Die Hochschule Anhalt bietet neben dem Bachelor Landwirtschaft und dem Master Food and Agribusiness die berufsbegleitenden Studiengänge Landwirtschaft/Agrarmanagement (Bachelor) und Agrarmanagement (Master).
Von Ulrike Bletzer
„Wir kochen auch nur mit Wasser“, stellt Prof. Dr. Heiko Scholz, Studienfachberater am Fachbereich 1 der Hochschule Anhalt, nüchtern fest – und nennt im nächsten Atemzug doch einige Qualitätsmerkmale, die den Bachelor-Studiengang Landwirtschaft, den er gemeinsam mit acht weiteren Professorinnen und Professoren, zwölf Mitarbeitenden und etlichen externen Lehrbeauftragten betreut, besonders auszeichnen. „Die Atmosphäre ist familiär, und der Umgang zwischen Dozenten und Studierenden ist von einem Vertrauensverhältnis geprägt“, sagt er und schickt hinterher: „Das ist eben der Vorteil einer kleinen Einrichtung.“
Rund 7.500 Studierende zählt die Hochschule Anhalt, die im vergangenen Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feiern konnte, insgesamt. Die sieben verschiedenen Fachbereiche sind auf drei unterschiedliche Standorte verteilt. Am Campus in Bernburg ist neben dem Fachbereich 2 (Wirtschaft) der Fachbereich 1 (Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung) beheimatet.
„Im Bachelor-Studiengang Landwirtschaft haben wir 50 bis 100 Direktstudenten pro Semester und noch einmal so viele Fernstudenten“, berichtet Prof. Scholz. Womit wir auch schon bei einer Besonderheit wären, die allerdings weit über den „grünen Fachbereich“ hinausreicht: An der Hochschule Anhalt kann man zwischen insgesamt 19 berufsbegleitenden Fernstudiengängen wählen.
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Der für Direktstudenten angebotene sechssemestrige Bachelor-Studiengang Landwirtschaft umfasst 22 Pflicht- und 17 Wahlpflichtmodule, wobei die Schwerpunkte zu etwa gleichen Anteilen auf den drei großen Bereichen Tierproduktion, Pflanzenproduktion und Betriebswirtschaft liegen.
Er vermittelt das fachliche und ökonomische Wissen, das man braucht, um ein Unternehmen in der Primärproduktion oder im vor- oder nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft zu führen. „Eine Vertiefungsrichtung gibt es nicht. Schließlich handelt es sich um einen Bachelor-Studiengang, der ein möglichst breit gefächertes Grundlagenwissen vermitteln soll“, erklärt Prof. Scholz. Und fügt, was die Zugangsvoraussetzungen betrifft, hinzu: „Etwa zwei Drittel unserer Studienanfänger haben eine abgeschlossene landwirtschaftliche Lehre, das restliche Drittel dagegen das Abitur in der Tasche. Auf diese Weise verbindet sich das praktische Denken mit dem methodisch korrekten Denken, was für die Zusammenarbeit der Studierenden untereinander sehr bereichernd ist.“
Dass der Praxisbezug in Bernburg mehr als eine gut klingende Floskel ist, spiegelt sich in verschiedener Hinsicht wider. „Unser Standort Bernburg-Strenzfeld liegt inmitten einer Agrarlandschaft“, nennt der Professor eine davon und präzisiert: „Vom Hörsaal aus sind wir in spätestens fünf Minuten auf einem der Versuchsfelder, von denen der Campus umrahmt ist.“ Zudem findet man im Bernburger Stadtteil Strenzfeld und seiner Umgebung neben dem Internationalen Pflanzenbauzentrum der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft und der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau eine ganze Reihe von landwirtschaftlichen Unternehmen.
Synergien werden aber auch anderweitig genutzt. „Wir sind sowohl mit den Ökotrophologen als auch mit den Landschaftsarchitekten und Naturschützern in Strenzfeld eng vernetzt. Die Kombination dieser Studiengänge innerhalb eines Fachbereichs ist ein bundesweites Alleinstellungsmerkmal“, erklärt Prof. Scholz und berichtet von einer Studierenden-Initiative namens „Landwirtschaft meets Naturschutz“, die in vierwöchigem Rhythmus wechselseitig Projekte aus beiden Bereichen vorstellt.
Einen großen Stellenwert besitzen die Praxistage, an denen beispielsweise Besichtigungen von Schülerbetrieben auf dem Programm stehen. Auch mehrtägige Exkursionen finden regelmäßig statt. Dazu kommen zwei längere Pflichtpraktika: Nach dem 2. Semester sind acht und nach dem 4. Semester zehn Wochen Praktikum vorgeschrieben – eine Zeit, während der die Studierenden in einem Betrieb, einem Amt oder einer Forschungseinrichtung aus dem landwirtschaftlichen Bereich ihren Horizont erweitern.
Ein enger Bezug zur Welt außerhalb der Hochschule sei aber auch während der Vorlesungen und Seminare gegeben, betont Prof. Scholz, dessen Lehrgebiet die Tierernährung und Ökonomie in der Tierproduktion ist: „Fast alle Kolleginnen und Kollegen waren vorher in der Praxis tätig.“ Da-zu kommen die externen Dozenten. Bei ihnen handelt es sich unter anderem um Betriebsleiter und Vertreter des Bauernverbandes, die über Themen wie Agrarpolitik, Düngerecht oder Tierschutz referieren. „Da sie sich tagtäglich mit diesen Themen beschäftigen, können sie den Studierenden immer den jeweils aktuellen Stand vermitteln“, so der Studienfachberater.
„Das Gesamtpaket stimmt“, sagt Norman Langenbrink über das beschriebene Studienangebot. Im Vorfeld habe er auch ein landwirtschaftliches Universitätsstudium in Betracht gezogen, sich letztlich dann aber für das in seinen Augen praxisnähere Studium an der Fachhochschule entschieden, erzählt der 20-Jährige, der in Bernburg inzwischen im dritten Semester ist und das im Bachelor-Studiengang Landwirtschaft erworbene Wissen mit den Erfordernissen des Praxisbetriebs vergleicht, in dem er ab und zu arbeitet. „Da gibt es eine große Übereinstimmung“, fasst er zusammen und hebt zudem den von Versuchsfeldern „umzingelten“ Standort des Fachbereichs positiv hervor.
Außer in der Bachelorarbeit, die die Studierenden am Ende schreiben, müssen sie ihr Wissen auch in zwei Prüfungsphasen pro Semester unter Beweis stellen, wobei die Zahl der mündlichen Prüfungen genauso groß ist wie der mündlichen. Schwierig für jemanden, dem das Rhetorische nicht so liegt? „Man kann keinen Betrieb leiten, ohne sich auch mal vor eine Gruppe zu stellen, zu sprechen und sachlogisch zu argumentieren“, gibt Prof. Scholz zu bedenken.
Bleibt noch die Frage, wo die Bernburger Absolventinnen und Absolventen später arbeiten. „Zu rund 80 Prozent in landwirtschaftlichen Betrieben, wo sie zum Beispiel die Funktion des Ackerbauleiters, des Tierproduktionsleiters oder auch des Chefs innehaben“, antwortet er und ergänzt, etwa zehn Prozent der Studierenden seien anschließend in der Beratung und weitere zehn Prozent im vor- oder nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft tätig. Dazu kommen einige, die – etwa an der Humboldt-Universität Berlin oder der Georg-August-Universität Göttingen – den Master draufsatteln.
An der Hochschule Anhalt selbst gibt es bislang keinen Master-Studiengang Landwirtschaft. Aber der Professor betont: „Wir sind gerade dabei, einen solchen Studiengang zu entwickeln.“ Von der Möglichkeit, den unter anderem für die Landwirtschafts-Bachelorstudenten konzipierten und bereits in Bernburg angebotenen Master-Studiengang Food and Agribusiness zu belegen, würden wenige Gebrauch machen, fügt er hinzu: „Das ist nur für diejenigen interessant, die später in die Direktvermarktung gehen möchten.“
„Bei den Direktstudenten umfasst es alle ostdeutschen Bundesländer und reicht darüber hinaus bis nach Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Sie können auf mehrere Studentenwohnheime zurückgreifen“, so der Studienfachberater, der darauf hinweist, dass die Lebenshaltungskosten in Bernburg und Umgebung relativ niedrig sind. Fast überflüssig zu erwähnen, dass das Einzugsgebiet bei den Fernstudenten noch deutlich größer ist – neben ganz Deutschland umfasst es Österreich und sogar Norditalien.
Das berufsbegleitende Fernstudium richtet sich zum einen an Personen, die schon länger berufstätig und familiär an einen bestimmten Ort gebunden sind, und zum anderen an junge Menschen, die nach der Ausbildung als Angestellte in einem Betrieb arbeiten und sich parallel dazu weiterqualifizieren möchten. Beide Gruppen erhalten die Unterlagen zum Selbststudium sowohl online als auch in Papierform, sind aber auch immer wieder zum Unterricht vor Ort in Bernburg.
In der Regel findet pro Modul ein Präsenzwochenende von Freitag- bis Samstagnachmittag statt. „Diese Präsenzphasen sind sehr wichtig, damit die Studierenden mit ihren offenen Fragen nicht allein bleiben und sich austauschen können“, betont Prof. Scholz und berichtet, bei etwa einem Drittel der Fernstudenten handle es sich um branchenfremde Quereinsteiger: „Unter anderem haben wir Lehrer und Polizisten dabei. Aus dieser Vielfalt ergeben sich spannende Diskussionen.“
Konkret ist bei den Fernstudiengängen zum einen der Bachelor-Studiengang Landwirtschaft/Agrarmanagement zu nennen, dessen Absolventen nach sieben Semestern den „Bachelor of Engineering“ in der Tasche haben. Dieser Studiengang vermittelt Grundlagen der Agrarwirtschaft, weitere Schwerpunkte liegen auf der speziellen Tier- und Pflanzenproduktion, der Unternehmensführung sowie der Agrarmarktlehre und -politik.
Zum anderen wird in Bernburg in Zusammenarbeit mit der Andreas-Hermes-Akademie der Master-Studiengang Agrarmanagement angeboten. Er dient der Vertiefung von Kenntnissen und Kompetenzen in den Bereichen Personalmanagement, Verhandlungsführung, Controlling, strategisches Management, Führungsmethodik, Selbstorganisation und Kommunikation und führt in fünf Semestern zum Abschluss „Master of Business Administration“. Nach Angaben der Hochschule handelt es sich dabei um den deutschlandweit ersten Fernstudiengang für landwirtschaftliche Führungskräfte.
Das Angebot für die Schleiereule klingt verlockend: kostenfrei wohnen, gefahrlos brüten mit freiem Zugriff auf Mäuse. Auf dem Pferdehof Pardemann im brandenburgischen Bredow ist das möglich.
Von Silvia Passow
Volker Pardemann wollte eigentlich Tierarzt werden. Doch das Leben wollte es anders, und er ist glücklich damit. Statt einer Tierarztpraxis führt er den Pferdehof Pardemann im havelländischen Bredow. Der Vierseitenhof wurde in den 1860er-Jahren erbaut, ist seither im Familienbesitz, und Volker Pardemann ist die nunmehr fünfte Generation. Zu Zeiten der DDR war der Hof Teil der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG). „Enteignet waren wir aber nicht“, erzählt Pardemann. Seine Söhne, 18 und 20 Jahre alt, würden den Hof gern übernehmen. Doch sie würden sich einigen müssen, sagt der 53-Jährige. Der Ertrag des Hofes werde nur für einen reichen.
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75 ha Land gehören zum landwirtschaftlichen Betrieb. Davon sind 40 ha Grünland, 35 ha Ackerland. Hier baut Volker Pardemann Getreide an: Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Triticale, manchmal auch Raps sowie Futter sowohl zum Verkauf als auch für die 35 Pferde, vier Shetlandponys und das Dutzend Rinder.
Pardemann züchtet Deutsche Sportpferde, die sogar in die USA verkauft werden. Auch eine Pferdepension gehört zum Pferdehof. Die kleine Rinderherde sei mehr Leidenschaft als Verdienstmöglichkeit, sagt er. Einer der Söhne mag Rinder, also kamen wieder Rinder auf den Hof.
Pardemann züchtet Black-Welsh-Rinder und finde für die Jungtiere dankbare Abnehmer, sagt er. Allein die Kühe mampfen täglich einen Heuballen, zehn Ballen pro Woche gehen an die Pferde. Zum tierischen Hofpersonal zählen auch Hühner, Kaninchen, Katzen und die elfjährige Schäferhündin.
Von den Kunden, an die Pardemann Tierfutter verkauft, höre er immer wieder, dass die Tiere den Weizen besonders gern mögen, und glaubt, das hänge mit der Art zusammen, wie er den Acker bearbeitet – sparsam an Dünger und Pflanzenschutz. „Die Preise für Dünger sind regelrecht explodiert“, sagt er. Auch Pflanzenschutzmittel sind sehr teuer geworden. Also versucht er es weitgehend ohne, allerdings sei dies deutlich arbeitsintensiver.
Direkt auf dem Pferdehof Pardemann kommt gar kein Pflanzenschutz zum Einsatz. Hier laufen die Hühner, Katzen, die Hündin frei herum, denn Pardemann hat ein inniges Verhältnis zu den tierischen Mitbewohnern. So muss Huhn Mathilde sich nicht vor dem Suppentopf fürchten. „Sie wird bestimmt nicht geschlachtet“, sagt er lachend und erzählt, dass Mathilde sich aus der Hand füttern lässt. Sie ist an seiner Seite, sobald er zur Schaufel greift, denn der aufgewühlte Boden könnte kulinarische Köstlichkeiten freigeben. Zumindest aus Hühnersicht.
„Auch die Katzen-Armee haben wir verstärkt“, sagt Pardemann, „war auch nicht geplant, nun erfüllen sie treu ihre Pflicht.“ Die Katze und ihre vier Kitten fand Pardemann bei der Arbeit auf dem Acker, brachte sie zum Tierarzt und sorgt gemeinsam mit seiner Frau für die Samtpfoten. Im Gegenzug helfen sie bei der Mäusebekämpfung. „Früher“, sagt Pardemann, „zählten Katzen zu den Maßnahmen, die ein Landwirt gegen Mäuse einsetzen kann.“ Inzwischen ist die natürliche Feindin der Maus zumindest von Behördenseite kein zulässiges Mäuse-Abwehrmittel.
Neben den Katzen gibt es noch eine andere große Mäusejägerin – die Schleiereule, auf deren Speisezettel hauptsächlich Feld- und Spitzmäuse stehen. Die Not muss groß sein, wenn sie etwas anderes frisst. „Ich habe in den sechs Jahren, in denen ich mich um die Eulen kümmere, kürzlich zum ersten Mal die Überreste eines Feldsperlings in einem von Eulen bewohnten Nistkasten gefunden“, sagt Konrad Bauer vom NABU Osthavelland.
Der 73-Jährige kümmert sich gemeinsam mit den Mitgliedern seiner Arbeitsgruppe „Dohlen, Turmfalken, Schleiereulen“ um die drei bedrohten Turmvogelarten. Die Schleiereule wird in der Roten Liste Brandenburg in der Kategorie 1, also „Vom Aussterben bedroht“, geführt. Neben einem Mangel an geeigneten Nistplätzen zählen der Straßenverkehr und Mäusegift zu den großen Gefahren für die bedrohten Eulen. „Trägt das Elterntier eine vergiftete Maus ins Gelege, bedeutet dies fast immer den Tod für die Küken“, erläutert Konrad Bauer.
Der engagierte Naturschützer sucht in Kirchen, Trafo-Häuschen und Scheunen nach geeigneten Standorten für Nistkästen. Sie werden von ihm und seinem Team angebracht, gewartet, und die Bruterfolge, so es welche gibt, werden notiert. Vor allem Scheunen eignen sich hervorragend für die Schleiereulen, denn meist ist es von dort aus bis zum nächsten Feld oder zur Wiese nicht weit.
Hier jagt der Vogel, und sein Hunger kann enorm sein. Drei bis vier Mäuse frisst eine Schleiereule am Tag. Das klingt zunächst überschaubar, doch der Bedarf steigt rasant, wenn die Schleiereule erfolgreich brütet. Vier bis zehn Eier legt sie, dazu baut sie kein Nest, sondern sucht sich bevorzugt dunkle Ecken. Und um den Nachwuchs dann sattzubekommen, heißt es für die Altvögel, Futter heranzuholen. Zur Aufzucht der Jungen benötigen die Eulen 3.000 Mäuse. Das entspreche 115 kg, rechnet Konrad Bauer um. In für die Eulen guten Mäusejahren brüten sie ein zweites Mal. Was dann einen Bedarf von noch mal 115 kg Maus ausmacht.
Wie effizient die Schleiereule sein kann, hat Volker Pardemann bereits erlebt. Einen Nistkasten hat er selbst gebaut und in eine der Scheunen gehängt. Es zog eine Schleiereule ein, die sich schon mal zu den Reitenden in der benachbarten Reithalle gesellte. Doch dann kamen Dohlen und vertrieben die Schleiereule. Der von Pardemann gebaute Kasten ist inzwischen durch einen vom NABU ersetzt worden.
Vor ein paar Wochen bauten Konrad Bauer und sein Team einen weiteren Kasten an, nachdem in der Scheune eine Schleiereule gesichtet wurde. Diese Nistkästen werden von der Tischlerei des Vereins Sinalkol in Nauen gezimmert, der Suchtkranke und Langzeitarbeitslose beschäftigt und ins Arbeitsleben zurückführen möchte. Für die Fertigung werden Einweg-Paletten genutzt, die sonst entsorgt werden. Die Kosten übernimmt der NABU, für Volker Pardemann ist die Behausung für die neue Kollegin kostenlos. „Über Mäuse freut sich allerdings nicht nur die Schleiereule, sondern auch der NABU“, sagt Konrad Bauer schmunzelnd und lobt die Scheunen auf dem Pferdehof. Die rund 160 Jahre alten Steinbauten bieten im Gegensatz zu modernen Scheunen viele Verstecke und gute Einflugmöglichkeiten.
Die Schleiereule brütet gern in Scheunen, und weil sie in der Nähe vom Pferdehof Pardemann gesichtet wurde, hat Naturschützer Konrad Bauer mit seinem Team einen Nistkasten in der dortigen Hofscheune angebracht.
Jetzt fehlt nur noch die Schleiereule selbst. Doch Pardemann ist optimistisch, dass schon bald Tyto alba lautlos über die Wiesen nahe dem Hof gleiten wird. Sie hätte jedenfalls eine bunte Nachbarschaft. Als das alte Gutshaus im Ort mitsamt Schornstein der Brennerei, auf der ein Storchennest thronte, abgerissen wurde, beschloss Pardemann, für ein neues Nest zu sorgen, das vom NABU betreut wird. Und so kam auch der Kontakt zum Schleiereulen-Team zustande. Für seine rund 90 Schwalbennester wurde er bereits ausgezeichnet. Jetzt freut er sich auf den Sommer, denn dann kreisen auch noch die Fledermäuse über den Pferdehof Pardemann.
Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ist im mitteldeutschen Raum die einzige universitäre Ausbildungsstätte. Sie verbindet Agrar- und Ernährungswissenschaften in der gesamten Wertschöpfungskette.
Von Ulrike Bletzer
Reich an Tradition auf der einen und hochmodern auf der anderen Seite – wie sich diese scheinbaren Gegensätze ohne Weiteres zu einem homogenen Ganzen zusammenfügen können, spiegelt nicht nur, aber mit Sicherheit auch das Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wider. Wobei für die traditionsreiche Seite vor allem ein Name steht: Julius Kühn. Denn niemand anderes als dieser berühmte Agrarwissenschaftler war es, der das Institut 1863 gründete – und damit den „Startschuss“ für das landwirtschaftliche Universitätsstudium in Deutschland gab. Oder wie Prof. Dr. Hermann Swalve, der heutige Direktor der Bildungseinrichtung, es formuliert: „Wir waren die ersten, die Agrarwissenschaften an der Uni angeboten haben.“
Gut, aber inwiefern ist das Institut hochmodern? „Es befindet sich auf einem wunderschönen Campus, der Anfang der 2000er-Jahre auf einem ehemaligen Militärgelände erbaut wurde“, antwortet Prof. Dr. Swalve. Dazu habe man sowohl bereits vorhandene alte Häuser entkernt und grundsaniert als auch etliche Gebäude komplett neu errichtet.
Der auf der Westseite der Saale gelegene Campus Heide-Süd sei an Großzügigkeit kaum zu überbieten, unterstreicht der Institutsdirektor. Dazu komme die hervorragende Ausstattung der Hörsäle und Labore: „Sie bewegt sich in jeder Hinsicht auf dem neuesten Stand, sodass wir auch hier mit an der Spitze liegen in Deutschland.“
Dr. Swalve die familiäre Atmosphäre am Institut, die ihren Grund zumindest zum Teil in dessen überschaubarer Größe mit 19 Professorinnen und Professoren haben dürfte. „Zusätzlich lehren bei uns fünf gemeinsam berufene Professoren“, sagt der Institutsleiter der Vollständigkeit halber und weist an dieser Stelle auf die enge Zusammenarbeit mit weiteren in der Region ansässigen Bildungseinrichtungen wie dem Helmholtz-Umweltforschungszentrum Halle-Leipzig, dem Julius-Kühn-Institut in Quedlinburg oder dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben hin.
Auch innerhalb der Fakultät, zu der neben dem Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften auch das Institut für Geowissenschaften und Geographie sowie das Institut für Informatik gehören, sei man bestens vernetzt und profitiere von Synergien.
Agrarwissenschaften, Ernährungswissenschaften und Management Natürlicher Ressourcen – dies sind die Studienrichtungen, in denen man am Institut sowohl den Bachelor- als auch den Master-Abschluss erwerben kann. Dazu kommt der Master-Abschluss in Nutzpflanzenwissenschaften. Alle Semester zusammengenommen, habe man am Institut 230 bis 250 Bachelor- und rund 150 Masterstudenten, berichtet Prof. Dr. Swalve und stellt klar: „Auch wenn wir ein kleines Institut sind, sind wir von der Studierendenzahl her durchaus lebensfähig.“
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Der Einzugsbereich erstreckt sich bei den Bachelor-Studiengängen über Sachsen-Anhalt hinaus vor allem auf Thüringen und Sachsen. „Einige unserer Studierenden kommen auch aus Brandenburg und Niedersachsen“, berichtet Prof. Dr. Swalve und schickt hinterher, die Master-Studiengänge seien von der geografischen Herkunft der Studierenden her heterogener.
Zugangsvoraussetzung für ein Bachelor-Studium Agrarwissenschaften an der Martin-Luther-Universität ist, über eine anerkannte Hochschulzugangsberechtigung hinaus, ein insgesamt sechsmonatiges Praktikum. Davon sind mindestens 13 Wochen in der Primärproduktion, sprich auf einem anerkannten landwirtschaftlichen Ausbildungsbetrieb, zu absolvieren. Der Rest des Praktikums muss nicht, kann aber in einem Betrieb des vor- und nachgelagerten Bereichs der Landwirtschaft, etwa im Landhandel oder bei einer Futtermittelfirma, angesiedelt sein. Eine Aufteilung des sechsmonatigen Praktikums in verschiedene Abschnitte vor und während des Studiums ist möglich, allerdings muss es spätestens am Ende des 4. Semesters komplett abgeschlossen sein.
In den ersten drei Semestern stehen, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, Grundlagenmodule in Fächern wie Biologie der Nutzpflanzen, Biologie der Nutztiere, Bodenkunde oder Agrartechnik auf dem Lehrplan. Vom 4. bis 6. Semester steht dann die Spezialisierung auf eine von drei möglichen Fachrichtungen im Vordergrund. Konkret handelt es sich dabei um die Fachrichtung Pflanzenwissenschaften mit Pflichtmodulen wie Ackerbau, Spezieller Pflanzenbau oder Mineralstoffernährung der Pflanzen, die Fachrichtung Nutztierwissenschaften (Pflichtmodule unter anderem: Zuchtplanung und Zuchtwertschätzung, Futtermittelkunde und -bewertung sowie Tierhaltung und Haltungsbiologie) und die Fachrichtung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus (Pflichtmodule zum Beispiel: Agrarmanagement, Investitionstheorie und -praxis im Agribusiness sowie Märkte im vor- und nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft).
Wer nach dem Schreiben der Bachelor-Arbeit und dem erfolgreichen Ablegen der Prüfungen schließlich den Bachelor of Science Agrarwissenschaften in der Tasche hat, arbeitet in der Regel in einer Führungsposition auf einem landwirtschaftlichen Betrieb oder im vor- und nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft. Viele Absolventinnen und Absolventen üben als Angestellte von Landesanstalten, Verbänden und Erzeugergemeinschaften beratende Funktionen aus oder sind auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene in der Verwaltung tätig. Der Bachelor Agrarwissenschaft bildet aber auch die Grundlage, um für vier weitere Semester an der Uni zu bleiben und den Master Agrarwissenschaft oder Nutzpflanzenwissenschaften draufzusatteln – was laut Prof. Dr. Swalve etwa zwei Drittel der Studierenden denn auch tun.
Den Bachelor-Absolventen des Studiengangs Ernährungswissenschaften wiederum stehen in allen Bereichen des Ernährungssektors leitende Funktionen in der Beratung, Aufklärung, Prävention und Öffentlichkeitsarbeit, aber auch administrative und qualitätssichernde Tätigkeiten im lebensmittelproduzierenden Gewerbe offen. Zu den Pflichtmodulen dieses Studiengangs an der Martin-Luther-Universität zählen neben vielen anderen Biochemie, Ernährungsphysiologie sowie Lebensmittelhygiene und -mikrobiologie.
Dazu kommen im 5. und 6. Semester verschiedene Wahlpflichtmodule wie Einführung in die Molekularbiologie für Agrar- und Ernährungswissenschaften, Qualität und Sicherheit pflanzlicher Lebensmittel oder Umwelt-, Agrar- und Ernährungsethik.
Zu diesem Studiengang gehört außerdem ein achtwöchiges berufsfeldbezogenes Praktikum, das die Studierenden ab Ende des 3. Semesters in der vorlesungsfreien Zeit absolvieren. Nach dem Bachelor-Abschluss haben sie die Möglichkeit, sich im Master-Studiengang Ernährungswissenschaften weitergehend zu qualifizieren.
Bleibt noch der – allerdings weniger stark frequentierte – Bachelor-Studiengang Management Natürlicher Ressourcen. Dieser interdisziplinäre Studiengang ist organisatorisch am Institut für Geowissenschaften und Geographie angesiedelt, dreht sich um Aspekte des Wasser-, Boden- und Naturschutzes und ist auf Berufe in der Umwelt-, Raum- und Landschaftsplanung zugeschnitten. Viele der Absolventinnen und Absolventen arbeiten später in wissenschaftlichen Dienstleistungsbereichen von Büros, Beratungsfirmen und Fachbehörden. Auch hier ist ein achtwöchiges, studienbegleitendes Praktikum Pflicht – und auch hier besteht die Möglichkeit, das erworbene Wissen in einem Master-Studiengang zu vertiefen.
Mit dem Master-Abschluss in der Tasche hat man später bessere Aufstiegschancen und damit noch bessere Aussichten auf einen gut bezahlten Job – das ist an der Martin-Luther-Universität auch nicht anders als an anderen landwirtschaftlichen Universitäten. Mit einer Besonderheit wartet das Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften dennoch auf: Den Master-Studiengang Nutzpflanzenwissenschaften gibt es nur hier. „Er legt den Schwerpunkt auf Pflanzenzüchtung, -ernährung und -physiologie sowie Phytopathologie und richtet sich an Studierende, die eine Laufbahn in der Wissenschaft und Forschung einschlagen möchten“, erklärt Prof. Dr. Swalve.
Apropos Forschung: Hier liegt ein Schwerpunkt der am Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften tätigen Professoren auf den Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel, so zum Beispiel auf der Trockenheitsresistenz von Getreide. Zu Forschungszwecken, aber auch als Orte, an denen die Studierenden praktische Übungen durchführen können, verfügt das Institut über zwei Lehr- und Versuchsstationen – darunter die von Institutsgründer Julius Kühn ins Leben gerufene Lehr- und Versuchsstation Halle: Das sogenannte Julius-Kühn-Versuchsfeld dient unter anderem dem zweitältesten aktiven Dauerversuch im Roggenanbau.
Als Grundlage für seine Forschungen ließ Julius Kühn aber auch Ställe und einen Haustiergarten einrichten, aus dem das heutige Museum für Haustierkunde hervorgegangen ist. „Dieses Museum dient als Referenzlabor für alte Haustierrassen“, berichtet Prof. Dr. Swalve, dem noch etwas wichtig ist zu betonen: „Unsere Absolventinnen und Absolventen haben keinerlei Schwierigkeiten, einen Job zu finden – sei es als Führungskraft auf einem Großbetrieb oder anderweitig. Es kommt gar nicht selten vor, dass ich einen Studenten, der überdurchschnittlich gute Leistungen gezeigt hat, von einer Promotion zu überzeugen versuche und zur Antwort bekomme, dass er oder sie bereits mehrere Stellenangebote in der Tasche hat.“
Wie Sandra Thureaux-Steinecke und Yves Thureaux im Havelland den Tisch vorm Zaun zu ihrem Zeestower Gartenstübchen entwickelten, das ihnen mit Gartengemüse und Eingemachtem Arbeit und Ausgleich zugleich ist.
Von Sylvia Passow
Kleine Tischchen vor Gartenzäunen, beladen mit Obst, Gemüse, Kartoffeln, Honig oder frischen Eiern, sieht man bei einer Tour über die Dörfer gar nicht so selten. Auch in Zeestow stellte Sandra Thureaux-Steinecke Überschüssiges aus eigenem Anbau vor die Tür. Dazu selbst gezogene Gemüsesetzlinge und hausgemachte Marmeladen. Schon bald zeigte sich, der Tisch wurde rasch abgeräumt, reichte schon bald nicht mehr aus. Aus dem Tischchen wurde ein Tisch, aus diesem ein Marktstand, der bald um weitere Tische ergänzt wurde. Inzwischen ist der halbe Vorgarten dem Verkauf regionaler Produkte gewidmet. Innerhalb eines Sommers wurde das Zeestower Gartenstübchen zum Geheimtipp im Havelland.
Yves Thureaux und Ehefrau Sandra wirken selbst überrascht, wenn sie auf den vergangenen Sommer zurücksehen und auf das Wachstum vor ihrer Tür. Geplant, sagen sie, war das nicht. Es war eher wie ein Schneeball, einmal ins Rollen gekommen, nicht mehr zu stoppen. Diese Eigendynamik hat das Paar aufgegriffen, der Polizist und die Landschaftsgärtnerin nehmen das, was da kommt, auf und spinnen die Fäden einfach weiter.
Dabei gehen sie keineswegs planlos vor. Im Gegenteil, sie stehen in engem Kontakt mit ihren Kunden. Über eine Facebook-Gruppe erkunden sie, was gerade gefragt ist und was weniger. Über das soziale Netzwerk teilen sie mit, wann es was Neues zu entdecken gibt im Zeestower Gartenstübchen.
Vor fünf Jahren zog das Paar nach Zeestow, einem Ortsteil von Brieselang. Ihr Grundstück liegt direkt an der Hauptstraße, die sich durch den kleinen Ort zieht. Der 800 Quadratmeter große Garten ließ für Sandra Thureaux-Steinecke so manchen Kindheitstraum wahr werden. Noch musste die dreifache Mutter etwas Platz für die Kinder zum Spielen und Toben lassen, doch je weniger der Nachwuchs durch den Garten rennt, umso mehr wachsen die Beete und Sträucher mit Beerenobst, bleibt Platz für Obstbäume und ein Gewächshaus.
Das Gärtnern, sagt Thureaux-Steinecke, liege ihr im Blut. Schon als Kind hing sie gern mit den Füßen aus dem Beet, half beim Aussäen, harken, pikieren, pflegen und natürlich auch beim Ernten. Von der Großmutter erbt sie die Liebe zum Verarbeiten der Gartenfrüchte. Ihre Rezepte hat sie zwar nicht von der Oma übernommen, sehr wohl aber die Liebe und Sorgfalt bei der Verarbeitung.
Sie füllt heiße, traditionelle Erdbeer- oder Kirschmarmelade in die Gläser. Gern auch moderne Varianten einer Kürbismarmelade oder Kreatives wie eine Rote-Tomaten-Marmelade. Apfel, Holunder, Hagebutte, Quitte, alles kann zu fruchtigen Aufstrichen verwandelt werden. Dazu kommen eingelegtes Gemüse wie Blumenkohl, Gurken und Radieschen süßsauer, pikante Tomatensoßen. Hierfür hat sie sich in einer Profi-Küche eingemietet.
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Im Garten hinter dem Haus sprießt, grünt und blüht es bis in den Herbst. Auch für die Insekten ist der Tisch lange und reich gedeckt. Pflanzenschutzmittel verwendet die Hobbygärtnerin gar nicht, gedüngt werde mit einem Biodünger, sagt sie, dazu kommen Kuh- und Pferdemist.
Bereits im letzten Jahr zogen zwölf Hühner auf das Grundstück, das Angebot konnte um frische Eier aus Freilandhaltung erweitert werden. Inzwischen sind es 25 Hühner unterschiedlicher Rassen, die für farbenfrohe Eiervielfalt sorgen. In ihrem großen Gehege genießen sie Sonne, Wind und frische Luft. Sogar Wachteleier sind im Programm. Da die Eier aus der eigenen Haltung die Kundennachfrage nicht abdecken, verkauft das Paar auch Eier aus Beelitz, dazu Eierlikör und hausgemachte Nudeln.
Die Kartoffeln liefert ein Landwirt aus Neubrandenburg. Und gleich zwei Imker aus der Gemeinde verkaufen ihren Honig nun auch im Gartenstübchen. Der örtliche Jäger liefert Wildspezialitäten und damit ein Produkt, das im Zeestower Gartenstübchen noch schwer zu finden ist. „Vegetarier werden bei uns glücklich. Wer aber auch mal ein schönes Stück Fleisch auf den Grill legt, geht bei uns noch leer aus“, sagt Yves Thureaux. Er denkt über die Vermarktung des Hühnerfleisches nach. Fleischprodukte aus der Region fehlten noch, sagt er. Und nicht nur das.
Thureaux beklagt einen Mangel an regionalen Produkten, die für die Teller der Menschen gedacht sind. Die meisten Landwirte hier bauen Tierfutter an, beobachtet Thureaux. Das landet auf Umwegen auch in der Küche, doch vom Feld oder Acker direkt auf den Teller, das sei im Havelland immer noch schwer zu finden. Er würde sich für das Zeestower Gartenstübchen noch mehr regionale Produkte wünschen. Denn das hat der vergangene Sommer gezeigt: Die Nachfrage sei da, sagt Thureaux, es ist, als hätten die Zeestower nur auf so ein Angebot gewartet.
Dieser Nachfrage zu begegnen, bindet viel Zeit. Yves Thureaux arbeitet als Polizist im Schichtdienst, Sandra Thureaux-Steinecke hat eine 30-Stunden-Stelle im benachbarten Falkensee. Zum Team gehört auch der als Lagerist beschäftigte Sven Stone. Er übernimmt den Aufbau am Morgen, und auch dieser Aufbau wird immer umfangreicher.
Tüten mit Kräutern und Gewürzen, die Gläser mit den verführerischen Inhalten, Eier, frisches Obst und Gemüse, und bald soll noch frische Milch aus der Nachbarschaft dazukommen, verrät Thureaux. Die Kunden kommen und bedienen sich, das Gartenstübchen ist täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet. Gezahlt wird in eine Kasse des Vertrauens. Das klappe sehr gut, sagt Yves Thureaux. „Manchmal liegt ein Zettel drin: ,Habe mir dies oder jenes genommen, hatte kein Geld bei und zahle morgen‘“, erzählt er. Darauf könne man sich verlassen, fügt der 42-Jährige hinzu.
Wenn es die Zeit hergibt, steht er durchaus schon mal am Stand, erzählt er weiter. Mit den Leuten ins Gespräch kommen, das sei für ihn der schönste Teil der Arbeit im Gartenstübchen. Er spüre die Wertschätzung für die Produkte, die in den Holzregalen und auf den Tischen stehen, sagt er.
Der nächste Schritt wäre ein eigener kleiner Laden. Sandra Thureaux-Steinecke kann sich für den Gedanken ebenfalls begeistern. Im Moment, sagen sie, verdienen sie etwa tausend Euro im Monat mit dem Zeestower Gemüsestübchen – saisonale Schwankungen eingerechnet. Die Investitionen im Vorgarten konnte der Verkauf decken, sagt Thureaux, für den eins allerdings feststeht: Sollte es ein Geschäft geben, muss das in Zeestow sein. Mit dem Gartenstübchen in einen anderen Ort zu ziehen, kommt nicht infrage. „Man hatte uns bereits in Brieselang einen Laden in Aussicht gestellt. Der war auch schön, nur eben nicht in Zeestow.“
Es sind die Zeestower, die das Gartenstübchen so rasant wachsen ließen, die sich über Gurken, Tomaten in unterschiedlichen Sorten, Salat, Chili, Zucchini, Auberginen, Paprika, Zwiebeln, Möhren, Sellerie, Rote Bete, Kürbis, Erdbeeren, Johannisbeeren, Kirschen, Stachelbeeren, Äpfel und frische Kräuter von Borretsch bis Waldmeister freuen. Und weiter freuen sollen.
Übrigens: Landwirte und Erzeuger aus dem Havelland, die ihre Produkte im Gartenstübchen verkaufen möchten, können sich gern bei den beiden melden.
Kontakt: 0177/3 44 69 96 oder tythureaux@yahoo.de
Digitale Hilfsmittel können auch den Herdenschutz verbessern. Das Sächsische Landesamt erprobt derzeit ein Tierortungssystem, das dem Halter Standort- und Bewegungsdaten von seinen Weidetieren übermittelt. Dr. Stefanie Kewitz, Referentin in der Stabsstelle Digitalisierung in Köllitsch, wird das Konzept beim Praxis-Talk #08 vorstellen.
Virtuelle Zäune schützen nicht vor dem Wolf – können aber dennoch einen Beitrag zu besserem Herdenschutz leisten. Für diesen Zweck erprobt die Stabsstelle Digitalisierung im Lehr- und Versuchsgut Köllitsch (LVG) derzeit im Rahmen des Experimentierfeldes „Landnetz“ ein digitales System zur Tierortung. Das System ist eine Open-Source-Entwicklung von Frank Heisig, der in der Stabsstelle arbeitet.
Angeregt wurde seine Entwicklung von Iken Krüger, einer Kollegin, die im Sommer bei der Almhaltung von Rindern im Gebirge aushilft. Was im Übrigen erklärt, warum das System den Arbeitstitel „Heidi“ trägt. Open Source bedeutet, dass die verwendete Software, die Schaltungs- und Konstruktionsdaten sowie die Dokumentation frei zugänglich sind und von jedem verwendet sowie weiterentwickelt werden können.
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Wolfsübergriffe werden in der Regel erst bemerkt, wenn es zu spät ist. Über mögliche Risse hinaus kann es Folge solcher Vorfällen sein, dass die Herde aus dem umzäunten Bereich ausbricht. Das zieht weitere Risiken, etwa im Straßenverkehr, nach sich. „Keine Herde ist ausbruchssicher“, meint Dr. Stefanie Kewitz, Referentin in der Stabsstelle in Köllitsch. „Und es muss auch nicht immer der Wolf sein.“ Das System zeigt dem Halter den Standort der Herde an und gibt Hinweise auf deren Bewegungsverhalten.
Die Hauptkomponenten sind ein GPS-Empfänger, ein Mikrocomputer und ein LTE-Modem zur Datenübertragung. Alles ist mit einem Akku samt Laderegler und Solarzellen in einem Gehäuse aus witterungsbeständigem Plastik verbaut. Dieses wiederum wird über ein Bocksprunggeschirr an einem Schaf oder anderen Weidetier befestigt. Denkbar wäre auch, den Sender und das Zubehör an einem Halsband, etwa bei Rindern, zu befestigen.
Über Mobilfunk übermittelt der Sender („Tracker“) seine Standortdaten an einen Server, der über eine Webadresse jederzeit abrufbar ist. Die Daten werden alle 15 Minuten erfasst und, soweit keine Alarmsituation vorliegt, alle ein bis zwei Stunden übertragen. Die Intervalle sind frei wählbar und können beispielsweise auf fünf Minuten heruntergesetzt werden. Über das Anzeigen des Standortes hinaus ist auch „Geofencing“ möglich. Das heißt, es können am Grundriss der Weide orientierte virtuelle Zäune erstellt werden, bei deren Übertretung durch das den Sender tragende Tier ein Alarm ausgelöst wird. Die Daten werden dann in kurzen Abständen erfasst und unmittelbar übertragen. Zusätzlich kann eine Warn-SMS an das Mobiltelefon des Nutzers gesendet werden.
Die Energieversorgung ist über den Akku und die Aufladung über Solarzellen sichergestellt. Wird ein kritischer Akkustand unterschritten, geht der Sender in den Stand-by-Modus. Das heißt, er speichert zwar noch Daten, sendet sie aber, außer im Alarmfall, nicht mehr. Sie können nach Wiederaufladen des Akkus abgerufen werden.
Das Ortungssystem wurde sowohl stationär als über mehrwöchige Zeiträume an jeweils einem Schaf aus dem Bestand des LVG Kölltisch angebracht und auf seine Funktionsfähigkeit getestet. Dabei wurden zunächst grundlegende Merkmale überprüft. Die Standortgenauigkeit funktioniert demnach exakt mit einer fünf bis zehn Meter Abweichung. Die Energieversorgung durch Akku und Solarzellen arbeitet ebenfalls relativ zuverlässig. Zwei Sonnentage reichen, um den Akku für eine Woche zu laden. Das Geschirr mit dem Sender wird von den Schafen in der Regel gut toleriert.
Dokumentation der Open-Source-Entwicklung im Internet unter: github.com/Ikeen/heidi
Neu in die Anwendung integriert werden soll ein Beschleunigungssensor, der dem Halter Hinweise auf ungewöhnliche Aktivität der Herde geben könnte. Grundlage hierfür sind Bewegungsprofile der Herde, die durch Beobachtung und Abgleich mit in kurzem Intervall ermittelten Standortdaten erstellt werden.
Erprobt wird das System zum Herdenschutz mit Tierortungssystem bisher mit einem Sender an einem Tier in der Herde. Statt alle oder mehrere Tiere mit einem Sender auszustatten, könnte ein Hauptsender als Gateway fungieren, der Signale von weiteren kleineren Sensoren an anderen Tiere in der Nähe empfängt und an die Webdatenbank weiterleitet.
Damit könnten Kosten gespart werden, wenn eine Einzeltierüberwachung realisiert werden soll, beispielsweise bei Rindern im Hochgebirge. Für diesen Zweck ist ein LoRa-Sender (LoRa: Long Range) in jedem Tracker vorgesehen, mit dessen Hilfe innerhalb der Herde ein kleines drahtloses Datennetz hergestellt werden kann, das die Datenübertragung von den Einzelsensoren zum Gateway übernimmt. LoRa-Sender arbeiten sehr energiesparend und – wie ihr Namen bereits sagt – mit großer Reichweite.
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In Thüringen melkt heute gut jeder vierte Milchviehbetrieb seine Kühe automatisch. Dies geht aus den Daten der Melktechnikprüfung der Qnetics GmbH des Jahres 2021 hervor.
In den Betrieben wurden auf zusammen 560 Melkplätzen knapp über 20 % aller MLP-Kühe des vorigen Prüfjahres gemolken. In 58 Betrieben kommen Melkroboter (Mehrboxensysteme und Einboxen) zum Einsatz. Die Zahl der Melkplätze summiert sich in den Thüringer Melkroboterbetrieben auf 290. Nach Herstellern aufgeschlüsselt, entschieden sich 16 Betriebe für DeLaval (60 Melkplätze), acht für Gea (37), 32 Betriebe für Lely (166) und zwei für Lemmer Fullwood (27).
Neun Betriebe investierten in den zurückliegenden Jahren in automatische Melkkarusselle, die 270 Melkplätze bieten. In vier Fällen entschieden sich die Landwirte für Technik der Firma DeLaval (96 Melkplätze) und fünf Betriebe für Systeme von Gea (174). In diesen Betrieben werden bis zu 5.500 Kühe gemolken.
Einen wenig höheren Anteil als die automatischen Melksysteme besitzen Fischgräten-Melkstände, die in rund 26 % der Milchviehbetriebe zu finden sind. Nahezu 15 % nutzen Innenmelker- und etwa vier Prozent Außenmelker-Karusselle. Fast zwölf Prozent der Betriebe setzen in Thüringen bei den Melksystemen auf Side-by-Side-Melkstände und nahezu zehn Prozent auf Rohrmelkanlagen. Tandem-Melkstände folgen knapp dahinter. Selbst Eimermelkanlagen finden sich noch, wenn auch nur in einzelnen Betrieben mit Kleinstbeständen.
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Gut 40 % der Thüringer Milchviehbetriebe lassen regelmäßig ihre Melkanlage nach DIN ISO überprüfen. Den Ergebnissen der Qnetics-Techniker zufolge fanden sich 2021 die mit Abstand meisten Mängel bei der Dichtheit des Luftsystems, was, wenn auch schon deutlich geringer, ebenso das Melksystem betraf. Dicht darauf folgten Mängel bei der Melkzeugzwischendesinfektion.
In 50 Roboterbetrieben, die im vergangenen MLP-Jahr 16.000 Kühe hielten, wurde nach der Roboterprüfmethode eine durchschnittliche Milchleistung von 10.542 kg ermittelt. Diese lag rund 500 kg über dem Gesamtdurchschnitt der 90.500 Thüringer MLP-Kühe, die es 2020/2021 noch in 268 Betrieben gab. Bei Fett-Eiweiß-Kilogramm kamen die Roboterbetriebe auf durchschnittlich 781 kg, was 30 kg über dem Mittelwert lag. Mit 258.000 liegen allerdings die Zellzahlen in den Roboterbetrieben über dem Thüringer Durchschnitt von 227.000.
Das Gewinnen von Birkenwasser war im Colditzer Forst nahe Leipzig über Jahrzehnte eine einträgliche Nebennutzung des Waldes. Damit das Wissen nicht verloren geht, veranstaltet das Forstrevier Zapfkurse für Auszubildende.
Von Wolfgang Rudolph
Früher Morgen im Colditzer Forst, einem 3.500 Hektar großen Waldgebiet südlich von Leipzig. In einem lichten Bestand drückt Auszubildender Andreas Geiler den Bohrvorsatz der Motorsäge etwa 30 cm über dem Waldboden an einen Birkenstamm.
„Noch ein kleines Stück höher und schräg nach oben bohren“, korrigiert Lehrmeister Ulrich Zillmann. Schließlich gibt der angehende Forstwirt Gas und versenkt den rotierenden Bohrer gut 5 cm in das Splintholz. Dann reinigt er mit einem Draht das Bohrloch. Ein anderer Auszubildender schlägt mit einigen Hammerschlägen eine Hülse aus Edelstahl in die Bohrung. Gemäß Vorgabe gerade so tief, dass sie straff sitzt, sich aber auch wieder ohne großen Kraftaufwand aus dem Stamm herausziehen lässt.
Wenig später tropft Xylemwasser in ein darunter gestelltes Glasgefäß. Auch um das Röhrchen außen herum quillt Flüssigkeit heraus. „Das dichtet sich schnell selbst ab“, sagt Zillmann. Der 58-jährige Forstwirt war viele Jahre unter anderem in diesem, heute exotisch anmutenden Bereich der Waldnebennutzung tätig und gibt seine Erfahrungen in einem fakultativen Lehrgang an den Berufsnachwuchs im Staatsbetrieb Sachsenforst weiter.
„Dies war früher ein reiner Birkenbestand, in dem von März bis Mai, wenn der Saft in die Bäume steigt, jeder vitale Baum bezapft wurde.“ Auch Birken entlang der Hauptschneisen habe man für die Gewinnung von Birkenwasser genutzt, sofern sie in Brusthöhe einen Durchmesser von mindestens 20 cm aufwiesen.
Inzwischen ist Revierleiterin Barbara Kotschmar hinzugestoßen. Die 64-Jährige leitet das Revier seit 1985. Als gebürtige Colditzerin und in einer Försterfamilie aufgewachsen, kennt sie Fakten und Zahlen zur Geschichte der Birkensaftproduktion: Das Anbohren erfolgte bis Anfang der 1960-er Jahre mit Muskelkraft und Brustleier, später mit elektrischen Bohrmaschinen, für deren Betrieb Kabel von einem Notstromaggregat durch den Wald verlegt werden mussten.
Nach 1990 fiel die Entscheidung, die Birkensaftgewinnung, im Gegensatz zur ebenfalls rege betriebenen Kiefernharzung, fortzuführen. Bis wirtschaftliche Erwägungen 1999 letztlich doch das Aus für diese Nebennutzung erzwangen, standen den Forstleuten nun Bohrvorsätze für Motorsägen zur Verfügung. Unabhängig vom verwendeten Werkzeug galt es, ein erneutes Aufbohren der in den Vorjahren zum Saisonende mit einem Holzpfropfen verschlossenen Bohrlöcher zu vermeiden. Dies mindert ansonsten den Ertrag. Keine leichte Aufgabe in Anbetracht einer vieljährigen Nutzung der Birken für die Saftproduktion. Denn einerseits behindern die Wurzelausläufer an vielen Stellen ein standsicheres Aufstellen der handelsüblichen 5-Liter-Gurkengläser am Stammfuß. Andererseits durften die Röhrchen nicht zu hoch über den Auffanggefäßen platziert werden, da sonst die Gefahr bestand, dass Wind die austretenden Tropfen wegweht.
„Ein ständiges Ärgernis waren dabei die Einsteckhülsen“, erinnert sich Kotschmar. „Die anfangs verwendeten Holz- und Glasröhrchen zerbrachen schnell, Plastik war zu weich und Kiele von Putenfedern erwiesen sich als völlig unpraktikabel. Aber auch die dann bis zur Wende genutzten Aluminiumhülsen verbogen sich bei jedem nicht gerade geführten Hammerschlag.“
Trotz all dieser Probleme habe man es geschafft, in jedem Frühjahr um die 3.000 Birken im Revier mit bis zu drei Zapfstellen zu versehen. „Unsere Rekordernte erzielten wir 1983 mit insgesamt 142.600 Litern Birkenwasser. Dafür wurden 3.181 Bäume angezapft und 5.710 Gläser aufgestellt“, entnimmt die Revierförsterin alten Unterlagen.
Es habe immer fleißige und faule Zapfbirken gegeben, also solche, aus denen täglich bis zu 30 Liter tropften, sodass die Gläser mehrmals am Tag geleert werden mussten, und solche, an denen sich bis zum nächsten Morgen nur ein kleiner Schluck im Glas gesammelt hatte. Dies konnte von einem zum anderen Jahr durchaus wechseln. Die Gründe dafür blieben im Dunkeln.
Der Gewinn aus der Birkensaft-Produktion (zu DDR-Zeiten gab es etwa eine Mark pro Liter) überstieg den Erlös aus der Holznutzung um ein Vielfaches. „Der Verkauf der Birken als Wertholz war dennoch uneingeschränkt möglich“, betont Kotschmar. So manche gute Birke habe nach dem Gesundschnitt, wie das Abtrennen des unteren Stammabschnittes mit den zahlreichen verpfropften Bohrlöchern bezeichnet wurde, bei den Submissionen gutes Geld gebracht.
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Täglich entleerten Waldarbeiter während der drei- bis vierwöchigen Birkensaft-Kampagne in den frühen Morgenstunden die Auffanggläser in Milchkannen und gossen deren Inhalt dann in einen 10-Kubikmeter-Fasswagen, den ein Traktor entlang der Wege und Rückegassen zog. Zwischen den Leerungen durfte es nicht zu stark geregnet haben. In diesen Fällen galt der Birkensaft als verwässert und wurde weggeschüttet.
In dem mobilen Sammelfass befand sich bereits ein Ansatz aus 2 Liter Isopropanol (einwertiger Alkohol) und 180 Gramm P-Hydroxybenzonsäuremethylester (Konservierungsmittel) pro 100 Liter, was die Gärung des zuckerhaltigen Xylemwassers verhindert. Ohne den Zusatz von Ester und Alkohol hält sich Rohbirkensaft maximal 14 Tage bei kühler Lagerung.
Auf dem Maschinenhof des Forstamtes musste der Birkensaft vor dem Verkauf noch mittels Filtertechnik, wie sie in Keltereien zum Einsatz kommt, von Schwebstoffen gereinigt werden. „Das war wegen der ständig verstopften Filterscheiben eine zeitaufwendige und mühselige Arbeit, ebenso wie das gründliche Säubern aller verwendeten Utensilien zum Saisonschluss“, erinnert sich die Revierleiterin.
Abnehmer der 60-Liter-Weinballons mit aufbereitetem Birkensaft war in erster Linie die Kosmetikindustrie, allen voran die heute zur Beiersdorf AG gehörende Firma Florena im sächsischen Waldheim, die daraus das traditionelle Birken-Haarwasser herstellte.
In den 1970er-Jahren versuchte sich eine Mosterei im nahe gelegenen Geithain an der Vermarktung eines alkoholfreien Birkensaftgetränkes, das trotz des Hinweises, dass die Limo nicht nur erfrischt, sondern auch schlank wie eine Birke macht, nur eine geringe Nachfrage fand.
Kein Verkaufsschlager war ebenso der von der Leipziger Likörfabrik Horn von 1997 bis 1999 produzierte Fruchtschnaps auf Basis von Xylemsaft. Dafür eignet sich vermutlich besser der trübe, invertzuckerhaltige Saft aus dem Bast der Birke (Phloemsaft), der sich, ähnlich der Kiefernharzung, in den Sommermonaten durch das Anritzen der Rinde gewinnen lässt. Diese zweite Variante der Birkensaftproduktion wird wegen der dadurch verursachten Schädigung der Bäume in Deutschland jedoch nicht praktiziert.
Mit dem Austrieb der Blätter und dem damit einhergehenden Wechsel vom Druck in den Gefäßen zum Kapillarsog schwindet die Ausbeute an Xylemwasser. Es wird durch einen zunehmenden Anteil schleimiger, pektinöser Substanzen trüber, wodurch sich der Reinigungsaufwand erhöht. Dies war der Grund dafür, trotz Bruchgefahr gläserne Auffanggefäße zu verwenden. So ließen sich Eintrübungen sowie hereingefallene Fremdkörper sofort erkennen und Entscheidungen über eine weitere Nutzung treffen.
Spätestens Anfang Mai entfernten die Forstleute die eingesteckten Röhrchen und verschlossen die Zapfkanäle mit einem Holzdübel. Durch Wundgummibildung überwuchsen die Bohrungen rasch und boten keine Eintrittspforte für pilzliche Erreger.
Mit Abschluss der Saison 1999 endete das letzte Kapitel der Birkensaftgewinnung im Colditzer Forst. „Dies war nicht nur dem Umstand geschuldet, dass sich die Wirtschaftlichkeit immer schwieriger darstellen ließ und die Firmen den Xylemsaft billiger als Konzentrat aus Osteuropa, Skandinavien oder China bezogen, sondern hat auch etwas mit dem deutschen Branntweinsteuergesetz zu tun. Wegen des hohen Alkoholgehalts der Substanzen zur Haltbarmachung des Birkensaftes hätten wir ständig Zollbeamte mit der Plombierzange im Haus gehabt. Das war uns dann doch zu aufwendig“, begründet Kotschmar die Entscheidung.
Seit einigen Jahren erlebt das klare, mineralhaltige und leicht süßlich schmeckende Naturprodukt Birkenwasser eine Renaissance, etwa als trendige Limonade mit nahezu null Kalorien oder für äußere und innere Heilanwendungen in der Alternativmedizin. Birkensaft ist mit und ohne Aromazusätze ab ca. drei Euro pro Liter im Handel erhältlich, auch in Bioqualität und es gehört mittlerweile zum Sortiment einiger Discounter.
Zusammen mit dem Verbraucherwunsch nach regionalen Produkten könnte das die heimische Birkensaftgewinnung wieder wirtschaftlich attraktiv machen und – mit Blick auf die angestrebte Artenvielfalt in unseren Wäldern – den Anbau der als Forstunkraut verrufenen Baumart Birke befördern.
Die Teilnehmer des Lehrgangs zur Birkensaftgewinnung, die gemäß altem Colditzer Brauch nach dem Anzapfen mit Birkenwasser anstießen, wissen nun, wie es geht.
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Auf den Grünlandflächen von Familie Henning in Hollbrunn machen sich Gänsefingerkraut und Acker-Kratzdistel breit. Bekämpfungsmöglichkeiten sind dank Kulap stark eingeschränkt, aber noch gibt es sie.
Familie Henning aus Hollbrunn hatte sich im Herbst mit einem Grünlandproblem an die Bauernzeitung gewandt. Auf dem Nebenerwerbsgrünland gibt es Probleme mit Ackerkratzdistel, aber vor allem mit Gänsefingerkraut. Bekämpfungsmöglichkeiten sind inzwischen stark eingeschränkt. Zwar ist Gänsefingerkraut per se keine Giftpflanze, doch leidet der Geschmack vor allem von Heu erheblich, wenn das Kraut enthalten ist. Doch was kann man tun, um dem Grünland auf die Beine zu helfen?
Das Gänsefingerkraut ist ein Vertreter aus der Familie der Rosengewächse. Seine ursprüngliche Heimat ist vermutlich Nord- und Mitteleuropa. Es wächst heute vorrangig in der gemäßigten Klimazone, was unter anderem Nordamerika, Europa sowie Teile Westasiens miteinschließt. Die Pflanze ist auch in entferntere Kontinente verschleppt worden, sodass sie heute auch in Australien anzutreffen ist.
Gänsefingerkraut kann in der Natur häufig auf nährstoffreichen, verdichteten und eher feuchten Böden gefunden werden. Zu beachten ist, dass das Gänsefingerkraut eine gute Salztoleranz aufweist. Die Pflanze gilt häufig als Indikatorpflanze für staunasse Böden. Die mehrjährige Pflanze wächst kriechend am Boden und wird kaum zehn Zentimeter hoch. Sie ist ganz behaart und fällt durch ihre silbrigen Haare an den Blättern auf. Sie verbreitet sich mit Kriechtrieben, die pro Jahr 80 cm wachsen können. An deren Knoten bilden sich Wurzeln und neue Pflanzen. Die gelben Blüten erscheinen im Mai. Es treten aber auch noch welche im August auf.
Das Gänsefingerkraut wird in der Naturheilkunde gegen Krämpfe und andere Leiden eingesetzt. Es enthält mit fünf bis zehn Prozent einen hohen Anteil an Gerbstoffen. Diese sind für die krampflösenden Eigenschaften der Pflanze verantwortlich. Darüber hinaus enthält es auch Bitterstoffe, Flavonoide, Cumarine, Schleimstoffe, Pseudosaponine und Vitamin C (in der frischen Pflanze bis zu 350 g/100 g).
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Bekämpfen lässt sich das Fingerkraut am effektivsten mechanisch, allerdings am besten auf kleinen Flächen in Gärten und Parks. Die leichte Bearbeitung sollte bei feuchtem Boden erfolgen. Ansonsten brechen einzelne Teile des Wurzelwerks schnell ab. Mit Hackorganen sollte der Boden aufgelockert werden. Im Anschluss sollten alle Wurzeln ausgegraben und ausgelesen werden.
Auf Wiesen und Weiden ist die mechanische Bekämpfung zu aufwendig. Doch wann dürfen Herbizide auf Grünland in Schutzgebieten angewendet werden? Auch in der neuen Anwendungsverordnung für Pflanzenschutzmittel heißt es dazu, dass Herbizide in Naturschutzgebieten nur mit Ausnahmegenehmigung angewendet werden dürfen. Sie kann für Grünland erteilt werden, wenn die Verunkrautung so umfassend ist, dass eine wirtschaftliche Nutzung sonst unmöglich wäre, wenn die Futtergewinnung wegen eines Risikos für die Tiergesundheit (z. B. durch Jakobskreuzkraut) sonst nicht möglich wäre oder für die punktuelle Beseitigung giftiger, invasiver oder bei vermehrtem Auftreten für die Grünlandnutzung problematischer Pflanzenarten.
Je nach Bundesland sind die Ausnahmegenehmigungen unterschiedlich zu beantragen. Die entsprechenden Formulare finden Sie auf den Seiten der amtlichen Dienste oder auf ISIP. In Brandenburg ist der Antrag auf Ausnahmegenehmigung vom Flächenbewirtschafter schriftlich beim Landwirtschaftsamt des Landkreises einzureichen. Auf ihm sind der Flächenumfang, Leitunkräuter und vorgesehene Mittel beziehungsweise Wirkstoffe aufzuzeigen. Von dort wird der Antrag an den Pflanzenschutzdienst des Landesamtes (LELF) weitergeleitet. Das LELF schickt einen Außendienstmitarbeiter vor Ort, der die Fläche bonitiert und die Maßnahmen gegebenenfalls anpasst. Passt alles, kommt die Genehmigung auf umgekehrtem Wege zurück, und die (Teil-)Flächen können behandelt werden.
Eines der wenigen verbliebenen Mittel ist das Präparat Simplex, ein Herbizid, das nur für die Unkrautregulierung auf Wiesen und Weiden zugelassen ist. Das Kombipräparat mit den Wirkstoffen Fluroxypyr und Aminopyralid verfügt über ein sehr breites Wirkungsspektrum gegenüber vielen dikotylen Unkräutern. Gräser werden durch das Herbizid dagegen nicht beeinträchtigt.
Spezielle Anwendungsauflagen bestehen aufgrund des Wirkstoffs Aminopyralid. Dieser zeichnet sich durch ein hohes Wirkungspotenzial gegen schwer zu bekämpfende Grünlandunkräuter aus.
Der Abbau im Boden erfolgt mit einer Halbwertzeit von ca. 21 Tagen relativ rasch. In Gräsern auf behandeltem Grünland findet der Abbau allerdings nur sehr zögerlich statt. In geerntetem Futter ist der Wirkstoff weitgehend stabil. Nach der Verfütterung wird Aminopyralid nahezu vollständig über Kot und Harn ausgeschieden und tritt als Rückstand in Wirtschaftsdünger auf. Deshalb planen Sie die Maßnahme rechtzeitig und diskutieren Sie diese mit Ihrem amtlichen Dienst.
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Mit dem Landwirtschaftsbetrieb vom Haupt- in den Nebenerwerb zu wechseln, kann verschiedene Gründe haben. Chancen und Risiken der nebenberuflichen Betriebsführung beleuchtet dieser Beitrag.
Von Ludwig Kraus, Referent Dienstleistungsangebote und Beratung, Bayerischer Bauernverband
Eine beachtliche Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland wird im Nebenerwerb bewirtschaftet. Der Anteil ist in den einzelnen Bundesländern und Regionen strukturbedingt unterschiedlich groß. Auch innerhalb der Gruppe der Nebenerwerbsbetriebe gibt es deutliche Unterschiede hinsichtlich Ausrichtung, Tierhaltungs- und Vermarktungsformen sowie Umfang der bewirtschafteten Flächen.
Die Entscheidung, einen bestehenden Haupterwerbsbetrieb künftig im Nebenerwerb zu bewirtschaften, hängt oft mit einem Generationswechsel innerhalb der Familie zusammen. Zudem geben teilweise auch finanzielle Gegebenheiten oder fehlende betriebliche Entwicklungsmöglichkeiten den Ausschlag zur Umstrukturierung des landwirtschaftlichen Betriebes. Nachfolgend werden Chancen, Risiken und Herausforderungen der Nebenerwerbsbetriebe betrachtet und anschließend einige Hinweise zu betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, finanziellen Herausforderungen sowie wichtigen Vorsorgemaßnahmen gegeben.
Durch das Aufnehmen einer außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit generieren Betriebsleiter/innen in erster Linie einen zusätzlichen – oft auch gesicherten – monatlichen Verdienst. Dieser trägt dann in unterschiedlicher Größenordnung zur Absicherung des Gesamteinkommens des Betriebsleiters bzw. der Familie bei.
Die damit verbundene Möglichkeit, sich beim Überschreiten gewisser Einkommensgrenzen z. B. von der Landwirtschaftlichen Alterskasse befreien zu lassen oder die Krankenkasse zu wechseln, stellt zwar eine gewisse Einsparmöglichkeit bei den Privatentnahmen dar, sollte jedoch unbedingt vorher im Einzelfall mit den jeweiligen Beratungsstellen abgeklärt und besprochen werden, um negative Auswirkungen hinsichtlich der persönlichen Absicherung und Vorsorge zu vermeiden.
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Die Aufnahme einer außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit ist in vielen Fällen auch eine Alternative zu betrieblichem Wachstum, wenn dies betriebsindividuell nicht möglich oder aber auch nicht gewünscht ist. Gründe hierfür können z. B. ein regional umkämpfter Flächenmarkt, eine betriebliche Innerortslage oder die finanzielle Ausgangssituation sein. Ein häufiger Aspekt ist auch, dass beispielsweise der Hofnachfolger seinen erlernten außerlandwirtschaftlichen Beruf einfach weiter ausüben, trotzdem aber die Landwirtschaft – wenn auch in anderer Form – fortführen möchte.
Vorsicht ist jedoch beim Arbeitszeitbedarf und der Arbeitskräftesituation geboten, denn geringere Arbeitskapazitäten für den landwirtschaftlichen Betrieb können auch dazu führen, dass gewisse Ertragseinbußen zu verzeichnen sind. So hilfreich es für Alt und Jung auch im Nebenerwerbsbetrieb ist, wenn die Übergeber noch tatkräftig mitarbeiten, so gefährlich kann es werden, dies dauerhaft so einzuplanen.
Die körperliche und psychische Doppelbelastung ist bei Betriebsleitern im Nebenerwerb ebenfalls zu berücksichtigen. Je mehr die außerlandwirtschaftliche Tätigkeit eine Abwesenheit vom Betrieb erfordert, umso schwieriger wird es, auf unvorhersehbare Umstände am Betrieb kurzfristig zu reagieren, sofern nicht andere Familienmitglieder dies ausgleichen können. Die im Rahmen der Coronapandemie verstärkte Nutzung von Homeoffice und Videokonferenzen könnte dies in Zukunft – je nach der Art der außerlandwirtschaftlichen Beschäftigung – etwas erleichtern. Hilfreich ist es zudem, wenn im außerlandwirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnis zumindest ein paar Tage Urlaub kurzfristig genommen werden können, etwa um die wetterabhängigen Erntearbeiten zeitgerecht erledigen zu können.
In vielen Fällen erfolgt im Rahmen des Wechsels vom Haupt- in den Nebenerwerb eine Umstrukturierung des Betriebes samt der Umstellung der Produktionsrichtungen und -verfahren. Hierbei besteht vor allem in den ersten Jahren der Umstellung die Gefahr, dass aufgrund mangelnder Erfahrungen gewisse Ertrags- und Leistungseinbußen zu verkraften sind. Teilweise wird dadurch auch eine Zusammenarbeit mit neuen Vermarktungspartnern erforderlich. Zudem ist in diesen Fällen eine Überprüfung der versicherungsrechtlichen Gegebenheiten sowie der Haftungsfragen dringend zu empfehlen.
Dies alles ist im Vorfeld einer weitreichenderen betrieblichen Umstrukturierung zu bedenken, wobei die Liste der zu beachtenden Aspekte beim Wechsel vom Haupt- in den Nebenerwerb noch beliebig fortgesetzt werden könnte, da sich die landwirtschaftlichen Betriebe so sehr unterscheiden.
Doch so unterschiedlich die Nebenerwerbsbetriebe auch sind, eines haben sie doch gemeinsam: Es geht auch im Nebenerwerb darum, einen entsprechenden Gewinn als Anteil zum Gesamteinkommen zu erwirtschaften, und dieser schwankt innerhalb ähnlich gelagerter Betriebe sehr deutlich, was Buchführungsauswertungen bestätigen. Somit ist es für einen genauen Überblick über die eigene wirtschaftliche und finanzielle Situation und vor allem bei der Planung von Investitionen oder Umstellungsmaßnahmen dringend angeraten, sich intensiv mit den eigenen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen auseinanderzusetzen.
Die Gewinn- und Verlustrechnung gibt einen Überblick über die Rentabilität des Betriebes – nachfolgend eine Darstellung der wesentlichen Einflussfaktoren:
Bei den Bestandsveränderungen und den Abschreibungen ist zu berücksichtigen, dass sich diese nicht direkt auf den Geldfluss auswirken. Außerordentliche Erträge und Aufwendungen, etwa aus einem Maschinenverkauf, sind genauer zu betrachten, da diese das Ergebnis gegenüber den Durchschnittsjahren verzerren können.
Aber auch bei den Umsatzerlösen und z. B. bei den Aufwendungen für den Unterhalt von Gebäuden und Maschinen können große Unterschiede zwischen einzelnen Jahren auftreten, weshalb es sich immer lohnt, mehrere Wirtschaftsjahre zu betrachten.
Zudem ist bei den sogenannten pauschalierenden Betrieben zu beachten, dass die komplette Vorsteuer von getätigten Investitionen sofort im Anschaffungsjahr als Aufwand eingerechnet ist und den Gewinn entsprechend reduziert.
Beim Nebenerwerbslandwirt empfiehlt es sich, neben dem Gewinn einen Blick auf das Gesamteinkommen zu werfen, denn zum Gewinn aus der Land- und Forstwirtschaft kommt in der Regel ein zusätzliches außerlandwirtschaftliches Einkommen hinzu. Dies kann beispielsweise aus einer nicht selbstständigen Arbeitnehmertätigkeit und/oder einem Gewerbebetrieb stammen. Was ist nun mit diesem Gesamteinkommen abzudecken? Nachfolgend einige wichtige Positionen, die aber nicht alle bei jedem Betrieb in gleicher Weise zutreffen:
Ein ausreichendes Gesamteinkommen trägt zwar wesentlich zur Absicherung der Betriebsleiterfamilie bei, doch auch weitere Vorsichts – und Vorsorgemaßnahmen sind angebracht.
So sollten bei Investitionsmaßnahmen die eigentumsrechtlichen Fragen vorher eindeutig geklärt sein, was vor allem im Vorfeld einer anstehenden Hofübergabe eine wichtige Rolle spielt. Oft möchte nämlich der künftige Hofübernehmer schon investieren, obwohl die Eigentumsfrage noch nicht abschließend geregelt und vereinbart ist.
Bei größeren Investitionsmaßnahmen mit entsprechenden Finanzierungssummen im betrieblichen wie im privaten Bereich stellt die Absicherung des Betriebsleiters über eine Risikolebensversicherung eine Möglichkeit dar, im Todesfall zumindest die finanziellen Auswirkungen abzumildern und die Darlehensverpflichtungen leisten zu können.
Wichtiger Baustein für die Absicherung der Betriebsleiterfamilie und des Betriebes selbst ist außerdem der Abschluss einer Vorsorgevollmacht, damit bei Krankheit und Schicksalsschlägen betriebliche und familiäre Entscheidungen weiterhin möglich sind.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass es bei den landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieben nicht zuletzt aufgrund der vielfältigen Ausrichtungen sowie der unterschiedlichen Betriebsgrößen individuelle Chancen und Risiken bei der Betriebsführung gibt. Die vorgenannten Aspekte können nur einen Ausschnitt darstellen und sollen dazu anregen, sich mit den betrieblichen Kennzahlen, den bestehenden Chancen, aber auch mit den Risiken samt deren Absicherungsmöglichkeiten für den eigenen Betrieb auseinanderzusetzen.
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Vor Jahrhunderten als Begleitpflanze eingeschleppt, dient er heute als Mischungspartner in Blüh- und Zwischenfruchtmischungen. Inzwischen ist der Leindotter eine echte Nutzpflanze.
Von Andrea Biertümpfel & Torsten Graf, TLLLR
Leindotter stammt ursprünglich aus Südwestasien. Er wurde aber bereits vor Jahrhunderten als Beiflora in Europa eingeschleppt und später als Ölpflanze genutzt. Hier zeichnet sich aufgrund seiner Fettsäurezusammensetzung aus überwiegend ungesättigten Fettsäuren und hohen Anteilen an Alpha-Linolensäure in den letzten Jahren ein steigender Bedarf, vor allem aus dem Ökosektor, ab. Auch in Saatgutmischungen, z. B. für den Zwischenfruchtanbau oder in Blühmischungen, ist der Leindotter zu finden.
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Anders als der Name vermuten lässt, ist Leindotter nicht mit dem Lein verwandt, sondern gehört zur Familie der Kreuzblütengewächse. Es gibt sommer- und winterannuelle Formen, wobei Letztgenannte hauptsächlich in wärmeren Regionen wie Spanien oder England zum Anbau kommen. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf Sommerleindotter.
Leindotter ist sehr gut an die klimatischen Bedingungen Mitteleuropas angepasst, und seine Jungpflanzen weisen eine gute Spätfrostverträglichkeit auf. Auch bezüglich des Bodens ist die Pflanze anspruchslos, wobei humose Böden mit guter Nährstoffversorgung besonders günstig sind. Leindotter toleriert aber auch schlechtere Standorte, z. B. Vorgebirgslagen und trockene Bedingungen. Probleme bereitet Staunässe, die auch in extrem feuchten Jahren zum Problem werden kann. Wie die meisten Kreuzblütler ist Leindotter hinsichtlich der Fruchtfolge bzw. der Vorfruchtwahl eher anspruchslos. Unkraut unterdrückende Eigenschaften der Vorfrucht sollten aufgrund der Zulassungssituation im Herbizidbereich Berücksichtigung finden. Die Pflanze ist nicht selbstverträglich, und auch zu anderen Kruziferen sind Anbaupausen von vier Jahren einzuhalten.
Als Nachfrucht bietet sich Getreide an, um eventuellen Durchwuchs bekämpfen zu können. Da Ausfallsamen nach der Ernte aber schnell keimen und Leindotter über Winter in der Regel auch abfriert, ist die Durchwuchsgefahr relativ gering.
Vom Leindotter ist eine Reihe von Sorten erhältlich. Zu nennen wären hier beispielsweise Ligena, Dolly und Calena. Über einen aktuellen Sortenschutz verfügen gegenwärtig die Sorten Eica und Sonny. Ein weiterer Stamm ist im letzten Jahr zur Prüfung beim Bundessortenamt angemeldet worden. Im Jahr 2022 beginnen an zwei Standorten des TLLLR Sortenversuche, um die der am Markt verfügbaren Sorten hinsichtlich ihrer Anbaueignung für Thüringen zu prüfen.
Praxisversuch Leindotteranbau
Wir wollen 2022 einen Betrieb durch die Saison begleiten und regelmäßig vom Versuch berichten. Dabei soll es nicht nur um Aussaat und Ernte, sondern auch um Absatzwege und Verwendungsmöglichkeiten gehen. ep
Beim Bezug von Saatgut ist zu beachten, dass die Art nicht dem Saatgutverkehrsgesetz unterliegt. Deshalb wird Leindottersaat nicht mit amtlichen Etiketten versehen bzw. kategorisiert. Ist Leindotter jedoch Bestandteil einer Saatgutmischung, z. B. für den Zwischenfruchtanbau, so ist diese Saatgutmischung mit einem grünen Etikett und einer Mischungsnummer gekennzeichnet (ausgenommen hiervon sind Kleinpackungen).
Bei der Bodenbearbeitung muss berücksichtigt werden, dass der Leindotter mit einem Tausendkorngewicht von 0,8 bis 1,6 g sehr feine Samen hat. Das Saatbett muss feinkrümelig und rückverfestigt sein, Verdichtungen sind zu vermeiden und die Bodenfeuchtigkeit zu erhalten.
Entscheidend für einen erfolgreichen Anbau ist eine möglichst frühe Aussaat von Mitte März bis Anfang April. Leindotter gehört zu den Langtagspflanzen und benötigt zur Erzielung hoher Kornerträge einen gut ausgebildeten Blattapparat. Spätfröste bis -5 °C tolerieren die Jungpflanzen problemlos. Die Saatstärke beträgt 5 bis 7 kg/ha, was bei dem bereits erwähnten Tausendkorngewicht etwa 400 bis 600 Samen/m² entspricht. Gesät wird möglichst flach, ca. 0,5 bis 2 cm tief mit üblichen Drillmaschinen für Feinsämereien.
Der Reihenabstand richtet sich vorrangig nach der geplanten Pflege und kann von 13,5 bis 30 cm variieren. Wichtig ist auch das Walzen nach der Saat, um einen guten Bodenschluss und damit eine Wassernachlieferung aus tieferen Bodenschichten für die Keimung zu gewährleisten. Leindotter entwickelt sich relativ schnell, sodass unter optimalen Bedingungen keine Unkrautbekämpfungsmaßnahmen erforderlich sind. Aktuell ist die einmalige Anwendung von Butisan im Nachauflaufverfahren mit einer Aufwandmenge von 1,5 l/ha erlaubt. Auch eine Bekämpfung von Ungräsern bzw. Ausfallgetreide mit Graminiziden ist möglich.
Wegen des aufrechten Wuchses der Jungpflanzen und des dichten Saatbandes lässt sich Leindotter sehr gut maschinell hacken. Diese Pflegemöglichkeit sollte unbedingt in Betracht gezogen werden. Erdflöhe können, insbesondere bei trockenen Bedingungen während des Auflaufens, Probleme verursachen.
Die Blüte fällt in der Regel mit der zweiten Welle des Rapsglanzkäfers zusammen, der durch den Knospenfraß erhebliche Schäden hervorrufen kann. Zugelassene Insektizide stehen zur Verfügung. Pilzliche Schaderreger treten weniger häufig auf, lediglich Falscher Mehltau kann bei feuchter Witterung bzw. in humiden Gebieten ertragsrelevant werden. Über den aktuellen Zulassungsstand bzw. die Möglichkeit der Erteilung von Genehmigungen nach § 22 (2) informieren auch die zuständigen Pflanzenschutzstellen.
Die Vorgaben der aktuellen Düngeverordnung sind bei der Düngebedarfsermittlung zwingend zu beachten. Bei ausreichender Versorgung des Bodens – Versorgungsstufe C – besteht kein Grunddüngungsbedarf und die Nährstoffentzüge können im Rahmen der Fruchtfolgedüngung ersetzt werden. Bei einem Ertragsniveau von 20 dt/ha entzieht der Leindotter 15 bis 20 kg/ha Phosphor, 60 bis 70 kg/ha Kalium und 5 bis 7 kg/ha Magnesium.
Zur Bemessung der mineralischen Stickstoffgabe sind die Nmin-Werte des Bodens im Frühjahr bis 60 cm Tiefe einzubeziehen. Der N-Bedarfswert beträgt 110 kg/ha. Bei durchschnittlichen Nmin-Gehalten von 30 bis 50 kg/ha beträgt die Düngung in der Regel 80 bis 60 kg N/ha. Da der Leindotter eine relativ kurze Vegetationszeit aufweist, empfiehlt sich die Applikation in einer Gabe zur Aussaat. Eine organische Düngung ist im Rahmen der Fruchtfolge möglich, sollte aber wegen der unkontrollierten N-Freisetzung nicht direkt vor der Kultur erfolgten.
Nach einer Vegetationszeit von 100 bis 115 Tagen ist der Leindotter Ende Juli bis Mitte August erntereif. Die Pflanze reift weitgehend gleichmäßig ab und die Schoten sind relativ platzfest, sodass auf die Mähdruschreife gewartet werden kann. Eine zügige Fahrgeschwindigkeit, ein schwacher Haspeleingriff und eine moderate Windeinstellung halten die Druschverluste gering und gewährleisten ein sauberes Erntegut. Die optimale Feuchte des Erntegutes beträgt maximal neun Prozent. Sind die Werte höher, muss nachgetrocknet werden. Die Erträge schwanken zwischen 12 und 20 dt/ha. In den Versuchen des TLLLR an den Standorten Dornburg und Kirchengel wurden im Mittel der Jahre 12,0 bzw. 15,6 dt/ha geerntet (Abb. 1).
Leindottersaat enthält ca. 40 % Öl, das aufgrund des hohen Anteils an mehrfach ungesättigten Fettsäuren sowie Omega-3-Fettsäuren ernährungsphysiologisch wertvoll ist. Durch die enthaltenen Senföle hat das Öl einen spezifischen Geschmack. Im Gegensatz zu Leinöl, das leicht nussig schmeckt, erinnert Leindotter eher an Erbse oder Rucola. Im chemisch-technischen Bereich wäre eine Nutzung zur Herstellung von Farben und Lacken möglich. Ein durchschnittliches Fettsäuremuster der in den Versuchen erzeugten Leindottersaat gibt Abb. 2 wider.
Leindotter lässt sich problemlos mit herkömmlicher Technik anbauen und ernten. Er ist relativ anspruchslos, schnellwüchsig und wird während der Blüte von zahlreichen Insekten besucht. Aufgrund dieser Eigenschaften eignet er sich sowohl als Brachebegrünung, Bestandteil in Blühmischungen, als Zwischenfrucht als auch als Druschfrucht zur Gewinnung eines hochwertigen Nahrungsöls. Eine Erzeugung zur letztgenannten Verwendung ist mit der höchsten Wertschöpfung verbunden, sollte aber wegen des relativ begrenzten Marktes und des Absatzrisikos im Vertragsanbau vorgenommen werden.
Er war und ist vieles: Schäfer, Melker, Direktvermarkter. Der Thüringer Thomas Schröder, heute Herdbuchzüchter von Hinterwäldern, erlebte schon Höhen und Tiefen. Und ihn treibt bereits die nächste Vision um.
Von Silvia Kölbel
Egal ob im Haupt- oder Nebenerwerb: Thomas Schröder aus Drosen, einem kleinen Dorf im Altenburger Land, ist in seinem fast 40 Jahre währenden beruflichen Leben schon vielen Tätigkeiten nachgegangen. Doch immer hatte seine Arbeit etwas mit Landwirtschaft zu tun. Aktuell verdient er sein Geld als Spediteur. Zwölf Fahrzeuge, darunter zehn Sattelzüge, sind in seinem Auftrag unterwegs. Einen großen Teil seiner Aufträge generiert er in der Agrarbranche, fährt Saatgut, Dünger, Heil- und Gewürzpflanzen, Futtermittel oder Landtechnik.
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Ein Leben ohne Tiere kann er sich nicht vorstellen. Seinen Hof, die Silberbach-Ranch, erbte er von den Vorfahren. Dessen Existenz lässt sich bis ins Jahr 1370 zurückverfolgen. Dort lebt zurzeit eine 18-köpfige Hinterwälderherde. Alle Tiere sind im Herdbuch eingetragen. Schröder sieht sich als Perfektionist. „Wenn ich etwas anfange, dann mache ich es richtig. Ich will die besten Kühe im Stall zu stehen haben und nicht irgendwas“, lautet seine Devise.
Als er sich vor acht Jahren entschloss, Rinder zu halten, entdeckte er zufällig die Hinterwälder, die als kleinste mitteleuropäische Rinderrasse gelten. „Es ist eine vom Aussterben bedrohte Rasse. In der ursprünglichen Farbe, weiß-gelb gefleckt, gibt es nicht mehr viele Tiere. Deshalb habe ich mir das Ziel gesetzt, den alten Schlag zu züchten“, sagt er.
Um den Erhalt der Rasse zu sichern, wurden in den 1970er-Jahren Vorderwälder eingekreuzt, deren roter Farbanteil immer wieder durchschlägt. „Selbst bei der Anpaarung einer gelben Kuh mit einem gelben Bullen fiel ein rotes Kalb“, ärgert sich Thomas Schröder.
Die Rinderhaltung auf der Silberbach-Ranch steht derzeit am Ende einer langen Tierhalter-Geschichte mit vielen Facetten. Gelernt hat Schröder Schäfer, später folgte eine Melkerausbildung. „Ich wollte immer Bauer sein“, sagt er. Doch 1990 sah er sich auf einmal mit der Arbeitslosigkeit konfrontiert und entschied sich, mit 400 Mutterschafen in die Selbstständigkeit zu starten. „Mit den 45 Hektar Grünland, die ich pachten konnte, kam ich nicht über die Runden. Naturschutzflächen zum Abweiden gab es in meiner Umgebung keine, und allein vom Lämmerverkauf konnte ich nicht leben.“
Schröder entschied sich, eine Direktvermarktung ohne Schafhaltung aufzubauen. Er mästete auf dem Hof Gänse, Enten und Schweine und baute ein Schlachthaus. „Das funktionierte gut“, blickt er auf die Jahrtausendwende zurück. Auch die Zucht von Altdeutschen Hütehunden, von Haflingern und Westernpferden fällt in diese Zeit, aus der der Name Silberbach-Ranch stammt. Immer neue bürokratische Hürden zwangen den Landwirt in die Knie. Erst habe er sich bei der Nutzung des Schlachthauses zwischen Geflügel und Schweinen entscheiden müssen und verzichtete schließlich auf die Mast von jährlich 500 Gänsen und 1.000 Enten. Später sollte Schröder die Schweine zum Schlachthof nach Altenburg bringen.
„Ich durfte nur noch zerlegen. Allein vom Schlachten von rund 50 Schweinen im Jahr konnte meine Familie jedoch nicht leben. Ich brauchte einen Zweitjob.“ Es war das Ende des landwirtschaftlichen Haupterwerbs. Schröder gründete ein Garten- und Landschaftsbau-Unternehmen und wenig später die Spedition. „Ich wollte nie Spediteur werden. Aber die Nachfrage war da, also absolvierte ich die Ausbildung zum Güterkraftverkehrsunternehmer und betreibe diese Tätigkeit heute mit Leidenschaft.“ In Spitzenzeiten beschäftigte der als Spediteur tätige Landwirt 25 Mitarbeiter.
Doch sein Büro- und Fahrjob allein füllte ihn nicht aus, etwas fehlte. „Als Kind hatte ich immer ein Aquarium. Also kam ich auf die Idee, mir ein Becken mit Diskusfischen ins Büro zu stellen.“ Doch Schröder, der Perfektionist, ließ es nicht bei ein paar Fischen bewenden. „Ich fing an zu züchten.“ Was ganz harmlos begann, entwickelte sich zu einer in ganz Europa bekannten Diskusfischzucht mit 15 Farbschlägen, darunter eine eigene Farbzucht pünktlich zur Fußball-WM in Deutschland 2006: schwarz, rot, gelb.
Die insgesamt 90.000 l fassenden Aufzuchtbecken fanden ihren Platz im ehemaligen Kuhstall. Die Einrichtung, zu der Labortechnik, ein Lichtprogramm und eine ausgeklügelte Temperatursteuerung gehörten, verschlang rund eine Viertelmillion Euro. „Ich verkaufte jeden Monat mehrere Tausend Fische“, so Schröder. Gleichzeitig leitete er, unterstützt von Ehefrau Katja, die Spedition und bot als Gala-Bau-Unternehmer weiterhin Dienstleistungen an.
Die Katastrophe in der Zierfischzucht kam unbemerkt über Nacht. Ein Thermostat versagte den Dienst, das Wasser erwärmte sich zu stark. Früh war der größte Teil der Fische tot. „Ich hatte alles abgesichert, dass sich das Wasser aber zu sehr erhitzen könnte, hatte ich nicht bedacht“, so Schröder. Von den verbliebenen Diskus trennte sich der Züchter endgültig, als sich bei ihm gesundheitliche Probleme einstellten.
Als er wieder auf den Beinen war, verlagerte sich das Interesse in Richtung Selbstversorger. Unter anderem zogen Lachshühner auf dem Hof ein. Mit der seltenen Hühnerrasse erwachte wieder sein Interesse an der Zucht.
Den Fischzuchtbecken im alten Kuhstall folgten Volieren für die Lachshuhnzucht: 15 Zuchtgruppen, vier Farbschläge. Es waren regelmäßig 30 Hähne und 60 Hennen im Einsatz. 2012 holte Schröder auf der Lipsia in Leipzig mit seinen Lachshühnern den Europameistertitel. Tochter Liese (19) tat es ihrem Vater gleich und widmete sich mit derselben Leidenschaft erfolgreich der Lachshuhnzucht und gewann den Deutschen Jugendmeister-, aber auch Kreismeistertitel.
Inzwischen geht Schröder, der jetzt 54 Jahre alt ist, die Dinge etwas ruhiger an. Manchmal bremst ihn auch seine Frau. An neuen Ideen mangelt es dem Landwirt aus Leidenschaft aber trotzdem nicht. Neben den Lachshühnern, deren Bestand sich in der ausstellungsfreien Coronazeit inzwischen auf zehn Tiere verkleinert hat, züchtet Schröder noch Kaninchen der Rasse Rheinische Schecken, auch zwei Altdeutsche Hütehunde und zwei gescheckte Pferde, sogenannte Pintos, leben auf dem Hof. Er gehört nach wie vor dem örtlichen Kleintierzuchtverein an und saß auch viele Jahre im Gemeinderat seines Wohnortes. „Die Selbstversorgung in Form einer solidarischen Landwirtschaft wäre ein Thema, für das ich mich noch einmal einsetzen würde, wenn ich genug Gleichgesinnte fände“, beschreibt er seine nächste Vision.
Die Agrar eG Korbußen verlässt sich in der Milcherzeugung mehr auf ihre Mitarbeiter als auf Herdenüberwachungssysteme. Und ist damit erfolgreich. Bewusst entschied man sich mit seinen Melkern gegen Roboter.
Von Silvia Kölbel
Durch den Stall der Agrargenossenschaft „Drei Eichen“ in Korbußen unweit von Gera könnte der Besucher theoretisch auch in Hausschuhen spazieren. Der saubere und aufgeräumte Eindruck, den das gesamte Betriebsgelände beim Besucher hinterlässt, setzt sich bei den Milchkühen und dem Jungvieh fort.
Ein Blick auf die Klauen der Rinder lässt vermuten, dass die Milchkühe in diesem Stall grundsätzlich gut zu Fuß unterwegs sind. Das bestätigt Vorstandsvorsitzende Christine Gerth: „Gelenkprobleme haben wir kaum.“ Die 230 Milchkühe strahlen Ruhe aus und liegen meist zufrieden in ihren Tiefliegeboxen auf einem Stroh-Kalk-Gemisch.
In den Gängen bewegen sich die Kühe auf Gummimatten, in den Übergängen auf Betonfußboden. Die Jungrinder und die Kühe im Reprobereich stehen auf Stroh. Der Gülleschieber hält die Gänge sauber, tägliches Spülen der Rinnen sorgt besonders im Sommer dafür, dass es im Melkhaus wesentlich weniger Fliegen gibt als vor dem Stallneubau im Jahr 2019.
Die Korbußener erzeugen seit Jahren mit die beste Rohmilchqualität im Land. Die Milchleistung liegt bei 10.0000 kg pro Kuh und Jahr. Der im Vorjahr erstmals verliehene Sonderpreis für langjährig hervorragende Produktqualität der Landesvereinigung Thüringer Milch ging an die Ostthüringer.
Das heißt aber nicht, dass es in der Agrar eG Korbußen nie Probleme gibt. Geringe Erlöse in der Milchproduktion, Arbeitskräftemangel und tatsächlich auch einmal Probleme bei der Milchqualität führten auch bei der langjährigen Vorstandsvorsitzenden, die seit 30 Jahren im Betrieb in leitender Funktion tätig ist, vor drei Jahren zu Fragen nach der Sinnhaftigkeit der Milcherzeugung. „Es war lange Zeit so, dass wir mit dem Feldbau die Verluste in der Milch ausglichen. Aber so sollte es eigentlich nicht sein.“
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Dass Christine Gerth und mit ihr die Genossenschaftsmitglieder letztendlich doch an der Milcherzeugung festhielten, hatte mehrere Gründe: „Wir haben 2012 den Milchviehstall umgebaut und auch mehrfach modernisiert. Mit der Verbesserung des Tierwohls haben wir uns schon frühzeitig beschäftigt. 2019 kam das neue Melkhaus dazu. Die Rinderhaltung ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Kreislaufwirtschaft. Gerade in Zeiten steigender Düngemittelpreise gewinnt der organische Dünger aus der eigenen Tierhaltung an Bedeutung. Außerdem haben wir auch Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern“, betont Gerth.
Die Chefin schätzt das Engagement ihrer Mitarbeiter. Als 2019 dem alten ein neuer Side-by-Side-Melkstand folgte, war das eine bewusste Entscheidung gegen Melkroboter. „Wir haben mit diesem Melksystem gute Erfahrungen gemacht. Es gab keinen Grund, zu wechseln. Uns ist es wichtig, die Tiere täglich zu sehen. Man muss seinen Bestand kennen, das ist äußert wichtig. Das wollten wir keinem Überwachungssystem überlassen“, sagt Christine Gerth.
Leichteres Melkzeug und ein höhenverstellbarer Fußboden im Melkstand brachten zudem Verbesserungen für Mensch und Tier. Mit dieser Entscheidung blieb die Milcherzeugung personalintensiv. Doch Christine Gerth ist sich sicher: „Mit dem Wechsel zu einem anderen Melksystem löst man keine Arbeitskräfteprobleme.“
Sieben bis acht Arbeitskräfte kümmern sich in der Agrar eG Korbußen um die Tierhaltung. Allein für jeden Melkgang sind ein Fütterer, ein Treiber und ein Melker notwendig und das bei geteilten Schichten. „Damit haben wir momentan kaum Probleme. Die Mitarbeiter wohnen in der Nähe“, so die Vorstandschefin. Entscheidend sei, dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen, ihre Arbeit wertgeschätzt wird und sie bereit sind, in einem solchen System motiviert zu arbeiten.
„Eine dauerhaft gute Rohmilchqualität ist das Ergebnis vieler kleiner Puzzleteile, die man richtig zusammensetzen muss.“ So widmen die Mitarbeiter der Pflege der Tiefliegeboxen besondere Aufmerksamkeit. „Der Feuchtigkeitsgehalt der Mischung muss stimmen. Auch die Kalksorte hat einen Einfluss. Wir haben viel ausprobiert, bis wir die richtige Mischung gefunden hatten.“ Das Ergebnis dieses Prozesses seien saubere Kühe.
Das Melkzeug werde zudem nach jeder Melkgruppe noch einmal gespült. In vier Gruppen kommen die Milchkühe zum Melkstand. Christine Gerth verlässt sich lieber auf Menschen statt auf Computer. „Uns ist Achtsamkeit bei der Arbeit wichtig“, sagt sie.
Die Top-Rohmilch können die Menschen seit 2017 auch direkt an der Milchtankstelle am Hof kaufen. „Der Verkauf lief anfänglich richtig gut. Wir konnten auf diesem Weg täglich bis zu 150 Liter Milch absetzen. Doch seit die Straßenbaumaßnahmen hier laufen, sind zwei Drittel des Umsatzes weggebrochen. Das sei aber längst nicht das einzige Problem, welches der Bau eines neuen Autobahnzubringers mit sich brachte. Die neue Zufahrt, die dem dort angesiedelten Gewerbegebiet „Korbwiesen“ zugutekommt, durchschneidet Flächen der Agrargenossenschaft. Um auf die durch den Straßenbau abgetrennten Flächen zu gelangen, müssen drei und mehr Kilometer Umweg pro Arbeitsgang gefahren werden. „Wir haben uns bis zuletzt dagegen gewehrt, wurden aber letztendlich im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens, so wie fünf andere Flächeneigentümer auch, enteignet“, so die Vorsitzende.
Durch das Wachsen des Gewerbegebietes Korbwiesen und den Straßenbau hat die Agrargenossenschaft bereits rund zwölf der ursprünglich 832 ha Fläche verloren – wertvoller Ackerboden mit einer Bodenwertzahl um die 50 und höher. Auf den verbliebenen 808 Hektar Ackerland wachsen Winter- und Sommergetreide, Raps, Zucker- und Futterrüben, Ackerfutter und Mais. Auf rund 30 ha findet Grassamenvermehrung statt.
Letztendlich sei diese abwechslungsreiche Fruchtfolge nur mit der Milchkuhhaltung möglich und wirtschaftlich sinnvoll, so Christine Gerth, weshalb sie der Überzeugung ist, dass die Agrargenossenschaft mit dem Erhalt der Milchproduktion die richtige Entscheidung getroffen hat.