Spargel: Fresstests unter Folie

Landesweit gedeiht auf fast 5.000 Hektar Spargel, der größte Teil abgedeckt. Das Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau in Brandenburg (IGZ) befasst sich mit den Auswirkungen auf den Boden.

Von Julian Delbrügge, Koordinierungsstelle forschungsbasiertes Versuchswesen

Mit über 22.000 t stellt Spargel aus Brandenburg 17 Prozent der deutschen Gesamtproduktion. Nur Niedersachsen liefert mehr. Eine frühere Ernte und eine bessere Wachstumsregulierung sind nur zwei Gründe für den Einsatz von Folien – meist auf den Spargeldämmen. Diese landwirtschaftliche Praxis geriet teilweise in die Kritik. So besteht die Annahme, Folien könnten das Bodenleben im Spargeldamm negativ beeinflussen, also die Entwicklung von Bakterien, Pilzen und Kleinstlebewesen behindern oder gar unterbinden.

Forschungsversuch in Gewächshäusern, Klimakammern und auf Freilandflächen

Um diese Frage zu klären, startete das Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) im März 2020 einen Forschungsversuch, finanziert durch Mittel des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK). Die Koordinierungsstelle für forschungsbasiertes Versuchswesen mit Sitz im Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) in Bad Belzig unterstützt die Untersuchung unter anderem durch Transfermaßnahmen in die landwirtschaftliche Praxis.

In Gewächshäusern, Klimakammern und auf Freilandflächen auf dem IGZ-Gelände in und um Großbeeren geht es vor allem um Grundlagenforschung, um die ökologische und wirtschaftliche Gartenbauproduktion weiter zu entwickeln. Dabei geht es um komplexe Wechselwirkungen auf molekularer Basis, aber auch um Greifbareres.

Springschwänze zählen

Greifbar wie der Boden und das Leben darin. Die Leiterin der Arbeitsgruppe „Anbausysteme Feld“, Dr. agr. Carmen Feller, und ihre Kollegin Dr. agr. Roxana Djalali Farahani-Kofoet forschen seit vielen Jahren an und über den Spargel. Für das aktuelle Forschungsprojekt blicken die beiden Agrarwissenschaftlerinnen diesmal weniger auf die Pflanze selbst, sondern auf das, was sich im Boden um sie herum tummelt.

Sie wollen herausfinden, wie fidel das Bodenleben in den Spargeldämmen ist, trotz Folie. „Eigentlich deutet einiges darauf hin, dass das Leben unter der Folie eher begünstigt wird“, wagte Carmen Feller im Herbst 2020 einen ersten Ausblick. Aktuelle Ergebnisse bestätigen die Annahme.

Während sich die Konzentration von Pilzen, Bakterien und Protozoen (Urtierchen), aber auch generell Nährstoffen im Boden vergleichsweise schnell erfassen lässt, kostet es Zeit, den Kleinsttierchen auf die Spur zu kommen. Zwar kommen Tiere wie Springschwänze, Milben und Enchyträen (Borstenwürmer) in enormen Mengen im Boden vor. Doch sind sie eben auch sehr klein, was deren Nachweis deutlich erschwert.

Ganz praktisch gesprochen: Tiere, die nur wenige Millimeter groß sind, lassen sich schwer zählen. Doch im Grunde müssen die Wissenschaftlerinnen genau das. Eine erste Idee, Erde in festgelegten Mengen den Dämmen zu entnehmen und die winzigen Insekten herauszusammeln, verwarfen die beiden. „Die Tiere dort herauszufiltern, ist zu aufwendig und zeitlich kaum zu schaffen“, erklärt Roxana Djalali Farahani-Kofoet, die durchführende Wissenschaftlerin in diesem Projekt.

Deshalb wählten die zwei eine andere Methode: den „Bait-Lamina-Test“, die Köderstreifen-Methode. Die Köderstreifen sollen die Nahrungsaufnahmeaktivität von Bodenorganismen nachweisen und auswertbar machen. Die etwa 20 cm langen Kunststoffstreifen sind mit 16 Löchern versehen. Diese Perforierung ist mit einem breiigen Nährsubstrat gefüllt, quasi dem Leckerbissen für Springschwänze und Co. So soll deren Fressaktivität gemessen werden.


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Schwarz, weiß und ohne

Für den eigentlichen Feldversuch bedeutet das: Auf einem 1.500 m2 großen Feld wird der Einfluss von Folien auf das Bodenleben untersucht. Der Familienbetrieb Hoffmann, der das Spargelgut Diedersdorf in der Nachbarschaft des IGZ betreibt, unterstützt den Versuch mit dem erforderlichen Einsatz von Technik.

Auch um die Bearbeitung des Feldes kümmert sich Familie Hoffmann. Diese technische Unterstützung ist Carmen Feller wichtig: „Über diesen Kontakt bin ich sehr froh. Sonst wäre ein solcher Versuch kaum möglich.“ Auch für Marc Hoffmann, Mitinhaber des Betriebes Diedersdorf, macht die Zusammenarbeit mit dem Institut Sinn: „Wir arbeiten schon jahrelang zusammen. Wir haben die passende Technik und Erfahrung. Gleichzeitig vergrößern wir unser Wissen durch die Zusammenarbeit mit dem IGZ und stärken unser Netzwerk.“ Praxisnahe Forschung ist eben bestenfalls auch direkt in der Praxis verortet.

Es wurden drei Sorten Spargel gesetzt. Ein etwa drei Meter breiter Streifen quer zum Feld blieb unbepflanzt: Hier sitzen in neun Dämmen die Köderstreifen. Die Dämme unterscheiden sich dadurch, dass sie die Monate zuvor mit schwarzer oder weißer Folie bedeckt waren, beziehungsweise die Folien komplett weggelassen wurden. Pro Damm versenkten die Wissenschaftlerinnen 16 Köderstreifen auf 30 cm2 Fläche in den Oberboden, direkt unterhalb des Dammes. Anhand der Zahl der ausgefressenen Löcher lassen sich Rückschlüsse auf die Menge an Bodenlebewesen ziehen.

Spargeldamm: Unter folien mehr los

In diesem Frühjahr ergab eine Auswertung der Köderstreifen, die von Anfang September bis Anfang November 2020 in den Dämmen lagen, ein erstes Bild. Demnach ist die Fraßaktivität der Bodenlebewesen unter den Folien sichtbar höher als auf den unbedeckten Flächen. Bei dem untersuchten Zeitraum handele es sich zwar nicht um den der Folienbedeckung bis zur Ernte, gibt Carmen Feller eine erste Einschätzung. Aber sie erkennt hier ein erstes Indiz dafür, dass sich die Folienbedeckung nicht negativ auf das Bodenleben auswirke, eher im Gegenteil.

In diesem Jahr brachten die Forscherinnen in fünf Betrieben in Brandenburg sowie auf der IGZ-Versuchsfläche weitere Köderstreifen aus. Diese werden eine Spargelsaison lang unter der Folie bleiben. Außerdem werden Tunnelanlagen in den Betrieben einbezogen. Die Auswertung der diesjährigen Ergebnisse wird voraussichtlich im Juli vorliegen.
Wünschenswert wäre für die beiden Wissenschaftlerinnen, dass der Versuch über drei Jahre durchgeführt würde: „Dann können wir mit umfangreicheren Ergebnissen rechnen, die aussagekräftiger sein werden“, so Carmen Feller.

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Lindenhof Öko-Getreide-Gesellschaft: Zuschuss zur Dinkel-Schälanlage

Eine Investition der Lindenhof Öko-Getreide-Gesellschaft in die Aufbereitung des Korns wird als marktstrukturverbessernde Maßnahme gefördert, ebenso die Presse für die anfallenden Spelzen.


Die Lindenhof Öko-Getreide-Gesellschaft mbH in Rietzel im Landkreis Jerichower Land ist im Baustress. Auf dem Betriebsgelände am Ortsrand werden derzeit gleich zwei Anlagen eingebaut: eine zum Schälen von Dinkel und eine zum Pressen von Biomasse-Pellets.
Das Unternehmen investiert in die Aufbereitung des Qualitätskorns und die Verwertung der dabei als Nebenprodukt anfallenden Spelzen fast 630.000 Euro netto. 40 Prozent dieser Summe, fast 252.000 Euro, steuern Bund und Land als Zuschuss bei.

Die beiden Betriebsleiter, Gebhard Rusch (l.) und Alexander Rusch, freuen sich zusammen mit Constanze Rusch, der Ehefrau des Juniorchefs, über die Förderung.
Die beiden Betriebsleiter, Gebhard Rusch (l.) und Alexander Rusch, freuen sich zusammen mit Constanze Rusch, der Ehefrau des Juniorchefs, über die Förderung. (c) Detlef Finger

Grundlage hierfür ist die Förderrichtlinie zur Marktstrukturverbesserung (siehe Tabelle). Den Zuwendungsbescheid überbrachte Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert Mitte April den beiden Geschäftsführern, Gebhard Rusch und seinem Sohn Alexander.

Die Lager- und Aufbereitungskapazitäten des gewerblichen Familienbetriebes sind über die Jahre gewachsen, von anfänglichen 4.000 t auf heute rund 20.000 t. Der Umschlag ist durch teils mehrere Durchgänge höher und liegt bei etwa 25.000–26.000 t.
Seit 2013 gibt es einen zweiten Lagerstandort im benachbarten Stresow.

Lindenhof: Dynamisch gewachsen

„Unser dynamisches Wachstum ist ein Beleg für den steigenden Bedarf“, sagt Gebhard Rusch. Die zuletzt stark gestiegene Ökofläche im Land werde die Nachfrage noch verstärken, ist der 67-Jährige sicher. Etwa 10–15 Prozent mache Dinkel derzeit an den Kapazitäten aus, mit der aktuellen Investition soll dieser Anteil auf 20–25 Prozent steigen.

Das Erntegut des Getreides besteht zu 60–70 Prozent aus dem Korn, der Rest sind Spelzen. Die Rohware soll künftig vor Ort aufbereitet werden. Der Probelauf sei frühestens für Ende April geplant, zur Ernte soll die Anlage dann einsatzbereit sein. „Wir liegen gut in der Zeit“, erklärt der Seniorchef.

Tabelle

Parallel betreiben Gebhard und Alexander Rusch einen Landwirtschaftsbetrieb – die Lindenhof Ökolandbau & Service GbR – mit Marktfrucht- und Futterbau auf knapp 300 ha Fläche sowie Bio-Färsenmast. Die Vater-Sohn-GbR bietet auch Dienstleistungen für andere Ökohöfe an und bewirtschaftet einen Nachbarbetrieb mit. Neben den beiden Betriebsleitern sind in Rietzel drei Angestellte und eine Bürokraft tätig.

„Arbeitskraftmäßig sind wir schon seit Längerem am Anschlag“, erklärte Rusch senior. Mit der jetzigen Investition wachse der Bedarf noch. Mindestens zwei Leute könnten sie zusätzlich einstellen. Allerdings, schob der Betriebsleiter nach, sei es mittlerweile generell schwer, qualifizierte Nachwuchskräfte zu finden.

Vielfältige Fruchtfolge

Den früheren Landwirtschaftsbetrieb seiner Großeltern führte Gebhard Rusch zunächst im Nebenberuf, erzählte dessen 35-jähriger Sohn Alexander. Seit dem Jahr 2010 bewirtschaften sie den Ökohof zusammen im Haupterwerb. Angebaut werden auf dem Ackerland alle „gängigen“ Öko-Marktfrüchte, darunter Dinkel als eine Getreideart, ferner Sonnenblumen, Raps und Leindotter als „Spezialfrüchte für Ökos“. Futtergrundlage für die Rinder sind das Grünland und Luzerne/Feldgras.

Auch zwei Walnuss-Plantagen wurden angelegt – initiiert und unter Federführung von Constanze Rusch, der Ehefrau des Juniors. Weitere Themen, die der Betrieb in Zukunft angehen will, sind der Anbau trockenheitstoleranterer Arten wie Hirse und die Wasserhaltung in den leichten Böden.

Dinkel-Schälanlage: Schlüsselgeschichte für weitere Ideen

Zunächst aber gilt das Hauptaugenmerk der Dinkel-Schälanlage. „Die Aufbereitung war die Schlüsselgeschichte für weitere Ideen“, erklärte Berater Dirk Werner, der den Betrieb betreut und auch das Investitionsvorhaben begleitet. Das zeigen die Pläne der Rusches zur Verwertung der Spelzen.
Die dienen überwiegend, zu etwa 90 Prozent, als Einstreu und zu etwa 10 Prozent vor allem als Raufutterkomponente für Milchvieh. Möglich wäre auch, sie energetisch zu nutzen, etwa als Biogassubstrat.

Teil zwei der Investition ist eine 24-kW-Pelletpressanlage mit Schneidvorrichtung, Materialbunker und Abfülleinrichtungen. Das Pelletieren erhöht die Transportwürdigkeit des Nebenproduktes. Das Pressen hat zudem zwei weitere Vorteile: Durch die entstehende Hitze wird das Gut keimfrei und die Staubbelastung für Anwender geringer.

Bundesgartenschau 2021: Gewachsene Gartenliebe

Noch 159 Tage lädt die BuGa in Erfurt Besucher zu einem Spaziergang durch Vergangenheit und Gegenwart ein. Denn der Pflanzenanbau hat in der thüringischen Landeshauptstadt eine lange Tradition – an die auch das Unternehmen von Andreas Palinske anknüpft.

Von Birgitt Schunk

Am 23. April gaben Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein und Ministerpräsident Bodo Ramelow die Bundesgartenschau für die Besucher frei. Am ersten Wochenende kamen rund 15.000 Menschen in den ega-Park und auf den Petersberg (Foto) im Zentrum der Landeshauptstadt. Inzwischen haben bereits 30.000 Menschen den Weg dorthin gefunden.

Trotz Corona steht einem Besuch der BUGA nichts im Wege, sofern man vorab ein Online-Ticket erwirbt. Besucher müssen einen negativen Corona-Test vorlegen, den man auch im eigens geschaffenen Testzentrum an der Messe Erfurt durchführen kann. Bis zum 10. Oktober ist die Buga in Erfurt und an thüringenweit 25 Außenstandorten zu erleben.


In den letzten Tagen vor der Eröffnung pendelte Andreas Palinske immer wieder zwischen seinem Gartenbaubetrieb und dem Petersberg am Rande der Erfurter Altstadt hin und her. Schritt für Schritt werden die Konzepte der Bundesgartenschau umgesetzt. Wenn die große Schau am 23. April ihre Pforten öffnet, muss alles fertig sein. Der Diplomgartenbauingenieur hat die Verantwortung für einen ganz besonderen Teil der großen Gartenzeitreise – genau dort, wo über den Dächern der Altstadt der Petersberg mit seiner barocken Festungsanlage thront.

Hier werden die Besucher mit auf eine Reise in die Vergangenheit genommen und an die reiche Gartenbautradition der Blumenstadt erinnert. Im Festungsgraben werden „Erfurter Gartenschätze“ von einst und heute gezeigt. Hier ist Palinske in den nächsten Wochen zu Hause.

Mehr als 100 verschiedene Gemüsesorten und andere Nutzpflanzen werden auf besondere Art und Weise in Szene gesetzt. In schmalen langen Reihen nebeneinander soll so die duftende, heilende und schmackhafte Vielfalt sichtbar werden – dazwischen Blühendes aus Tulpen oder Stiefmütterchen.

Die Gäste lernen so bekannte Aushängeschilder wie den Blumenkohl „Erfurter Zwerg“, die Buschbohne „Ruhm von Erfurt“ oder den Kopfsalat „Brauner Trotzkopf“ kennen. „Und natürlich wird man auch Färberwaid-Pflanzen sehen, die einst der Stadt im Mittelalter viel Reichtum, Wohlstand und Ansehen bescherten“, sagt Palinske. Sie sorgten für jenes tiefe Blau, das Stoffe in großem Stil färben konnte.

Bundesgartenschau 2021: Klinge für die Kresse

Zu sehen bekommen die BUGA-Gäste auch das Modell einer Klinge, in der Brunnenkresse produziert wird. Palinske hat ein solches Wasserbecken nachgebaut, um so den Besuchern ein weiteres Kapitel der reichen Erfurter Gartengeschichte nahe zu bringen.
In nur wenigen Zentimetern frischem Wasser wächst die Kresse heran. Der Gärtner spricht vom „gesündesten Kraut der Welt“, das sogar Napoleon zu schätzen wusste. „Im Dreienbrunnen-Gebiet sind heute noch die letzten Original-Klingen erhalten, die auf althergebrachte Weise produzieren“, sagt der Unternehmer. „In Blütezeiten wurden in Erfurt 80 Tonnen Brunnenkresse im Jahr geerntet.“

Palinske hat das Ganze weiterentwickelt, viele Versuche gestartet und ist heute in der Lage, die Delikatesse sogar im Gewächshaus heranwachsen zu lassen – und das mit einer stabilen Produktion das ganze Jahr über.

Die würzige Kresse findet sich in seinem Hofladen sogar in Salz, Senf, Crackern oder Schnaps wieder. Und so ist selbst er, der erst über Umwege die Liebe zum Gartenbau entdeckte, Schritt für Schritt immer mehr mit den Erfurter Traditionen im Bunde.
Den Besuchern der BUGA kann er von Christian Reichart (1685–1775), dem Begründer des deutschen Gartenbaus, erzählen. „Er hatte einst den Anbau von Brunnenkresse perfektioniert und die Wasserläufe sogar mit dem Gemüseanbau kombiniert und so für höhere Erträge gesorgt.“

Der Erfurter steuert nicht nur Thüringer Minze sowie Paprika- und Tomatenpflanzen für den Festungsgraben bei. Er und sein Team besorgen auch die Pflege des gesamten Areals während der BUGA. Ist ein Kopf Salat abgeerntet, wird neu gepflanzt. Eine intelligente Tröpfchenbewässerung, die per Computer gesteuert wird, ist installiert. Überdachte Flächen im Festungsgraben gibt es nicht. Das Gemüse muss mit jedem Wetter klarkommen – auch wenn es mal recht kühl und nass werden sollte.

Der Festungsgraben ist gesäumt von hohen Sandsteinmauern, die die Wärme speichern werden“, ist Palinske optimistisch, dass alles gelingt. Einen festen Zeitplan für die einzelnen Arbeitsschritte gibt es ohnehin nicht, hier muss immer wieder neu entschieden werden, wo geerntet, neu gepflanzt oder gejätet wird.
Einen Markt für regionale Produkte soll es ebenso auf dem Petersberg geben.

im hofladen Direkt vermarkten

Und während die BUGA über 171 Tage läuft, muss auch in Palinskes Gartenbaubetrieb die Arbeit weitergehen. Zwischen 20 und 30 Mitarbeiter sind dort je nach Saison tätig.
Neben dem Gemüsepflanzen- und Kräuteranbau hat er in den letzten beiden Jahren seinen Hofladen entwickelt, um immer mehr auf Direktvermarktung zu setzen.

Zu seiner Philosophie passt, dass er Tomaten, Gurken, Paprika, Auberginen und Bohnen als Gemüse selbst produziert und anbietet. „Die Kunden kommen immer mehr auf den Geschmack und merken, dass eine voll ausgereifte Tomate aus meinem Betrieb einfach besser schmeckt als eine vom Discounter, die oft noch grün geerntet und unter Schutzatmosphäre gelagert wurde“, sagt er und verweist auch auf das Mehr an Inhaltsstoffen bei der natürlichen Produktion. „Nur wenn viel Sonne getankt wird, können die Stoffwechselprozesse auch optimal ablaufen.“

Kunden seien inzwischen auch bereit, für ein gutes Produkt mehr auf den Tisch zu legen. Dabei setzt er auf den biologischen Anbau, auch wenn er keine Zertifizierung hierfür hat. „Es geht vor allem um gute, regionale Produkte.“ So kooperiert der Betrieb auch mit Gärtnereien der Region, die mit ähnlichem Anspruch arbeiten, eng zusammen. Von dort kommen für den eigenen Hofladen Obst und Gemüse, die Palinske selbst nicht anbaut. Schritt für Schritt soll das Angebot erweitert werden.

Frisches Brot und wildangebot geplant

Gibt es neben den eigenen Produkten bereits Liköre, Marmeladen, Wurst, Öle oder Senf aus der Region, so sollen künftig auch frisches Brot oder Wild ebenso im Angebot sein.

Liebevoll eingerichtet ist zudem das Verkaufsareal, das neben dem großen Marktplatz in viele kleine Geschäfte mit ganz besonderer Note aufgeteilt ist – hier werden Töpferwaren feilgeboten, dort Sämereien und in der Schmiede nebenan sind Gartengeräte zu haben.

Palinske will nicht nur seine Produkte an den Mann oder die Frau bringen, sondern auch Erlebnisse schaffen. „Die Menschen sollen sich dafür interessieren, wo die Lebensmittel herkommen“, sagt er. Da immer alles im Überfluss vorhanden sei, machten sich viel zu viele Leute keine Gedanken mehr darum. Gute Inhaltsstoffe seien wegen der Haltbarkeit weggezüchtet worden, immer mehr Menschen hätten mit Allergien zu tun und klagten über gesundheitliche Probleme.

Palinske weiß, wovon er spricht und will eigentlich nichts Neues erfinden. „Wir sollten nur wieder mehr zurück zu den Wurzeln gehen“, sagt er. Die BUGA sieht er als gute Möglichkeit, auch eine solche Denke zu vermitteln und die heimischen Gartenbaubetriebe noch bekannter zu machen, die eine Zukunft haben müssen. Schließlich will auch die Bundesgartenschau 2021 an die Ursprünge erinnern.

Thüringer Kräuter aus der Gärtnerei von Palinske, darunter auch Minze.
Thüringer Kräuter aus der Gärtnerei von Palinske, darunter auch Minze. (c) Birgitt Schunk

zurück zu den wurzeln

1865 fand immerhin in Erfurt die erste Internationale Land- und Gartenbauausstellung statt – insofern kehrt die bundesweite Gartenschau wieder heim. Mit dem egapark besitzt die Blumenstadt seit Jahren den größten Garten Thüringens mit jährlich über 500.000 Besuchern. Und so schließt sich für Andreas Palinske, der einst als Kind hier viele Stunden mit der Familie verbrachte, irgendwie auch der Kreis zu seinen eigenen Wurzeln. Denn aufgewachsen ist er zwischen Blumen und Gemüse. Die Liebe zum Gartenbau wurde ihm allerdings damit nicht automatisch in die Wiege gelegt. „Ehrlich gesagt, hat es mich als Kind oft genervt, wenn es sonntags immer wieder raus auf die ‚iga‘ ging“, sagt er. „Wenigstens gab es dort aber einen schönen Spielplatz und gutes Softeis.“

Die drei Buchstaben „iga“ standen seinerzeit für die „Internationale Gartenbauausstellung“ vor den Toren Erfurts, die seit Beginn der 1960er-Jahre ausgebaut wurde und seither immer wieder Anziehungspunkt für ausländische Gäste und Einheimische war.
Palinskes Vater arbeitete zu DDR-Zeiten im Volkseigenen Betrieb Erfurter Saatgut und Zierpflanzen. Deshalb die enge Verbindung zum Gartenbau und seine dienstlichen Termine auf der „iga“, die nach 1990 in Erfurter Gartenbauausstellung „ega“ umbenannt wurde.

Mit der Wiedervereinigung kam wie vielerorts auch für die berufliche Heimat von Palinskes Vater das Aus. Teile des Betriebes wurden privatisiert. „Er übernahm zwei Hektar der Gewächshausfläche und gründete sein eigenes Zierpflanzen-Unternehmen.“ Da war der Sohn gerade mal 16, immer noch nicht mit dem Gartenbau auf du und du und lernte erst einmal Automechaniker. Doch der Vater drängte und wünschte sich, dass eines seiner drei Kinder mal in seine Fußstapfen treten würde. „Meine Schwestern winkten gleich ab. Mich aber reizte eine eigene Firma schon, auch wenn ich mich damals für Blumen und Gemüse immer noch nicht begeistern konnte.“

Liebe auf den dritten Blick

Dennoch begann der junge Mann – inzwischen mit dem Fachabi in der Tasche – ein Gartenbau-Studium in Erfurt. Doch das riss ihn nicht vom Hocker, Palinske schmiss hin. Zwei Jahre später startet er neu, zog die Sache durch und machte sein Diplom mit „sehr gut“. Selbst da war der Knoten noch nicht geplatzt. Es dauerte noch einige Jahre, ehe er sich „im Gartenbau richtig wohlfühlte“ und Feuer fing.

Heute führt der 47-Jährige den Gartenbaubetrieb, den er 2005 vom Vater übernommen hatte. Damals musste er die Weichen in vielerlei Hinsicht neu stellen. Von Chrysanthemen, Pelargonien, Primeln und Weihnachtssternen im großen Stil verabschiedete er sich. Hinzu kamen schwierige Jahre wegen rasant gestiegener Heizkosten für die Gewächshäuser. „Ich habe damals ein Blockheizkraftwerk gebaut und seither mit Pflanzenöl geheizt. Wir gehörten damit zu den Ersten in Thüringen.“
Die Zierpflanzensparte wurde zurückgefahren und der Kräuter- sowie Gemüsepflanzenanbau entwickelt. Und je mehr der Erfurter seine eigenen Ideen einbrachte, umso mehr fühlt er sich dem Gartenbau nun verbunden – Liebe auf den dritten Blick also.

Naturschutzgebiet und Landwirtschaft: Wie ein 6er im Lotto

Flurbereinigungsverfahren kosten und dauern, doch der Aufwand lohnt sich – wie im thüringischen Creuzburg. Dort ist es gelungen, das Naturschutzgebiet „Wilhelmsglücksbrunn“ so zu entwickeln, dass auch die Landwirte profitieren.

Von Birgitt Schunk


Der Lenz hat es schwer in diesem Jahr. Noch sind die Apriltage recht kühl. Doch die Störche künden im Stiftsgut Wilhelmsglücksbrunn in Creuzburg längst vom Frühling. Galloway-Rinder und Wasserbüffel stehen auf der Weide, die Schafe sind im Stall. Der Bio-Hofladen hat geöffnet, den Thüringer Blechkuchen gibt es zum Mitnehmen. Ohne Corona würden sich die Besucher um diese Zeit schon die Klinke in die Hand geben, doch Restaurant, Café und Hotel bekamen auch hier eine Zwangspause verordnet.
Dennoch schauen Radler, Spaziergänger und Kunden gern vorbei – auch wenn es immer wieder mal regnet und stürmt. Zu sehen gibt es schließlich immer etwas, auch Käse aus der eigenen Manufaktur wird feilgeboten. „Vor Jahren hätten Gäste hier nicht trockenen Fußes eine Runde nach dem Essen oder dem Einkauf gehen können, denn um diese Zeit waren die Erdwege noch überall matschig“, sagt Angela Karsten, die sich gemeinsam mit ihrem Mann Frithjof um das Biohotel samt Restaurant & Café kümmert. Inzwischen aber fühlt man sich „bestens an den Rest der Welt angebunden“.

Grenzregion raus aus dem Dornröschenschlaf

Schild Creuzburg
(c) Birgitt Schunk

In der südthüringisch-hessischen Grenzregion am einstigen Eisernen Vorhang waren die Wege zu DDR-Zeiten jahrzehntelang eher stiefmütterlich behandelt worden, an touristische Anziehungspunkte war hier im Werratal nicht zu denken. Schließlich sollten keine Begehrlichkeiten in Richtung Westen geweckt werden.

Dass vieles sich zum Guten entwickelte, hat die Region vor allem dem Flurbereinigungsverfahren zu verdanken. Der Wegebau kam in Gang, Parkplätze für Pkw und Busse entstanden. „Für uns war das wie ein Sechser im Lotto“, erzählt Frithjof Karsten.

Entstanden ist allerdings noch weit mehr als asphaltierte Wege rund um das Anwesen, das eine lange und wechselvolle Geschichte hat. Das Stiftsgut wurde im Jahr 1426 in Verbindung mit Siederechten für die Salzgewinnung erstmals erwähnt. Doch die reichen Solequellen sind wahrscheinlich schon viele Jahrhunderte früher genutzt worden. 1997 wurde begonnen, das völlig verfallene Stiftsgut Schritt für Schritt mit viel Liebe, Geld und Aufwand zu sanieren – hier war kaum noch ein Stein auf dem anderen. Wenige Jahre später baute man zudem einen ökologischen Landwirtschaftsbetrieb mit südfranzösischen Lacaune-Schafen, Wasserbüffeln und Galloways auf, in dem Menschen mit Handicap heute Arbeit finden.

Biomarkt
(c) Birgitt Schunk

An vielen Ecken und Enden musste im Freistaat Thüringen – wie eben in Creuzburg auch – seit 1990 alles neu geordnet werden. Nicht nur Investitionen wie die ICE-Strecke und die Thüringer-Wald-Autobahn, die Tausende Grundstückseigentümer tangierten, sorgten für Handlungsbedarf. Auch andere Interessenkonflikte galt es durch die Flurbereinigung aus der Welt zu schaffen – gerade auch im einstigen Grenzraum.
„Hier in Creuzburg hatten wir Anfang der 1990er-Jahre den klassischen Fall wie vielerorts“, sagt Knut Rommel, der Abteilungsleiter vom Thüringer Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation. „Der Naturschutz hatte große Ideen und wollte Projekte umsetzen, das Land übernahm Flächen und die Landwirte beklagten, dass ihnen der Boden unter den Füßen weggekauft würde.“
Flurbereinigungsverfahren sollten deshalb alle Beteiligten an einen Tisch bringen und Ärger aus dem Weg räumen – so ähnlich war es auch rund um das Stiftsgut Wilhelmsglücksbrunn.

Ganz am Anfang stand die Frage, wie man hier ein Naturschutzgebiet ausweisen kann und dabei Grundbesitzer und Landwirte mit ins Boot holt. „Ziel war ein Konsens, ohne enteignen zu müssen“, sagt Verfahrensleiter Michael Lehrach vom Planungsbüro Sweco GmbH in Weimar. „Ein Selbstläufer war dies allerdings nicht.“ Unzählige Gespräche waren mit allen Beteiligten notwendig. „Das Naturschutzgebiet war die Initialzündung, doch im Laufe des Verfahrens kamen immer wieder neue Ideen hinzu – der Appetit kam sozusagen beim Essen.“ Es wurde diskutiert, untersucht, geplant, verworfen, neu entwickelt und gebaut.

Zusammenlegen und entflechten

Um all die Vorhaben möglich zu machen, mussten Grundstücke angefasst, angekauft und getauscht werden – die Eigentumsverhältnisse wurden neu geordnet. Immerhin war man mit knapp 240 Eigentümern im Gespräch. Viele kleine Bewirtschaftungsflächen wurden zusammengelegt. Aus einem Flickenteppich mit schmalen Handtuchstreifen wurden größere Areale, mit denen die Bauern nun etwas anfangen konnten – das steigerte natürlich auch den Wert der Flächen, die nun größer und zudem durch den Wegebau besser erreichbar sind.

Die Zahl der Flurstücke halbierte sich. Das alles zahlte sich auch aus für den Biolandwirtschaftsbetrieb auf dem Stiftsgut. Hier stehen 40 Hektar am Stück für die Ganzjahres-weide bereit. Weil Flächen entflochten wurden, können der Ökolandbau, aber auch die konventionelle Landwirtschaft gleich nebenan besser wirtschaften als vorher. „Es kann auf Dauer ansonsten durchaus zu erheblichen Komplikationen kommen, wenn ein Nachbarbetrieb mittendrin kleine Flächen bewirtschaftet“, sagt Carlo Walther, der Geschäftsführer der Landwirtschafts GmbH Ifta mit ihren 1.800 Hektar.
Für seinen Betrieb hat sich der Aufwand bei der Verwaltung der Pachtflächen verringert, „da die einzelnen Grundstücke eines Landeigentümers nicht mehr sonstwo verstreut liegen“. Größe und Form der Flächen sowie das entsprechende Wegesystem machen außerdem Anbau und Ernte leichter. Dennoch hat der Agrarbetrieb wegen der Vorhaben des Naturschutzes auch Fläche im Ackerbau verloren. „Man hat aber im Verfahren gespürt, dass alle bemüht waren, den Schaden so gering wie möglich zu halten.“
Walther könnte sich gut vorstellen, dass man die Flurbereinigung auf den insgesamt 666 Hektar noch weiter hätte fassen können. „Das hätte am Ende noch mehr gebracht, so konnte nur ein Teil der Gemarkung bereinigt werden.“

Schafe gehören ebenso zu seinen „Bewohnern“ wie Gallowayrinder und Wasserbüffel. (c) Birgitt Schunk

Doch irgendwo müssen Grenzen gezogen werden, um irgendwann Ergebnisse zu erreichen. Das größte Verfahren in Thüringen beispielsweise umfasst rund 2.000 Hektar, im Schnitt gehen 20 Jahre ins Land, bis alles in Sack und Tüten ist. „Über Jahrzehnte hinweg werden wir nicht arbeitslos“, erklärte Uwe Köhler, Präsident des Thüringer Landesamtes für Bodenmanagement und Geoinformation, bei einem Rundgang zum Abschluss der Creuzburger Flurbereinigung. Bis Ende letzten Jahres wurden in Thüringen 51 Flurbereinigungsverfahren abgeschlossen. 167 Verfahren werden derzeit bearbeitet. „In den nächsten fünf Jahren wollen wir 50 weitere Verfahren abschließen und fast 30 neue ein leiten.“

Wie ernst es gemeint ist mit der Konsenssuche zeigt auch der Fakt, dass es in Creuzburg keine Klagen gab – lediglich zwei Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan. „Durch umfangreiche Moderationsprozesse ist es uns gelungen, die Zustimmung aller Beteiligten zu erreichen – aber das ging auch auf Kosten der Zeit“, sagt Knut Rommel vom Landesamt. Dem Gros der Bodeneigentümer kam das Verfahren auch entgegen.

Jede einzelne Maßnahme, die neben den Eigentumsfragen noch umgesetzt wurde, kennt Verfahrensleiter Michael Lehrach, der das Ganze im Detail vorangetrieben und begleitet hat.
Direkt am Gut kamen auf einer Länge von 300 Metern die Rohre wieder weg, in die man einst die „Alte Madel“ gezwungen hatte. Der Bach darf nun wieder natürlich in seinem Bett fließen, das schafft neue Strukturen für Pflanzen und Tiere. „Auf uralten Karten hatten wir zudem entdeckt, dass es hier einst Teiche gab, die später aber mit Unrat zugeschüttet wurden“, so Lehrach. Das Areal wurde beräumt, heute wird es von der „Alten Madel“ gespeist. Längst quaken hier wieder die Frösche.

Das Gelände der Werraaue unweit des Gutes wurde außerdem neu modelliert – Vertiefungen halten heute das Wasser relativ lange, wenn der Fluss über die Ufer tritt. Vögel, Amphibien, Insekten und Wasserbüffel fühlen sich hier wohl. Ein Beobachtungsstand ermöglicht den Besuchern einen nahen Einblick in diesen besonderen Lebensraum. Und auch an der Werra direkt waren die Bagger im Einsatz. Der Fluss hat bei Creuzburg einen künstlichen Arm erhalten, der dem fließenden Wasser die Geschwindigkeit nimmt.
Noch sieht man allerdings die Narben der Erdarbeiten. „Die Natur wird sich das Areal jedoch zurückholen – hier soll sich ein Auwald entwickeln“, sagt Lehrach. Die Uferfläche hat sich verdoppelt, die Erosion ist zudem geringer, Tiere und Pflanzen sind willkommen.

Naturschutzgebiet ist öffentliches Eigentum

Möglich wurden all diese Maßnahmen, weil das Naturschutzgebiet Wilhelmsglücksbrunn mit seinen rund 78 Hektar und Uferrandstreifen – in der Summe rund 36 Hektar – in öffentliches Eigentum kam. Auf einer Länge von 2,4 Kilometern erhielt der Werratal-Radweg, der sich zuvor in einem sehr schlechten Zustand befand, außerdem eine Asphaltdecke. Für die Kommune war das alles ein Segen. „Hier ist ein Kleinod entstanden, das es ohne das Flurbereinigungsverfahren nicht geben würde“, sagt Bürgermeister Rainer Lämmerhirt.

Das Städtchen Creuzburg bringt es auf rund 2000 Einwohner und ist weithin bekannt. Dafür sorgt nicht nur die Creuzburg hoch über dem Ort, gerade auch bei Radlern und Kanufahrern ist die Region beliebt. Mit dem Stiftsgut Wilhelmsglücksbrunn und den Naturschutzflächen samt ihrer immensen Artenvielfalt ist ein ganz besonderer Anziehungspunkt hinzu gekommen. „Das bringt nicht nur Touristen hierher, sondern tut auch den Einheimischen gut, die gerne hierher kommen.“ Creuzburg gilt deshalb als Erfolgsgeschichte. „Mit der Flurbereinigung ist es hier geglückt, Naturschutz, Landwirtschaft, Wasserwirtschaft und Tourismus erfolgreich unter einen Hut zu bringen. Das Verfahren war ein Gewinn für die gesamte Region“, ist auch Thüringens Infrastrukturstaatssekretärin Susanna Karawanskij während des Rundgangs angetan.
Insgesamt 1,9 Millionen Euro wurden in das Flurbereinigungsverfahren investiert. 90 Prozent flossen als Fördermittel, 10 Prozent steuerte die Teilnehmergemeinschaft vor Ort bei. In das Stiftsgut selbst flossen über 127.000 Euro Fördermittel der Dorferneuerung.

Der Landwirtschaftsbetrieb auf dem Stiftsgut kann nun ohne weite Wege biologisch wirtschaften. Mit Arnold Vogt verschlug es vor Jahren einen gebürtigen Liechtensteiner ausgerechnet hierher, der die Landwirtschaft von der Pike auf gelernt hat und Alm-Erfahrungen mitbrachte – eine gute Fügung. Seine Lacaune-Schafe – alles Herdbuchzucht – sorgen für frische Milch, die zu verschiedenen Käsesorten, aber auch Joghurt und Kefir verarbeitet wird. Der anfangs kleine Hofladen hat sich gemausert und das Angebot an Bio-Produkten Schritt für Schritt erweitert. Heute kann man hier fast alles für den täglichen Bedarf bekommen.

Wenn in Creuzburg heute noch Wünsche offen bleiben, dann ist es wohl der Erhalt der Infrastruktur. Neue Wege zu bauen, kommt immer gut an und läuft mit Fördergeldern, befindet der Bürgermeister. Doch an den Unterhalt in ein paar Jahren, wenn die ersten Reparaturen anfallen, mag er am liebsten noch nicht denken. „Für dieses Problem brauchen wir dringend eine Lösung“, sagt auch Knut Rommel vom Landesamt. „Die Kommunen schieben in den kommenden Jahren sonst eine Bugwelle vor sich her, die sie selbst nicht mehr beherrschen – wir können die Gemeinden nicht alleine lassen mit dem Problem.“

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Von der Politik enttäuscht und ohne Heimat

Landwirte fühlen sich lange schon politisch heimatlos. Das zeigen auch die aktuellen Umfrageergebnisse deutlich. Dabei müssen Landwirtschaft und Gesellschaft in ein neues Gleichgewicht kommen.

Von Ralf Stephan

Politisch heimatlos fühlten sich die Landwirte seit geraumer Zeit, sagte Sachsens Vertreter beim agrarpolitischen Forum der ostdeutschen Bauernverbände. Von den Parteien bemühten sich die einen, eine Heimat zu bieten, andere behaupteten, es zu tun, wieder andere wären es gerne – und die regierenden seien es immer weniger, fasste Präsident Torsten Krawczyk die Stimmungslage, wie er sie wahrnimmt, zusammen.

So ganz falsch kann er damit nicht liegen, zieht man neue Umfragewerte hinzu: Würde nicht am 26. September, sondern jetzt ein neuer Bundestag gewählt werden, müsste die Union aus CDU und CSU auf viele Stimmen aus dem Lager ihrer landwirtschaftlichen Stammwähler verzichten. Nur noch 18 Prozent wollen ihr Kreuz für sie machen, ergab eine Umfrage des Münchener Marktforschungsportals agriExperts. 54 Prozent der Befragten gaben dabei an, 2017 für die Union gestimmt zu haben. Erstmals wäre mit 24 Prozent die FDP stärkste Kraft bei den Bauern. Alle anderen Parteien verlören leicht gegenüber der gleichen Umfrage vor den letzten Bundestagswahlen.

wenn die stimmung kippt

Chefredakteur der Bauernzeitung/Deutschland: Ralf Stephan. 2019
Ralf Stephan, Chefredakteur der Bauernzeitung

Umfragen spiegeln, wie gerade Landwirte oft genug erleben mussten, längst nicht immer die ganze Wirklichkeit wider. Das zeigt sich allein daran, dass schon vor vier Jahren zum gleichen Zeitpunkt nur 37 Prozent der Befragten eine der beiden Unionsparteien wählen wollten. Am Ende taten es – siehe oben – dann doch 54 Prozent.

Und laut Bundeswahlleiter waren es „in echt“ sogar mehr als 60 Prozent. Zudem ist in anderer Hinsicht einzurechnen, dass sich mit kernigen Thesen auf Bauernversammlungen immer gut Sympathiepunkte sammeln lassen. Das ist zwar Balsam für wunde Seelen, hat aber nicht immer Bestand, wenn vor der Stimmabgabe noch einmal in aller Ruhe das Für und Wider abgewogen wird.

Ein Alarmsignal indes dürfte sein, dass im Verlauf der aktuellen Umfrage sehr genau ablesbar war, wie die Stimmung an einem einzigen Tag kippte. Es war der 10. Februar, an dem vielen Unionswählern offenbar der Kragen platzte. An diesem Tag verabschiedete das Bundeskabinett das Insektenschutzpaket. Von da an änderten sich die Umfragewerte.

Dabei dürfte nicht allein eine Rolle gespielt haben, dass der Landwirtschaft weitreichende Auflagen zugemutet werden. Das müsste sie letztendlich hinnehmen, wären sie fachlich begründet und im fairen Miteinander ausgemacht. Das aber gilt für den Insektenschutz in großen Teilen nicht. Auf welche Art und Weise Landwirten hier die Hauptlast für ein gesellschaftliches Problem aufgebürdet wurde, empfinden viele als nicht hinnehmbar.

verlorenes vertrauen zurückgewinnen

Bis zum September bleibt den Parteien nicht mehr viel Zeit, enttäuschtes Vertrauen zurückzugewinnen. Ein klares Profil wird dafür nötig sein. Denn auch die Zahl der Unentschlossenen und Nichtwähler ist größer als vor vier Jahren. An Profilschärfe fehlt es den allermeisten Parteien inzwischen nicht mehr, wie das agrarpolitische Forum der ostdeutschen Bauernverbände zeigte.

Allen ist bewusst, dass Landwirtschaft und Gesellschaft in ein neues Gleichgewicht kommen müssen. Doch jede Partei sieht andere Ursachen für die Schieflage. Entsprechend unterschiedlich fallen ihre Konzepte aus. Parteistrategen mögen durchaus Gefallen an schwammigen Positionen finden. Dann könnte es später einfacher sein, Koalitionspartner zu finden. Doch Wählerinnen und Wähler wollen wissen, woran sie sind. Und das rechtzeitig.

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Umweltverträgliche Landwirtschaft: Es funktioniert bereits

Effiziente und umweltverträgliche Landwirtschaft auf ertragsschwachen Standorten? Die AGRAR eG Münchenbernsdorf in Thüringen demonstriert, wie eine steigende Effizienz mit verbesserter Umweltverträglichkeit verbunden wurde. Ein Erfahrungsbericht aus zwanzig Jahren kontinuierlicher Optimierung der betrieblichen Abläufe.

Von Prof. Gerhard Breitschuh, Belanu Werdershausen und Reinfried Geithner, AGRAR eG Münchenbernsdorf

Seit dem Jahr 2000 lässt die AGRAR eG Münchenbernsdorf jährlich ihre Umweltverträglichkeit mithilfe von 24 Umweltkriterien analysieren und bewerten. Die Kriterien und das Bewertungsverfahren (Kriterien Umweltverträgliche Landwirtschaft; KUL) wurden ursprünglich von der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft und dem VAFB. Jena entwickelt. Seit 2011 führt das landwirtschaftliche Beratungsunternehmen Belanu Werdershausen die Analysen und Bewertungen durch und entwickelte das Verfahren weiter. Bundesweit wurden für 538 Betriebe insgesamt 940 KUL-Jahresauswertungen durchgeführt, darunter in einigen Betrieben bis zu zwanzigmal. In Thüringen werden die Analysen im Rahmen der Eler-Beratungsförderung finanziell unterstützt. KUL ist neben der Sozial- und Tierverträglichkeit und der Ökonomie ein Modul des „Kriteriensystems Nachhaltige Landwirtschaft (KSNL)“.

Die AGRAR eG Münchenbernsdorf bewirtschaftet überwiegend Parabraunerden mit einer mittleren Ackerzahl von ca. 30. Es handelt sich, für Thüringer Verhältnisse, um ertragsschwache Standorte. Die Niederschläge betragen durchschnittlich etwa 600 mm. Allerdings verfügen die durchlässigen Böden nur über eine relativ geringe Wasserhaltefähigkeit. Die Erträge schwanken entsprechend stark in Abhängigkeit vom Witterungsverlauf. Der Betrieb verzeichnet von 2000 bis 2020 eine beachtliche Ertragsentwicklung im Feldbau (Abb.1) und eine stabile hohe Leistung in der Milchviehhaltung (Abb. 2).

zusätzlicher aufwand

Der Landwirtschaftsbetrieb betreibt den zusätzlichen Aufwand für die Analyse und Bewertung der Umweltverträglichkeit, um diesbezügliche Stärken im Feldbau und der Viehhaltung rechtzeitig zu erkennen und erkannte Probleme abzustellen. Mit KUL werden insgesamt 24 Kriterien aus folgenden Kategorien analysiert und ausgewertet:



KUL analysiert vordergründig den Gesamtbetrieb, das heißt die Gesamtheit von Pflanzenbau, Tierhaltung und Bioenergie. Es kann jedoch auch zur Analyse und Bewertung einzelner Betriebszweige genutzt werden. Zur Datenerhebung füllt der Betrieb einen Excel-Fragebogen aus. Plausibilitätsprüfung, Auswertung und Bewertung erfolgen durch Belanu Werdershausen.

Alle Prüfkriterien unterliegen einem einheitlichen Bewertungsverfahren über Toleranzbereiche, die die Spanne zwischen einem anzustrebenden Optimum (Boniturnote 1) und einer noch akzeptablen Belastung bzw. einem noch tragbaren Zustand (Boniturnote 6) kennzeichnen. Eine Überschreitung der Toleranzschwelle (Boniturnote 6) zeigt an, dass für das betreffende Kriterium eine nachhaltige Entwicklung nicht mehr gegeben ist. Eine Wichtung einzelner Kriterien und eine Aggregierung zu einer Umweltverträglichkeits- bzw. Nachhaltigkeits-Gesamtnote finden bewusst nicht statt.

Als Ergebnis der Auswertung erhält der Betrieb:



In dem Betrachtungszeitraum von 20 Jahren kam es zu folgenden Veränderungen innerhalb des den Ackerflächen (85 % der Agrarfläche) mit jährlich zwischen 12 und 14 Fruchtarten in vielfeldrigen Fruchtfolgen die Gratisfaktoren des systematischen Fruchtwechsels optimal aus. Zusätzlich werden Zwischenfrüchte angebaut. Der Grünlandanteil beträgt 15 % der LN und wird zur Rinderfütterung genutzt. Diese vorbildliche Kulturartenvielfalt im Ackerbau wird auch von vielen anderen Thüringer Landwirtschaftsbetrieben praktiziert.

Abbildung 1-3

Der Betrieb demonstriert mit der Absenkung der Stickstoffsalden (Abb. 3) von etwa 80 kg/ha im Jahr 2000 auf 20 bis 40 kg/ha im Mittel der letzten zehn Jahre sein ständiges Bemühen, die Nutzungseffizienz der eingesetzten Nährstoffe zu erhöhen.

Mit der Einhaltung der tolerablen N-Salden wird die Belastung von Boden- und Grundwasser minimiert. Dieser Betrieb bedarf keiner neuen verschärften Regulatorien der Düngeverordnung. Der für 2020 ausgewiesene negative N-Saldo gefährdet allerdings die Ertragsstabilität und sollte nicht wiederholt werden. Bezüglich der Grundnährstoffversorgung mit Phosphor, Kali, Magnesium und Kalk besteht ein unterschiedliches Bild.

Für Phosphor liegt die Bodenversorgung auf dem anzustrebenden Niveau vor. Die mittelfristige Düngepraxis (leicht negative P-Salden) reduziert jedoch das Versorgungsniveau und erhöht das Ertragsrisiko.

Die Böden weisen ein hohes Kaliversorgungsniveau auf. Hier reduziert der Betrieb richtigerweise die Kalidüngung und damit die Salden. Die Böden verfügen geogen bedingt über hohe Magnesiumgehalte. Entsprechend gering ist der Düngebedarf. Auch die Kalkversorgung der Böden ist anspruchsgerecht.

Abbildung4-6

Umweltverträgliche Landwirtschaft: geringer tierbesatz

Die AGRAR-eG Münchenbernsdorf verfügt mit 0,53 GV/ha über eine geringe Tierbesatzdichte (Durchschnitt Thüringens: 0,4 GV/ha; Deutschland 0,8 GV/ha; Nordrhein-Westfalen 1,3 GV/ha). Der Betrieb erreicht langjährig eine positive Humusbilanz.

Die Humusgehalte befinden sich seit Jahrzehnten konstant im standortspezifischen Optimalgehalt. Der Betrieb wirtschaftet im hügeligen Gebiet. Es besteht eine relativ hohe natürliche Gefährdung für Wassererosion. Mit der pfluglosen Bodenbearbeitung, dem dominanten Wintergetreideanbau (46 % der AF), Raps (18 % der AF), Gras-Leguminosen-Gemischen (4 % der AF) und dem Zwischenfruchtanbau wird im Jahresverlauf ein hoher Anteil erosionsschützender Bodenbedeckung erreicht.

Die Teilung von drei sehr großen Feldern wird dem Betrieb empfohlen, um auch dadurch das Erosionsrisiko weiter zu mindern. Der Betrieb setzt außerdem Landtechnik mit bodenschonenden Fahrwerken ein und verfügt über ausreichende Schlagkraft, um die Böden nur bei optimaler Bodenfeuchte zu befahren und zu bearbeiten. Die tolerable Bodendruckbelastung wird seit Jahren eingehalten.

Bezüglich des Pflanzenschutzes ringt der Betrieb seit zwei Jahrzehnten darum, die standortspezifischen Richtwerte des Einsatzes von Fungiziden, Herbiziden, Insektiziden und Wachstumsreglern einzuhalten. Die tendenzielle Reduzierung und die großen Schwankungen (Abb. 4) zwischen den Jahren zeugen davon, dass die Pflanzenschutzverantwortlichen des Betriebs das Schadschwellenprinzip konsequent anwenden. Jahre mit hohem Unkrautdruck (2012) erfordern die dreifache Herbizidmenge eines Jahres mit geringem Unkrautdruck (2018).

Abbildung 7-8

energie der sonne

Beachtliche Veränderungen realisiert der Betrieb bezüglich der Ausnutzung der Sonnenenergie. Bei annähernd konstantem Energieinput stieg im Feldbau der Energiesaldo deutlich an (Abb. 5). Die Errichtung von Photovoltaikanlagen und einer Biogasanlage trugen zusätzlich zur Verbesserung des Energiesaldos des Gesamtbetriebes bei. (Abb. 6).

Ausdruck des ständigen Strebens nach höherer Effizienz bei gleichzeitig verbesserter Umweltverträglichkeit sind die reduzierten spezifischen Treibhausgasemissionen (Carbon Footprint) im Feldbau (Abb. 7).

Aus der Sicht des Klimaschutzes ist das Verhältnis der Fixierung atmosphärischen Kohlendioxids in pflanzlichen und tierischen Marktprodukten zu den Treibhausgasemissionen des Gesamtbetriebes ausschlaggebend. Trotz erheblicher, vor allem witterungsbedingter Schwankungen zwischen den Jahren verkauft der Betrieb mit den pflanzlichen und tierischen Marktprodukten durchschnittlich etwa als 2.300 kg CO2-Äq./ha und Jahr (Abb. 8) mehr, als bei der Produktion emittiert wird. Die Klimaentlastung entspricht der CO2-Menge je Hektar,0 die beim Verbrennen von ca. 800 l Heizöl entsteht.

Tabelle

FAZIT

Die AGRAR eG Münchenbernsdorf in Thüringen demonstriert, wie eine steigende Effizienz mit verbesserter Umweltverträglichkeit verbunden wurde. Eine so nachhaltig betriebene und somit zukunftsfähige umweltverträgliche Landwirtschaft sollte von der Öffentlichkeit wahrgenommen und gewürdigt werden.

Cannabis fürs Pferd?

Sie erobern nicht nur die Supermarktregale, sondern sind auch im Futtertrog immer häufiger zu finden: Hanfprodukte. Wie man sie bei der Pferdefütterung optimal einsetzt und was unbedingt beachtet werden muss.

Von Sven und Peggy Morell, Pferde-Fachjournalisten

Hanf (Cannabis sativa) haftet gemeinhin ein zweifelhafter Ruf an. Kein Wunder, sind die Pflanzen doch Grundlage für Rauschmittel wie Marihuana oder Haschisch. In Hanf stecken über 60 verschiedene Cannabinoide, darunter Delta-9-Tetrahydrocannabinol (kurz THC), das für die berauschende Wirkung verantwortlich ist. Dem Cannabidiol (CBD) werden unter anderem angstlösende und entzündungshemmende Wirkungen zugeschrieben, es wirkt aber nicht berauschend.

Hanf ist allerdings nicht gleich Hanf: Es wird unterschieden zwischen Sorten mit hohem THC-Gehalt und solchen mit sehr niedrigem THC-Gehalt (Faserhanf). Neben dem Herstellen von Textilien, Papier, ökologischen Dämmstoffen oder Einstreu dient Faserhanf als Ergänzung des Speiseplans sowohl für Zwei- als auch Vierbeiner, darunter Pferde.

Hanfprodukte fürs Pferd: Große Produktvielfalt

Hersteller von Hanfprodukten haben daher seit geraumer Zeit auch Pferdebesitzer als Zielgruppe im Visier. Hier ein Überblick, wie sich Hanf in der Pferdefütterung verwenden lässt:


Hanfprodukte als Pferdefutter
Hanf lässt sich vielfältig bei der Pferdefütterung verwenden (c) IMAGO/ Frank Sorge

Was bewirkt Hanf?

Mitunter stecken Hanfprodukte auch in Kräutermischungen oder Mineralfuttermitteln. Oft werden dem neuen, sogenannten Superfood wertvolle Eigenschaften zugesprochen. Der hohe Anteil an ungesättigten Fettsäuren wie Omega-6 und Omega-3, hochwertigen Proteinen, essenziellen Aminosäuren sowie Vitaminen und Mineralstoffen sollen etwa Fell und Haut verbessern, das Hufwachstum anregen, die Immunabwehr stärken, den Magen-Darm-Trakt unterstützen, Arthrose lindern, bei Stoffwechselproblemen positiv wirken und vieles mehr.

Wichtig ist das langsame Anfüttern von Hanf: Mit einer geringen Menge beginnen und schrittweise bis zur Empfehlung der Hersteller steigern. Meist raten diese zu einer kurmäßigen Fütterung, etwa während des Fellwechsels.

Was darf in den Trog?

Beim Füttern an Pferde ist dennoch Vorsicht geboten. Laut Verbraucherzentrale könnten Hanfsamen, die eigentlich THC-frei sind, „bei der Ernte mit THC-reichen Pflanzenteilen (Blüten, Blätter oder Stängel) in Berührung kommen. Dadurch kann sich THC durchaus in messbaren Mengen in kommerziell erhältlichen Hanfsamen und daraus hergestellten Lebensmitteln finden.“ Das Füttern von Hanfprodukten an Turnierpferde ist daher problematisch, denn mit den heutzutage sehr sensitiven Tests lassen sich schon kleinste Mengen bei Dopingkontrollen nachweisen.

Skepsis zu CBD-Ölen

Auch CBD-Öle landen immer häufiger im Pferdetrog. Sie sollen entkrampfend, entzündungshemmend und angstlösend wirken – und das angeblich ohne psychoaktiven Effekt. Oft werden CBD-Öle sogar mit dem Zusatz „THC-frei“ beworben. Manche Experten sind da skeptisch. So warnt etwa das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe davor, dass der THC-Gehalt in CBD-Ölen oft zu hoch ist. Deren Bewerbung mit dem Werbeslogan „THC-frei“ stelle demnach eine erhebliche Täuschung dar.

Auch Dr. Henrike Lagershausen, Abteilung Veterinärmedizin und Tierschutz der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), hegt Bedenken: „Die wissenschaftliche Grundlage ist sehr dünn beziehungsweise beim Pferd nicht vorhanden.“ Es lägen keine Informationen dazu vor, wie und wie lange CBD im Pferdekörper wirkt und welche Nebenwirkungen es hervorrufen kann. Auch wisse man wenig über die CBD-Gewinnung und die mögliche Kontamination durch Spuren von Tetrahydrocannabinol (THC) in CBD-Produkten, da dies bei der Herstellung nicht komplett ausgeschlossen werden könne. Eine Karenzzeit, also eine Zeitdauer, wie lange vor einem Wettkampf eine Substanz nicht mehr verabreicht werden darf, gebe es für CBD-Öl daher nicht.

Anbau von Nutzhanf ist streng kontrolliert

Der Nutzhanfanbau ist recht unkompliziert: Die schnell wachsenden Pflanzen sind anspruchslos und sehr widerstandsfähig, Pflanzenschutzmittel in der Regel unnötig. Der Anbau unterliegt in Deutschland aber strengen Kriterien. Er ist nur Unternehmen der Landwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 4 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) erlaubt. Jeder Hanfanbau ist bis zum 1. Juli des Anbaujahres der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) anzuzeigen. Ausgesät werden darf nur zertifiziertes Saatgut, die Etiketten der verwendeten Sorten sind den zuständigen Behörden vorzulegen. Zuwiderhandlungen können eine Geldbuße nach sich ziehen.
Mehr Informationen zum Nutzhanfanbau bei der BLE: HIER

Mit Bedacht verwenden

Hanfprodukte sind auf dem Vormarsch. Samen, Öl und Co. können durchaus zur Bereicherung des Speiseplanes der Vierbeiner beitragen. Inwieweit Hanfprodukte bei Pferden gesundheitsfördernde Wirkungen entfalten, ist (noch) nicht belegt.

Für Turnierpferde gilt: Hanfpflanze sowie Hanfkuchen gelten als verbotene Substanz gemäß ADMR-Liste Anhang I (Liste der Dopingsubstanzen und verbotenen Methoden; im Wettkampf verboten). Doch auch angeblich cannabinoidfreie Produkte könnten Spuren von Cannabinoiden enthalten, daher die Warnung der FN: „Der Einsatz beim Sportpferd bleibt somit risikobehaftet!“ Bei CBD-Öl ist Vorsicht geboten, hier scheinen die THC-Werte mitunter höher als deklariert. „Wir raten dringend davon ab, CBD-Produkte beim Sportpferd einzusetzen!“, lautet daher der Appell von Dr. Lagershausen.



Streit um FFH-Gebiete

Extrakt einer Anhörung im Bundestag: Umweltexperten möchten beim Insektenschutz noch mehr Verbote für die Landwirtschaft, Praktiker vermissen den kooperativen Ansatz.

Sachverständige haben am Montag vergangener Woche (19. April) in einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses im Bundestag die Insektenschutzpolitik der Bundesregierung bewertet. Dabei wurde nach Angaben der Bundestagspressestelle „insbesondere das Spannungsfeld zwischen Landwirtschaft und Insektenschutz thematisiert“.

Regelungen laufen an der praxis vorbei

Klare Zustimmung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf für ein ergänztes Bundesnaturschutzgesetz äußerte der Vertreter der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Er wies allerdings darauf hin, dass der Insektenschutz in den Kommunen umgesetzt und überwacht werden müsse, wofür es ausreichend Personal brauche.

Die Sicht der Praktiker vertrat der Landwirt Georg Mayerhofer aus Niederbayern. Er sprach sich gegen mehr Gesetze und Regelungen und für gemeinsame Anstrengungen zur Umsetzung von Maßnahmen zur Biodiversität aus, da die Regelungen häufig an der Praxis vorbeiliefen.

Das Aktionsprogramm Insektenschutz der Bundesregierung setze zu sehr auf Verbote und Auflagen, kritisierte auch Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband (DBV). Erforderlich sei, alle gesellschaftlichen Gruppen einzubeziehen und nicht nur die Landwirtschaft. Als „nicht sachgerecht und nicht verhältnismäßig“ bezeichnete Pingen das Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten.

FFH-Gebiete: Kooperativer ansatz

Es sei bedauerlich, dass der Gesetzentwurf FFH-Gebiete nicht das Verbot von „Pestiziden“ einbeziehe, kritisierte Carsten Brühl vom Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. Das jetzt vorgesehene Verbot betreffe nur 0,35 Prozent der Ackerfläche und gefährde damit die Landwirtschaft nicht.

INSEKTENSCHUTZPAKET
Verbändeallianz fordert Neustart

Ein breites Bündnis aus Land- und Forstwirtschaft, vor- und nachgelagerten Unternehmen und aller Landnutzer fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestags in einem gemeinsamen Positionspapier auf, das Insektenschutzpaket eindeutig auf Kooperation zwischen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Naturschutz auszurichten. Der Schutz von Insekten und die Förderung der Biodiversität sei ein ureigenes Anliegen, heißt es darin. In der Praxis würden bereits zahlreiche Anstrengungen zur Förderung der Artenvielfalt und von Insekten unternommen.

Die geplanten Maßnahmen im Insektenschutzpaket werden nach Auffassung der unterzeichnenden Verbände dazu führen, dass Landwirte in Schutzgebieten ihre Ackerkulturen nicht mehr ausreichend vor Schädlingen und vor der Konkurrenz durch Unkräuter schützen können. Zudem werden die landwirtschaftlichen Betriebe in ihrer Wirtschaftlichkeit weiter massiv geschwächt.

Die 21 Verbände, darunter Deutscher Bauernverband (DBV), Deutscher Bauernbund (DBB) und Land schafft Verbindung (LsV), erwarten Vertrauensschutz und Rechtssicherheit. Der Zielkonflikt zwischen dem Schutz von Nützlingen und Bestäubern einerseits und der notwendigen Bekämpfung von Schädlingen zum Schutz der Kulturpflanzen und Wälder andererseits bedürfe der Abwägung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und keiner pauschalen Verbote. Außerdem sollten Kooperationen zwischen Land-, Forstwirtschaft und Naturschutz sowie freiwillige Maßnahmen Vorrang vor Verboten und Auflagen haben, was gesetzlich verankert werden sollte. AGE/RED

Die Einbeziehung der FFH-Gebiete „wäre aus Sicht der Landwirtschaft eine Katastrophe gewesen“, sagte hingegen Hubert Heilmann von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern. Den Gesetzentwurf kritisierte er, da er keinen kooperativen Ansatz verfolge und den Graben zwischen Landwirtschaft und Naturschutz vertiefe, statt ihn zuzuschütten.

langfristige verbesserungen

Der Gesetzentwurf gehe zwar erste wichtige Schritte, hieß es vom Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL). Aber die vorgesehenen Instrumente passten noch nicht. In der Umsetzung müssten Spielräume gewährt und fachlich begründete Ausnahmen ermöglicht werden. Um Gemeinwohlleistungen von Landwirten zu fördern, seien zudem attraktive Anreize nötig.

Der Insektenrückgang sei eine Tatsache, die durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt sei, erklärte Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz. Sie begrüßte den Gesetzentwurf, betonte aber, dass noch deutlich weiterreichende Schritte notwendig seien, um die Lebensbedingungen für Insekten langfristig zu verbessern. Dabei komme der noch ausstehenden Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung besondere Bedeutung zu. red

Modellprojekt „Kooperativer Naturschutz“: Freiwillig und ergebnisorientiert

25 Betriebe setzen in dem Modellprojekt „Kooperativer Naturschutz“ in der Magdeburger Börde Agrarumweltmaßnahmen in Abstimmung mit den Behörden um. Das Beispiel soll Schule machen.


Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen auf besten Lößböden? Freiwillig umgesetzt von Landwirten, die dabei kooperieren? Und das von zentraler Stelle koordiniert und mit den Naturschutzbehörden vor Ort abgestimmt? In der Magdeburger Börde wird das derzeit praktiziert.

Dort setzen 25 Betriebe unterschiedlicher Größe und Ausrichtung in einem bundesweit einzigartigen Modellprojekt „Kooperativer Naturschutz in der Landwirtschaft“ auf ihren Ackerflächen AUK-Maßnahmen gemeinsam um. Das Projektgebiet umfasst den südlichen Teil des Landkreises Börde (Sachsen-Anhalt). Mit dem Pilotprojekt soll erprobt werden, ob das sogenannte Niederländische Modell auch in Deutschland Anwendung finden kann und ob es eine Option für die neue EU-Förderperiode sein könnte. Der Nachbarstaat baut bei den AUK-Maßnahmen auf einen kooperativen Ansatz. Die Umsetzung erfolgt dort in regionalen Zusammenschlüssen von Landbewirtschaftern, den Kollektiven.

Ein Ansprechpartner für das Modellprojekt

Als Kollektiv fungiert in der Börde die Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt. Sie ist Träger des Modellprojektes und erster Ansprechpartner für alle Beteiligten aufseiten der Landwirtschaft und des Naturschutzes. Die Stiftung koordiniert und kontrolliert das Anlegen und Umsetzen der AUK-Maßnahmen, reicht die Ausgleichszahlungen hierfür an die Landwirte aus und steht für die Bilanz der Maßnahmenflächen in der Verantwortung.

Basis des Modellprojektes „Kooperativer Naturschutz“ ist ein von der Stiftung erarbeiteter und mit der zuständigen unteren Naturschutzbehörde (UNB) abgestimmter Naturschutzplan. Für die Erprobungsphase werden drei ausgewählte Maßnahmen angeboten: Erbsenfenster, extensive Wintergetreidestreifen und extensives Sommergetreide.

Diese wurden unter fachlicher Begleitung der Stiftung bereits im bundesweiten Dialog- und Demonstrationsprojekt „F.R.A.N.Z.“ (Für Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft) umgesetzt sowie wissenschaftlich begleitet und sind für die Börderegion sehr positiv bewertet worden.

Die Stiftung
Die Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt wurde von acht Kreisbauernverbänden und dem Landesbauernverband gegründet. Sie arbeitet unter dem Dach der Deutschen Stiftung Kulturlandschaft. Stiftungszweck sind die Förderung des Natur- und Landschaftsschutzes im Land und der Erhalt der bäuerlich geprägten Kulturlandschaft.
Kontakt: Tel. (039209) 202076, (0173) 9737069 (GF Dr. Jens Birger), info@stiftung-kultur-landschaft-sachsen-anhalt.de

Drei Zielarten

Hinweistafel
Eine Hinweistafel erläutert die Ziele des Projekts. (c) Detlef Finger

Im dortigen Modellprojekt sollen zuvorderst die gefährdeten Populationen von Feldhamster und Rotmilan sowie der Insektenschutz gestärkt werden. Auswahl und Platzierung der Maßnahmen erfolgen betriebsübergreifend nach naturschutzfachlichen Gesichtspunkten. In die Abstimmung einbezogen sind weitere regionale Umweltakteure, etwa das Rotmilan-Zentrum in Halberstadt, das Projekt „Feldhamsterland“ der Deutschen Wildtier Stiftung oder der Landschaftspflegeverband „Grüne Umwelt“ in Schwaneberg. Weitere Kooperationspartner im Projekt sind die Fachreferate des Magdeburger Umwelt-und Agrarministeriums sowie das Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (ALFF) Mitte.

Das Land Sachsen-Anhalt finanziert das am 1. Januar 2020 gestartete und bis Ende 2022 laufende Modellprojekt aus eigenen Mitteln und stellt über das Umwelt- und Landwirtschaftsressort insgesamt 600.000 Euro dafür zur Verfügung.

Vor Ort informiert

Mitte voriger Woche informierte sich Fachministerin Claudia Dalbert (Grüne) bei einem Vor-Ort-Termin in der Gemarkung Uhrsleben über erste Ergebnisse des Projekts und bisherige Erfahrungen der Akteure. Auskunft gaben Dr. Jens Birger, Geschäftsführer der Stiftung Kulturlandschaft, Urban Jülich, Vorsitzender des Bauernverbandes Börde, Anne Hochbach von der UNB des Landkreises Börde sowie Andreas von Graeve, Landwirt in Groppendorf, als einer der beteiligten Betriebe.

Nach Angaben von Birger stellten die beteiligten Landwirte im vergangenen Herbst 17 ha extensive Wintergetreidestreifen in die Feldflur. In diesem Frühjahr legten sie 156 Erbsenfenster mit einer Gesamtgröße von 25 ha in ihren Ackerkulturen an. Zudem bewirtschaften sie 115 ha Sommergetreide extensiv. „Davon profitieren letztlich weitere Arten wie Feldlerche und Feldhase oder Ackerwildkräuter“, betonte Jens Birger. Letztere sorgen zusammen mit Blühstreifen als „reguläre“ AUK-Maßnahmen, deren Anlage in den Betrieben die Stiftung ebenfalls fachlich betreut, für einen verstärkten und verlängerten Blühaspekt, der insbesondere für die Insekten förderlich ist.

Ministerin Dalbert zeigte sich vom Projekt angetan: „Naturschutz und Landwirtschaft gehen Hand in Hand, Biotopverbünde entstehen oder werden gestärkt.“ Für sie liegt es auf der Hand, dass die Betriebe Naturschutzmaßnahmen wirkungsvoller umsetzen, wenn sie sich diese zu eigen machen.

Auch Kreisbauernverbandschef Jülich ist überzeugt, dass mit einer gezielten Förderung der Biodiversität mit dem Fokus auf bestimmte Arten mehr für die Natur erreicht wird. Verbote bewirkten hingegen oft das Gegenteil: Sie behindern eine gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft und engen die wirtschaftlichen Handlungsspielräume der Betriebe für gezielten Artenschutz ein. „Das Modellprojekt beweist, dass der Staat nicht alles regeln muss, sondern einen rechtlichen Rahmen und finanzielle Anreize setzen kann, in dem Landwirtschaft und Naturschutz vor Ort Artenvielfalt gezielt fördern“, betonte der Landwirt.

Besprechung
Auf einem Zuckerrübenschlag mit Erbsenfenstern bei Uhrsleben informiert Dr. Jens Birger, Geschäftsführer der Stiftung Kulturlandschaft (2. v. r.), Umweltministerin Claudia Dalbert (3. v. r.) über bisherige Erfahrungen und erste Ergebnisse des Modellprojektes. (c) Detlef Finger

Das Niederländische Modell
In den Niederlanden können Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (AUKM) seit dem Jahr 2016 nur noch über gemeinsame Anträge in Anspruch genommen werden. Einzelanträge von Landwirten sind dort nicht mehr möglich. Hintergrund für den Systemwechsel war, dass einzelne AUK-Maßnahmen kaum positive Effekte für die Biodiversität zeigten und außerdem mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden waren.

Anträge werden bei unseren Nachbarn daher nun von regionalen Zusammenschlüssen von Landbewirtschaftern, sogenannten Kollektiven, gestellt. Die kooperierenden Landwirte stimmen untereinander und mit dem regionalen Naturschutz sowie der Verwaltung die Förderung gebietsspezifischer Zielarten ab. Dann setzen sie flexible und angepasste Maßnahmen gemeinsam um. Die Maßnahmenplanung erfolgt stets für ein zusammenhängendes Gebiet. So können zusätzlich Biotopverbundmaßnahmen in der Fläche umgesetzt werden. Das Ziel: Die Wirksamkeit soll bei den Maßnahmen wieder in den Vordergrund rücken, formale förder- und kontrolltechnische Regelungen dagegen eher in den Hintergrund treten.

Rund 40 Kollektive verwalten und koordinieren inzwischen flächendeckend den regionalen Agrarumweltschutz in den Niederlanden. Dabei gilt das „Vordertür-Hintertür-Prinzip“: Die Verwaltung vereinbart Ziele und Maßnahmen mit den Kollektiven; diese organisieren die Maßnahmenumsetzung in Eigenregie über privatrechtliche Vereinbarungen mit den Landwirten. Das soll Akzeptanz und Umsetzbarkeit in den Betrieben erhöhen.

Modellprojekt „Kooperativer Naturschutz“: Ausgleich muss passen

Jülich mahnte zugleich aber an, dass der finanzielle Ausgleich nicht nur Kostenersatz sein dürfe. „Sonst wird es von den Praktikern nicht angenommen.“ Vielmehr müsse der Anreiz so interessant sein, „dass es sich für die Landwirte lohnt, die besten Maßnahmen umzusetzen“. Dabei müsse auch die Güte des jeweiligen Standorts berücksichtigt werden.

Andreas von Graeve erfasst die personellen und finanziellen Aufwendungen für seine AUK-Maßnahmen, um sie mit den Prämien abgleichen zu können. „Der bürokratische Aufwand dafür beim Agrarantrag muss noch geringer werden“, forderte der Landwirt, der auf 750 ha Ackerland Marktfruchtbau betreibt. „Freiwillig machen wir das lieber als zwangsweise“, schob von Graeve nach. Er pflanzt über die Projektmaßnahmen hinaus Bäume an Feldwegen, legte 4,5 ha Blühstreifen entlang von Gewässern an und sorgt mit dem Anbau von 40 ha Phacelia und rund 18 ha Durchwachsener Silphie für reichlich Blühflächen.

Drei Maßnahmen für die Erprobungsphase
KN 10 – Anlegen von Erbsenfenstern von je 1.600 m2 Größe (36 m Mindestseitenlänge) in Feldkulturen (nicht in Brach- bzw. Blühflächen). Die Fenster bleiben bis 15. August unbewirtschaftet, zudem ohne Pflanzenschutz und Stickstoffdüngung (Startgabe bis 20 kg/ha erlaubt). Mehrere Fenster pro Schlag sind möglich. Auch für Ökobetriebe zugelassen. Finanzieller Ausgleich: 286 Euro pro Fenster.

KN 11 – Streifen von extensiv angebautem Wintergetreide in Reinsaat mit doppeltem Reihenabstand (d. h. halbe Saatstärke) und 12–36 m Breite. Insektizide, Herbizide und Rodentizide sind verboten, Fungizide zulässig. Düngen ist erlaubt. Stoppelbrache über Winter oder Umbruch nach 15. Oktober. Nicht für Ökobetriebe. Nachteilsausgleich für Getreidestreifen: 560–665 €/ha.

KN 12 – Anbau von Sommergetreide in Reinsaat (ausgeschlossen sind Hirse und Mais). Keine Ganzpflanzenernte. Herbizide, Insektizide und Rodentizide sind verboten, Fungizide zulässig. Düngung ist erlaubt. Ernte und nachfolgende Stoppelbearbeitung sind möglich. Nicht für Ökobetriebe. Finanzieller Nachteilsausgleich für Sommergetreide: 450 €/ha.

Für jede dieser Maßnahmen gilt: keine Kombination mit den beiden anderen auf derselben Fläche.

Ansatz für neue GAP?

„Ziel ist es, das Modellprojekt, wenn es erfolgreich funktioniert, in der neuen EU-Förderperiode in die Praxis zu überführen“, kündigte Ministerin Dalbert an. Durch den kooperativen Ansatz sei der Aufwand sowohl für den einzelnen Betrieb als auch die Verwaltung geringer. Gleichzeitig vernetzten sich Landwirtschaft und Naturschutz und tauschten ihr Know-how aus. „Der Dialog ermöglicht eine neue, gemeinsam getragene Landbewirtschaftung. Denn wir alle haben das gleiche Ziel: Das Artensterben stoppen, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten“, sagte die Ministerin.

Spargel aus Thüringen: Regionaler geht es nicht

Mit 330 ha entfällt fast die Hälfte des Thüringer Freilandgemüses auf den Spargelanbau. Für die 16 Betriebe bleibt auch die zweite Saison unter Corona eine Herausforderung, wie der Spargelhof in Kutzleben zeigt.

Von Wolfgang Helmbold

Obwohl sich der Frühling schwertut, eröffnete Agrarstaatssekretär Torsten Weil vorige Woche in Kutzleben die Spargelsaison. Begleitet wurde er von der neuen Spargelkönigin, Natalie Tornack, und dem Präsidenten des Landesverbandes Gartenbau, Ulrich Haage.

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• Zuhause auf dem Land
• Trockenstellen ohne Antibiotika
• Kugelschuss auf der Weide
• Märkte und Preise

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Heimischen Spargel unterstützen

Gerade jetzt, betonte Weil, sei die regionale Vermarktung wichtig, denn mit dem Kauf des heimischen Spargels unterstützten die Kunden auch die Landwirtschaft. Das vergangene Jahr sei durch die Corona-Pandemie sehr schwierig gewesen. Dieses Jahr wäre es planbarer, die Ernte mit polnischen und rumänischen Saisonarbeitskräften abzusichern. Für die Landesregierung habe das Thema Saisonarbeitskräfte eine besondere Bedeutung, versicherte er.

Gegenwärtig arbeiten 60 polnische Helfer auf den Feldern des Spargelhofes Kutzleben. Weitere rumänische Arbeitskräfte kommen noch hinzu, sodass in der Spitzenzeit bis zu 250 Erntehelfer tätig sein werden, so Geschäftsführer Jan Niclas Imholze. Er berichtet von den deutlich höheren Anforderungen: Saisonarbeitskräfte müssten bei Anreise einen negativen PCR-Test vorweisen. Einmal wöchentlich würden alle Beschäftigten getestet. Unterstützung erfährt der Betrieb vom örtlichen DRK. Eng ist die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt.

Spargelanbau Thüringen: Der Weg aus der Insolvenz

Ein detaillierter Hygieneplan, zusätzliche Unterkünfte, aber auch ein organisierter Einkaufsservice sollen dafür sorgen, dass von Kutzleben nur qualitativ hochwertiger Spargel und nicht Corona verteilt werde, betonte Imholze. Für den Fall eines positiven Testergebnisses sei durch Quarantänemöglichkeiten vorgesorgt.

2020 zur Saisoneröffnung musste die Spargelhof Kutzleben GmbH & Co. KG Insolvenz anmelden. Die vorherigen Jahre drückten: Durch Spätfröste 2017 waren alle Erdbeeren erfroren. Die Preise 2018 boten keine Möglichkeiten, zumindest kostendeckend zu arbeiten. Und die 2019 anhaltende Dürre führte zu beträchtlichen Mindererträgen. 2020 zeichnete sich früh ab, dass die ausländischen Saisonkräfte fehlten. Der Versuch, dies mit vom Arbeitsamt vermittelten deutschen Arbeitskräften auszugleichen, misslang. Es drohte eine wirtschaftliche Schieflage.

Da die Gläubiger die Forderungen fällig gestellt hatten, blieb nur der schwere Gang zum Amtsgericht. Zuvor seien die Mitarbeiter über die Situation informiert, Verständnis eingeholt und damit Vertrauen gesichert worden. Es galt, Hilfe und Unterstützung von außerhalb zu suchen. Diese fand man bei Berufskollegen, bei Spargelbauern aus anderen Bundesländern, die in die Wirtschaftskraft des Betriebes vertrauten. Mit Bürgschaften und finanziellen Mitteln konnte so die Liquidität des Unternehmens gesichert werden.

Imholze sagt, dass der Spargelhof kein kranker Betrieb sei. Die aufgestellten Pläne und die Fortführungsprognose ließen eine positive Entwicklung erwarten. Und so war eine Einigung mit den Gläubigern möglich. Die Finanzierung für dieses Jahr sei gesichert, jetzt müsse Geld verdient werden. Das Insolvenzverfahren soll Ende April abgeschlossen werden.



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Alternativen zu Spargelevents

„Wir haben im vergangenen Jahr viele Erfahrungen gesammelt, auf denen wir jetzt aufbauen werden“, erklärte der Geschäftsführer. Betrieben, die mal in eine ähnliche Situation kommen, könne er nur raten, „zu kämpfen und noch mal zu kämpfen“.

Große Spargelevents verbietet Corona. Im Hofladen gibt es daher nur „Spargel to go“. Der Großteil des Edelgemüses wird wie üblich über eigene Verkaufsstände und den Handel vermarktet. Die erhöhten Kosten durch die Hygieneauflagen und damit verbundene zusätzliche Maßnahmen spiegeln sich im gestiegenen Preis wider. Dies sei auch unumgänglich.

Honorierter Ausstieg aus der Schweinehaltung

Ferkelerzeuger und Schweinemäster stehen im Mittelpunkt der Diskussion um Tier- und Umweltschutz. Neben der Förderung des Umbaus von Ställen kann die bezahlte Stilllegung eine Alternative sein. Eine Umfrage zeigt, dass deutsche Landwirte großes Interesse an dieser Möglichkeit hätten.

Von Daniel Schröer, INSA Thiermann und Prof. Dr. Uwe Lataczlohmann, Institut für Agrarökonomie der Universität Kiel

Vielfältige Probleme im Hinblick auf Umwelt- und Tierschutz in der Schweinehaltung stoßen auf immer größere gesellschaftliche Kritik. Daraus wiederum folgen steigende gesetzliche Anforderungen an die Landwirte: Die neue Düngeverordnung, das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration und der Ausstieg aus dem Kastenstand. Zu allem Überfluss kam dann im September auch noch die Afrikanische Schweinepest ins Land, nachdem das Jahr 2020 für die Schweinehalter bis dahin wirtschaftlich gut gelaufen war. Und nun noch das: Coronabedingt stauen sich die Schweine vor den Schlachthöfen. Das bringt für viele das Fass zum Überlaufen. Einfach hinzuschmeißen ist allerdings für viele Betriebsleiter auch keine Option. Die Kreditraten für den Stall laufen weiter, und betriebliche Verflechtungen sind oft auf die Schweine zugeschnitten. Hinzu kommen persönliche Gründe, die für ein „Weitermachen“ in der Krise sprechen. Die Aufgabe der Tierhaltung fällt schwer und braucht meistens einen akuten Auslöser, zum Beispiel die Hofübergabe oder notwendige Reinvestitionen.

„Warme Sanierung“ auch in Deutschland?

In den Niederlanden wird der geförderte Ausstieg aus der Schweinehaltung „Warme Sanierung“ genannt.
In den Niederlanden wird der geförderte Ausstieg aus der Schweinehaltung „Warme Sanierung“ genannt. (c) Anja Nährig

Wie kann eine Neuausrichtung der Tierhaltung erfolgen, ohne dass sie den wirtschaftlichen Ruin für viele Tierhalter darstellt? Die Antwort auf diese Frage lautete in den Niederlanden „warme Sanierung“. Das Programm sieht unter anderem die staatlich finanzierte Aufgabe der Schweinehaltung in den viehintensiven Regionen vor, und das Interesse der niederländischen Landwirte an diesem „sanften“ Ausstieg ist bekanntlich groß. In Deutschland wird ein solches Programm von vielen Politikern vehement abgelehnt. Noch. Denn dass sich auch viele deutsche Betriebsleiter einen sanften Ausstieg aus der Schweinehaltung vorstellen könnten, zeigen Umfrageergebnisse der Uni Kiel.

Hypothetische Ausstiegsprogramme

Das Forscherteam hat Einflussfaktoren auf die Bereitschaft zur Teilnahme an Ausstiegsprogrammen untersucht. Dazu konnten die teilnehmenden Schweinehalter zwischen unterschiedlichen, wohlgemerkt hypothetischen, Programmen oder dem Weiterbetrieb der Ställe wählen. Die möglichen Ausstiegsprogramme unterscheiden sich in den Merkmalen, die für die Landwirte entscheidungsrelevant sind: Wie hoch ist die Kompensationszahlung? Wie wird gezahlt: Jährlich wiederkehrend oder als Einmalzahlung? Müssen die stillgelegten Ställe abgerissen werden? Darf man neu bauen und, wenn ja, nur Tierwohlställe? Darf man in Zukunft Wirtschaftsdünger von anderen Betrieben aufnehmen? Details dazu in Tabelle 1. Aus diesen Merkmalen hat das Forscherteam Wahlkarten zusammengestellt – ein bisschen so wie bei der Bundestagswahl. Nur dass man sich nicht für eine Partei, sondern für ein Ausstiegsprogramm entscheiden musste oder halt für die Nicht-Teilnahme am Programm. Ein Beispiel einer Wahlkarte ist in Tabelle 2 zu sehen.

Hohe Akzeptanz vor ASP und Corona-Stau

Die Resonanz auf die Umfrage war enorm: Von Juli bis Mitte September 2020 haben 445 Landwirte den Fragebogen vollständig ausgefüllt und zahlreiche Kommentare geschrieben.

Tabelle 1

Da das Aufkaufprogramm der „warmen Sanierung“ explizit die Schweinehochburgen der Niederlande betrifft, konzentriert sich auch die Kieler Studie auf die entsprechenden Regionen im Nordwesten Deutschlands. Etwa die Hälfte der Umfrageteilnehmer kommen aus der Viehhaltungshochburg. Für die Auswertung werden Sauen- und Mastschweineställe … (€)

2021_03_Titelft_bauernzeitung

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Kälber und Bullen: Sanfte Heilung für starke Kerle

Ein Teil der Gesundheitsstrategie kann die Naturheilkunde sein. Mehr zu Homöopathie in Kälber- und Fresseraufzucht oder Bullenmast.

Von Christiane Gromöller, Tierheilpraktikerin/Agraringenieurin, Saterland

Das Ziel in der Bullenmast, hohe Tageszunahmen bei gleichzeitig geringen Verlusten als ökonomische Grundlage zu erzielen, lässt sich nur mit gesunden Kälbern und Fressern erreichen. Gerade die Verluste im Bereich der Kälberaufzucht und hier in der frühen Phase dieser Periode können die Ökonomie des gesamten Betriebszweiges senken. Es gilt, entsprechende Strategien zum Erhalt der Gesundheit zu beachten. Ein Standbein kann auch die Naturheilkunde sein.

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Infektionsdruck senken

Nicht immer ist sicher, ob die Kälber genug und frühzeitig qualitatives Kolostrum erhalten haben. Betriebsindividuelle Faktoren wie Fütterung, Haltung und Hygiene sowie der Transport können zusätzliche Stressfaktoren mit Erhöhung des Erkrankungsrisikos darstellen. Abhängig davon ist die individuelle Anfälligkeit des Kalbes für Erkrankungen (Abb. 1). Es gilt, die Maßnahmen zur Senkung der Erkrankungsrate umzusetzen (Abb. 2):


Kälber
Optimale Belegdichte und Kleinklimabereiche im Liegebereich. Alkohol lockt Bullen – bei der oralen Verabreichung der Homöopathika mittels Sprühflasche sorgt Alkoholgehalt meist für hohe Akzeptanz. (c) Christiane Gromöller

Homöopathie

Bei der Anwendung von Homöopathie am lebensmittelliefernden Tier sind arzneimittelrechtliche Vorgaben einzuhalten. Es gibt für Nutztiere zugelassene Injektionspräparate (Kombinationsmittel aus mehreren Homöopathika). Die meisten Einzelmittel und auch Globuli haben keine Zulassung für Nutztiere. Bisher mussten sie vom Hoftierarzt umgewidmet werden. Im Januar 2022 muss die neue EU-Tierarzneimittel-Verordnung* in nationales Recht umgesetzt sein, dann können in diesem Bereich Änderungen möglich werden.

Homöopathische Arzneimittel sind nicht wie schulmedizinische Medikamente in der Lage, Bakterien abzutöten oder Krankheitssymptome wie Fieber sofort zu unterdrücken. Sie wirken mithilfe der körperlichen Abwehrkräfte, indem sie diese anregen und den Körper unterstützen, selbst eine Erkrankung zu bewältigen. Daher kann es unter Umständen geringfügig länger dauern, bis Symptome wie Fieber, Husten oder Durchfall komplett reduziert sind, jedoch bessert sich bereits direkt nach der Gabe des passenden Mittels das Allgemeinbefinden des Tieres und die Tränke- und Futteraufnahme erfolgt. Durch das Auseinandersetzen mit Erregern kann zudem die Immunkompetenz der Tiere langfristig geschult werden.

Christiane Gromöller, Tierheilpraktikerin und Agraringenieurin. (c) privat

Grenzen im Einsatz der Homöopathie sind dort, wo aufgrund von negativen Einflüssen aus Haltung, Fütterung und Management die Erkrankungsraten und Neuinfektionen deutlich erhöht sind. Ohne Abstellen der auslösenden Faktoren ist keine Heilung zu erwarten schwerwiegende Gewebezerstörungen wie Knochenbrüche können nicht ausschließlich homöopathisch behandelt werden. Anzeigepflichtige Tierseuchen dürfen nicht behandelt werden.

Homöopathische Arzneien werden bei Kontakt mit Schleimhäuten aufgenommen. Daher können sie gut in Wasser aufgelöst und dorthin versprüht werden. Am Markt sind auch Injektionspräparate. Homöopathie kann in Kombination mit Antibiotika oder Impfungen verabreicht werden. Sämtliche Behandlungen sind schriftlich zu dokumentieren.

Einstallprophylaxe

Werden 14 Tage alte Bullenkälber, im Allgemeinen aus mehreren Herkünften, aufgestallt, erfolgt dies in einer Phase, in der bereits die ersten Antikörper aus der Biestmilch der Mutter abgebaut sind, aber die eigene Immunität noch nicht vollständig und belastbar ist. Es bietet sich eine homöopathische Einstallprophylaxe an. Bei Ankunft können die Kälber mit dem Kombipräparat Engystol ad us vet. versorgt werden, welches die Immunabwehr besonders gegen Viren anregt. In Kombination mit Echinacea D6 wird das Abwehrsystem gegen Bakterien gestärkt.

Cistus incanus D6 kann nachweislich das Ausbreiten von Viren aus dem Nasen-Rachenraum in tiefere Atemwege eindämmen. Es ist jedoch zu beachten, dass es bei anstehenden Impfungen über die Nasenschleimhaut nicht angewendet werden darf. Der Zeitpunkt einer Impfung sollte gut geplant sein. Werden die Kälber bei Ankunft oder am nächsten Tag geimpft, kann es durch den Transport- und Umstellungsstress zu einer mangelnden Antikörperantwort kommen und der Impfschutz ist nicht belastbar. Wartet man jedoch länger mit der ersten Impfung, sind die Kälber länger schutzlos. Einen Kompromiss kann die Impfung innerhalb der ersten Woche auf dem neuen Betrieb darstellen. Eine homöopathische Begleitung der Impfung mit Thuja C30 kann stärkere Impfreaktionen wie Mattigkeit, Fress-/Saufunlust vermeiden. Tritt bei einigen Kälbern trotzdem nach der Impfung Fieber auf, kann dies nach Thuja C30 mit Silicea C30 behandelt werden.

Nux vomica C30 kann für Kälber, die bereits mit Durchfall anreisen oder sich mit dem Umstellen auf den neuen MAT schwertun, geringen Appetit zeigen und unter Durchfall leiden, eine Option sein.

Für das Anlernen an einen Tränkeautomaten haben sich zwei Arzneimittel bewährt: Calcium phosphoricum (C30) bei unkonzentrierten Kälbern, die beim Anlernen den Nuckel nicht finden und Calcium carbonicum (C30) für Kälber, die träge erscheinen.


„Wenn ein Chemiker die homöopathische Arznei untersucht, findet er nur Wasser und Alkohol. Wenn er eine Diskette untersucht, nur Eisenoxid und Vinyl. Beide können jedoch jede Menge Informationen bergen.“

DR. PETER FISHER, Forschungsleiter am Royal London Homeopathic Hospital


Durchfälle

Bei Durchfall ist zwischen fütterungs- und erregerbedingten Erkrankungen zu differenzieren. Bei ernährungsbedingten Durchfällen hat sich Nux vomica bewährt. Sind Erreger wie Rota- und Corona-Viren oder parasitäre Einzeller wie Kokzidien und Kryptosporidien grundlegend, sollten Arzneimittel wie Mercurius solubilis, Aloe, Arsenicum album oder China angewendet werden. Mercuris solubilis C30 wird genutzt bei akuten Verläufen mit starkem, das Kalb schnell austrocknendem Durchfall, der mit Darmschleimhautentzündungen einhergeht und daher auch blutig ist. Die Haut am After wird vom Kot schmerzhaft gereizt. Dieser stinkt und kann schleimig sowie weiß-grau erscheinen.

Die Kälber sind schnell apathisch mit Trinkunlust und haben eine kalte Körperoberfläche. Arsenicum album C30 ist für geschwächte Kälber mit wässrig- schleimigen Kot. Es können sich unverdaute Futterreste darin befinden und der Geruch ist faulig. Trotz der Auszehrung sind die Tiere unruhig, sie trinken zunächst noch oft, aber wegen der zunehmenden Schwäche nur kleine Mengen. Der Bauch ist aufgetrieben. Die Augen liegen tief in den Höhlen und das Fell wirkt struppig. Die Körperoberfläche ist kalt.

Neben infektiösen Ursachen kann kalte Milch Durchfall verursachen. Aloe kann bei leichte Durchfall mit Blähungen und schleimig-wässrigem bis breiigem Kot eingesetzt werden. Es wirkt besser in Niedrigpotenzen (D6). Zur (Mit-)Behandlung und Nachsorge von infektiösem Durchfall bewirkt China in niedrigeren Potenzen wie D6 eine Stärkung.

Atemwegserkrankungen

Auslöser für eine Atemwegsinfektion kann Zugluft oder trockene Kälte sein. In früher Phase mit Fieber und trockenem Husten wird Aconitum C30 empfohlen. Nach einem Tag, Fieberanstieg und sobald der Husten produktiver wird (Atemrasseln), ist der Wirkungsbereich beendet. Oft kann anschließend Belladonna C30 verabreicht werden. Die Kälber haben tränende Augen, die Pupillen sind weit und reagieren schlecht auf Licht. Daher sondern sich die Kälber in dunklere, ruhigere Bereiche ab. Die Atmung wirkt pumpend, der Husten bellend. Wegen der Halsentzündung können die Kälber die Tränke verweigern. Dulcamara C30 hilft, wenn die Kälber nach „Durchnässung“ in einem feuchten, klammen Stall erkranken. Hier ist der Infekt nicht sofort mit schnell steigendem Fieber verbunden. Antimonium tartaricum C30 wird verwendet, wenn die Kälber hochgradig verschleimt sind. Neben Fieber können sie aufgrund der schlechten Kreislaufsituation zu Untertemperatur neigen. Die Futteraufnahme wird eingestellt.

Phytotherapie

Kräuter können alternativ und zusätzlich zur homöopathischen Therapie bei Durchfall- und Atemwegserkrankungen genutzt werden. Wegen des Gehaltes an wirksamen ätherischen Ölen haben sich Pfefferminze, Anis, Fenchel, Kamille und Oregano bei Durchfallgeschehen bewährt. Sie wirken entzündungshemmend, schleimhautberuhigend, krampflösend, leicht desinfizierend auf pathogene Bakterien sowie teilweise blähungsreduzierend. Sie können als Tee mit Elektrolyten (Kochsalz/NaCl, Traubenzucker, Natriumbicarbonat) zur Flüssigkeitsergänzung verabreicht werden (Pfefferminze, Fenchel, Kamille).

Anis, Pfefferminze, Oregano und Fenchel haben zudem eine schleimlösende Wirkung. Aufgrund seiner Zusammensetzung kann Thymian bei trockenem Reizhusten auch schleimhautberuhigend wirken. Zu beachten ist wie bei Homöopathika, dass die Zusatzfuttermittel für die Tierart Rind zugelassen sein sollten.

Ätherische Öle können als Vernebelung im Stall und teilweise als Eingabe angewendet werden. Sie können aber auch die Wirkung von Homöopathika herabsetzen und sollten deshalb vorbeugend oder zur Nachbehandlung eingesetzt werden. Zimtöl wirkt gegen Bakterien, Pilze und Viren bei Durchfall- und Atemwegserkrankungen. Pfefferminzöl kann abschwellend auf die Atemwegsschleimhäute wirken, Eucalyptus zudem schleimlösend und entzündungshemmend. Thymianöl ist zur Vorbeugung und Behandlung von Atemwegsproblemen gut. Oreganoöl ist wiederum wegen seiner starken Wirkung gegen Viren, Bakterien und einigen Endoparasiten ein hilfreiches Öl zur Prophylaxe von Durchfall.

Behandlung von Bullen

Da man homöopathische Arzneimittel gut praktikabel mit einer Sprühflasche in die Nasenlöcher auf die Schleimhäute oder auf das Flotzmaul sprühen kann, ist es durchaus möglich, auch ältere Tiere im Bedarfsfall damit zu versorgen, ohne die Bucht betreten oder das Tier fixieren zu müssen. Durch den Alkoholgehalt in oralen Homöopathie- Mischungen ist die Akzeptanz bei den Bullen recht hoch.

Bei frischen Schwanzspitzenverletzungen, Gelenkschwellungen oder Lahmheiten kann Traumeel ad us vet. mit verschiedenen Arzneimitteln für Verletzungen/Gelenkschmerzen in den ersten drei Tagen möglichst zweimal täglich gegeben werden. Schwanzspitzenverletzungen bitte immer beobachten, um eine aufsteigende Entzündung frühzeitig zu erkennen. Damit sich die Entzündung nicht weiter im Gewebe ausbreitet, hat sich die Kombination mit Tarantula cubensis C30 bewährt. Bei Lahmheiten durch Vertreten kann mit Traumeel schnell eine Besserung beobachtet werden, sodass die Tiere in der Bucht verbleiben können und nicht separat aufgestallt werden müssen Fressunlust oder Pansenprobleme können häufig mit Nux vomica C30 behandelt werden. Ist der Pansen gebläht, hilft zusätzlich Carbo vegetabilis C30 kreislaufunterstützend und darmfördernd, aber nur wenn keine mechanische Ursache wie eine Schlundverstopfung oder ein Fremdkörper vorliegen.

Da homöopathische Arzneimittel keine Wartezeit erzeugen, können auch erfolglos behandelte Tiere der Vermarktung zugeführt werden, sofern sie noch aufgrund der Erkrankung schlachttauglich sind. Die Transportfähigkeit ist vorher abzuklären.

Fazit zur Homöopathie bei Kälbern

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Kälberdurchfall: Die Verfütterung von Kolostrum oder Kuhkolostrumersatzprodukten hat positive Effekte auf die Entwicklung des Magen-Darm-Trakts und des Mikrobioms. (c) IMAGO/Xaver Wapelhorst