung und gesetzliche Erschwernisse auch für die Agrargenossenschaften eingetrübt, was auch für den FPV nicht folgenlos geblieben sei.

Hinzu komme ein wachsender Druck von außen, etwa im Zuge der gesellschaftlichen Diskussion über die Landwirtschaft und den Klimawandel. Darüber hinaus stünden Genossenschaften aufgrund ihrer Betriebsgröße besonders im Fokus, nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit der sogenannten Massentierhaltung.

Den neuen Vorstand des Prüfverbandes bilden Matthias Stünz als  Vorsitzender und Karina Nitz (o.).
Den neuen Vorstand des Prüfverbandes bilden Matthias Stünz als Vorsitzender und Karina Nitz
(c) Detlef Finger

FPV: Dank an Verbündete

„Die Agrargenossenschaften kämpfen weiterhin um die Anerkennung ihrer Rechtsform bei politischen Entscheidungen“, machte Wustmann deutlich. Der FPV als Dienstleister und zugleich Interessenvertreter dieser Unternehmen brauche Verbündete auf agrarpolitischer Ebene und er habe sie auch, sagte Wustmann, die dies mit einem Dank an die berufsständischen Partnerverbände auf Landes- und Bundesebene für die langjährige gute Zusammenarbeit verband. Am Ende ihrer mit viel Beifall bedachten Festrede gratulierte Cornelia Wustmann dem Verband zum Jubiläum und auch dessen Mitgliedern, die in diesem Jahr oft ebenfalls ihr 30-jähriges Bestehen begehen.

Im Anschluss wurde die langjährige Vorstandsvorsitzende vom Verband feierlich aus ihrem Amt verabschiedet. „Sie kann messerscharf analysieren und zwischen den Zeilen lesen“, anerkannte Beiratsvorsitzender Norbert Münch, der zugleich Wustmanns ruhige Art beim Lösen von Problemen lobte. Sie habe den Vorsitz in für den FPV schwierigen Zeiten übernommen und sich in einer Männerdomäne durchsetzen müssen.

Engagierte Arbeit

Wustmann sei eine der ersten beiden weiblichen Fachausschussvorsitzenden im Deutschen Raiffeisenverband gewesen, erinnerte Guido Seedler, beim DRV in Berlinals Referent u. a. für Agrargenossenschaften zuständig. Auch er zollte Wustmann Lob und Anerkennung für ihre Arbeit und ihr Engagement. Sie habe dazu beigetragen, die Geschichte und Struktur der Agrargenossenschaften „in die Köpfe der Agrarpolitiker zu bringen“. Gemeinsam hätten die beiden Verbände diese Rechtsform landwirtschaftlicher Unternehmen, die – anders als ländliche Genossenschaften – Mehrfamilienbetriebe seien, in Brüssel erst bekanntgemacht. Wustmann habe es darüber hinaus auch vermocht, mit ihrem Wissen anderen die Geschichte der Landwirtschaft der DDR samt den damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen näherzubringen.

Wustmanns langjähriger Stellvertreter, Matthias Stünz, der seit dem 1. Juli 2021 in ihrer Nachfolge die Geschicke des Prüfverbandes als Vorstandschef lenkt, sagte, Wustmann habe das Bild des FPV seit 2005 geprägt. Sie habe sich unter den Verbänden stark engagiert und als „Verfechterin der Genossenschaften“ einen Namen gemacht. Als Betriebswirtschaftlerin habe sie maßgeblich den Kennzahlenkatalog und den Betriebsvergleich des FPV mit aufgebaut. Sie sei ein „Vorbild an Tatkraft, Fairness und Veantwortungsbewusstsein“. Ihre Zusammenarbeit im Vorstand sei von gegenseitiger Wertschätzung geprägt gewesen.

Für die gute Zusammenarbeit mit den anderen Berufs- und Fachverbänden im Land bedankte sich stellvertretend der Präsident des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt, Olaf Feuerborn. Er sagte, mit der Übernahme des Agrarressorts durch die Grünen im Jahr 2016 hätten sich die Verbände erst so richtig zusammengefunden. Dieser „Schock“ habe sie zusammengeschweißt, erinnerte Feuerborn u. a. an die prägende Leitbilddiskussion zur hiesigen Landwirtschaft. In diesem Zusammenhang stellte er Wustmanns „nüchterne politischen Analysen“ heraus.


Sachsen-Anhalt aktuell

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Neuer Vorstand

Die Geehrte selbst richtete einen herzlichen Dank an alle. Vor allem an die Mitgliedsbetriebe und Mitarbeitenden, Geschäftspartner und Verbände sowie besonders an ihren langjährigen Stellvertreter, Matthias Stünz. Dem neuen Vorstand, dem neben Stünz als neue Stellvertreterin Karina Nitz angehört, wünschte sie viel Erfolg. Norbert Münch stellte den Anwesenden die beiden Vorstände danach noch einmal vor. Im Namen des Verbandsbeirates sprach er ihnen dessen „vollstes Vertrauen“ aus.

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Tierrechtsverein: Und wieder Vorwürfe

Ein Tierrechtsverein erhebt schwere Vorwürfe gegen Rinderhalter: Kranke Rinder werden gequält und nicht tierärztlich behandelt.

Von Frank Hartmann

Der vegane Tierrechtsverein „Deutsches Tierschutzbüro“ erhebt aktuell schwere Vorwürfe gegen Rinderhalter. „Kranke oder verletzte“ Tiere, die tierärztlich behandelt werden müssten, würden sich selbst überlassen, „da dies im Vergleich zu einer tierärztlichen Behandlung weniger Kosten verursacht“. Nicht selten landeten diese Tiere rechtswidrig auf Schlachthöfen.

Mit zwei vermeintlichen Fällen ging der Verein in die Öffentlichkeit und sprach von einer bundesweiten Dunkelziffer von 200.000 Tieren pro Jahr. Auf Nachfrage hieß es, die Vereinsschätzung beruhe auf Daten, die man mit anderen Tierrechtsgruppen in den letzten Jahren sammelte.

Tierhaltungsverbot für betriebsleiter

Ein angeblicher Fall, der das Phänomen bestätigen soll, ereignete sich in Brandenburg. Wie die Veterinärbehörde des Landkreises Teltow-Fläming mitteilte, war ein im Stall gegrätschter Mastbulle vor dem Gebäude auf weichen Untergrund verbracht worden. „So sollte dem Tier die Möglichkeit gegeben werden, wieder auf die Beine zu kommen.“ Das Tier habe im Schatten gelegen, erhielt Wasser und eine Schmerzbehandlung. Da keine Besserung eintrat, wurde der Bulle „vom Hoftierarzt von seinen Leiden erlöst“.

Das Veterinäramt ging, wie der Betrieb auch, in die Öffentlichkeit, um mögliche Vorwürfe der Tierquälerei zu entkräften. Ungeachtet dessen kündigte der Tierrechtsverein an, rechtlich gegen die Amtsveterinärin vorzugehen und ein Tierhaltungsverbot für den Betriebsleiter erwirken zu wollen.

Ordnungswidrigkeit weil Wasser und Futter fehlten

In Thüringen ging beim Veterinäramt des Kreises Hildburghausen ebenso eine Information über ein außerhalb des Stalles liegendes Rind ein. Wie die Behörde, die das Tier untersuchte, mitteilte, handelte es sich um ein registriertes paratuberkulose-positives Tier, dass aufgegrätscht war und somit nicht selbstständig laufen konnte. Das Rind musste notgetötet werden.

Gegen den Landwirt sei eine Ordnungswidrigkeit gestellt worden, weil Wasser und Futter für das Tier fehlten. Die veganen Tierrechtler fordern auch hier ein Tierhalteverbot für den Landwirt. Angekündigt wurde, in Kürze mit einem weiteren Fall, diesmal aus Mecklenburg-Vorpommern, in die Öffentlichkeit gehen zu wollen.

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Neues Kulap: Ackerbauern verlieren

Grobe Züge der kommenden Ersten Säule und Pläne für das neue Kulap in Thüringen stellten die Landvolkbildung und das Agrarministerium auf einer gemeinsamen Veranstaltung vor.

Von Frank Hartmann

Der Nebel lichtet sich nur langsam. Dennoch gaben die Landvolkbildung Thüringen als Veranstalterin und die auskunftsfreudigen Fachleute des Agrarministeriums in Erfurt erstmals einen Blick auf die neue Förderperiode frei. Fast 250 Interessierte, größtenteils Landwirte, verfolgten die agrarpolitische Bildungsveranstaltung sowohl digital als auch vor Ort im Schützenhaus Stadtroda.

Und um es gleich vorwegzunehmen: Es wird ab 2023 ein Kulap, Investitionsförderung, Unterstützung für den Wissenstransfer und für die Dörfer sowie die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete in Thüringen geben. Einiges ändert sich zum Teil grundsätzlich, anderes bleibt weitgehend erhalten. Unterm Strich erhalten Landwirte weniger Beihilfen.

Basisprämie unter 150 Euro

Dass die Zeit knapp ist und detaillierte Pläne noch nicht vorliegen, begründete Thomas Lettau, Referatsleiter im Agrarministerium, mit Verzögerungen in Brüssel und Berlin. So fehlten sowohl noch Erläuterungen zu wichtigen EU-Regeln der neuen GAP-Förderperiode als auch die finalen nationalen Bestimmungen. Ohne die klaren Bedingungen der Ersten Säule zu kennen, sei es kaum möglich, die landespezifischen Programme für die Zweite Säule exakt zu formulieren.

Lettau ordnete die neue Systematik der GAP und ihre Wirkung ein. Berechnungen des Landesamtes für Landwirtschaft (TLLLR) zeigen, dass es enorme Auswirkungen auf die Einkommen geben wird. Auf Grundlage von Stichproben in Buchführungsbetrieben kommen die Betriebswirtschafter in Jena zu dem Schluss, dass mit der kommenden Basisprämie (149 €/Jahr/ha), der Umverteilungsprämie auf die ersten Hektare und den geplanten Weidetierprämien alle Betriebsformen in Thüringen im Vergleich zu heute verlieren: Ackerbaubetriebe: -98 €/ha oder -7.764 €/AK (ordentliches Ergebnis zuzüglich Personalaufwand; aktuelle Förderperiode: 39.997 €/AK); Futterbaubetriebe: -95 €/ha oder -3.759 €/AK (35.112 €/AK); Verbundbetriebe: -101 €/ha oder -4.894 €/AK (34.206 €/ha).

Ökoregeln ohne Einkommenswirkung

Im Laufe der Veranstaltung sollte sich zeigen, dass Ackerbaubetriebe im nächsten KULAP zu den Verlierern zählen. Lettau stellte klar, dass die vom Bund vorgeschlagenen Honorare für die Ökoregeln der Ersten Säule keine einkommenswirksamen Zahlungen seien. Sie seien lediglich eine Gegenleistung für den Aufwand der Betriebe. Das Agrarministerium in Erfurt wolle mit dem KULAP Anreize schaffen, damit die Bauern im Land von den für Landwirte freiwilligen Ökoregeln rege Gebrauch machen. Denn tun sie es nicht, wandert das Geld zu Betrieben in anderen Bundesländern ab. Welche Ökoregeln die ökologisch wirtschaftenden Betriebe nutzen können, vermochte der Referatsleiter noch nicht zu sagen. Darüber grübelten noch die „Extensivierungs-Fachleute“ der Bundesländer.

Die Schlagteilung wird eines der  wenigen und wohl zentralen Angebote für den Thüringer Ackerbau.  im Landesprogramm sein.
Die Schlagteilung wird wohl das zentrale und eines der wenigen Angebote für die Ackerbauern im Thüringer Landesprogramm sein. (c) Frank Hartmann

Aus für die Winterfurche

Die Konditionalität, also jene Bedingungen in der Ersten Säule, die Landwirte erfüllen müssen, um die Basisprämie zu erhalten, ordnete Lettau als das „neue Greening“ ein. Diese seien also auch Cross-Compliance-relevant. Hier gibt es Anforderungen, etwa zu Feuchtgebieten, die in Thüringen kaum eine Rolle spielen. Andere wiederum sind nicht nur relevant, sondern „einschneidend“.

Dazu zählt Lettau die für Ackerland geforderte Mindestbodenbedeckung von Anfang Dezember bis Mitte Januar. Damit sei die Winterfurche Geschichte. Anbauer von Sommerkulturen wie der frühen Braugerste stehen damit vor einem Problem, zumal das Glyphosatverbot droht. Kulturen, die Herbstdämme verlangen oder erst spät geerntet werden, sind von dieser Auflage befreit.

Fruchtwechsel Wird Pflicht

Klar sein müssen sich Landwirte, die mehr als 10 ha Ackerland bewirtschaften, über den geforderten Fruchtwechsel: Danach muss jeder Hauptkultur eine andere folgen. Stoppelweizen etwa gehört damit der Vergangenheit an. Gleichwohl noch diskutiert werde, was die Hauptkultur alles sein kann, ging Lettau auf Nachfrage davon aus, dass auf Körnermais kein Silomais folgen darf. Für den Fruchtwechsel ab 2023, so die bisherige Interpretation, muss unter Umständen bereits mit dem Anbauplan im Herbst 2022 vorgesorgt werden. Unklar sei auch noch, welche Saaten neben den verwertbaren Kulturen von den geforderten 4 % Ackerbrache ausgeschlossen werden. Für Mutterkuh-, Schaf- und Ziegenhalter brachte Lettau eine frohe Kunde mit: Die bisherigen Tierkennzeichnungsstandards fallen ab 2023 aus Cross-Compliance heraus. Damit gibt es ab 2023 keine CC-Sanktionen mehr etwa aufgrund fehlender Ohrmarken.

Was im Einzelnen von den künftigen Kulap-Angeboten mit den Ökoregeln kombiniert werden kann, blieb auf der Infoveranstaltung vage. Geplant wird, gerade der Grünlandwirtschaft weitreichende Angebote zu machen. Seit zwei Jahren laufen die Planungen zu den kommenden Maßnahmen, die sich stark auf die Weidetierhalter und das Grünland konzentrieren. Darin finden sich Maßnahmen, die mehr als die vier Kennarten aus der neuen Ökoregel einschließen, Ganzjahresbeweidung und Offenlanderhaltung oder Streuobstpflege.


Thüringen Flagge

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Schlagteilung im Kulap

Daneben plant man in Erfurt erneut Maßnahmen für das Biotopgrünland (Mahd, Weide, Hüteschafhaltung), diesmal auch in Abhängigkeit von der Hanglage. Gesetzt ist die Umstellungs- und Beibehaltungsförderung für den Ökolandbau. Das Budget für die Ökoförderung verdoppelt man, weil mit einem Zuwachs bei der Umstellung gerechnet wird.

Die Ökoregel zum „Anbau vielfältiger Kulturen mit mindestens fünf Hauptfruchtarten“ samt Leguminosenanteil von mindestens zehn Prozent will das Agrarministerium dagegen nicht mit einer attraktiven Kulap-Maßnahme ergänzen. Dies fordert der Thüringer Bauernverband. Damit bliebe es bei jenen vom Bund vorgeschlagenen 30 €/ha in der Ersten Säule. Die bekannten Maßnahmen zum Erosionsschutz (in Kulissen) bleiben den Ackerbauern erhalten. Geplant sind zudem Angebote für Ackerrandstreifen, Rotmilan- und Hamsterschutz.

Als neue und zentrale Kulap-Maßnahme für den Ackerbau stellte Lettau die Schlagteilung vor. Danach soll auf einem Schlag eine Hauptfrucht zusammenhängend maximal 25 ha einnehmen. Im Wechsel mit anderen Kulturen des Schlages (etwa Weizen, Gerste, Weizen) kann sie aber wiederholt im Feld stehen. Davon verspricht man sich mehr Vielfalt auf dem Acker und eine Antwort auf den Vorwurf, Monokulturen zu kultivieren. Mit welcher Summe diese und die anderen Maßnahmen honoriert werden, blieb noch offen.

Abstriche im benachteiligten Gebiet

Einschnitte und Änderungen plant das Ministerium für die Ausgleichszulage in den benachteiligten Gebieten. Bis 2025 bleibt alles wie es ist. Danach müsse das Budget um 40 % gekürzt werden. Beibehalten werden die Kulisse slowie die Differenzierung nach Ertragsmesszahl und Anteil der Hauptfutterfläche. Ziel sei, die Zulage jenen Betrieben teilweise zu erhalten, die durch ihren Wegfall am stärksten betroffen wären. Somit beschränken sich ab 2026 die beihilfefähigen Flächen auf Grünland und Ackerfutter (einschließlich Mais). Ein Absenken des Niveaus der Beihilfesätze werde unumgänglich.

Erbsen
Ein zusätzliches Angebot zur Ökoregel mit vielfältiger Fruchtfolge und Leguminosen will Thüringen seinen Ackerbauen nicht machen. (c) Frank Hartmann

Förderung von InVestitionen und Innovation

Neben Lettau gaben dessen Kollegen Markus Kunnen, Steffen Groß und Dr. Manuela Kahl Ausblicke auf die neue Förderstruktur des ELER in Thüringen. So bleibt es etwa, mit geringerem Budget, bei der Agrarinvestitionsförderung (AFP). Diese wird beispielsweise um die Förderung von Technik für die mechanische Unkrautbekämpfung erweitert. Verdoppeln will man den Topf für die Innovationsförderung (Zusammenarbeit von Landwirtschaft, Verarbeitung und Wissenschaft). Die Dorfentwicklung mit Wegebau oder LEADER bleiben ein fester Bestandteil.

Für das neue Kulap in Thüringen wird bereits das kommende Jahr spannend. Mitte 2022 soll die Antragstellung beginnen. Bis dahin müssen die Landwirte wissen, welche Kulap-Maßnahmen sie mit den Ökoregeln der Ersten Säule kombinieren können und wollen. Das dürfte ein Balanceakt werden.

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Besser Kreise schließen, statt in ihnen zu laufen

Nach Jahrzehnten der immer stärkeren Vereinfachungen in der Pflanzenproduktion brechen neue Zeiten an. Jetzt ist die Gelegenheit, das System Boden/Pflanze/Tier neu zu entdecken.

Von Erik Pilgermann

Mit Schafen gegen Schimmel, so lautete meine Überschrift zu einem Beitrag im Februar 2015. Der Ansatz, Wintersaaten zu hüten, ist sehr alt. Lange war er aus der Mode gekommen, doch bereits 2015 wagten zwei Männer, Landwirt Frank Bartsch und Schäfermeister Ronald Rocher, dieses Experiment. Sie rückten im verschneiten Februar dreißig Hektar Wintergerste mit dreihundert Schafen zu Leibe.

Die Aufgabe für die Schafe lautete damals, im überwachsenen Wintergerstenbestand für Ordnung zu sorgen. Ronald Rocher und Frank Bartsch arbeiteten zusammen und wollten der Pilzbrut in überwachsener Wintergerste das Leben schwerer machen. „Jetzt erntet der Schäfer. Wir sind hoffentlich im Sommer dran.“ So fasste Landwirt Frank Bartsch die Situation auf seiner Wintergerstenfläche zusammen, als wir ihn im Februar 2015 erstmals besuchten.

Der Sommer kam dann früher als erwartet, zumindest was die Trockenheit betrifft. Zwischendurch hielten viele Landwirte den Atem an, denn der Wassermangel fiel genau in die Kornfüllungsphase bei Gerste und Roggen. Erinnern Sie sich noch an unsere Ertragsschätzungen von Mitte Mai (Bauernzeitung 20/2015, S. 22–23)? Für die zweizeilige Wintergerste Campanile prognostizierten wir damals mindestens 57 dt/ha bei einem durchschnittlichen TKG. Die Trockenheit danach ließ unseren Mut ziemlich sinken, denn deutliche Ertragseinbußen zeichneten sich ab.


Starkes Team: Anke Buley und Ronald Rocher, umringt von den Söhnen Georg, Hannes, Willi und Max sowie Jannis, ein Freund und Nachbarsjunge.
(c) Sabine Rübensaat

Schafhaltung: Familiäre Leidenschaft

Mit Energie, Herz und Humor widmet sich Ronald Rocher aus dem brandenburgischen Möllendorf der Schafhaltung. Seine Frau und ihre vier Söhne stehen ihm fest zur Seite. mehr


Erfolg trotz Dürre

Am 13. Juli war endlich auch unsere Schafsgerste dran. Frank Bartsch dazu: „Das Korn war erntereif und musste vom Feld. Leider war das Stroh noch nicht überall soweit, sodass die Schafsgerste ziemlich schwer zu dreschen war.“ Wäre seinerzeit nicht der Regen dazwischen gekommen, unser Schlag wäre in anderthalb Tagen beerntet gewesen. So allerdings mussten die letzten zweieinhalb Hektar Campanile bis zum 18. Juli auf den Drescher warten.

Mit Spannung lauerten alle auf den letzten Wiegeschein, der dann für eine angenehme Überraschung sorgte. Die Schafsgerste erbrachte nämlich deutlich über 70 dt/ha. Viel mehr also, als wir Mitte Mai schätzten und es die zwischenzeitliche Dürre hätte vermuten lassen. Ein Auge lachte damals, das andere weinte, denn einerseits war es trotz allem ein erfolgreicher Zieleinlauf unserer Schafsgerste. Andererseits war damit auch die Reise mit Schafen, Schäfer und Landwirt zu Ende. So dachten wir es zumindest (Bauernzeitung 31/2015, S. 22–23). Doch es mussten noch ein paar Jahre vergehen, bis auch die Wissenschaft wieder die Gelegenheit bekam, sich mit der uralten Einheit aus Boden, Pflanze und Tier wieder gezielt auseinanderzusetzen.

System Boden/Pflanze/Tier: Den Kreis schließen

Mit erfreutem Staunen las ich das Motto der 63. Jahrestagung der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften, die im September in Rostock stattfand. Closing the Cycle – Pflanze und Tier im Agrarsystem, so heißt es.

Herrlich, der Ansatz, das Säen und Ernten, das Wachsen und Gedeihen als System oder noch besser als Kreislauf zu betrachten. Noch besser, wenn das Thema praxisnah erforscht wird. So zum Beispiel der Ackerbau mit ganzjähriger Bodenbedeckung und Schafhaltung.

Ein Forschungsteam um Dr. Joachim Bischoff von der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau in Bernburg und Prof. Dr. Miriam Athmann von der Universität Kassel möchte den aktuellen Herausforderungen in der Landwirtschaft statt mit getrennten Strategien mit einer Kombination von Ackerbau, Nutztierhaltung und Grünland als komplexes System begegnen. In einem seit 25 Jahren laufenden Langzeit-Praxisfeldversuch zum Vergleich verschiedener Bodenbearbeitungssysteme in Strenzfeld wurde im Jahr 2020 ein Anbausystem mit Schafhaltung etabliert.

Hierzu wurde eine bisher übliche Vierfelderfruchtfolge mit 1 x Blattfrucht, 3 x Halmfrucht und Sommerzwischenfrucht durch Luzerneanbau zu einer Siebenfelderfruchtfolge erweitert. In jährlicher Abfolge stehen:



Die Bewirtschaftung erfolgte seit 2016 nach den Regelungen der EG-Öko-Basisverordnung.

Schäferin mit Ideen

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Hier können Sie sich
für die Ackerbautagung der LLG in
Bernburg oder Iden
anmelden:
kurzelinks.de/awb4

Fehlen noch die Schäferin und ihre Tiere. Ulrike Wehrspohn, eigentlich aus Thüringen stammend, übernahm 2018 die Schäferei in Strenzfeld und arbeitet seitdem mit der Landesanstalt und Dr. Bischoff zusammen (Bauernzeitung 52/2020, S. 24–26).

Der Versuchsstandort Bernburg-Strenzfeld befindet sich am Südrand der Magdeburger Börde im nordöstlichen Regenschattengebiet des Harzes. Die klimatologischen Durchschnittswerte von 1981 – 2010 betragen in Bernburg-Strenzfeld 511 mm Jahresniederschlag und 9,7 °C Jahresdurchschnittstemperatur. Der Boden am Versuchsstandort ist eine Löss-Schwarzerde aus stark tonigem Schluff (Normtschernosem).

In die Auswertung wurden drei Bodenbearbeitungsvarianten einbezogen, und in Pflug- und der Direktsaatvariante wurde zusätzlich der Einfluss der Schafbeweidung ausgewertet. Die Schafweide erfolgte auf dem Ackerland von Mitte Oktober 2020 bis Anfang Januar 2021 auf 2.500–3.600 m2 abgezäunten Koppeln.

System Boden, Pflanze, Tier: Seit Langem erstmals wieder beschäftigen sich Praxis und Forschung mit dem Thema; Ulrike Wehrspohn und Dr. Joachim Bischoff
Seit Langem erstmals wieder beschäftigen sich Praxis und Forschung mit dem Thema; Ulrike Wehrspohn und Dr. Joachim Bischoff. (c) Erik Pilgermann

Erste Erfahrungen

Geprüft wurden der Einfluss der Bodenbearbeitung und der Beweidung auf ausgewählte bodenbiologische, -chemische und -physikalische Parameter sowie auf die Ackerbegleitflora und den Ertrag der Folgekultur. Erste Erfahrungen sind inzwischen gesammelt und werden anlässlich der nächsten Ackerbautagung am 24. und 25. November in Bernburg und Iden präsentiert. Viele weitere Facetten der Kombination von Ackerbau und Nutztierhaltung werden von Fachleuten beleuchtet. Ich kann Ihnen die Veranstaltung nur wärmstens empfehlen. Beachten Sie bitte, dass die Tagung unter Beachtung der aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen stattfindet. Es gilt die 2G-Regel. Eine Online-Anmeldung bis zum 22. November ist erforderlich.

System Boden/Pflanze/Tier: FAZIT

Altes Wissen gewinnt an Fahrt. Forschung und Wissenschaft bearbeitet in Zukunft stärker das weite Feld der Kombination von Boden, Pflanze und Tier. Wir werden uns in der Bauernzeitung zukünftig im Acker- und Pflanzenbau auch verstärkt mit dem Kreislaufgedanken auseinandersetzen. Es ist Zeit, sich auf die Stärken des Systems zu besinnen, um seinen Schwächen erfolgreich zu begegnen. Ich hoffe, wir sehen uns.

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LVG Köllitsch: Schafschur und Lammzeit voraus

Im Lehr- und Versuchsgut Köllitsch (LVG) rückt die Lammzeit immer näher. Bevor es soweit ist kommen kurz vor Weihnachten die Schafscherer. Leider bringt die Wolle kaum Erlös, da es im Inland kaum noch Verarbeitungsstrukturen gibt.

Langsam aber sicher rücken im LVG Köllitsch die Stallsaison und die Lammzeit näher. Nach den zwei Anpaarungsrunden im Spätsommer und Herbst hat das Lehr- und Versuchsgut (LVG) inzwischen seine knapp 200 Mutterschafe auf einer gemeinsamen Weide zusammengezogen. Die Lämmer aus diesem Jahr sind bereits im Stall. Sie haben vorige Woche die Herdbuchaufnahme hinter sich gebracht. 58 weibliche Tiere, davon sind 33 Merinofleischschafe (MFS) und 25 Schwarzköpfige Fleischschafe (SKF), wurden von Hanno Franke, Zuchtleiter beim Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverband (SSZV), eingehend begutachtet und eingeschätzt.

Bei Bonitur im Frühjahr streng sortiert

Diese Schafe waren nach den Bonituren im April und Mai die Auswahl aus 260 Lämmern dieses Jahres. „Wir hatten im Vorfeld schon sehr streng selektiert“, erklärt Birgit Kurze, Bereichsleiterin Schafe und Schweine im LVG. Aus diesem Grund sei zum einen die Zahl der Tiere zur Herdbuchaufnahme relativ gering gewesen, zum anderen auch die Anzahl der Schafe, die nicht für die Zucht im Bestand bleiben.

Nur sieben Tiere (6 MFS, 1 SKF) wurden nicht ins Herdbuch aufgenommen und werden als Schlachttiere vermarktet. Zehn der fürs Herdbuch ausgewählten MFS werden allerdings nicht die Köllitscher Herde ergänzen, sondern über den SSZV an einen anderen Betrieb verkauft.

Schafe auf der Weide
(c) Karsten Bär

Kurz vor Weihnachten kommen die Schafscherer

Unter den männlichen Lämmern dieses Jahrgangs sind darüber hinaus elf Stück für Zuchtzwecke vorgesehen. Die Jungböcke werden im Januar gekört. Aller Voraussicht nach – das heißt, wenn Corona es zulässt –, soll die Bockkörung für ganz Sachsen wieder zentral stattfinden.

Während die Zutreter ausgewählt sind, erlebt die Herde für dieses Jahr die letzten Wochen auf der Weide. Denn Mitte Dezember geht es in den Stall. Und dies, obwohl auf den Flächen noch genug Futter steht und LVG-Schäfer Uwe Liebhold die Schafe deshalb gern noch eine Woche länger im Freien gelassen hätte. Doch am 22. Dezember kommen die Schafscherer. „Wir hätten den Termin gern in die Woche nach den Weihnachtsfeiertagen gelegt“, sagt Birgit Kurze. Doch darauf habe sich das Schafscherer-Team aus der Nähe von Halle nicht eingelassen. Da die Tiere eine Woche vor dem Scheren im Trockenen stehen sollten, geht es also um den 15. Dezember rein. Denn nass wird nicht geschoren.

Wolle kaum noch etwas wert

Im sächsischen Schnitt über alle Rassen beträgt der Ertrag pro Schaf 3,5 kg Wolle. Es sind natürliche Fasern, die beeindruckende Eigenschaften haben – und heute dennoch kaum etwas wert sind.

Dass Wolle, deretwegen man Schafe früher in erster Linie hielt, in Deutschland kaum Erlös bringt, hat vielfältige Gründe. Darüber gab kürzlich beim Sächsischen Schaftag Carola Förster Auskunft. Sie ist als Referentin für Schafzucht und -haltung beim Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) in Köllitsch tätig. Den Weltmarkt beherrschen große Wollausfuhrländer wie Australien und Neuseeland, die durch große Mengen konkurrenzfähig sind. In Deutschland erschwert es indessen das inhomogene Rassespektrum, dass große Posten einheitlicher Qualität zur Verarbeitung angeboten werden können.

Für Wolle gibt es im Inland kaum Verarbeitungsstrukturen

Und ohnehin fehlen hierzulande Verarbeitungsstrukturen. Die Leipziger Wollkämmerei beispielsweise ist seit fast 30 Jahren geschlossen. Vor allem fehlt in Deutschland der erste Verarbeitungsschritt, eine Wollwäscherei, völlig. Deutsche Erzeuger sind dafür auf das Ausland angewiesen. Und dies bei vergleichsweise hohen Transportkosten: Wolle hat viel Volumen, aber ein geringes Gewicht.

Ansätze für alternative Verwertungen gibt es, etwa für die Herstellung von Düngerpellets für den Ökogemüseanbau. Aber sie stecken noch in den Kinderschuhen. Auch die Köllitscher Wolle wird wohl wieder nur zu Niedrigpreisen verkauft werden müssen. Was bedauerlich ist, aber angesichts ausgezeichneter Lämmerpreise zum Glück weniger ins Gewicht fällt.



Schafe im Stall
In den Bestand kommen insgesamt 51 Zutreter aus der vorigen Lammsaison, die vergangene Woche ins Herdbuch aufgenommen wurden. (c) Karsten Bär

Nach der Schafschur kurz vor Weihnachten werden nur noch ein paar Wochen vergehen, bevor im Köllitscher Schafstall die ersten Lämmer zur Welt kommen. Zunächst sind es die Reinzuchtlämmer aus der ersten Anpaarungsrunde, später dann die Kreuzungslämmer, die für die Mast vorgesehen sind.
Der allererste Nachwuchs ist allerdings schon da. Und zwar aus den Testanpaarungen, in denen die Fruchtbarkeit von zwei neu in den Bestand gekommenen Jungböcken überprüft wurde. Je ein Schaf aus den Dreiergruppen, die den beiden Böcken zugeteilt waren, hat inzwischen gelammt.

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Soay-Schafe züchten und „immer mal ’ne Runde spinnen“

Bereits auf dem Weg ins Büro fährt Karin Radzewitz die Weiden ab. Bei ihren Soay-Schafen findet die selbstständige Handelsvertreterin Ruhe und Entspannung. Geradezu meditativ wird es, wenn sie sich ans Spinnrad setzt.

Von Silvia Passow

Neugierige Blicke begrüßen die Besucher auf der Weide, noch ein, zwei Schritte, dann setzten sich die Schafe in Bewegung, galoppieren ans andere Ende der Wiese, bleiben stehen, äugen forschend zurück. „Soay-Schafe sind Wildschafe“, erklärt Karin Radzewitz. Im Verhalten erinnern sie eher an Rehwild als an Schafe. Sie legen sogar regelrechte Bocksprünge hin. Die Rasse stammt von der schottischen Insel Soay, nordwestlich vor Schottland. Radzewitz züchtet sie seit 15 Jahren. Rund 50 Tiere stehen auf verschiedenen Weiden rund um Brädikow im Havelland. Die Schafe sind nicht nur Nebenerwerb, sie sind ihr Kraft- und Ruhepol.

Im Jahr 2000 zog Radzewitz mit ihrem Gatten nach Brädikow, einem Ortsteil von Wiesenaue. Zum ehemaligen Vier-Seiten-Hof gehörten auch Wiesen und Flächen, eine davon gleich hinter dem Haus. „Kein besonders guter, er-tragreicher Boden. Eher märkischer Sandboden“, sagt Karin Radzewitz. Zunächst ließ sie dort die Pferde aus der Nachbarschaft weiden, bevor sie aufs Schaf als Landschaftspfleger kam. Dabei war ihr wichtig, eine gefährdete Schafrasse aufzunehmen. Die mit 45–60 cm großen Schafe stehen auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH). „Deutschlandweit gibt es fünf, vielleicht sechs weitere Züchter“, sagt Radzewitz.

Soay-Schafe auf einer Weide
Auen und Böcke stehen zumeist getrennt, hier die Auen. © Silvia Passow

Soay-Schafe: Klein und gefährdet

Außerdem sollten die Schafe nicht allzu groß und schwer sein. Das erleichtert die notwendigen Pflegemaßnahmen, wie den Klauenschnitt, sagt die 58-Jährige. Ihre Schafe leben ganzjährig auf sechs Hektar Weideland. Neben einem hohen Weidezaun sichert ein Elektrozaun die Tiere. „Nicht nur vertrauen, auch hauen“, nennt sie die Methode der doppelten Sicherung. Bisher habe sie noch keinen Wolfskontakt gehabt, sagt sie.

Soay-Schafe beim Fressen
Die Soay-Böcke stehen extra. © Silvia Passow

„Ich versuche alles, was möglich ist, um eine Wolfsbegegnung zu vermeiden. Der soll gar nicht erst auf den Geschmack kommen“, fügt sie hinzu. Denn ein Wolfsriss wäre nicht einfach nur ein finanzieller Verlust. „In diesem Fall geht auch unwiederbringliches Material aus dem Genpool verloren.“

Während Radzewitz von den Soay-Schafen erzählt, bleiben diese weiter auf Distanz. Für die Schäferin im Nebenerwerb ist das okay. „Das ganze Jahr können sie machen, wie sie wollen. Mit einer Ausnahme: Wenn Klauenschneiden angesagt ist, bestimme ich, wo’s langgeht“, beschreibt sie das Schafleben ihrer Herden. Zucht und Erhalt der Rasse stehen bei ihr im Mittelpunkt „Ich verkaufe lieber lebend als am Haken“, sagt Karin Radzewitz. Geschlachtet wird dennoch, und für einen Moment schwärmt sie von der Salami, die es dann wieder gibt.

Mit dem Schlachtbetrieb habe sie Glück: Im rund zehn Kilometer entfernten Berge hat sie einen kleinen Betrieb gefunden. Die Schafe werden bereits am Vortag abgeholt und bleiben über Nacht dort im Stall, bevor sie ihren letzten Weg antreten. Damit wird der Stress möglichst gering gehalten. „Beim Schlachten geht es um den Erhalt durch Nutzen“, erklärt Radzewitz.

Soay-Schafe: Tierwohl kommt zuerst

Die Weibchen, die Auen, stehen auf dieser Weide unter sich. Auch sie tragen Hörner, allerdings sind diese nicht ganz so eindrucksvoll wie die der älteren Böcke. Die Böcke stehen einige Orte weiter, auf einer anderen Koppel. „Das sorgt für weniger Stress unter den Tieren“, so Radzewitz.

„Während die Männchen sich rund ums Jahr verpaaren möchten, ist die Aue nur saisonal, ab September bis in den November, bereit dazu.“ Nach etwa 165 Tagen werden die Lämmer geboren. Neben den Jungtieren aus ihrer Herde nimmt Radzewitz auch Soay-Schafe von Haltern, die die Tiere nicht mehr versorgen können. „Die möchten, dass es ihren Tieren gut geht. Und genau das möchte ich auch“, sagt Radzewitz mit Nachdruck. Viel brauche es dafür nicht: neben ausreichend großen Weiden etwas Heu und Wasser. Die robusten Tiere stellen keine großen Ansprüche.

Araucana-Hühner auf dem Karinenhof

Araucana-Huhn
Araucana-Hühner legen grüne Eier. Der Rasse fehlen nicht nur die Schwanzfedern, sondern auch Schwanzwirbel und Bürzeldrüse. © Silvia Passow

Die Schafe sind nicht die einzigen Tiere auf ihrem Karinenhof, wie der Vier-Seiten-Hof heißt. Neben den braunen Legehennen tummeln sich hier auch Araucana-Hühner. Die ursprünglich aus Südamerika stammende Rasse legt grüne Eier, die den Frühstückstisch der Pensionsgäste bereichern. Sechs Gästezimmer gibt es im Karinenhaus.

Bis vor Kurzem arbeitete Radzewitz noch nach Biostandard. Doch das habe sie aufgegeben, sagt sie, die Auflagen seien nicht nur hoch, sondern aus ihrer Sicht auch nicht immer nachvollziehbar.

Ihre Hühner tapsen fröhlich durch den Garten, die Hennen ärgern Prinz Harald. Der Hahn ist neu und muss sich erst noch behaupten beim Hühnervolk. Namen für die Tiere sind bei Radzewitz nicht unbedingt üblich. „Mir ist es wichtig, dass das Tier ein Tier sein kann“, sagt sie. Vom Verhätscheln hält sie nicht viel, dagegen sehr viel von artgerechter Haltung.

Bienenstöcke im Garten und Regiomat

Ein Stück weiter stehen die Bienenstöcke. Neun Bienenvölker hält Radzewitz in ihrem Garten. Während einige ihrer Produkte wie die Eier, Honig und selbst gekochte Marmeladen auf dem Frühstückbuffet landen, werden andere im nahe gelegenen Kinderbauernhof Marienhof verkauft. Radzewitz bestückt den sogenannten Regiomaten, einen mit Produkten aus der Region befüllten Automaten, mit ihren Produkten. Schaffelle können auf dem Karinenhof selbst erworben werden.

Kaum zu glauben, dass da noch Zeit für weitere Hobbys bleiben soll. Ist aber so. „Wir sind auch Wollsammelstelle“, sagt Radzewitz Die eingesammelte Wolle wird von ihr versponnen. Fünf unterschiedliche Spinnräder stehen bei ihr im Haus. Spinnen, sagt sie, gehe wie von selbst. „Man kann dabei fernsehen oder auch einfach die Gedanken treiben lassen“, beschreibt sie die Vorzüge des Spinnens am Spinnrad.

Tatsächlich gibt das hölzerne Rad kaum Geräusche von sich, sie tritt mit dem Fuß rhythmisch auf ein Pedal und lässt die Wolle, in diesem Fall von Pommernschafen, durch die Finger gleiten. Und weil stricken zwar schön, aber auch nicht sonderlich originell ist, hat sie auch noch das Weben erlernt. Kleine Sitzunterlagen und gemusterte Decken, eine davon mit Ostereierfarbe eingefärbt. Doch statt die Lorbeeren für ihr Schaffen einzusammeln, verweist sie auf ihren Ehemann. „Ohne seine Unterstützung würde ich das alles nicht schaffen“, sagt sie und gibt zu: Ein straffes Zeitmanagement gehöre auch dazu.

Züchterin für Soay-Schafe am Spinnrad
Am Spinnrad: Für unterschiedliche Wolle gibt es verschiedene Spinnräder. © Silvia Passow
Bienenstöcke
Auch Bienen leben auf dem Karinenhof: neun Völker sammeln Honig für die Pensionsgäste. © Silvia Passow

KArinenhof: „Ruhm und Ehre“

Und, lohnt sich das? Radzewitz lacht. „Der Lohn sind Ruhm und Ehre“, sagt sie, „leben kann man davon nicht.“ Dabei sei es ihr Glück, dass zu ihrem Haus die Flächen gehören, denn Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung zu bekommen, sei heute sehr schwierig. „Investoren kaufen sie als Wertanlagen. Dabei sollten die Flächen vorrangig an die Landwirte aus den Regionen verkauft werden“, sagt Radzewitz.

Hier würde sie sich mehr Unterstützung aus der Politik wünschen. Ebenso wie beim Schaffen regionaler Schlachthäuser. Radzewitz würde das Fleisch ihrer Schafe gern auf dem eigenen Hof verarbeiten. Hygiene, sagt sie, sei dabei ganz selbstverständlich. Damit fühlt sich die Pensionswirtin gut vertraut.

Tipp: Der Karinenhof beteiligt sich an der Brandenburger Landpartie. Karin Radzewitz sagt, sie möchte auch im nächsten Jahr wieder dabei sein.


Weitere Infos gibt es auf www.karinenhof.de


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Safran: In der Nase süß, auf der Zunge zartbitter

Nicht zögern, zaudern, zweifeln – machen! So lautet Matthias Trentzschs Devise. Und daher wagte er vor einem Jahr den Anbau des Safrankrokus im südbrandenburgischen Hermsdorf. Die Ernte der Blüten, aus denen die kostbaren Gewürzfäden gewonnen werden, beschränkt sich auf wenige Tage, fällt in den Oktober/November. Wir versuchten eine Punktlandung.

Von Jutta Heise

Was sitzt, das sitzt: Landläufige Meinungen, einmal geistig inhaliert, sind zäh und kleben oft fest an uns wie Kaugummi an der Schuhsohle, auch wenn sie längst von der Wahrheit eingeholt wurden! Dies ist so ein Fall. Gemeinhin verortet man Safran, dieses edelste, teuerste aller Gewürze, für das Kenner pro Kilo fünfstellige Euro-Summen auf den Tisch blättern, in den Iran (dem weltgrößten Produzenten), nach Indien, Spanien oder bestenfalls in seine Ur-Heimat, die griechische Ägäis, wo die Ausgangspflanze, der Safrankrokus, durch eine Mutation einer dort beheimateten Krokusart entstand.

Würde er auch im Südbrandenburgischen gedeihen können, würden das eher kühl-feuchte Klima und der Sanddominierte Boden der Lausitzer Seenlandschaft seinen Ansprüchen gerecht werden?

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Safran, das rote Gold

Fragen brauchen Antworten und um die zu finden, braucht es aus ganz besonderem Ton Gemachte: Die Entdeckerfreude besitzen, Lust, mal gegen den Strom des Gewöhnlichen zu schwimmen, Mut, sich Herausforderungen zu stellen und nach der Devise handeln: Nicht zögern, zaudern, zweifeln, wenn dir eine Idee im Kopf herumspukt – einfach machen! Natürlich faktenbasiert.

Matthias Trentzsch ist so einer. Er teilt seine Leidenschaft übrigens mit etwa einem Dutzend Enthusiasten, die sich hierzulande, in Bayern, Franken, im Oderbruch, auf Hanglagen oder Splitterflächen, im Nebenerwerb oder als Hobby mit dem „Roten Gold“ Safran befassen.

Stimmungsaufhellend

Für alle, die ausschließlich mit Ketchup und Mayo ihre Nahrung „aufpeppen“: Bei Safran handelt es sich um die getrockneten Stempelfäden des Crocus sativus, wie der Safrankrokus botanisch heißt. Diese besitzen ein unvergleichliches Aroma, verleihen Reisgerichten, Eiscreme, Kuchen neben der strahlend-gelben Farbe einen ganz eigenen, ziemlich intensiven Geschmack, süßlich, leicht ins Bittere tendierend. Auch in Tees macht er sich gut oder wird – gemörsert – einfach in warmem Wasser gelöst.

Safran gilt seit Ewigkeiten (in der Antike ist er bereits in der minoischen Kultur vor 3.600 Jahren bezeugt) dank seiner sekundären Pflanzenstoffe, insbesondere der Carotinoide, allen voran dem Crocin, als Allrounder in Sachen natürlicher Pharmaka. Ihm werden stimmungsaufhellende (im Übermaß genossen, sogar berauschende) sowie schmerzlindernde Wirkungen zugeschrieben. Ja, man vermutet sogar, dass er die Heilung von Krebserkrankungen zumindest unterstützen kann. Überdies, psst, Geheimtipp!, soll er Männern wie Frauen in ganz spezieller Hinsicht mehr Temperament verleihen …

Dieser Mix, konzentriert in einem Kraftpaket, könnte ein weiterer Anstoß für Trentzsch, Mechatronik-Techniker und seit eineinhalb Jahren Chef eines Kartoffelverarbeitungsbetriebes, gewesen sein, sich den attraktivlila, nur 10 cm großen Blüten zuzuwenden.

Das geflügelte Wort vom „frühen Vogel“ muss für die Safranernte erfunden worden sein. Wir treffen Matthias Trentzsch an einem Sonntag Ende Oktober, sehr zeitig. Eine kleine Ewigkeit hatten wir in Dauerkontakt zueinander gestanden, um den richtigen Zeitpunkt zur Ernte nicht zu verpassen. Immerhin dauert die gewöhnlich nur maximal vier Wochen – manchmal wiederum geht alles ganz schnell. Zwar liegt bei Trentzschs statt Thriller oder Gegenwartsroman ein fundamentales Werk zum Thema Safran auf dem Nachttisch und der Hobbyanbauer ist per losem Netzwerk mit anderen Enthusiasten in Kontakt, zum Beispiel in Österreich oder in der Schweiz, wo zwischen 1,5 und 2 kg Safran im Jahr geerntet werden.

Doch bleibt manches Empirie, muss per praktischer Erfahrung neu geklärt werden, weil viele Kenntnisse verloren gegangen sind, seit der Anbau des Safrankrokus hierzulande in Vergessenheit geriet. Etwa im Altenburger Raum, wo er vor einem halben Jahrhundert erlosch. Seit einigen Jahren wird dort per Machbarkeitsstudie versucht, ihn lokalen Produzenten wieder schmackhaft zu machen.

Sonnenscheu

Nun aber frisch ans Werk: Matthias Trentzschs Sohn Ben, acht Jahre alt und bereits ein recht fundierter Safrankenner, ist uns Armlängen voraus. Die Blüten müssen, möglichst noch geschlossen, geerntet werden, bevor die Sonne höher steigt. Die in jeder Blüte befindlichen drei Stempelfäden verlieren unter Sonneneinstrahlung an Farbe und am würzig-erdigen Aroma, das den Safran ausmacht. Die Blüten möchten sanft gedreht und herausgezupft werden. Das erfordert eine dauerhaft gebückte Haltung. Trentzsch scheint das nichts auszumachen, er ist ein begeisterter Sportler. Den Turmlauf am Senftenberger See beispielsweis hat er bereits elf Mal gewonnen (2005 schaffte er die 180 Stufen in 34,2 Sekunden!!). Kampfgeist beweist er, wenn nötig, auch als Gemeindevertreter.

Safrankrokus
(c) Sabine Rübensaat

Safrankrokusse sind blühsicher

Der Anbau, erklärt Trentzsch, ohne das Ernten zu unterbrechen, sei simpel. Der Safrankrokus, ein Starkzehrer, mag zwar sandigen Boden, aber der muss aufgelockert und humusreich sein. „Ich habe gekalkt und ordentlich Humus eingebracht. Staunässe sollte man vermeiden.“ Die Knollen, oft fälschlich als Zwiebel bezeichnet, bezieht er aus Holland. „Sie sind sehr blühsicher und bereits auf unsere Verhältnisse angepasst.“ Der Unkrautdruck ist allerdings weniger lustig. Mit einem Striegel Marke Eigenbau geht er regelmäßig durch die Reihen, im Ein- bzw. Zwei-Blatt-Stadium ist dies sogar alle zwei Wochen erforderlich.

Die Ernte schreitet voran. Nach jeweils 100 gezupften Blüten landet ein Stein in der Jackentasche. So behält ein erfahrener Krokuspflücker den Überblick, gut für die Statistik. 484, 485, 486 … und wir sind noch lange nicht am Ende der Reihe angelangt. Die Hochblüte, wie wir sie erleben, dauert fünf bis sechs Tage. Heute erntet Matthias Trentzsch ca. 1.200 Blüten. So richtig abgehen wird die Post erst in der Woche nach unserem Besuch. Da wird er dann 1.700 bis 2.300 Blüten täglich gepflückt haben. Natürlich wie immer im Morgengrauen, also um 5 oder 6 Uhr, bevor er seinen Job antritt.

Safran zu gewinnen, ist eine filigrane Sache. Ein 500-Quadratmeter-Feld ist in Dämme geteilt, auf denen jeweils sechs Reihen des Safrankrokus stehen. Sohn Ben, 8, ist ein fleißiger Blütenernte-Helfer. Eine zweite Fläche hat Trentzsch 2020 angelegt und auf den 200 m2 etwa 3.000 Knollen ausgebracht. Sie war bereits abgeerntet, und das grüne Wintergras hatte sich ausgebildet. Aus den eingebrachten 6.000 Blüten hatte er 2020 rund 35 g Safranfäden gewonnen, 2021 waren es 60 g.

Schauplatzwechsel: Am Küchentisch checken wir schlagartig, warum Safran so teuer ist, lange ein Statussymbol der Reichen blieb und irgendwann hierzulande ausstarb. Safranfäden zu gewinnen, ist mit Fummel- oder Pfriemelarbeit nur ansatzweise beschrieben. Langmut, Geduld, die meditative Gelassenheit Buddhas wären ebenfalls hilfreich. Interessant an der Pflanze sind nur die drei roten Fäden der Blüte. Vorsichtig trennt Matthias Trentzsch die Blütennarbe vom Griffel und zieht die Stempelfäden heraus, schneidet dann den etwa 3 mm langen unteren orange-weißen Teil ab. Er will höchste Qualität, und die bietet allein der wertvolle rote Teil, Sargol genannt.

Aus 200 Blüten, ergo 600 Fäden, wird ein einziges Gramm, aus rund 150.000 bis 200.000 Blüten ein Kilogramm Safran. Trentzsch hat Routine, gewinnt (unter flotter Musikbeschallung) in einer Stunde die Fäden aus 300 bis 500 Blüten. Die Fäden müssen drei Tage der Haltbarkeit wegen an der Luft trocknen. Andere Anbauer nutzen Dörrgeräte wie sie zur Trocknung von Obst verwendet werden. In Spanien entzieht man den Fäden die Feuchtigkeit über offenem Feuer, was den Geschmack weiter verfeinern soll. Für 80 % der geernteten Blütenmenge hat man – abgesehen von der dekorativen Wirkung – keine Verwendung. Noch nicht.

Die Qualität seines Safrans hat Trentzsch aus der Ernte 2020 nach ISO 3632-2 zertifizieren lassen. Danach darf das „Rote Gold“ maximal 12 % Restfeuchte aufweisen. Sein Produkt punktet mit weniger als 6 % und einem Crocin-Gehalt weit über der geforderten Norm. Vermarktet wird das teure Gut in Mini-Mengen von 0,1 g unter dem Label „Seenland-Safran“ an eine Hermsdorfer Eisdiele, an einen Eierlikörproduzenten sowie neuerdings an ein Nobelrestaurant in Berlin. Mit einem Start-up-Management, das Jungunternehmer in der Lausitz berät, hat er Kontakt aufgenommen.

Aber Trentzsch wäre nicht Trentzsch, wenn ihm nicht bereits weitere Ideen im Kopf herumschwirrten. Die händischen Arbeitsgänge in Sachen Safran zu mechanisieren – das müsste doch, Teufel noch mal, für einen Mann vom Fach wenigstens teilweise zu knacken sein. Trentzsch grinst. Na, schaun wir mal. Ein weiterer kleiner Paukenschlag: Sein oberstes Ziel sei, in einigen Jahren den Anbau etwas zu erweitern und zu intensiveren, einen Teil der Ernte zu verkaufen, den anderen aber der Forschung zur Verfügung zu stellen und somit den Erkenntniszuwachs in puncto gesundheitsfördernde Wirkungen des Safrans zu unterstützen. In Kontakt mit der Uni Freiburg sowie Forschungseinrichtungen in Österreich und der Schweiz ist er bereits. Respekt! Und: Bitte neugierig bleiben!

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Reitstall Waldhof Dammer: Beruf mit Berufung

Der Reitstall Waldhof Dammer im thüringischen Stedten ist „Ausbildungsbetrieb des Jahres in den grünen Berufen“. Chefin Birgit Dammer legt die Latte für die Ausbildung junger Pferdewirte hoch – für ihre Azubis ein Grund, den Betrieb für die Auszeichnung vorzuschlagen.

Von Birgitt Schunk

Wer bei Birgit Dammer ankommen möchte, muss ein paar Umwege gehen. Von schnellen Hengsten und Stuten, Schlössern oder gar betuchten Prinzen zu träumen, reicht für eine Ausbildung bei ihr nicht aus. Die Chefin des Reitstalls Waldhof Dammer im thüringischen Stedten hat für ihre Pferdewirt-Azubis die Hürden hoch gelegt. „Der Beruf ist mehr als Streicheln, Heu reichen und durch die Flur reiten – die Wirklichkeit ist anders. Ich bestehe in der Regel auf einem Vorbereitungsjahr, um zu sehen, ob die jungen Leute sich wirklich eignen“, sagt die 55-Jährige. „Der bequemste und geradlinigste Weg ist nicht immer der beste.“ Wer wüsste das besser als sie selbst?

Der Betrieb, den sie aufgebaut hat, wurde ihr nicht in den Schoß gelegt. Eigentlich kam sie einst nach Weimar, um Architektur zu studieren. Doch die Pferdeliebhaberin hörte nach einem Semester auf und machte gemeinsam mit ihrem Mann, einem gelernten Hufbeschlag-Schmiedemeister, aus dem Hobby den Beruf – und begann quasi bei null.

Sie erwarb den Abschluss als Pferdewirtschaftsmeisterin, nahm Kredite auf, kaufte einen alten Milchviehstall mit 200 Plätzen. Parallel dazu gründete sei den Reit- und Fahrverein Waldhof. „Wenn es sich lohnt, etwas zu tun, dann lohnt es sich auch, das richtig zu tun“, beschreibt sie die Ansprüche an sich selbst. „Halbe Sachen kann ich nicht.“ So hält sie es auch mit ihren Azubis. „Ich will sie nicht irgendwie durch die Prüfung bringen, sondern sie auf Beruf und Leben vorbereiten.“ Beides gehört für sie eng zusammen.

Reitstall Waldhof Dammer: Hochgelegte Hürden

Logo Waldhof
(c) Birgitt Schunk

Jedes Jahr nimmt Birgit Dammer einen Lehrling unter Vertrag. Mehr gebe die Größe ihres Betriebes nicht her. Insofern wüssten die Azubis auch, dass sie nicht übernommen werden könnten. Sie hält sechs eigene Pferde, 30 Tiere sind in Pensionshaltung. Ein Stallarbeiter gehört neben den Azubis zudem zur kleinen Mannschaft.

Die Chefin weiß, dass kleinen Ausbildungsbetrieben gern mal unterstellt wird, nur auf den Berufsnachwuchs zu setzen, weil es günstige Arbeitskräfte sind. „Wer die Ausbildung der jungen Leute ernst nimmt, investiert jedoch erst einmal viel, viel Zeit“, sagt sie.

Hinzu kämen Schulphasen, Feiertage oder Krankheiten, in denen das Entgelt gezahlt werden müsse, die Lehrlinge aber nicht im Betrieb seien. Wenn die Jugendlichen auf den Hof kommen, sind sie zudem erst 17, wenn es hochkommt 20 Jahre alt. Anfangs also noch ohne Fahrerlaubnis sind sogar die An- und Rückfahrt tagsüber ein Problem. „Da fehlt noch ganz, ganz viel, um von Fachkräften zu sprechen“, sagt sie. Eine Unterkunft auf dem Hof als Wohngemeinschaft für die Azubis könnte sich Birgit Dammer irgendwann einmal vorstellen, doch dafür müsste erst einmal kräftig investiert werden. „Derzeit ist das finanziell nicht machbar.“ Wegen Corona gab es auch im Reiterhof Einschnitte.

azubis reichten vorschlag ein

Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer hohen Ansprüche an die jungen Leute ist eine Ausbildung bei ihr gefragt. Die Azubis – ehemalige und aktuelle – waren es sogar, die die Auszeichnung „Ausbildungsbetrieb des Jahres 2020“ für die Pferdewirtschaftsmeisterin in Thüringen auf den Weg brachten. Sie hatten selbst den Vorschlag eingereicht. „Ich habe das erst im Nachhinein erfahren und die Begründung gehört – das war schon rührend“, sagt die Ausbilderin. „Da habe ich wahrscheinlich doch viel richtig gemacht.“ Und sie freut sich, weil nicht nur große Unternehmen mit solch einer Ehrung bedacht werden, sondern auch kleinere Betriebe.

Wegen Corona wurde die Ehrung aus dem letzten Jahr erst im Sommer 2021 verliehen. Pferdewirt oder Pferdewirtin werden zu wollen, ist aus Dammers Sicht Berufung. „Das Pferd muss dem Menschen gegenüber Respekt haben und viel Vertrauen“, sagt sie. Doch im Selbstlauf gelinge dies nicht. Jeder, der Pferde führt und ausbildet, müsse eine fundierte Ausbildung haben. „Viel zu viele dürfen sich heutzutage Reitlehrer nennen – die Bezeichnung ist nicht geschützt.“ Ihren Azubis will sie vermitteln, „wie man Pferde versteht“. Die Ausbildung ist zudem mit Vielseitigkeit, Springreiten, Dressurreiten und Fahrsport sehr umfangreich und geht weit über Füttern, Misten und Striegeln hinaus.


Birgit Dammer wird von Minister Hoff für ihr Engagement bei der Ausbildung ausgezeichnet.
(c) TMIL/PAUL TRÄGER

Ausbildungsbetrieb des Jahres 2020 geehrt

Der Reitstall „Waldhof Dammer“ in Stedten am Ettersberg ist als landwirtschaftlicher „Ausbildungsbetrieb des Jahres 2020“ ausgezeichnet worden. mehr


Keiner wird ins kalte Wasser geworfen

Zoe-Mar Plucis ist eine der Azubis, die den Vorschlag für die Auszeichnung mit befürwortet hatten. Die 18-Jährige reitet seit zehn Jahren und hatte Birgit Dammer vor dem Ausbildungsbeginn bereits bei Turnieren als Richterin kennengelernt. „Ich hatte in verschiedenen Ställen Praktika absolviert, doch dort gefiel es mir nicht so“, erzählt sie. Ihre damalige Trainerin legte bei der Chefin des Reitstalls Waldhof Dammer ein gutes Wort ein und fragte, ob eine Ausbildung möglich sei. Dennoch stand auch hier erst einmal ein Praktikum an – die junge Frau wurde angenommen.

Ihre Ausbilderin sieht sie „als tolle, erwachsene Frau, die wahnsinnig viel gemacht hat in ihrem Leben“. Aber sie kennt auch deren Konsequenz und Strenge. „Wenn sie mal nicht Recht hat, gibt sie das aber auch zu und entschuldigt sich – das schätze ich“, sagt Zoe-Mar und erinnert sich an einen Tag, an dem es ziemlich stressig zuging. Die Gerätschaften waren noch nicht weggeräumt, wie es nach getaner Arbeit sein müsste. Dafür gab es von Birgit Dammer eine Ansage. Doch sie habe der Chefin die Situation erklärt. Damit sei alles erledigt gewesen – Haken dran also.

Auch Tabea Meyer erfüllt sich hier ihren Traumberuf und sitzt schon lange auf dem Pferderücken. Auch sie hat schon Praktika absolviert und schätzt bei Birgit Dammer, dass man selbst in solch einer Schnupperzeit immens viel lernt. Statt nur kehren und ausmisten, erhalten die jungen Leute Reitunterricht und dürfen bereits mit Kindern arbeiten, wenn sie das Zeug dazu haben. „Sogar mit Kunden kann man schon reden – auf all das wurden wir aber vorbereitet, ins kalte Wasser geworfen wird man hier nicht“, erzählen die Azubis.

Ehemalige Azubine bei Olympiaden dabei

Als es vor Jahren darum ging, die grünen Berufe attraktiver zu machen, kam in einer Beratung der Vorschlag, materielle Anreize zu setzen. „Wenn VW kleine Autos oder Handys vergibt, dann soll ich wohl ein Pony verschenken“, fragte Dammer damals ironisch in die Runde. Sie sprach sich gegen Geschenke aus. „Da können wir nicht mithalten. Und ehrlich gesagt, will ich das auch nicht. Die jungen Leute müssen erst mal sehen, wie hart Geld erarbeitet werden muss.“

In der Begründung zur Auszeichnung war von der „Ausbildung als Herzensangelegenheit“ die Rede. Der Betriebschefin vom Reitstall Waldhof Dammer wurde bescheinigt, junge Menschen zu selbstbewussten Persönlichkeiten auszubilden, denen deshalb alle beruflichen Wege offenstehen. Ausschlaggebend sei für die Jury-Entscheidung neben der individuellen und vielseitigen Ausbildung junger Menschen auch deren Förderung mit Zusatzqualifikationen, Trainerzertifikaten und Leistungsabzeichen gewesen, hieß es. Stolz ist Birgit Dammer, dass beispielsweise eine ihrer ersten Azubis schon bei zwei Olympiaden als Chefpflegerin für einen bekannten Reitstall mit dabei war.

Geschenkt bekommen die Lehringe nichts

Obgleich sie die Auszeichnung als „Bester Ausbildungsbetrieb“ im Land bekommen hat, hält sie mit Kritik nicht hinterm Berg. Sie will, dass es vorwärtsgeht. Dammer ist natürlich froh, dass die schulische Ausbildung ihrer Lehrlinge in Thüringen geblieben ist. „Ich habe mit dafür gekämpft“, sagt sie. Aber sie wünscht sich mitunter mehr Hintergrund mit Blick auf „reitfachliche Dinge“.

Auch in der coronabedingten Schließzeit der Berufsschule in Rudolstadt hatte sie mehr erwartet. „Die jungen Leute bekamen seitenweise Aufgaben fürs Selbststudium übermittelt, ohne auf die Fragen gleich Antworten zu bekommen.“ Birgit Dammer war das zu wenig. „Das hatte mit Ausbildung nichts mehr zu tun. Ich habe deshalb darauf bestanden, dass ich die Aufgaben auch zugeschickt bekomme.“

Viel Stoff hat sie dann selbst mit ihren Azubis besprochen, war somit praktische und theoretische Ausbilderin zugleich. Lehrling Zoe-Mar Plucis sieht das nicht anders. „Da waren sogar Aufgaben dabei, die wir in der Berufsschule noch gar nicht durchgearbeitet hatten. Und wenn ich mit dem Schulzeug nicht weiter wusste, hat Birgit mir das alles erklärt.“

tochter war „Beste Auszubildende“ 2017

Dass der kleine Betrieb eine sehr gute Ausbildung vermittelt, stellte nicht zuletzt Ann-Marie Dammer, die Tochter der Reiterhof-Chefin, unter Beweis. Sie war 2017 die „Beste Auszubildende“ in der Pferdewirtschaft in Thüringen. Die praktische Prüfung hatte sie komplett mit 100 Prozent gemeistert – mehr ging also nicht.

Geschenkt hat die Mutter in der Ausbildung auch ihr damals nichts. „Sie war strenger als bei den anderen Lehrlingen“, sagt die heute 27-Jährige. Aber das müsse nicht von Nachteil sein. „Besser als eine zu lässige Ausbildung.“ Ann-Marie Dammer will irgendwann ebenso ihren Meisterabschluss machen – und wahrscheinlich auch den Hof übernehmen, aber mit eigenen Konzepten und Ideen.

„Gott hat vergessen, mir eine Hand mehr zu geben“

Urlaub hat die Pferdewirtschaftsmeisterin schon seit 1985 nicht mehr gemacht. In jungen Jahren fehlten während Schule und Studium Zeit und Geld. Heute kann sie nicht weg, weil die Pferde 365 Tage im Jahr betreut werden müssen. „Gott hat vergessen, mir eine Hand mehr zu geben.“

Dennoch war sie einmal an einem Punkt, als sie dachte, es gehe nicht mehr weiter. 2014 hatte ein Starkregen den Hof überspült. Die Reithalle war wie ein Schwimmbecken, die Pferde standen überall in Wasser und Schlamm. Doch weil nur Niederschläge die Überflutung verursachten, zahlte die Versicherung nicht. „Da blieb mir nichts anderes übrig, als mich selbst wieder rauszuziehen – eine solche Situation möchte ich nicht noch einmal erleben.“

Reitstall Waldhof Dammer: Mittags kocht die Chefin für alle

Kurz vorm Mittag ist die Chefin des Betriebes in der Regel nicht auf dem Hof zu sehen, sondern kocht für alle. „Wer körperlich arbeitet, kann mittags nicht von Nougat-Brot leben“ sagt sie. Egal, ob Rosenkohl, Kartoffeln und Schnitzel oder Curry-Reis – das Essen ist kostenlos. „Wichtig ist ihr, dass man zusammensitzt. „Wir sind schließlich ein Familienbetrieb – und da gehören meine Mitarbeiter dazu.“

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(c) Birgitt Schunk

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