Bäckerei Eßrich: Handwerk fängt beim Rohstoff an

Sie sind jung und voller frischer Ideen – die Brüder Tom und Hans Eßrich. Am Leipziger Stadtrand führen sie die Traditionsbäckerei ihres Großvaters fort – und setzen dabei auf die Kooperation mit umliegenden Agrarbetrieben.

Von Catrin Hahn

Die Brüder Tom und Hans Eßrich, 27 und 23 Jahre jung, haben vor zwei Jahren die Backstube ihres Opas übernommen. Der hatte 1974 am südöstlichen Stadtrand von Leipzig eine Bäckerei eröffnet – in einer Gegend, die eher eine Wohn- und Gewerberegion ist, die Leute halten auf dem Weg zur Arbeit an oder kommen aus der Nachbarschaft vorbei zum Einkaufen. Die Kunden wollen solide Qualität, die schmeckt. Nicht unbedingt Schnickschnack. Bäcker Eßrich hat ihnen ihre Wünsche jahrzehntelang erfüllt.

Umkrempeln beim Generationswechsel

Anfang 2019 kam der Generationenwechsel. Die Enkel des Gründers hatten sich gut darauf vorbereitet: Tom ist gelernter Bäcker und hat bereits seine Meisterausbildung absolviert, Hans ist ausgebildet als Konditor und derzeit dabei, in Potsdam seinen Meister zu machen.

Es wäre leicht für die beiden gewesen, das gut akzeptierte Geschäft in der Teichmannstraße einfach fortzuführen. Doch das wollten sie nicht. Langsam, aber zielstrebig machen sie sich daran, einiges umzukrempeln. Zwar hat sich das Ladengeschäft nicht verändert, es verströmt weiterhin einen heimeligen Charme vergangener Jahrzehnte. Doch dahinter ist Veränderung im Gang: Die Backstube wird erweitert und ausgebaut, um mit mehr Mitarbeitern für mehrere Verkaufsstellen produzieren zu können.

Die vielleicht größte Veränderung in der Bäckerei Eßrich betrifft die Rezepturen. Hier ist praktisch nichts mehr, wie es war. Tom Eßrich erklärt: „Wir haben das Angebot abgespeckt, um an der Qualität der verbliebenen Backwaren zu arbeiten. Dafür haben wir die Rezepturen angepasst, heute kommt bei uns nichts mehr aus der Tüte oder dem Eimer.“ Die neuen Rezepturen sind zum großen Teil Abwandlungen alter, zum Teil auch eigener Familienrezepte. „Wir haben die alten Rezepte an unsere heutige Arbeitsweise angepasst. Zum Beispiel gab es bei Opa die ‚Eßrich Urkruste‘. Das war, um ehrlich zu sein, eine Backmischung. Die Rezeptur haben wir so umgebaut, dass es ähnlich aussieht, aber geschmacklich zwei Etagen darüber ist.“

Bäckerei Eßrich: Messlatte ist der Geschmack

Geschmack ist die Messlatte für die Eßrich-Brüder. „Unser Antrieb ist das Einfache, aber es muss auch zu schmecken sein“, so bringt es Tom auf den Punkt. „Wir bieten ein Kartoffelbrot, aus dem Kartoffelstückchen herausgucken. Oder in der Spargelsaison ein Spargelbrot mit 20 Prozent Spargel. Was nützt es denn, wenn nur ‚Spargelbrot‘ auf dem Preisschild steht, aber man nichts davon schmeckt?“

Am Geschmack und den Bedingungen, die die Zutaten dafür brauchen, orientiert sich auch der Ablauf in der Backstube: „Alle Brötchen und Kleingebäcke stehen mindestens 14 Stunden in der Kühlung, damit die Hefe sich in Ruhe entwickeln kann. Erst dann kommen sie in den Ofen.“

Da alle Kleingebäcke schon am Vortag vorbereitet im Kühlraum warten, ist auch der Ablauf für die Mitarbeiter anders. Derzeit arbeiten sieben Angestellte in der Backstube, nach den Umbauten sollen es zehn bis elf sein. „Und da macht es auch nichts, wenn jemand Familie hat und erst am Morgen zur Arbeit kommen kann – eigentlich ein Ausschlusskriterium für eine Bäckerei. Hier ist die meiste Arbeit am Tag bzw. frühen Abend zu erledigen.“

Traditionelle Rezepturen treffen auf moderne Technik

Mit dem Umbau wird neue Technik Einzug halten, darunter ein Ofen, Kühltechnik und andere Maschinen. Tom Eßrich bevorzugt zwar traditionelle Rezepturen, gegen moderne Technik hat er aber nichts einzuwenden: „Wenn wir uns eine Röstmaschine kaufen, die uns die Arbeit erleichtert, weil sie zuverlässig immer dasselbe Ergebnis abliefert, dann ist das doch gut!“

Bäckerei Eßrich: Nicht Standard, sondern das Besondere

Großen Wert legen die Brüder darauf, dass ihre Produktion „so sauber wie möglich“ vonstattengeht: „Wir haben ein Energiekonzept entwickelt gemeinsam mit einem Architekten, um möglichst CO2-neutral arbeiten zu können. Auf das neue Dach kommt zum Beispiel eine große PV-Anlage.“

Auch das neue Verkaufsmobil, das die drei Ladengeschäfte um eine mobile Version erweitert, wird mit Solarpaneelen ausgestattet. Ganz neu, erzählt Tom Eßrich mit leuchtenden Augen, ist eine Zusammenarbeit mit einem Fleischer aus der Nähe. „Das ist ein ‚Fleischer-Sommelier‘, er bietet hochwertige Produkte aus regional und besonders tierfreundlich erzeugtem Fleisch an. Wir wollen gemeinsam einen Laden eröffnen, außerdem kommt in unser Geschäft in der Teichmannstraße eine Kühltheke mit Fleisch- und Wurstwaren von ihm.“ Der junge Bäcker verspricht sich viel von der Zusammenarbeit: „Wir setzen beide auf das Besondere anstatt auf Standards.“

Statt Backmischungen Säcke voll verschiedener Getreidearten in der Backstube

Nun muss das ja noch lange nicht bedeuten, dass auch das Publikum eine solche Entwicklung gutheißt. Erst recht, wenn es wie in der Teichmannstraße nicht eben zum Hochpreis-Milieu gehört. Auf die Frage hat Eßrich nur gewartet: „Die Leute nehmen die Änderungen sehr gut an. Wir haben ab 5.30 Uhr geöffnet, da stehen sie schon an. Bis gegen acht sind belegte Brötchen der Renner, dann Brot und Kuchen am Nachmittag. Es ist auch nicht so, dass wir mit der Umstellung der Rezepturen viel teurer geworden sind.“

Etwas anderes ist allerdings mit der Umstellung der Rezepturen deutlich angestiegen, das ist die Menge und Vielzahl des verarbeiteten Getreides. Bestimmten früher Backmischungen das Bild in der Backstube, so sind es heute Säcke voll verschiedener Getreidearten. „2020 haben wir 60 Tonne Getreide verarbeitet, etwa drei Viertel Weizen, ein großer Teil vom Rest war Roggen, der Anteil von Dinkel steigt.“

Bäckerei Eßrich
(c) Catrin Hahn, Tom Peters

Mit dem Umbau sollen bald auch Silobehälter Platz finden. Dann werden die Rohstoffe auch nicht mehr vom Handel kommen, sondern vom Erzeuger. Dafür sucht Tom Eßrich seit einiger Zeit im Leipziger Umland nach Agrarbetrieben. Mit drei Unternehmen hat er bereits Verträge geschlossen. In Kürze werden dann auch ungewöhnliche Getreidearten in die Backstube in der Teichmannstraße einziehen.

Von Einkorn bis Champagnerroggen

Eine Autostunde ostwärts, in Erlau, sitzt Jan Gumpert in seinem Büro. Der Vorsitzende der Agraset Naundorf hat kürzlich mit Tom Eßrich die Lieferung von verschiedenen Urgetreiden vereinbart. „Wir werden Dinkel, Lichtkornroggen, Waldstaudenroggen und Champagnerroggen erzeugen. Die Bauernhof GmbH in Meuselwitz baut zusätzlich Emmer und Einkorn an.“

Jan Gumpert ist begeistert von der neuen Kooperation: „Es ist doch wunderbar, dass das regionale Handwerk nach regionalen Ressourcen sucht. Und für uns ist das perfekt: Was wir hier anbauen, wollen wir am liebsten auch hier vermarkten. Wir sind richtig froh über diese neue Partnerschaft.“ Er hat bereits einen Termin beim mitteldeutschen Saatgutspezialisten Saatgut 2000, um sich über die Verfügbarkeit und Besonderheiten des Saatguts zu informieren.

Weil niemand bei Agraset bisher mit dem Anbau dieser neuen – beziehungsweise alten – Sorten Erfahrung hat, wird sich Pflanzenbauleiter Matthias Hörig Unterstützung bei der Fachabteilung Pflanzenbau des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie holen: „Dort haben schon Anbauversuche stattgefunden, deshalb können wir ackerbauliche Hinweise bekommen. Im Spätsommer beginnen wir mit dem Anbau, wie mit der Bäckerei verabredet im kontrollierten konventionellen Anbau.“

Auch Leinöl werden die Eßrichs ab dem Herbst von der Agraset beziehen. Dort startet der Versuchsanbau von Öllein in diesem Jahr, um Omega-3-fettsäurehaltiges Schrot für die Schweinemast unter dem Markennamen „Genießergenossenschaft“ zu gewinnen. Für 2022 sind schon 60 Hektar Öllein im Plan.

Kooperationen: Regionale Kreisläufe schließen

Pflanzenbauleiter Hörig erklärt die Philosophie der Agrargenossenschaft so: „Wir sind für Nischen immer offen, so erzeugen und verarbeiten wir mit der Friweika zusammen Kartoffeln oder machen seit Jahrzehnten Grassamenvermehrung, wo wir einer von nur zwei Betrieben sind, die Knaulgras vermehren. Auch Hartweizen für die Teigwaren Riesa wächst bei uns, die Anbaufläche haben wir von 30 auf 120 Hektar ausgedehnt. Der Riesaer Nudelhersteller passt auch super in unser Konzept, setzt er doch für seine Rohstoffe nicht auf ausländische, zumeist nordamerikanische Ware, sondern bezieht den Hartweizen komplett aus Mitteldeutschland.“

Dort wächst das Getreide übrigens wegen der sich schnell erwärmenden Böden sehr gut. Es wird in der Saalemühle zu Grieß vermahlen, der als Grundstoff für die Riesaer Nudeln dient. „Allerdings“, schließt Hörig, „brauchen Spezialkulturen viel Aufmerksamkeit, und bei jeder neuen Kultur müssen wir viel lernen. Wir machen das aber gern, denn wir sind jederzeit bestrebt, regionale Kreisläufe zu schließen.“ So gewinnen alle Beteiligten bei dieser neuen Kooperation: Die Agraset erweitert ihre Fruchtfolge, die Bäckerbrüder Eßrich kennen ihre Lieferanten, und ihre Kunden in Leipzig genießen leckere Backwaren.

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Holz – Begehrter natürlicher Rohstoff

Holz gilt als Alleskönner. Der natürliche Rohstoff ist nicht nur sehr begehrt, sondern hat auch meistens eine positive ökologische Bewertung. In den letzten Jahren galt der Holzmarkt als übersättigt, jetzt ist langsam ein gegenläufiger Trend zu verzeichnen.

Es kommentiert Jörg Möbius

Was kann man aus Holz nicht alles machen: Bau- und Dämmmaterial, Möbel, Pappe, Papier und Fasern sowie Wärme beim Verbrennen. Holz ist als Roh- und Werkstoff beliebt, da es mit geringem Energieaufwand verarbeitet werden kann und stofflich vollständig nutzbar ist. Fachgerecht hergestellt und verarbeitet, ist es zudem ein dauerhafter Werkstoff. Damit verbunden ist eine meist positive ökologische Bewertung.

Übersättigter Holzmarkt

Redakteur Jörg Möbius
Jörg Möbius ist Landtechnik-Redakteur bei der Bauernzeitung (c) Sabine Rübensaat

60 bis 70 Millionen Kubikmeter beträgt der jährliche Holzeinschlag in Deutschland. Im- und Export spielen mit rund sieben bzw. drei Millionen Kubikmetern eine untergeordnete Rolle. Bundesweit ist die Fichte die am meisten genutzte Baumart. In Ostdeutschland hat die Kiefer größere Bedeutung.

Schwer statistisch zusammenfassen lassen sich die Wege von verarbeitetem Holz in Fertigprodukten. So wird im Norden Russlands eingeschlagenes Holz nach Indonesien verschifft. Dort entstehen daraus montierbare Möbel, überwiegend für Europa und Nordamerika. Diese „Spanplattenmöbel“ leben längst nicht mehr so lange wie Vollholzmöbel, die früher zwei oder drei Generationen nutzten.

Sturm- und Käferholz haben in den letzten Jahren den Holzmarkt übersättigt und die Preise in den Keller gezogen. Jetzt zieht weltweit die Nachfrage nach Schnittholz an. Vom Preisanstieg kommt langsam auch bei den Waldbesitzern etwas an. Sie haben auch in Jahren ohne Holzeinschlag öffentliche Lasten zu tragen: Grundsteuer, Berufsgenossenschaft, Beitrag zum Wasser- und Bodenverband, eventuell eine Versicherung. Wovon das alles bezahlen, wenn Wald zum Wohle des Klimas nicht genutzt werden soll? Und wo kommt das Holz dann her, das wir hierzulande verbauen und verarbeiten?

Zukunftsfähige Mischwälder

Um nicht immer wieder Schäden durch Käfer, Sturm oder Feuer zu bekommen, wird schon länger empfohlen, zum Mischwald umzubauen. Bei Neuanlage erfolgt das meist. Wenn der Mischwald etabliert ist, werden sich Waldbesitzer und Holzverarbeiter auf geringere Mengen Rohstoff aus unseren Wäldern einstellen müssen. Ein Wald mit verschiedenen Baumarten unterschiedlichen Alters liefert weniger als eine erntereife Fichten- oder Kiefernplantage. Aber wir sollten die Förster, die diese Plantagen nach 1945 anlegten, nicht verdammen. Sie sorgten sich um die nächste Generation und konnten sich in einer Zeit mit Lebensmittelmarken und Reparationshieben – Holz, das die Siegermächte einschlagen ließen und abtransportierten – schlecht unsere heutige reiche Gesellschaft und einen florierenden Welthandel vorstellen. Daran war die DDR nicht angeschlossen und setzte voll auf schnellwachsendes Kiefernholz.

Auch für existierenden und künftigen Mischwald muss das vor reichlich 300 Jahren vom Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz aus Freiberg (Sachsen) angesichts einer drohenden Rohstoffkrise formulierte Prinzip der Nachhaltigkeit gelten: Die genutzte Menge Holz sollte nicht die nachgewachsene Menge übersteigen. Wald ist Leben und Leben bedeutet Veränderung. Wo eine große alte Eiche jahrzehntelang mit Schatten und Laubfall dafür gesorgt hat, dass ihr kein anderer Baum zu nahe kommt, dort sprießen nach ihrem natürlichen Tod auf der entstandenen Lichtung junge Bäume und Pflanzen. Sie konkurrieren um Nährstoffe, Wasser und Licht. Der Mensch kann da eingreifen – also zu pflanzen, fördern und entnehmen –, um das Ziel Mischwald mit Holznutzung zu erreichen.

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Fleisch aus Mutterkuhhaltung: Rindfleisch für Gourmets

Das Fleisch von Schlachtkühen aus der Mutterkuhhaltung hat eine hohe Qualität, Feinschmecker schätzen es wegen seines Genusswertes. Untersuchungen von Schlachtkörpern liefern Belege dafür.

Von Dr. Manfred F. Golze

Das Schlachtrindaufkommen in Deutschland wird an erster Stelle über Jungmastbullen gedeckt, gefolgt von Schlachtkühen. Letztere stammen zu etwa 18 % aus Mutterkuhherden. Lange Zeit wurden auch die Fleischrindschlachtkühe weit unter Wert gehandelt. Dabei zeigt die Qualität der Produkte in die andere Richtung, und die Zahl der Feinschmecker für dieses reife Rindfleisch wächst.

Rindfleisch: Langsam gewachsen

In Gourmetländern wie Frankreich werden gute Fleischrindschlachtkühe wesentlich besser bezahlt als Jungbullen. Die Köche wissen, dass sie aus deren Fleisch ganz andere Gerichte zaubern können. In Süddeutschland wurden sogar Schlachtkühe der Zweinutzungsrassen leicht aufgemästet für den französischen Markt.

Der Autor dieses Beitrages war über 40 Jahre lang in verschiedene Projekte zur Rindfleischqualität eingebunden. Oft rangierten Fleischrindschlachtkühe in den Untersuchungen ganz weit vorn. Ihr langsames Wachstum, meist durch Weide- und Raufutterfütterung, führt zu ausgereiftem Fleisch mit echtem Rindfleischaroma als Basis für einen besonderen Fleischgenuss. Natürlich ist eine Fleischreifung zur Sicherung der Zartheit für die Genusserhöhung nötig. Darüber hinaus wird bei vielen Rassen und Kreuzungen ein beachtliches Schlachtgewicht mit entsprechender Schlachtkörperqualität erzielt.

Besser selbst vermarkten

Fleischrindzüchter und Mutterkuhhalter sind gut beraten, ihre Schlachtkühe selbst zu verwerten. Erzeugern bietet die Direktvermarktung von Fleisch und Fleischwaren die höchste Wertschöpfung, Verbrauchern die höchste Transparenz hinsichtlich Herkunft und Frische. Allerdings stellt die Direktvermarktung in der Mutterkuhhaltung eine Nischenproduktion dar. Folgende Voraussetzungen sollten dafür gegeben sein:



Heute haben sich einige Direktvermarkter bereits auf dieses Produkt, „die alte Kuh als neue Delikatesse“, spezialisiert. Oft mästen diese Spezialisten die Tiere auf der Weide kurz auf, damit das Fleisch-Fett-Verhältnis stimmt.

Ein spezieller Markt tut sich auf. Denn Verbraucher verlassen zumindest beim Rindfleischeinkauf zum Teil die Produkte vom „Mengenmarkt“ und wenden sich reifem Rindfleisch für bestimmte Gerichte zu. Bei vielen Sensorik-Prüfungen, die der Autor durchführte, wurde dieses Fleisch in der Bewertung weit vorn eingeordnet.

Um genauere Aussagen zur Schlachtleistung, dem Schlachtkörperwert und besonders der Fleischqualität treffen zu können, wurden in Untersuchungen, an denen der Autor beteiligt war, fast 200 Schlachtkühe der Rassen Fleckvieh-Simmental, Angus und Limousin sowie deren Kreuzungen auf Schlachtkörperwert und Fleischqualität untersucht.

Als Schlachtzeitpunkt wurde jeweils – praxisorientiert – der Weideabtrieb gewählt. Die Schlachtung erfolgte im Schlachthof Oschatz der Firma Färber und die Zerlegung nach der DLG-Schnittführung vor Ort.

Der Ablauf wurde immer nach dem gleichen Zeitplan durchgeführt: Schlachten der Tiere, langsames Herunterkühlen des Schlachtkörpers, Zerlegung möglichst vom gleichen Fleischer (24 Stunden post mortem, das heißt 24 Stunden nach dem Schlachtzeitpunkt), erste Untersuchung aller in die Untersuchung einbezogenen Fleischqualitätsparameter (48 Stunden nach dem Schlachten), zweite Untersuchung aller Fleischqualitätsparameter nach 14 Tagen Reifung (16 Tage nach der Schlachtung).

Hohe Schlachtgewichte

Das Schlachtalter der Kühe lag bei der Rasse Fleckvieh intensiv im Durchschnitt bei 4,6 Jahren, bei Limousin und Deutsche Angus intensiv bis mittelintensiv im Schnitt bei 6,1 Jahren. Alle Kühe erzielten bezüglich ihrer Rassezugehörigkeit bedeutende Schlachtgewichte, die beim Fleckvieh im Mittel 742 kg betrugen, bei den Angus 662 kg und bei den Limousin 624 kg. Auf der einen Seite war die Nüchterungszeit für die Tiere etwas kurz, deshalb lagen die Schlachtausbeuten des Fleckviehs und der Fleckviehkreuzungen bei 50 %. Auf der anderen Seite kommt der Fleischrassenanteil der Rasse Limousin mit einer Schlachtausbeute von 58,4 %, also im Bereich guter Jungbullen, zum Tragen. Die Deutsche Angus ordnet sich mit einer Schlachtausbeute von 53,5 % entsprechend ein.

Wenn auch 50 % der Limousinkühe und acht Prozent der Fleckviehkühe in die Schlachtwertklasse U eingeordnet werden, sind das Werte, die für Schlachtkühe sonst kaum zu erreichen sind.

EXTRAWISSEN

Die Rindfleischerzeugung in Deutschland ist nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Wesentlichen von zwei Haltungsformen geprägt:

Etwa 45 % des deutschen Rindfleischs stammen aus der Mastbullenhaltung, weitere 35 % von (Alt-)Kühen aus Milchvieh- und Mutterkuhherden. Das Fleisch von Färsen, Jungrindern (8 – 12 Monate) und Kälbern (< 8 Monate) macht hierzulande zusammen weniger als 20 % aus. Die Ochsenmast spielt hingegen so gut wie keine Rolle.

Wertvolle Teilstücke

Die Zweihälftenkaltgewichte bewegen sich zwischen 320 – 370 kg, sie sind so vom Handel gewünscht. Den höchsten Anteil wertvoller Teilstücke realisierten die Limousinkühe mit 61,6 %, gefolgt von den Fleckviehkühen mit 59,6 %. Zwischen den Kühen der Deutschen Angus und Hybriden bestehen keine großen Unterschiede. Auch hier werden durchgängig gute Werte von 57,8 – 58,3 % wertvolle Teilstücke erzielt. Diese Werte unterstreichen bereits den hohen Stellenwert der Schlachtkörper von Fleischrindkühen.

Natürlich sind analog die Teilstücke verteilt. Mit 29,6 % (das entspricht 106,1 kg) haben die Limousinkühe den größten Anteil Keule. Prozentual gleich bei allen Genotypen ist das Roastbeef mit über acht Prozent am Schlachtkörper bzw. am Anteil der wertvollen Teilstücke. Die Differenzen zwischen den Rassen sind nicht sehr groß. Entscheidender, auch für den Erlös über die Direktvermarktung, sind die absoluten Werte. Sie bewegen sich zwischen 185 – 220 kg oder 58 – 62 % vom Schlachtkörper.

Rindfleisch: Durch Reifung zarter

Ausgewählte Parameter der Fleischqualität, gemessen im Musculus longissimus dorsi, und zwar 48 Stunden nach der Schlachtung bzw. nach 14 Tagen Reifung, das heißt 16 Tage nach der Schlachtung, unterstreichen die gute Qualität des Kuhfleisches. Der pH-Wert nach 48 Stunden zeigte an, dass keine Abweichung in der Fleischqualität vorlag (pH-Wert = 5,5 – 5,8). Die Tiere wurden ohne Stress geschlachtet. Natürlich haben die älteren Tiere ein relativ dunkelrotes Fleisch. Die Farbe, gemessen nach Minolta L-Wert, lag im Bereich 29,6 – 32,3.

Der Dripverlust, Wert für Wässrigkeit, war rasseunterschiedlich, erreichte von 1,1 % beim Fleckvieh bis 2,4 % beim Limousin. Insgesamt war er sehr gering. Im Koch- und Fondueverlust konnten nur minimale Unterschiede festgestellt werden. Auch diese Werte sind charakteristisch für die gute Fleischqualität.

Eine optimale Zartheit des Rindfleisches wird mit einer Scherkraft < 4,0 kp bewertet. Hier hatten zwar im frischen Zustand des Fleisches die Deutsch Angus- und Limousinkühe mit 5,7 kp den besten Wert, aber noch keine ausreichende Zartheit. Nach einer Reifung bei 2 °C und im vakuumierten Zustand von 14 Tagen hatte das Fleisch einen höheren Genusswert. Die Spitzenwerte von 3,3 kp erreichte das Fleisch der Anguskühe, gefolgt vom Fleisch der Limousin- und Kreuzungstiere.

Der hohe Wert des Fleisches wird durch einen Rohproteinanteil von 22 – 23 % gekennzeichnet. Der vom Verbraucher gewünschte Fettgehalt im Fleisch konnte bei den Limousin-, Kreuzungs- und Fleckviehkühen realisiert werden. Der intramuskuläre Fettgehalt betrug bei diesen Rassen 1,9 – 2,8 %. Die Deutschen Angus hatten einen Wert von 5,1 – 5,4 %. Mit diesem hohen Fettanteil erhöht sich aber auch der geschmackliche Wert des Fleisches, was wiederum aus der Sicht einiger Verbraucher hoch eingeschätzt wird.

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Precision Farming: Nullnummer oder Nutzbringer?

Jedermann spricht über Precision Farming. In der Praxis finden die verfügbaren Technologien aber nur zögernd Anwendung. Eine Studie beleuchtet nun die Gründe aus Sicht der Landwirte.

Von Nico Wienrich, Dr. Winnie Isabel Sonntag, Dorothee Schulze Schwering, Georg-August-Universität Göttingen und Dr. Maximilian Severin, SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH

Wenn es darum geht, die Effizienz zu steigern, zu digitalisieren und zu automatisieren, fällt häufig der Begriff Precision Farming. Auch auf Tagungen und Veranstaltungen wird die Technologie oft thematisiert und beworben. Allerdings findet die Anwendung in der landwirtschaftlichen Praxis nur zögernd statt. Warum das so ist und welche Vorteile, aber auch Nachteile aus Sicht der Landwirte bestehen, wurde in einer Studie der Georg-August-Universität Göttingen mit mehreren Hundert Landwirten untersucht. Die Ergebnisse geben Einsichten in die Wahrnehmung der Landwirte gegenüber der neuen Technologie und zeigen Zusammenhänge auf, warum sich Precision Farming möglicherweise noch nicht durchgesetzt hat.

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• Zuhause auf dem Land
• Trockenstellen ohne Antibiotika
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Precision Farming oft nach Bauchgefühl eingesetzt

Die Studie zeigt, dass neben der Betriebsgröße, dem Bildungsabschluss der Landwirte und dem Datenschutz vor allem die unklaren wirtschaftlichen Vorteile einen negativen Einfluss auf die Nutzung von Precision Farming haben. Überraschend dabei ist, dass Precision Farming oft nach Bauchgefühl eingesetzt wird und sich ökonomische Vorteile nur in den wenigsten Fällen berechnen lassen (Tab.).

Potenziale der Technologie

Standortunterschiede sind auf nahezu jeder Ackerfläche vorzufinden. Diese zu erkennen und mit den entsprechenden Maßnahmen darauf zu reagieren, ist die wesentliche Herausforderung im Ackerbau. Die Technologie umfasst die zielgerichtete und ortsdifferenzierte Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Nutzflächen. Darüber hinaus bietet die Technologie die Möglichkeit von Verknüpfungen aus GIS-fähigen Bordcomputern, satellitengestützten Ortungssystemen und Sensoren zur Analyse von Boden- und Pflanzenzuständen. Die teilflächenspezifische Betrachtung des Standorts bietet Potenziale zur exakten Ausbringung landwirtschaftlicher Betriebsmittel und zur Reduktion des Ressourceneinsatzes.

Durch die Anwendung von Precision Farming lassen sich neben den Betriebsmitteleinsparungen positive Effekte auf die Umwelt erzielen. Es werden zum Beispiel nur dort Düngemittel ausgebracht, wo sie von den Pflanzen auch gebraucht und aufgenommen werden. Unproduktive Überschüsse werden so vermieden.

Untersuchungen zur ökologischen Auswertung von Precision Farming zeigen, dass sich mit der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung die Nitrat-Sickerwasserverluste um 8–12 kg/ha und Jahr bei gleichbleibender Gesamtdüngermenge reduzieren lassen. Die Stickstoffeffizienz wird durch die teilflächenspezifische Düngung auf ertragsschwachen Standorten verbessert und eine effiziente Umverteilung der Dünger auf der Fläche kann so durch den Einsatz der Technik erfolgen. Zudem kann die Proteinkonzentration durch diesen Ansatz auf dem gesamten Schlag gleichmäßig verteilt werden. Durch Precision Farming ist eine effizientere Betriebsführung durch die Automatisierung verschiedener Prozesse möglich. Darüber hinaus spielen Arbeitserleichterung sowie Ertragseffekte bei geringerem Betriebsmitteleinsatz eine große Rolle für die Nutzung dieser Technologie.

Einfluss der Berufsausbildung

Die Studie der Georg-August-Universität umfasst die Erfahrungen und Meinungen von 267 Landwirten zur Precision-Farming-Anwendung. Ein Großteil der Befragten (70 %) setzt Precision-Farming-Technologien auf dem eigenen Betrieb ein. 84 % der Befragten sind Haupterwerbslandwirte, 16 % betreiben Landwirtschaft im Nebenerwerb.

Trotz der vielen Vorteile wird Precision Farming nur von einem Anteil der landwirtschaftlichen Betriebe eingesetzt. Dabei wird schnell klar: Je höher der Bildungsabschluss eines Landwirts, umso eher wird Precision Farming eingesetzt (Abb. 1). Ein Grund dafür könnte sein, dass die landwirtschaftliche Ausbildung den Umgang mit neuen Technologien zu wenig behandelt und vermittelt.

Die Kosten im Vergleich zum Nutzen

Der hohe Investitionsbedarf von teilweise bis zu 30.000 Euro für eine vollautomatische Steuerung des Düngerstreuers mit einem Sensorsystem ist ein triftiger Grund gegen die Anwendung von Precision Farming. Große Betriebe sind eher gewillt, in Precision Farming zu investieren, da sich die Technologien durch eine höhere Flächenausstattung und somit bessere Auslastung schneller amortisieren. Zudem zeigen die Betriebe durch ihre größere Flächenausstattung auch ein gesteigertes Interesse an teil- oder vollautomatisierten Systemen unter anderem aus Gründen der Mitarbeitermotivation und -entlastung. Hinzu kommt, dass große Betriebe häufig mit Fremdarbeitskräften arbeiten und sich deshalb eine (halb)automatisierte und auf dem Betrieb einheitliche Ausbringung anbietet.

Da die durchschnittliche Betriebsgröße in der deutschen Landwirtschaft jedoch bei 62,5 ha liegt, ist eine breite Nutzung von Precision Farming vor allem durch kleinere Betriebe mit Bezug auf die Anschaffungskosten in naher Zukunft nicht zu erwarten. Aus der Umfrage geht klar hervor, dass insbesondere Betriebe mit einer Größe über 100 ha Precision Farming einsetzen (Abb. 2). Durch den technischen Fortschritt sind Precision-Farming-Technologien in den letzten Jahren schon deutlich kostengünstiger geworden, aber dennoch scheinen die Kosten für den Einsatz der Technologie für viele Betriebe nicht dem erwarteten Nutzen zu entsprechen. Um einen Anreiz für die Betriebe zu schaffen, in moderne Technologien zu investieren, werden aktuell staatliche Investitionsförderprogramme angeboten, mit denen bis zu 40 % der Anschaffungskosten übernommen werden und die damit zur Verbesserung des Umwelt-, Klima- oder Verbraucherschutzes beitragen sollen.

Um Precision Farming in kleinen Betriebsstrukturen rentabel einzusetzen, wird von Wissenschaft und Offizialberatung die Möglichkeit diskutiert, die Technologien überbetrieblich einzusetzen. Die genaue Planung der Arbeitsabläufe sowie die technische Schulung der Anwender sind dabei zentrale Voraussetzungen, um einen effizienten Einsatz der Technik zu gewährleisten.

Allerdings können sich dadurch Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit und Flexibilität des einzelnen Landwirts beim Einsatz der Technik und der Planung von Arbeitsabläufen ergeben. Bei engen Zeitfenstern zur optimalen Applikation von Pflanzenschutz- oder Düngemitteln können sich Abstimmungsprobleme in der Gruppe negativ auf den wirtschaftlichen Erfolg des einzelnen Betriebs auswirken. Die Hersteller sind gefragt, mit innovativen Anreizen und Serviceangeboten diese Nutzungsgemeinschaften zu unterstützen und kompetent zu begleiten. Hier schlummert noch viel Potenzial, da gerade in Deutschland kleine bis mittelgroße Betriebe in der Mehrheit sind.

Wie wird Precision Farming attraktiver?

Aus Sicht vieler Landwirte, die Precision Farming aktuell noch nicht einsetzen, müssen die Vorteile von Precision Farming deutlicher werden, damit der Einsatz der verschiedenen Technologien für sie attraktiv wird. Die hohen Anschaffungskosten werden von den Nichtnutzern des Precision Farming als größtes Hemmnis wahrgenommen. Weiterhin sind die Einsparung von Betriebsmitteln und die Effekte auf die Deckungsbeiträge pro Hektar aus Sicht der Nichtnutzer des Precision Farming noch deutlich ausbaufähig. Betriebe, die Precision Farming einsetzen, sind besonders zufrieden mit der Entlastung der Mitarbeiter, dem reduzierten Einsatz von Betriebsmitteln und den positiven Auswirkungen auf die Umwelt. Aber auch hier werden hohe Anschaffungskosten und die mangelnde Kompatibilität mit anderen Maschinen als problematisch bewertet.

Verschiedene vorangegangene Kalkulationen zeigen hier kein einheitliches Bild zu den wirtschaftlichen Vorteilen von Precision Farming auf. Es spielen vor allem die vielen unterschiedlichen äußeren Bedingungen und Faktoren eine Rolle, die auf die Wirtschaftlichkeit Einfluss nehmen und somit kaum eine pauschale Aussage zulassen. Dennoch sind hier Anstrengungen seitens der Industrie notwendig, die Vorteile besser zu kommunizieren und Anreize zu schaffen, die Anschaffungskosten durch Nutzergemeinschaften zu teilen oder zu senken. Zudem sollte weitere Energie in preisgünstigere Technologien investiert werden.

Trotz teilweise guter Computerkenntnisse der Landwirte wird Precision Farming nur langsam in Betriebsabläufe integriert. Diese langsame Integration kann auch auf den hohen Zeitaufwand für die Einrichtung der Technologie zurückgeführt werden. Größere Betriebe haben dabei oft den Vorteil, dass sie einzelne in diesen Bereichen besonders geschulte Mitarbeiter zur Verfügung haben, sodass die Implementierung leichter stattfinden kann. Vermehrt tauchen neue Plattformen auf, die Austausch und Speicherung sowie Auswertung von sensiblen Betriebsdaten ermöglichen. Ein weiteres Hindernis für Anwendung sind die Verwaltung sowie die richtige Interpretation der gewonnenen Daten. Hier sind Tools und Fachkenntnisse notwendig, um den Landwirt bei Managemententscheidungen zu unterstützen und die Daten in entsprechende Bewirtschaftungsmaßnahmen umsetzen zu können.

Wissensaustausch als Schlüssel

Die stärkere Integration von Precision Farming in die Lehrpläne der landwirtschaftlichen Ausbildung kann eine wichtige Grundlage darstellen, um Berührungsängste abzubauen, Vorteile zu erkennen und die Technologien auf dem eigenen Betrieb erfolgreich anzuwenden. Dahingehend müssen die Unterrichtskonzepte und die Weiterbildung der Lehrer im Bereich der fortschrittlichen digitalen Technologien verstärkt gefördert werden. Bereits in der Ausbildung sollte den angehenden Landwirten das Handwerkszeug für den Umgang mit digitalen Technologien vermittelt werden.

Gleichzeitig scheinen Großbetriebe in sozialen Netzwerken eine zentrale Rolle für die regionale Verbreitung moderner Technologien zu spielen. Der Informationsaustausch zwischen Landwirten, die entsprechende neue Technologien eingeführt haben, ist dabei besonders stark und stellt sich als weiterer Treiber für deren Einsatz heraus. Demzufolge können fortschrittliche Landwirte in sozialen Netzwerken als Multiplikatoren und Meinungsführer für die Verbreitung von Precision Farming in der Landwirtschaft gesehen werden. Die Untersuchungsergebnisse aus dem Jahr 2020 zeigen, dass 88,5 % der Landwirte, die zum ersten Mal Precision Farming nutzen, auch mindestens einen anderen Anwender kennen, während dieser Anteil bei den Betrieben ohne Nutzung von Precision Farming nur bei 36,9 % liegt. Somit können die Förderung der Vernetzung und des Wissensaustauschs zwischen den Landwirten sowie die finanzielle Unterstützung bei den anfänglich hohen Investitionskosten ein Schlüssel für eine breite Anwendung von Precision Farming sein.

Zukünftige Verbreitungsmöglichkeiten

Aufgrund der immer noch geringen Verbreitung von Precision Farming bleibt es spannend, wie sich die Adaption auf den landwirtschaftlichen Betrieben weiterentwickelt. Dabei scheinen Betriebe, die Precision Farming bisher nicht einsetzen, auch in Zukunft unentschlossener zu sein, die Technologie auf ihrem Betrieb einzusetzen.

Trotzdem sehen sie die Technologie, ähnlich wie die Precision-Farming-Nutzer, als ein Kernelement der deutschen Landwirtschaft (Abb. 3). Dieses Ergebnis zeigt noch einmal mehr, dass es wichtig ist, die existierenden Vorurteile gegenüber Precision Farming abzubauen. Nur wenn die Landwirte, die zurzeit kein Precision Farming einsetzen, bereit sind, die Technologien zu nutzen, wird eine flächendeckende Verbreitung mit den genannten Wirkungen möglich. Die ökonomischen Vorteile der teilflächenspezifischen Düngung werden durch die witterungsbedingten und standörtlichen Gegebenheiten stark beeinflusst. Die Umfrageergebnisse spiegeln dies wider: Klare ökonomische Vorteile beim Einsatz von Precision Farming sind aus Sicht der Befragten nicht zu erkennen.

FAZIT

Trotz des Erfolgs von Precision Farming sind weitere Anstrengungen seitens der Industrie notwendig, um eine einwandfreie Funktionalität vor allem in puncto Maschinenkommunikation und -verknüpfung sicherzustellen. Auf der anderen Seite müssen auch die Landwirtschaftsverbände und -beratungen ihre Dienstleistungsangebote zu modernen Technologien ausweiten. Nur dann sind auch die Effekte eines effizienten Betriebsmitteleinsatzes und einer Reduktion der negativen Umwelteinwirkungen durch die Nutzung der Technologien möglich.

Es bleibt noch die Frage: Precision Farming: Nullnummer oder Nutzbringer? Laut der Umfrage lässt sich eine Tendenz Richtung Nutzbringer beobachten, aber es ist noch viel Luft nach oben.



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Next2Sun: Solarpark mit senkrecht stehenden Modulen

Das Konzept von Next2Sun sieht es vor, Landwirtschaft und solare Stromproduktion zu verbinden. Seit Ende letzten Jahres gibt es eine solche Anlage in Baden-Württemberg.

Von Christoph Feyer

Ende letzten Jahres ging im Donaueschinger Ortsteil Aasen (Baden-Württemberg) die bundesweit erste kommerzielle AgriPhotovoltaikanlage mit senkrecht stehenden, bifacialen Photovoltaikmodulen offiziell ans Netz. Bauherr und Entwickler der Anlage war die Firma Next2Sun. Das Unternehmen aus Merzig im Saarland konnte damit ein neues PV-Konzept erfolgreich in die Tat umsetzen, dessen Ziel darin besteht, landwirtschaftliche Nutzung und solare Stromproduktion wirtschaftlich auf der gleichen Fläche zu verbindet.

Solarmodule: Nach Ost und West ausgerichtet

Die Grundidee des Konzeptes besteht in der senkrechten Anordnung von Solarmodulen, die Sonnenlicht sowohl von der Vorder- als auch von der Rückseite nutzen können („bifaciale“ Solarmodule). Die beiden aktiven Seiten sind dabei nach Osten und Westen ausgerichtet, sodass vor allem die Morgen- und Abendstunden intensiv zur Solarstromerzeugung genutzt werden können. Dafür wurden in Donaueschingen auf knapp 14 ha rund 11.000 bifaciale Module auf 5.800 Gestellelementen montiert. Der Jahresenergieertrag liegt laut Betreiber, den Bürgersolarkraftwerken Donaueschingen-Aasen GmbH, bei 4.850 MWh und würde damit den Strombedarf von etwa 1.400 Haushalten decken. Das Investitionsvolumen wurde offiziell mit 3,2 Mio. € beziffert. Finanziert wurde das Projekt mithilfe der Solverde Bürgerkraftwerke Energiegenossenschaft eG.

Der Abstand zwischen den Modulreihen ist so bemessen, dass wie bisher die rund 14 ha große Fläche weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden kann. In diesem Fall ist es der Futterbau. Des Weiteren wollen die Betreiber auch noch Blühstreifen anlegen und so insbesondere der bedrohten Insekten und vielen Vogelarten Raum bieten.

Next2Sun Solarpark Auch im Nachbarland

Im letzten Herbst entstand in der Nähe von Wien der mit 11,5 MW Leistung aktuell größte Solarpark Österreichs. Für dieses Megaprojekt, das 5.200 Haushalte mit Strom versorgen kann, wurden auch Solarmodule von Next2Sun verwendet. Unter den insgesamt 25.780 verbauten Sonnenfängern waren 500, die senkrecht montiert wurden und jetzt bifacial arbeiten.

Das sind aber nicht die ersten Next2Sun-Module, die in unserem Nachbarland aufgestellt wurden. Bereits 2019 hat dort ein Landwirt seine Hühnerweide mit senkrecht aufgeständerten Solarmodulen eingezäunt. Der Biolegehennenbetrieb mit 1.000 Tieren befindet sich in St. Martin im Bundesland Salzburg. Neben dem Doppelnutzen seien die Module laut dem Hennenhalter auch besser auf den winterlichen Sonnenstand ausgerichtet als eine Aufdachanlage. Zudem blieben sie in der Regel schneefrei. Die Länge des Zauns beträgt 360 m, die Anlagenleistung 52,55 kWp und der erwartete Jahresenergieertrag 50.000 kWh.


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Automatische Brunsterkennung: Auf dem Punkt?

Jede übersehene Brunst kostet über 60 Euro. Kann durch die Kombination verschiedener Parameter in Sensorsystemen die automatische Brunsterkennung verbessert werden?

Von Prof. Steffen Hoy, Universität Gießen

Die größte Bedeutung beim Einsatz von Sensorsystemen hat die Brunsterkennung. Seit einiger Zeit werden neben der Messung von Aktivität und Wiederkaudauer neue Parameter mit Aussagen zum Liegeverhalten und zur Futteraufnahme angegeben. Welche Kombinationsmöglichkeiten sind geeignet, die Brunsterkennung zu verbessern?

Zwei Systeme im Check

Die Untersuchungen fanden auf dem Oberen Hardthof (OH) der Universität Gießen statt. Hier werden die Systeme HeatimeTM HR (SCR bzw. Allflex) und Bayern-Watch (Track a cow, ENGS, Rosh Pina, Israel) eingesetzt. Für den Zeitraum eines Jahres wurden folgende Parameter erfasst:



Liegedauer und Stehen ergeben dabei zusammen 24 Stunden. Die Brunst wurde dann registriert, wenn die Monitoringsysteme einen Alarm gegeben hatten oder wenn das Stallpersonal eine brünstige Kuh entdeckt hatte und anschließend eine künstliche Besamung erfolgte – unabhängig davon, ob diese zur Trächtigkeit geführt hatte oder nicht.

Während der Brunst ist vieles anders

Viele Parameter sind während der Brunst verändert. Für die Untersuchungen wurden 76 Brunsten ausgewertet. Es wurde für jeden Parameter der Zeitraum 4 Tage vor der Brunst, der Tag der Brunst (= Tag der Besamung) und 4 Tage nach der Brunst betrachtet. Für jeden Tag wurde der Mittelwert für jede Kenngröße grafisch dargestellt.

Alle Messgrößen zeigten einen typischen Verlauf im brunstnahen Zeitraum – entweder mit einem Anstieg oder einem Rückgang des jeweiligen Parameters. Am deutlichsten war die brunstbedingte Auslenkung bei der mit Bayern-Watch gemessenen Aktivität zu erkennen: Die Aktivität am Tag der Besamung stieg um 78,7 % gegenüber dem Vergleichszeitraum (Mittelwert der Tage 4–2 vor und 1–4 nach der Brunst) an. Sehr ähnlich war die Dynamik der mit Heatime gemessenen Aktivität – der Anstieg war mit 34,7 % lediglich nicht so hoch (Abb. 1).

Sehr deutlich reagierte auch der „Liegezähler“ auf das Eintreten einer Brunst. Die Anzahl der Abliegevorgänge erhöhte sich am Brunsttag um 48,5 %. Die jeweilige Dauer des Liegens und Stehens verhalten sich spiegelbildlich. Der brunst bedingte Anstieg bzw. Rückgang lag bei beiden Kenngrößen in einer Größenordnung von etwa 20 % (Abb. 3).

Die Aufenthaltsdauer am Futtertisch nahm am Tag der Brunst lediglich leicht um 8,0 % ab. Zugleich stieg die Zahl der Besuche am Futtertisch um 15,6 %. Die Wiederkaudauer wurde am Brunsttag um 14,1 % kürzer (Abb. 4).

Brunsterkennung durch Messung  der Aktivitätsmuster mit dem  Pedometer am Fuß einer Kuh.
Brunsterkennung durch Messung der Aktivitätsmuster mit dem Pedometer am Fuß einer Kuh. (c) BAYERNWATCH

Welche Parameter für die Brunsterkennung?

Zur Beantwortung der Frage, welche Parameter die Brunst am deutlichsten anzeigen, wurden die prozentualen Abweichungen im jeweiligen Parameter am Tag der Brunst (Tag 0) gegenüber dem Vergleichszeitraum berechnet.

Bei manchen Parametern ist dieser Wert negativ (Wiederkaudauer geht am Tag der Brunst zurück), bei anderen positiv (die Aktivität nimmt am Brunsttag zu). Je höher dieser Wert (unabhängig vom Vorzeichen) ist, umso besser lässt sich die Brunst erkennen. In Abbildung 2 wurden die Werte für die einzelnen Parameter (ohne Vorzeichen) absteigend sortiert. Die höchste Auslenkung während der Brunst zeigte die mit Bayern-Watch (B) gemessene Aktivität, gefolgt vom Liegezähler und der durch Heatime (H) erfassten Aktivität. Die geringsten Veränderungen zur Brunst wurden beim Wiederkäuen und der Aufenthaltsdauer am Futtertisch („Fressdauer“) festgestellt.

Ein zweites Merkmal zur Charakterisierung der Qualität der Brunsterkennung ist der Anteil „falscher“ Anzeigen. Damit ist gemeint: Bei der Brunst ist normalerweise die Aktivität erhöht und die Wiederkaudauer vermindert. Es gibt jedoch Kühe, die während der Brunst in diesen Parametern überhaupt nicht oder in „die falsche Richtung“ reagieren. Derartige Brunsten wurden als „falsche Anzeige“ bezeichnet und es wurde die Häufigkeit dieser Werte berechnet (Abb. 2).

Bei beiden Aktivitätsmessungen traten die geringsten Häufigkeiten „falscher Anzeigen“ auf. Der Liegezähler besaß zwar im Mittel eine deutliche Auslenkung während der Brunst, aber auch vergleichsweise viele Fehlalarme. Die höchste Fehlerquote wurde bei der „Fressdauer“ gefunden. Die Aktivitätsmessung ist somit die sicherste Methode der Brunsterkennung.

Automatische Brunsterkennung: Wie die Messgrößen kombinieren?

Die beste Kombination ist die Messung von Aktivität und Wiederkaudauer: 95,8 % der Brunsten zeigten eine Erhöhung der Aktivität und/oder eine Verringerung der Wiederkaudauer (Heatime). Eine Trefferquote in gleicher Höhe (95,7 %) ergab sich bei der Kombination von Aktivität und „Fressdauer“ (BayernWatch).

Eine 100-prozentige Sicherheit der automatischen Brunsterkennung konnte auch dann nicht erreicht werden, wenn gleichzeitig die Aktivität, Fress-/Liegedauer und Liegezähler berücksichtigt wurden. Jede 20. Brunst zeigte in keiner der vier Messgrößen eine Auslenkung. Deshalb ist die Brunstbeobachtung weiterhin unverzichtbar.

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Strip-Till: Drei Viertel der Fläche bleiben unbearbeitet

Saubere, frei geräumte Saatreihen für die anschließende Aussaat schaffen: Wir waren bei der Vorführung eines Strip-Till-Gerätes bei Landwirt Marco Hintze in Groß Kreutz westlich von Berlin dabei.

Von Jörg Möbius

Auch bei Kuhn spürt man das zunehmende Interesse an der Strip-Till-Technik. Termine für Vorführungen zu koordinieren ist schwierig. „Was im Prinzip nicht geht, ist, unseren Striger einem Landwirt zum Test zu geben, der damit noch nicht gearbeitet hat“, erklärt Eric Rummland, Produktmanager Minimum Tillage bei Kuhn.
„Vielseitige Einstellungsmöglichkeiten und gewisse Skepsis, da nicht nur eine Maschine vorgeführt wird, sondern auch ein komplett anderes Bodenbearbeitungsverfahren. Um diese gedankliche Hürde zu senken, bieten wir dem Landwirt eine Komplettlösung.“ Deshalb hat der Landtechnikanbieter Ende April eine Vorführtour für Interessenten organisiert.

Erste generation Striger für Strip-Till-Landwirtschaft

Video (c) Jörg Möbius

Dafür stand ein Gespann zur Verfügung, mit dem ein Landwirt im Jerichower Land arbeitet. Jörg Schulze Wext aus Bergzow war an der Erprobung der ersten Generation Striger beteiligt und ist auch heute in engem Kontakt mit dem Hersteller bei der Weiterentwicklung der Technik. Das Vorführgespann bestand aus einem John Deere 8530 mit stufenlosem Getriebe, dem achtreihigen Striger für Mais mit 75 cm Reihenabstand und Düngetechnik, um mineralischen Dünger abzulegen. „Diesel für die eine Vorführfläche von zehn Hektar und wenn gewünscht Dünger stellen die Landwirte, das Gespann mit Fahrer wir“, berichtet der junge Produktmanager.

Ende April bot sich die Gelegenheit, die Vorführung bei Landwirt Marco Hintze in Groß Kreutz westlich von Berlin zu begleiten. Hintzes haben als ansässige Landwirte nach der Wende einen Betrieb aufgebaut, der von 60 auf jetzt rund 600 ha bewirtschafteter Fläche gewachsen ist. Marco Hintze ist seit 2017 Präsident des Brandenburger Bauernbundes.

Absprache: Eric Rummland (l.) und Marco Hintze besprechen den Einsatz des Testgespanns.
Absprache: Eric Rummland (l.) und Marco Hintze besprechen den Einsatz des Testgespanns.
Einsatz des Kuhn Strigers im Testgespann zur Strip-Till-Landwirtschaft.
Einsatz des Strip-Till-Testgespanns. (c) Jörg Möbius

„2002 sind wir von Milch- auf Rindfleischproduktion mit Mutterkühen umgestiegen“, berichtet Marco Hintze. Die Direktvermarktung unter dem Label regionales Futter, Weidehaltung von April bis November, Stroh im luftigen Stall und regionale Schlachtung wird inzwischen gut angenommen.

Den Testschlag neben der Autobahn hatte Hintze schon eine Woche vorher mit Gärrest versorgt, diesen breitflächig ausgebracht und eingearbeitet.

perfekt vorbereitet für die aussaat

Ziel des Einsatzes eines Strip-Till Gerätes ist, eine saubere, frei geräumte Saatreihe für die anschließende Aussaat schaffen. Der Striger baut auf vier verschiedenen Komponenten auf, die nacheinander angeordnet sind (Abbildung): Eine Schneidscheibe öffnet den Weg für die nachlaufenden Zinken und schneidet die auf dem Acker verbliebenen Pflanzenrückstände.
Es folgen frei bewegliche Sternklutenräumer, die die Furche von Pflanzenrückständen frei räumen. Anschließend lockert ein Zinken den Boden bis zu 30 cm tief, zwei gewellte Scheiben halten die gelockerte Erde im Streifenband. Die nachfolgenden Andruckrollen brechen Kluten und die Kettenandruckrollen erzeugen einen sehr guten Feinerdeanteil. Die Reihenabstände sind stufenlos zwischen 45 und 80 cm verstellbar.

Inzwischen ist der Mais gelegt und gut aufgegangen. „Mit unserer achtreihigen Maislegemaschine konnte ich die vorgelegte AB-Spur gut nachfahren und den Mais samt Unterfußdünger ausbringen“, so der Landwirt.

Marco Hintze beobachtet nun die Entwicklung und letztendlich den Ertrag der Strip-Till-Variante im Vergleich zum nebenan mit betriebseigener Technik vorbereiteten Saatbett. Und er hofft, dass ihm die vielen in der Region rastenden und zunehmend auch bleibenden Kraniche nicht zu viel davon wegfressen.

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TAP: Erfolgreicher Start in die Hühnerhaltung

Die Trebnitzer Agrarproduktions GmbH gilt seit dem 4. Juli als anerkannter Biobetrieb. Auch der Start in die Eierproduktion war erfolgreich.

Von Heike Mildner

Da ist man mal fünf Wochen nicht da und schon sieht der Betrieb wieder ganz anders aus: Wenige Tage nach unserem letzten Besuch in der Trebnitzer Agrarproduktionsgesellschaft bezogen am 2. Juni die vier mal dreitausend Hühner samt der Hähne ihre zwei mal zwei autarken Stallhälften. Nach kurzer Eingewöhnungsphase im Stall durften sie zunächst in die vier Wintergärten und seit einiger Zeit ganz raus. „Jetzt werden sie jeden Tag etwas mutiger und entfernen sich immer ein bisschen weiter vom Stall“, bemerkt Maik Wilke.

Der Jungmeister hat jetzt nicht nur für die Hühner den Hut auf, sondern auch für die neuen Mitarbeiter Jessie Heyer und Olaf Maske, die die Hühner betreuen und für Max Schurke, der am 1. Juli seine Ausbildung in Trebnitz begonnen hat – jedenfalls soweit es die Hühnerhaltung betrifft.

Den Hühnern geht es gut

Zur Tagesroutine gehört es, Eier wegzusammeln, die nicht ins Nest gelegt wurden, damit sich das nicht einschleift, nach den Hühnern zu sehen und die Eier für den Transport vorzubereiten. Morgen werden zum dritten Mal die Eier abgeholt. Noch sind sie nicht groß genug für den Lebensmittel-Einzelhandel und werden daher an eine Bioland-Sammelstelle ins Bergische Land spediert. Dort gehen die Eier in den sogenannten „Aufschlag“, der beispielsweise an Bäckereien geliefert wird.

Dass es den Hühnern gut geht, sieht man nicht nur an den Tieren, die leise vor sich hin scharren und picken. Die Monitore der Kontrollschränke zeigen Temperatur und Luftfeuchte in den Ställen, Futter- und Wasseraufnahme der Tiere, ihr Durchschnittsgewicht und viele andere Parameter und ergänzen den Gang durch die Ställe.

Außerdem sind in den Ställen der Trebnitzer Agrarproduktionsgesellschaft Kameras angebracht, sodass sich vom Büro aus das Hühnerleben bis spät in die Nacht beobachten lässt – wenn man es denn will. In Kombination mit einer App, die die Infos aus dem Kontrollzentrum auf das Smartphone überträgt, lassen sich Fütterungszeiten, Futtermenge etc. sogar aus der Ferne steuern.

Er habe kürzlich einige Feinheiten am Wochenende vom Leipziger Boulevard aus nachjustiert, erzählt TAP-Eigner Dirk Steinhoff. Im Großen und Ganzen laufe alles super. „Wir liegen zehn Tage vor der Genetik-Kurve“, schwärmt er: Die Hühner legen also schon jetzt so viele und so große Eier, wie sie es eigentlich erst in zehn Tagen müssten. Mit täglich 11.300 Eiern in der 23. Lebenswoche könne man sehr zufrieden sein, so Steinhoff.


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Trebnitzer Agrarproduktionsgesellschaft GmbH

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Trebnitzer Agrarproduktionsgesellschaft: Mangelhafte rübsenernte

Rübsenkontrolle
Die Rübsen sind runter: Frank Schumacher (r.) von der Trebnitzer Agrarproduktionsgesellschaft zeigt Max Schurke den Schädlingsbefall. (c) Heike Mildner

Nicht zufrieden ist Betriebsleiter Frank Schumacher mit seiner Rübsenernte. Wir berichteten bereits vom Käferbefall und wie der Bestand dann doch noch die Kurve kriegte. Zum Auftakt der Erntesaison nun 550 kg Rübsensaat pro Hektar sind das bescheidene Ergebnis des Anbauexperiments.

Schumacher nimmt ein Messer – „Immer dabeihaben!“ –, halbiert eine Wurzel und zeigt sie Azubi Max Schurke: So sieht Phoma lingam, die Wurzelhals- und Stängelfäule, aus. Wieder was gelernt. Ansonsten ist Max mit einer wichtigen, wenn auch etwas eintönigen Aufgabe betraut: Die TAP hat ein Stenon-Bodenanalysegerät geliehen und lotet per Sensor-Technologie die Beschaffenheit ihrer Böden aus. Max sticht die Sonde alle hundert Meter an drei Stellen ein, um verlässliche Daten zu erhalten. Das ist dröge, aber man darf schon jetzt auf Kartierung, Ergebnisse und den Umgang damit gespannt sein. Und Max ist froh, dass er draußen sein kann und die Schulbank nicht mehr drücken muss. In den nächsten Tagen bekommt er Verstärkung und wird abgelöst. Siebenhundert Hektar, das sind ziemlich viele Messungen.

Ernte der anderen kulturen

Nach einer guten Futterernte, die einen Stall voll Rundballen mit Heu und erstmals kleinen Quadratballen als Beschäftigungsmaterial für die Hühner eingefahren hat, stehen die anderen Kulturen zur Ernte an.

Die Trebnitzer stehen in den Startlöchern, und hätte es nicht gerade noch angefangen zu regnen, wären wir beim Probedrusch des Rotschwingels dabei gewesen. Aber nach 60 Litern Regen in der vergangenen Woche ist selbst eine kleine Husche geeignet, diese Erntepläne über den Haufen zu werfen.

Die bevorstehende Ernte des Rotschwingels  machte einen Umbau am Drescher nötig.  Maik Wilke klettert aus dem Bunker
Die bevorstehende Ernte des Rotschwingels machte einen Umbau am Drescher nötig. Maik Wilke klettert aus dem Bunker. (c) Heike Mildner

Dafür hatten wir in Vorbereitung der Rotschwingel-Ernte Gelegenheit, Maik Wilke beim Umbau des Mähdreschers zuzusehen: Damit der New Holland mit den feinen Grassamen zurechtkommt und das Erntegut nicht die Schnecke verstopft, muss die sogenannte Verminderungshaube ausgebaut werden.
Dafür ist Maik in den Bunker des Dreschers geklettert und stemmt jetzt das Teil nach oben, wo es Jonas Stolberg und Ole entgegennehmen und vorsichtig die drei, vier Meter nach unten befördern.

TAP: Anerkannter Biobetrieb

Apropos befördern: Seit dem 4. Juli ist die Trebnitzer Agrarproduktionsgesellschaft anerkannter Biobetrieb, die zweijährige Umstellungsphase ist beendet. Was aktuell geerntet wird, ist zwar noch Umstellungsware, aber alles, was an nun in den Boden kommt, kann endlich als Bioware vermarktet werden.
Abnehmer eines Großteils der Ernte und zugleich Lieferant des Hühnerfutters ist Gut Rosenkrantz in Neumünster. Und so schließen sich die Kreisläufe – bis hin zu den Kothäusern, in denen in den ersten vier Wochen mit den Hühnern schon ein stattlicher Berg Dünger zusammengekommen ist.

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Maiserträge 2020: Regional große Unterschiede

Nach der Maisernte aus 2020 wurde eine Bilanz der Erträge gezogen. Besonders die Zahlen zwischen den einzelnen Bundesländern variieren stark.


Das Statistische Bundesamt hat über sein Portal Destatis Mitte Juni die endgültigen Ernteergebnisse des vergangenen Jahres für Silo- und Körnermais auf Bundeslandebene veröffentlicht.

Wie das Deutsche Maiskomitee e. V. (DMK) mitteilte, wurde für Körnermais inkl. CCM eine Anbaufläche von 419.300 ha ermittelt, das ist eine Steigerung um 3.300 ha zum Vorjahr, liegt aber dennoch deutlich unter dem fünfjährigen Mittel von 435.300 ha. Von dieser Fläche wurde eine Gesamterntemenge von 4,02 Mio. t eingefahren, deutlich mehr als die 3,66 Mio. t des Vorjahres, aber unter dem mehrjährigen Mittel von 4,11 Mio. t. Erntemengen schwanken bei der Körnermaisnutzung über die Jahre erheblich, sind sie doch nicht nur von den Wetterbedingungen der Jahre abhängig, sondern auch von den aktuellen Anbauentscheidungen der Landwirte. Der landesweite Hektarertrag lag mit 95,9 dt/ha leicht über dem fünfjährigen Durchschnitt von 94,9 dt/ha.

Unterschiede zwischen den Bundesländern

Zwischen den Bundesländern unterscheiden sich die durchschnittlichen Körnermaiserträge des vergangenen Jahres beträchtlich: So lagen Bayern mit 109,6 dt/ha (gegenüber langjährig 101 dt/ha) und Nordrhein-Westfalen (104,9 gegenüber 97,5 dt/ha) deutlich über ihren jeweiligen Fünfjahresmitteln.

Vor allem die ostdeutschen Bundesländer mussten aber gravierende Einschnitte hinnehmen. So ernteten die Landwirte in Brandenburg 12 dt/ha weniger als im langjährigen Mittel (61,2 gegenüber 73,3 dt/ha), in Sachsen-Anhalt (66,9 gegenüber 76,2 dt/ha) und Sachsen (76,8 gegenüber 85,2 dt/ha) waren es etwa 9 dt/ha.

Mais
(c) Sabine Rübensaat

Beim Silomais lagen deutschlandweit alle ermittelten Parameter über den mehrjährigen Durchschnittswerten. Sowohl Anbaufläche (2,3 gegenüber mehrjährig 2,1 Mio. ha) als auch Gesamterntemenge (97,5 gegenüber 90,4 Mio. t) übertrafen das fünfjährige Mittel deutlich.
Das galt auch für den Frischmassertrag, der mit 423,9 dt/ha über 30 dt/ha höher lag als im Vorjahr und immer noch knapp über dem Fünfjahresmittel von 421,7 dt/ha.

Maiserträge 2020: Spitzenreiter Bayern

Sehr deutlich fallen jedoch die Unterschiede zwischen den Bundesländern aus. Spitzenreiter bei den Ertragssteigerungen waren im vergangenen Jahr Bayern, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, die allesamt ihre langjährigen Durchschnittserträge weit überboten. So übertraf Schleswig-Holstein seinen Durchschnittswert (422,1 dt/ha) mit 458,5 dt/ha um mehr als 35 dt. Mecklenburg-Vorpommern lag mit 392 dt/ha und Bayern mit 498,8 dt/ha noch etwa 30 bzw. 25 dt/ha über dem landeseigenen Fünfjahresmittel.

Andere Bundesländer mussten deutliche Ertragseinbrüche bei den Maiserträgen 2020 verkraften. Der höchste Einbruch mit fast 60 dt/ha unter dem Fünfjahresmittel ergab sich für Sachsen, wo statt 374,9 dt/ha (Fünfjahres-mittel) nur 318, 3 dt/ha vom Feld gefahren wurden. Auch Rheinland-Pfalz (365,2 dt/ha, etwa 45 dt/ha unter dem Mittel) und das Saarland (333 gegenüber 377,6 dt/ha) ernteten deutlich unterdurchschnittliche Erträge. red


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Ziegen- und Geflügelhof Rosenbach: Harzer Ziegen fallen auf

Dass auch seltene Rassen wirtschaftliche Vorteile bringen können, zeigt die Vermarktungsstrategie von Jana Schmidt aus Oberpirk im Vogtland. Sie hat sich für eine Kombination aus Ziegen und Geflügel entschieden.

Von Silvia Kölbel

Seit ein paar Wochen läuft auf dem vogtländischen Ziegen- und Geflügelhof Rosenbach im Ortsteil Oberpirk unweit von Plauen die Käseherstellung wieder auf Hochtouren. Dieses Jahr verarbeitet Betriebsleiterin Jana Schmidt erstmalig die Rohmilch ihrer zwölf Harzer Ziegen zu Frischkäse, Weichkäse und geräuchertem Käse. Außerdem verkauft sie auch Rohmilch.

Ziegen- und Geflügelhof Rosenbach: Seltene Ziegenrasse

Die junge Frau, die dem Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverband angehört, entschloss sich im vorigen Jahr, statt der bis dahin gehaltenen Thüringer Waldziegen Harzer Ziegen zu züchten. Die rehfarbigen Tiere mit dem hellen Bauch und dem schwarzen Aalstrich an der Seite gehören als Farbenschlag zu den Deutschen Bunten Edelziegen.

Neben dem Einsatz für eine seltene Rasse gab es für die Tierhalterin noch weitere Gründe, auf die Harzer Ziegen umzusatteln: „Die Harzer Ziegen geben etwas mehr Milch als die Thüringer Waldziegen. Auch die Fleischausbeute ist größer. Außerdem haben wir uns für diese seltene Rasse entschieden, um uns von den anderen Ziegenhaltern der Umgebung abzuheben. Das ist besser für die Vermarktung der Zuchttiere.“

Jana Schmidt mit ihren Harzer Ziegen. 19 Lämmer gab es dieses Jahr.
Jana Schmidt mit ihren Harzer Ziegen. (c) Silvia Kölbel

Unterstützung erhält die junge Landwirtin von ihrem Mann Steffen, der sich auf dem Ziegen- und Geflügelhof Rosenbach vor allem um die handwerklichen Dinge kümmert. In seinen Aufgabenbereich fällt unter anderem der Umbau der Stallungen. Die Milch verarbeitet Jana Schmidt jeden Tag frisch. Um das Arbeitspensum zu schaffen, geht sie ihrem Bürojob nur noch halbtags nach. Der Wechsel zwischen der Schreibtischarbeit und der Tätigkeit an der frischen Luft mit den Tieren ist für Jana Schmidt der perfekte Ausgleich.

Die verkürzte Arbeitszeit im Hauptberuf ermöglicht es ihr, den kleinen Hofladen von Mai bis Oktober dienstags und freitags zu öffnen. Die Landwirtin sagt: „Ich brauche die Regelmäßigkeit beim Verkauf.“ Während der Wintermonate gibt sie ihren Kunden regelmäßige, feste Schlachttermine bekannt.

An diesen Tagen biete die Nebenerwerbslandwirtin neben dem Ziegenfleisch auch Hühner an. Ein Teil der 100 Legehennen vermarktet Jana Schmidt nach dem ersten Legejahr auch lebend an Hobbyhalter. Zu Weihnachten bieten Schmidts auch Enten und Gänse an. Ein Kühlschrank mit Selbstbedienung ermöglicht es den Kunden, auch außerhalb der Öffnungszeiten bei Schmidts einzukaufen. Ein kleiner Lieferdienst ergänzt die Direktvermarktung.

Vom Austerben bedroht

Die Harzer Ziegen, die sie voriges Jahr auf den Hof holten, galten etliche Jahrzehnte als ausgestorben. Mitte der 1990er-Jahre bildeten ein paar im östlichen Harz gefundene Ziegen, die dem ursprünglichen Typ dieser Rasse entsprachen, die Basis für ein Aufleben der Zucht. Die Rasse gilt als widerstandsfähig und robust.

Jana Schmidts Ziegen brachten dieses Jahr insgesamt 17 Lämmer zur Welt. Da Ziegen mit fortschreitendem Alter zu Mehrlingsträchtigkeiten neigen, geht sie davon aus, dass die Ablammrate nächstes Jahr höher ausfällt.

Acht Wochen verbleiben die im März geborenen Lämmer bei ihren Müttern. Danach beginnt Jana Schmidt mit dem Melken. Zum Einsatz kommt auf dem Ziegen- und Geflügelhof Rosenbach eine kleine Eimermelkanlage.

Obwohl von Anfang an klar war, dass die Landwirtschaft den Rahmen der Nebenberuflichkeit nicht sprengen soll, ging es nicht ohne Investitionen. Wie es bei Landwirten häufig der Fall ist, standen die Umbauten der Stallungen an erster Stelle. Erst danach widmete sich das Paar der Sanierung der Wohnung. „In der Käserei haben wir finanziell betrachtet einen Kleinwagen versenkt“, nennt Jana Schmidt den größten Kostenfaktor, ohne den eine Direktvermarktung von Ziegenmilch undenkbar ist.

Weitere Tiere in Planung

Beim Umbau des Ziegenstalls zu einem Offenstall in einem vorhandenen Gebäude kam den Vorlieben von Steffen Schmidt folgend vor allem Holz zum Einsatz. Nunmehr nehmen die Ziegen den vormaligen Rinderstall in Beschlag.

Die Hühner leben in einem mobilen Stall mit wechselnden Ausläufen. Da Schmidts im Außenbereich für ihre Nebenerwerbslandwirtschaft keine Baugenehmigung für einen neuen Stall bekamen, ist ein umgebauter Sattelauflieger die Lösung dieses Stallproblems.

Im laufenden Jahr entschlossen sich Schmidts, bei der Gänseaufzucht erstmals auf Elterntierhaltung umzusteigen. „Durch die Geflügelgrippe und die damit verbundene Stallpflicht haben die Gänse in den großen Betrieben weniger Eier gelegt. Es war schwierig, Gössel zu bekommen“, so Jana Schmidts Erfahrung.

Weil auf dem ehemaligen Vierseitenhof immer noch einige ehemalige Stallgebäude leer stehen, wollen Schmidts dieses Jahr einen Versuch mit Legewachteln starten. Zehn Hennen und zwei Hähne haben vor ein paar Wochen Einzug gehalten.

Zwei hektar grünland hinter dem hof

Die vorhandene Substanz sinnvoll nutzen – das war für die Familie der Grundgedanke, als sie sich vor acht Jahren entschlossen, den ehemaligen landwirtschaftlichen Hof wiederzubeleben. Die zwei Hektar Grünland hinter dem Hof dienen hauptsächlich den Ziegen und dem Geflügel als Weide und als Auslauffläche. Ein Teil des Areals nutzen die Landwirte für die Heugewinnung. Ein befreundeter Bauer übernimmt für Schmidts die Heugewinnung in Lohnarbeit.

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Skuddenhof: Die Matte muss runter, MAYKE!

Auf dem Skuddenhof im brandenburgischen Weseram ging es der kleinen Schafrasse an die Wolle. Doch was tun mit der Haarpracht, die sich gegen künstliche und pflanzliche Konkurrenz behaupten muss und kaum Geld einbringt?

Von Jutta Heise

Tausend Mal musst du es getan haben, so die Profis, dann erst darfst du von dir behaupten: Ich hab´s drauf. Wir reden von der Schafschur. Von der magischen Zahl sei sie noch ein Stück entfernt, lacht Katja Behling. Aber wie sie das Jährlingsschaf ruhigstellt, das um die 25 Kilogramm auf die Waage bringt, nötigt einem Respekt ab, deutet auf Übung, Selbstsicherheit und Einfühlungsvermögen: Grundvoraussetzungen, um ein Schaf schmerz- und verletzungsfrei von der Wolle zu befreien.

Schur-Premiere: Maykes erstes Mal

Erst stellt sich Mayke, 18 Monate alt, ein bisschen zickig an, macht artgemäß einige Fluchtversuche („Skudden sind scheu und schnell, können förmlich fliegen“, sagt Behling.). Noch dazu ist es Maykes erstes Mal.

Auch für Katja Behling ist heute, an einem Tag Ende Mai, Schur-Premiere für diese Saison. „Wir haben euch bisher noch alle nackig gekriegt!“ Was wie eine sanfte Drohung klingt, scheint Mayke zu beruhigen. Sie ahnt wohl, dass die Prozedur unumgänglich ist und ihr am Ende sogar guttut: Sommerhitze wird erträglicher, Parasiten haben es schwerer, sich festzusetzen.
Zwischen Mitte Mai nach den Eisheiligen oder Anfang Juni nach der Schafskälte werden die Skudden wie fast alle ihre Artgenossen landauf, landab geschoren. Der Zeitpunkt werde bei ihr von Tier zu Tier individuell festgelegt, sagt Behling.

Skuddenkopf mit Hörnern
(c) Fritz Fleege

Manuelles statt maschinelles Scheren

50 Muttertiere der kleinsten in Deutschland gehaltenen, vom Aussterben bedrohten Rasse leben als Basis auf ihrem Hof in Weseram, westlich von Berlin. Dazu kommen die derzeit getrennt von der übrigen Herde gehaltenen Zuchtböcke und die Nachzucht.

Die 60 Lämmer sind allesamt vor Ostern – positiv für den Absatz – auf die Welt gekommen. Jetzt genießen sie mit ihren Müttern während der Umgewöhnung von Trocken- auf Frischfutter ihre Kinderstube auf vier Hektar Grünland, das dank der kühl-feuchten Witterung im Frühjahr besonders gut steht.

Katja Behling bevorzugt das manuelle Scheren. „Die Maschine ist teuer, rentiert sich bei unserer Herdengröße nicht und hat ihre Tücken, kann sich schnell heiß laufen.“
Die Arbeit an Mayke geht zügig voran. Zuerst wird die Bauchwolle, dann die Bein- und Schwanzwolle, darauf die Kopfwolle geschoren. Nun wird das Vlies am Hals gelöst und in einem Stück vom Rücken und den Seiten abgeschoren.

Wolle: Nachwachsender Rohstoff mit hervorragenden Eigenschaften

Die Wolle soll schon bei der Schur nach Qualitäten getrennt werden. Minderwertige Partien an Kopf, Bauch und Beinen werden separat vom Hauptvlies geschoren. Nach einer Viertelstunde ist Mayke von 1,5 Kilogramm befreit. Katja Behling hat ein Auge drauf, dass das Vlies nicht verschmutzt. „Wolle ist ein nachwachsender Rohstoff mit hervorragenden Eigenschaften, kein Abfall, deshalb muss man schon in der Haltung darauf sehen, dass sie möglichst sauber bleibt.“

harter Wettbewerb mit synthetischen und pflanzlichen Fasern

Das Naturprodukt ist immer noch ein wichtiger Teil der Schafhaltung. Doch steht es seit Längerem in hartem Wettbewerb mit synthetischen und pflanzlichen Fasern. Geschätzte 8.000 Tonnen Wolle jährlich fallen in Deutschland an, heißt es: ein Tropfen im Meer gegen die drei Milliarden Tonnen Weltproduktion und nur vier Prozent der hierzulande benötigten Menge.

Der rasante Preisverfall für Wolle hat dazu geführt, dass viele Schäfer sie hierzulande nach dem Scheren ungenutzt entsorgen. Wirtschaftlich ist es ein No-Go, den Rohstoff zu vermarkten, so die allgemeine Meinung. Behling sieht das anders, verweist auf die natürlichen Thermoregulationseigenschaften der Wolle, die im Faserinneren Wasserdampf aufsaugen kann, die Oberfläche stößt Wasser dagegen ab.

Schafwolle nimmt wenig Gerüche auf, hat eine natürliche Selbstreinigungsfunktion, ist farbbeständig und schwer entflammbar. Letzteres prädestiniert sie etwa zum Einsatz als Dämmstoff oder in den Sitzen von Autos. Sogar Schadstoffe soll sie aus der Luft filtern können.

Skuddenwolle: nachhaltige Einsatzmöglichkeiten

Fest steht aber auch: Skudden tragen Mischwolle, also sowohl grobe Haarfasern als auch sehr feine Unterwolle. Die Haarfasermaße sind dreimal so dick wie die der Merinos, die auf eine der hochwertigsten Wollen gezüchtet wurden mit einer Feinheit, die das menschliche Haar weit übertrifft. Skuddenwolle kann da nicht mithalten, taugt nicht dazu, zu Kleidungsstücken verstrickt zu werden.

Gleichwohl gibt es nachhaltige Einsatzmöglichkeiten. Die Wolle eignet sich, gewaschen und gekämmt, hervorragend als Füllung von Kissen oder Bettwaren. Katja Behling fand ein Görlitzer Unternehmen, das Kopfkissen und Bettdecken herstellt und nunmehr seit zehn Jahren die Wolle als „Innenleben“ verwendet.

Ihre fünf Ferienwohnungen auf dem Hof hat Behling ebenfalls damit ausgerüstet, was ihre Gäste als angenehm und authentisch empfinden. Überdies kauft sie Stücke aus der Görlitzer Kollektion ein, um sie – in normalen Zeiten – auf Märkten anzubieten. Zehn Prozent des Warenwertes kann sie mit Rohwolle bezahlen. Ein guter Deal.

Erfreulich auch: Die Wertschätzung für regionale Schafwolle und das Interesse an deren Verarbeitung sowie für Schafwollprodukte als individuelle Erzeugnisse wächst. „Nordwolle“, ein junges Mecklenburger Unternehmen, das aus dem Wollkleid der Rauhwolligen Pommerschen Landschafe nachhaltige, allwettertaugliche Mode macht, ist auf bestem Wege, eine Erfolgsstory zu werden.

Erste Landschaftspfleger der Geschichte

Begonnen hat Behling als Quereinsteigerin. Ihre Wurzeln liegen im Wendland. Die Einzelhandelskauffrau trifft ihren späteren Mann, der seinerzeit als Zuchtleiter Schafzucht Berlin-Brandenburg arbeitete, siedelt ins Havelland über. Zwei Hektar Grünland, die zum Vierseithof gehören, den Behlings ausbauen, müssen von Anfang an regelmäßig kurz gehalten werden. Naheliegenderweise mit Schafen, den ersten Landschaftspflegern der Geschichte.

Zufall, sagt Katja Behling, dass es Skudden wurden, die ihnen ein Züchter anbot. Vorzeigetiere waren es nicht, doch die Entscheidung für die Rasse sei goldrichtig gewesen. Die aus Ostpreußen stammenden, früher als Kleine-Leute-Schaf, weil aufwandsarm geltenden Tiere können ganzjährig extensiv draußen gehalten werden, lammen eigenständig, sind robust. Ausgewachsen, ob Muttern, ob Böcke, überragen sie kaum 60 Zentimeter und wiegen etwa 35 Kilo (weiblich) respektive bis 50 kg (männlich), das macht den Umgang nicht zu schwer. „Sie sind klein und quirlig wie ich!“, lacht Behling.

„Vier Schafe, acht Lämmer, 200 Prozent Aufzuchtergebnis, das hatte ich später nie wieder“

Wie sie tiergerecht gehalten werden, hat sie sich Stück für Stück angeeignet. Katja Behling geht mit großer Ernsthaftigkeit an den Start. Das überzeugt ihren Mann, sie zu unterstützen und fachlich an die Hand zu nehmen. Am 12. Januar 2002 wurde ihre erste Nachzucht geboren. „Vier Schafe, acht Lämmer, 200 Prozent Aufzuchtergebnis, das hatte ich später nie wieder.“

Mit Leistung und Engagement hat sie sich den Ruf erworben, erfolgreich, beharrlich, durchsetzungsfähig, aber auch streitbar in der Sache zu sein. Ihre Herdbuchzucht – sie züchtet konsequent auf reinweißes Vlies – wurde mehrfach ausgezeichnet. Sie bringt sich überdies, nachdem sie von 2008 bis 2019 den geschäftsführenden Vorsitz im Schäferverein Fläming innehatte, in den Vorstand des Brandenburger Schafzuchtverbandes, bei den Landfrauen ein.

Wolle und Fleisch direktvermarktet

Wie die Wolle setzt Katja Behling auch das Fleisch in Direktvermarktung ab. Neun bis elf Monate alt und 25 bis 30 Kilo schwer kommen die Tiere zum zwei Kilometer entfernten Schlachter. Ein alteingesessener Fleischermeister verarbeitet das zarte, im Geschmack wildbretähnliche Fleisch zu Salami und Schinken. Die Lammpreise seien derzeit so hoch wie nie. Auch würden einige Tiere zur Zucht verkauft. „Wirtschaftlich tragen wir uns aber nicht. Mir geht es um das Gesamtkonzept. Meine Schafe sind bezahltes Hobby.“

Seit 2020 sind die Skudden Passagiere auf der Arche des Geschmacks von Slow Food Deutschland. Dort sind 21 Tierrassen vertreten, die man unter den gegenwärtigen ökonomischen Bedingungen als bedeutungslos einstuft und so in Gefahr sind, ausgelöscht zu werden. Slow Food will sie wieder stärker in den Fokus der Fachwelt und des öffentlichen Bewusstseins rücken. Katja Behling trägt ihrerseits ein gutes Stück dazu dabei.

Skuddenherde unter Baum
(c) Fritz Fleege

Der aktuelle Bestand an Skudden in Deutschland wird mit 8.000 Tieren angegeben, davon sind ca. 2.600 Mutterschafe. Zuchtzentren sind Berlin, Brandenburg und Sachsen. Dort wird die Haltung der Rasse staatlich gefördert.
Ihr Überleben verdanken Skudden dem Direktor des Münchner Zoos, der von den quirligen Kleinen angetan war und sie in den 1940er-Jahren gemeinsam mit Leipziger Kollegen als Genreserve zu retten begann.

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Zukunftskommission Landwirtschaft: Zu Tisch gebeten und Bericht erhalten

Um die Zukunft der Landwirtschaft zu erhalten und zu gestalten wurde in Zusammenarbeit mit der „Zukunftsmission Landwirtschaft“ ein Abschlussbericht entwickelt. Im Fokus liegt es, Deutschland als Agrarstandort zu erhalten und lukrative Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Von Ralf Stephan

Die Frage, welche Zukunft die Landwirtschaft in einem Land wie Deutschland haben kann, trieb im Herbst 2019 Zehntausende Bäuerinnen und Bauern auf die Straße. Sie riefen zu Tisch, um darüber zu reden. Und tatsächlich wurde ein solcher Tisch eingerichtet. An ihm nahm die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ Platz – eine Auswahl führender Köpfe von Verbänden und Organisationen aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft, dem Umwelt- und Tierschutz, dem Verbraucherschutz sowie der Wissenschaft. Sie sollten aufschreiben, wie eine in jeder Hinsicht zukunftsfähige Agrarproduktion aussehen könnte. Ihren 170 Seiten starken Abschlussbericht nahm die Auftraggeberin, die Bundeskanzlerin, am Dienstag entgegen.

Landwirtschaft in Deutschland erhalten

Chefredakteur der Bauernzeitung/Deutschland: Ralf Stephan. 2019
Chefredakteur der Bauernzeitung: Ralf Stephan

Ob das Dokument damit automatisch zur Grundlage für künftiges Regierungshandeln wird, ist noch nicht gesagt. Doch auch die neue Bundesregierung wird an Empfehlungen, die etwa der Deutsche Bauernverband und der BUND gemeinsam tragen, nicht vorbeikommen. Manches, was aufgeschrieben wurde, mag trivial erscheinen. Etwa, dass Regierungshandeln auf allen Ebenen – Länder, Bund, EU – in sich stimmig sein sollte. Landwirte wissen jedoch, dass dies beileibe nicht so ist, was sie immer wieder vor ganz praktische Probleme stellt. Viel wichtiger aber dürfte sein, dass es von allen Beteiligten das eindeutige Bekenntnis gibt, Deutschland als Agrarstandort zu erhalten.

Ebenso klar ist die Botschaft, dass dieses Ziel nur über teils tiefgreifende Änderungen zu erreichen ist. Immerhin würde der Wandel alle betreffen, also auch die Verbraucher. Von „Schmerzen auf beiden Seiten“ war in der Bewertung die Rede. Zu Recht, denn wenn die deutliche Empfehlung ausgeprochen wird, über eine stärker auf Pflanzen basierte Ernährung letztendlich Tierbestände abzubauen, dann greift das tief in derzeit bestehende agrarische Strukturen und durchaus funktionierende Geschäftsmodelle ein. Lobenswert, dass zugleich der Hinweis auf unterschiedliche Gegebenheiten in den Regionen Aufnahme in die zwölf Leitlinien für künftige politische Entscheidungen fand.

Zukunftskommission Landwirtschaft: lukrative Geschäftsmodelle

Der Weg zur gesellschaftlich akzeptierten und zugleich rentablen Agrarproduktion wird – so viel lässt der Bericht erkennen – weit und beschwerlich. Auf jeden Fall mühsamer, als es viele vermutet haben mögen, die im November 2019 in Berlin zu Tisch baten. Die eigentliche Frage dabei lautet, ob die Gesellschaft und mit ihr die auf Wählerstimmen zielende Politik tatsächlich bereit ist, diesen schmerzreichen Weg konsequent zu gehen. Denn für den überwiegenden Teil der Landwirtschaft sind Veränderungen nichts Neues. Erfolg wird sich deshalb nur einstellen, wenn es gelingt, aus den vielfältigen Ansprüchen an die Bauern auch ausreichend lukrative Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Erste Nagelproben muss der Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft bereits bestehen. Mit der Rückkehr in den politischen Alltag wird als erstes der so hoch gelobte konstruktive Geist der Gespräche auf Belastbarkeit getestet. Beobachtern fiel auf, dass Teilnehmer höchst unterschiedliche Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen ziehen. Die Diskussion um die Landwirtschaft wird also vermutlich auch künftig Kontroversen hervorbringen. In einem Dokument einmal gemeinsame Grundsätze vereinbart zu haben, ist dann auf jeden Fall nützlich.

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