Latzhose statt Uniform

Ihren Job als Polizistin gab Stefanie Franke auf, um sich in Mittelsachsen gemeinsam mit ihrem Mann einer kleinen Herde Jersey-Milchkühe zu widmen. Die Arbeit im Stall macht die junge, fünffache Mutter glücklich.

Von Silvia Kölbel

Ursprünglich hatte Stefanie Franke aus Großwaltersdorf im Landkreis Mittelsachsen ganz andere Berufspläne. Sie wollte als Polizistin eine Beamtenlaufbahn einschlagen. Ihr jetziges Leben könnte gegensätzlicher kaum sein. Zusammen mit ihrem Mann, Tommy Franke, steht die 29-Jährige jeden Morgen und jeden Abend im Stall, um die 18 Jerseykühe zu melken. Die junge Frau ist außerdem Mutter von fünf Kindern. Zuletzt stellten sich Zwillinge ein. „Dass ich einmal fünffache Mutter werde, hatte ich nicht direkt geplant“, verrät sie.

Ihr privates Umfeld war auch vom plötzlichen Berufswechsel überrascht. „Ich bin schon ein paar Mal gefragt worden, warum ich das tue“, erzählt Stefanie Franke. Ihre Antwort darauf fällt ganz einfach aus: „Weil mir diese Arbeit gefällt. Weil ich glücklich damit bin. Weil ich es für uns tue. Weil unsere Kinder in einem gesunden und natürlichen Umfeld aufwachsen“, erklärt sie. „Inzwischen haben sich alle daran gewöhnt und akzeptieren meine Entscheidung.“ Im Moment könne sie sich auch nicht vorstellen, jemals wieder in die Polizeiuniform zu schlüpfen.

Jersey-Milchkühe: Start in der Frühe

Die Freude an der landwirtschaftlichen Arbeit entdeckte die junge Frau, als sie ihren späteren Mann kennenlernte. Der gelernte Landwirt arbeitet heute als Besamungstechniker. „Der Anstoß, in die Nebenerwerbslandwirtschaft einzusteigen, ging von meiner Frau aus“, erzählt Tommy Franke, der Betriebsinhaber. Und Stefanie Franke berichtet: „Wir hatten zu Hause Pferde, Schafe und Hühner, auch mal eine Mutterkuhherde. Doch es war für mich nie eine Überlegung, einen landwirtschaftlichen Beruf zu ergreifen.“

Jetzt steht sie jeden Morgen gemeinsam mit ihrem Mann um vier Uhr auf. Eine halbe Stunde später läuft die Rohrmelkanlage, die das Paar gebraucht in einem bayerischen Betrieb gekauft hat und die von der Größe her perfekt zum Tierbestand passt. „Während ich melke, füttert mein Mann, mistet aus und versorgt die Kälber“, beschreibt die junge Bäuerin die morgendlichen Abläufe. Während dieser Zeit schlafen die Kinder noch. Nach der ersten Stallrunde geht Tommy Franke seinem Hauptjob nach, Mutter Stefanie widmet sich den Kindern und dem Haushalt. „Wenn wir am späten Nachmittag das zweite Mal melken, sind die Kinder mit dabei“, erzählt die junge Mutter.

Für Urlaubspläne bleibt bei dieser Arbeitseinteilung keine Zeit. „Wir fahren nicht weg. Wir fühlen uns hier wohl. Ich hätte woanders keine ruhige Minute, wenn ich nicht wüsste, was auf meinem Hof passiert. Erholen könnte ich mich so jedenfalls nicht“, ergänzt ihr ebenfalls 29-jähriger Ehemann. Für die Jersey-Milchkühe entschieden sich die beiden wegen der Größe der Tiere, deren Umgänglichkeit und der sehr guten Milchqualität. Die Rasse stammt ursprünglich von der britischen Kanalinsel Jersey. Dort eröffneten 1833 Landwirte das erste Herdbuch. Lediglich etwa 450 kg bringt das kleinste heimische Milchrind auf die Waage. In Deutschland spielt die Rasse nur eine untergeordnete Rolle.

Gehaltvolle Kuhmilch

Die Kühe punkten mit einem Fettgehalt der Milch von 5–6 Prozent. Bei Frankes Tieren sind es 5,8 Prozent Fett sowie 4,2 Prozent Eiweiß. Werte, die die Molkereien honorieren. „Das ist für mich die einzig vernünftige Lösung, mit dem Nebenerwerb ein Einkommen zu generieren“, erklärt Tommy Franke. Die Jerseyrinder seien außerdem leichtkalbig und robust. Fünf Laktationsperioden haben die meisten Kühe in seinem Stall bereits erlebt.

Franke stellt an seine Arbeit immer hohe Ansprüche. Alles muss möglichst perfekt organisiert sein und ablaufen. „Durch meine Tätigkeit als Besamer kann ich mir die Arbeitsweise vieler verschiedener Betriebe anschauen und sehen, was funktioniert und was nicht. Es ist immens wichtig, jeden Tag dran zu bleiben, alles möglichst fehlerfrei zu erledigen. Jeder noch so kleine Fehler hat meist weitreichende Konsequenzen. Das fängt beim richtigen Schnittzeitpunkt auf dem Grünland an und hört auf beim richtigen Zeitpunkt des Besamens“, so seine Überzeugung.

Das Grünfutter schneide er, wenn es den höchsten Energiegehalt habe. Besamt werde auf den Punkt genau mit gesextem Sperma. So kämen zu 98 Prozent weibliche Kälber zur Welt. In die Herdbuchzucht seien sie nicht eingestiegen, weil es zu aufwendig sei. Weibliche Rinder ließen sich dennoch sehr gut vermarkten. Die zuletzt geborenen Kälber und Färsen will das Paar jedoch behalten, um die Herde auf 25 Tiere zu vergrößern.

Die Jersey-Milchkühe stehen ganzjährig im Stall. „Draußen würden sie die Grasnarbe zerstören. Ich brauche meine fünf Hektar Grünland aber als Futtergrundlage“, erklärt Thommy Franke. Auf weiteren 10 ha Acker wächst Feldgras. Gentechnikfreies Kraftfutter, das auch Mais enthält, wird zugekauft.

Viehhaltung seit 2013

Obwohl Tommy Franke eine landwirtschaftliche Ausbildung als Grundlage für seinen Nebenerwerb vorweisen kann, sagt er: „Das, was ich in den letzten Jahren hier gelernt habe, das konnte mir keine Berufsschule vermitteln.“ Auch für seine Frau gilt der Grundsatz: „learning by doing“.

2013 begannen die Frankes mit der Tierhaltung, anfänglich mit Mutterkühen. 2018 reifte dann die Entscheidung, zu den Jersey-Milchkühen zu wechseln. 16 abgekalbte Färsen konnte das Paar in Brandenburg kaufen. Derzeit wird die Milch nach Freiberg geliefert. Es stand auch schon die Überlegung im Raum, die qualitativ hochwertige Milch direkt zu vermarkten. Erste Versuche führten nicht zum durchschlagenden Erfolg, weil die mobile Käserei nicht genügend Kapazitäten frei hatte und für eine regelmäßige Verarbeitung die Jerseys zu wenig Milch liefern.

Geheizt wird mit Holz

Eine Fleischvermarktung kommt wegen des geringen Schlachtgewichtes der Rinder von rund 250 kg auch nicht infrage. Aufgrund des gesexten Spermas fallen ohnehin kaum Jungbullen an, die sich zum Schlachten eignen würden. Gegen eine Direktvermarktung spricht außerdem die abgelegene Lage des Hofes. Das 17 km entfernte Freiberg ist die nächste größere Stadt.

Neben dem Grün- und Ackerland gehört noch ein Hektar Wald zum Hof. Tommy Franke, der es gern aufgeräumt und geordnet mag, ist gerade dabei, den Waldstreifen zu durchforsten. Dabei fällt jede Menge Brennholz an, das die Familie für die eigene Heizung im noch nicht vollständig sanierten Haus nutzt. In einer Hälfte des Gebäudes wohnen Frankes mit ihren fünf Kindern. Die andere Haushälfte möchte die Familie sanieren, ausbauen und vermieten.

Agrofarm eG Lüssow: Wer sich anstrengt, wird unterstützt

Die Agrofarm eG Lüssow hat sich durch ihre herausragende Ausbildung in der Landwirtschaft einen Namen gemacht. Doch auch hier merkt man: Die Zeit, in der sich die Bewerbungen stapelten, ist offenbar vorbei.

Von Gerd Rinas

Als Ausbildungsort hat Lüssow in der Landwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns einen sehr guten Ruf. Vor der Wende wurden hier in der LPG 180 junge Leute zu Land- und Tierwirten ausgebildet. Im Nachfolgebetrieb, der Agrofarm eG Lüssow, wuchsen allein seit 1996 weitere 16 Land- und 42 Tierwirte sowie neun Landwirtschaftshelfer heran. 2014 wurde die Agrofarm als „Ausbildungsbetrieb des Jahres“ in Mecklenburg-Vorpommern ausgezeichnet. Doch die Zeit, in der sich die Bewerbungen stapelten, ist offenbar vorbei. „Die Erfolge sind in den letzten Jahren weniger geworden“, räumt Vorstand Lars-Peter Loeck ein.

Schwierige Situation in der ausbildung

Ursachen dafür gibt es mehrere. Der Wettbewerb um die Schulabgänger ist spürbar härter geworden. „Zeitweise hatten wir nur noch zwei bis drei Bewerbungen. Da zähle ich die Zettel schon mit, wo drauf stand: Ich will Landwirt werden“, sagt Vorstand Wencke Ladwig. Auch wenn zuletzt wieder mehr Bewerbungen eingingen – die Zahl der Bewerber, die die 10. Klasse abgeschlossen haben, geht zurück. Statt dessen melden sich immer mehr Jugendliche nach der 8. oder 9. Klasse und einem Berufsvorbereitungsjahr. „Vor dem Beginn der Ausbildung bieten wir zwei bis drei Tage Praktikum an. Die Kandidaten sollen alle Produktionsbereiche durchlaufen. Einerseits können sie sich so vergewissern, ob sie bei uns richtig sind. Andererseits haben wir die Gelegenheit, uns einen ersten Eindruck zu verschaffen. Leider werfen viele die Flinte früh ins Korn: Etwa jeder Zweite meldet sich schon am zweiten Tag krank oder gibt uns zu verstehen, dass es nicht passt“, sagt Lars-Peter Loeck.

Aber selbst wenn der Bewerber das Praktikum beendet und beide Seiten sich zur Ausbildung entschlossen haben, ist das keine Garantie. „Wir haben schon erlebt, dass jemand es sich vier Wochen vor dem Start plötzlich anders überlegt. Oder die Ausbildung beginnt und nach wenigen Wochen abbricht“, so Loeck.

Anders die Situation 2017: Damals sah sich der Vorstand veranlasst, die Notbremse zu ziehen. Im August hatten drei Schulabgänger mit sehr guten Zeugnissen ihre Ausbildung angefangen. „Wir versprachen uns einiges von ihnen“, erinnert sich Loeck. Doch ehe die vier Monate Probezeit vorüber waren, war von den dreien keiner mehr dabei. „Ihre Arbeitsmoral war schlecht, gegenüber Ausbildern und Kollegen traten sie arrogant auf. Wir sahen keinen anderen Weg, als alle drei Ausbildungsverträge aufzulösen und dachten ernsthaft darüber nach, die ganze Ausbildung im Betrieb einzustellen“, so Loeck.

keine alterative zur ausbildug

Soweit ist es dann doch nicht gekommen. Das liegt zum einen daran, dass es aus Sicht der Lüssower Landwirte eine Alternative zur Ausbildung nicht gibt: „Qualifizierte Mitarbeiter für die Landwirtschaft sind auf dem Arbeitsmarkt kaum zu kriegen. Es kann uns nichts Besseres passieren, als wenn sich jemand entscheidet, Landwirt zu werden. Diesen Mann oder die Frau muss man festhalten“, sagt Loeck. Für Auszubildende hat die Agrofarm schon Wohnungen in Lüssow angemietet und möbliert. Neben der Ausbildungsvergütung erhalten die Lehrlinge je nach Leistung anteilig oder zu 100 Prozent ein 13. und 14. Entgelt.

Kriterien sind etwa die Ergebnisse von Prüfungen, Noten in der Berufsschulausbildung und das Führen des Berichtshefters“, erläutert Wencke Ladwig. Zusammen mit Maren Krüger ist sie Ansprechpartnerin der Auszubildenden im Betrieb. Insgesamt verfügen sechs Mitarbeiter über die Ausbilderbefähigung. „Wenn wir sehen, dass jemand sich anstrengt, bekommt er von uns jede Unterstützung“, versichert Wencke Ladwig. Sie ist froh, dass immer noch Bewerber in Lüssow aufschlagen, die „zeigen, dass sie wollen: Diese jungen Leute sind für uns ein wichtiges Motiv, weiter in die Ausbildung zu investieren.“



Agrofarm eG Lüssow: Vielseitige ausbildung

Zur Zeit lernen in der Agrofarm neun Auszubildende: vier Tierwirte, drei Landwirte und zwei Fachpraktiker für Landwirtschaft. Ein Tierwirt und ein Fachpraktiker beenden im Sommer ihre Ausbildung. Drei Azubis – zwei angehende Landwirte und ein Tierwirt – sollen neu beginnen. „Der Ausbildungsvertrag mit der Tierwirtin in spe ist durch. Von einem jungen Mann aus dem Nachbardorf, der Landwirt werden will, fehlt noch die Unterschrift. Ein dritter, ebenfalls ein angehender Landwirt, muss noch probearbeiten“, beschreibt Lars Peter Loeck den Stand der Bewerbungen.

Natalie Hein lernt seit vorigem Sommer in Lüssow Tierwirtin. „Ich wollte schon immer mit Tieren arbeiten“, sagt die 19-Jährige. Eigentlich aber nicht in der Landwirtschaft, sondern im Zoo. Als es damit nicht klappte, startete Natalie eine Ausbildung als Sozialassistentin, merkte aber schnell, dass die viele Theorie und die lange Ausbildung nicht ihr Ding waren. Mit Unterstützung des Arbeitsamtes landete sie beim Probetraining in Lüssow – und blieb. In der Berufsschule ist nicht der Lernstoff, sondern das Homeschooling ihre größte Herausforderung. „Es ist ganz anders als in der Klasse, man arbeitet vor sich hin, es gibt kaum Kontakt zu Mitschülern und Lehrern“, bedauert Natalie.

Seit dem vorigen Sommer kommt sie fast täglich mit Fahrrad und Bahn aus Güstrow nach Lüssow. Die Arbeit in der Agrofarm sei anstrengend, mache aber Spaß. „Als es ein Problem in meiner Schicht gab, haben wir es gelöst. Ich fühle mich hier verstanden“, sagt die Auszubildende. In den ersten Monaten hat sie gelernt, wie man Kälber versorgt, Kühe melkt und treibt. „Die Ausbildung ist vielseitig. Nach dem Abschluss bleibe ich in der Landwirtschaft“, versichert Natalie.

Attraktiver, vielseitiger arbeitsplatz

Arend Kromwijk lernt im zweiten Jahr in Lüssow. Er stammt aus einer Bauernfamilie mit niederländischen Wurzeln von der Insel Usedom. „Landwirt ist mein Traumberuf. Ich bin damit groß geworden. Man sieht, wie alles heranwächst, irgendwann erntet man das Ergebnis seiner Arbeit“, sagt der junge Mann.

Arend Kromwijk Auszubildender der Agrofarm eG Lüssow
Arend Kromwijk (c) Gerd Rinas

Eigentlich wollte er seine Ausbildung zum „Landwirt mit Fachhochschulreife“ in mehreren Betrieben machen, um verschiedene Erfahrungen zu sammeln. „Ganz ist der Plan noch nicht vom Tisch, aber ich denke drüber nach“, sagt Arend. In Lüssow könnten Auszubildende viel lernen. „Wenn ich sage, ich würde gern mit dem Pflanzenschutzberater mitfahren oder mit zum Pflügen, wird es möglich gemacht.“ Er ist im Sommer – im 1. Lehrjahr – Mähdrescher gefahren. „Ich spüre Vertrauen“, sagt Arend.

Wie es nach der Ausbildung weitergeht, weiß er noch nicht genau. „Ich habe noch anderthalb Jahre Zeit, mir darüber Gedanken zu machen“, so der Auszubildende, der einen älteren Bruder und eine Schwester hat, die ebenfalls eine landwirtschaftliche Ausbildung absolvierten. Wenn er die Lehre erfolgreich abschließt, kann er ein Meister- oder Fachhochschulstudium beginnen. Danach stünden ihm alle Wege offen. Ich frage Arend, ob er sich vorstellen könnte, später einmal eine Genossenschaft zu führen, wie hier in Lüssow 50 Leute zu einem Team zu formen und genauso effizient zu wirtschaften wie im elterlichen Familienbetrieb. Der junge Mann überlegt einen Moment. „Genossenschaften haben Vor- und Nachteile“, sagt er diplomatisch. Er wolle aber nicht nur im Büro sitzen oder den Streit zwischen Mitarbeitern schlichten. „Ich will irgendwann selbstständiger Landwirt sein. Weil ich‘s dann für mich mache“, beschreibt der 18-Jährige kurz und präzise Ziel und Motiv seiner Ausbildung.

Osterglocken: Die goldene Meile

Großbritannien produziert 90 Prozent aller Narzissen, die weltweit in die Vasen kommen, auch in Deutschland. Über 70 Prozent davon wachsen in der Grafschaft Cornwall. Von dort aus nahm vor über 100 Jahren der globale Siegeszug der Osterglocken seinen Anfang.

Von Petra Jacob

Cornwall – es ist eine Sinfonie in Gelb, die mich dort empfängt, und sie macht im ersten Moment dem Rosamunde-Pilcher-Klischee alle Ehre. Bis zum Horizont blühen die Narzissen und ihr Gelb wetteifert mit dem Blau des Himmels. Denn in diesem südwestlichsten Landesteil von England, einer Landzunge, die in den Atlantik ragt, hält der Frühling viel früher Einzug als im übrigen Großbritannien – es ist das „Osterglockenland“.

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Blumengrüße aus der Hutschachtel

Alles begann im späten 19. Jahrhundert auf den 45 km der Küste vorgelagerten Scilly-Inseln, als Kartoffelbauer William Trevellick 1875 die Idee kam, die vielen auf seinem Land wild wachsenden Narzissen in eine Hutschachtel zu verpacken und nach London zu schicken. Per Frachter zuerst nach Penzance, von dort mit der Eisenbahn waren sie binnen 48 Stunden am Ziel. Landbesitzer Thomas Dorrien-Smith war der Nächste, er hielt seine Pachtbauern an, auch frühere Sorten zu züchten. 1889 werden dann schon 198 Tonnen Blumen aufs Festland verschickt.

Landwirt Andrew Lawry, unweit von Penzance in Varfell, schnappt 1885 die Idee auf. Varfell ist nur ein Weiler aus wenigen Häusern und hat heute mit Varfell Farms die größte Narzissenproduktion der Welt. Jedes Jahr werden eine halbe Milliarde der Frühjahrsblüher geerntet und in die EU, nach den USA und Dubai exportiert. Die vielen im Frühjahr goldgelb blühenden Felder verleihen der Gegend einen ganz besonderen Reiz – und man spricht von der „goldenen Meile“.

„Blumen verrotten in den Feldern“, hieß es in der britischen Presse im Februar, weil die Arbeitskräfte wegblieben. Statt der 750 Beschäftigten, die in der Hochsaison zwischen Dezember und April für das Ernten der Narzissen auf Varfell Farms gebraucht werden, waren nur 400 verfügbar. Neben den Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie war auch der Brexit und somit das Ende der Arbeitnehmerfreizügigkeit mit Schuld daran, so Alex Newey, Chef von Varfell Farms. Doch Cornwall Council gestattete Ende Februar das Aufstellen von 49 Wohnwagen auf dem Firmengelände für die Unterbringung der überwiegend osteuropäischer Saisonarbeitskräfte. Einen Wohnwagen teilen sich sechs Personen. Jeder zahlt pro Woche £ 57,40 (67,20 Euro). Bettwäsche und Küchenausstattung muss man selbst mitbringen.

Gearbeitet wird an sechs Tagen in der Woche, insgesamt 48 Stunden und mehr – mit einem Stundenlohn von mindestens 8.72 £ (10,20 Euro). Mehr ist drin, je nachdem, wie schnell man schneidet. „Bei uns verdienen die besten Ernter zu Spitzenzeiten um die 900 £ (1.053 Euro) die Woche“, so Frances Hosking von der Fentongollan Farm. Bezahlt wird nach Akkord, aber nie unter dem vorgeschriebenen Mindestlohn.

Für zehn Narzissen pro Strauß bekommt der Ernter zwischen neun und elf Pence. „Manche schaffen bis zu 1.600 Sträuße am Tag, einfach erstaunlich“, so die 22-Jährige, die ihr Agrarstudium abgeschlossen hat und sich jetzt in das Narzissen-Geschäft ihres Vaters James einarbeitet. Der Hof von Familie Hosking, den es bereits seit 1883 gibt, liegt abgelegen in wunderschöner Landschaft, die sehr hügelig ist und zum Mündungsgebiet des Flusses Fal einige Kilometer südöstlich des Städtchens Truro gehört.

Brexit bringt weniger Saisonarbeitskräfte

Zur Fentongollan Farm gehören rund 81 ha mit 400 verschiedenen Sorten Narzissen, 809 ha Ackerland mit Braugerste als einen Teil der Fruchtfolge. „Das ist die nur in Großbritannien angebaute alte Gerstensorte Maris Otter. Aus der wird im benachbarten St. Austell ein traditionelles English Bitter gebraut.“ Die steilsten und unwirtlichsten Flächen gehören den 600 Schafen, die in diesen Tagen 450 Lämmer zur Welt brachten, wie Frances erzählt. Außerdem produziert Fentongollan Farm 80 Prozent aller Gemüsesetzlinge, die im Südwesten Englands für den Anbau gebraucht werden, darunter Blumenkohl, Brokkoli, aber auch verschiedene Salate oder Gurken.

Auf dem Quad braust die junge Frau dann voraus auf ein Feld mit besonders schöner Aussicht auf die vom Narzissenanbau geprägte Landschaft. Hier arbeitet der 31-Jährige Ivaylo aus Bulgarien, flink schneidet er die Stängel und schichtet sie in Plastikkisten. Fentongollan Farm arbeitet mit einem festen zehnköpfigen Ernteteam aus Bulgarien und Litauen, das seit Jahren auf den Hof kommt. Frances hofft, dass sie trotz Brexit auch im nächsten Jahr wieder einreisen dürfen. Zusätzliche Arbeitskräfte kommen über eine Agentur.

Zu Spitzenzeiten – wie vor Muttertag, in England immer am zweiten Märzsonntag – werden bis zu 100 Pflücker am Tag gebraucht. In diesem Jahr konnte die Agentur öfter die geforderte Menge an Arbeitskräften nicht schicken und von einigen Feldern konnte gar nicht geerntet werden. Doch Frances ist keine, die sich beschwert. Sie denkt an all jene, die in den letzten Monaten ihr Geschäft aufgeben mussten. „Viele hatten es viel schlimmer“, sagt sie.

Vier Jahre wachsen Narzissen an einem Ort. Zwischen Januar und April werden sie als Schnittblumen geerntet. Erst nach dem vierten Jahr ab Ende Juli werden die Blumenzwiebeln ausgehoben, getrocknet und sortiert. Ein Teil wird später wieder in den Boden gepflanzt, der andere wird an den Großhandel, Privatkunden, Kirchen, über den eigenen WebShop und im Hofladen verkauft. Auch beliefern sie einen großen Player im cornischen Narzissen Geschäft mit 1.011 ha Anbaufläche. „Die großen Anbauer haben oft nicht so viele Sorten Narzissen im Programm und kaufen dann von uns.“

In der EU kooperiert Fentongollan Farm mit der niederländischen Firma Van der Plas. Einen treuen Einkäufer von Narzissen-Sträußen gibt es auch in den USA, so Frances. „Unsere Blumen sind mit Etikett versehen, darauf steht, woher sie kommen.“ Und so erhält sie regelmäßig Dankesschreiben von Menschen, denen die Blumen große Freude bereiten.

Durch Corona habe sich der Internetverkauf verdoppelt, vielleicht sogar verdreifacht, so die Landwirtin. „Weil sich die Menschen nicht besuchen konnten, schickt man sich Blumen als nette Geste.“ Sie selbst hat Narzissen-Sträuße an Pflegeheime in der Umgebung verschenkt. „Viele hatten so eine schwierige Zeit, konnten ihre Familien nicht sehen. Erstaunlich, was diese kleine Geste für manch einen bedeutete.“

2.500 Sorten auf vier Hektar

Wenn es um die Sortenauswahl bei Blumenzwiebeln geht, reicht keiner Ron und Adrian Scamp aus Maenporth in der Nähe von Falmouth das Wasser. An die 2.500 verschiedene Narzissen wachsen auf einer Fläche von vier Hektar – darunter alte Sorten – die älteste stammt aus dem 17. Jahrhundert – aber auch moderne sowie von Ron Scamp über die Jahre zusammengetragene oder selbst gezüchtete. Es dauert übrigens 15 Jahre, bis eine neue Sorte entsteht, wie er sagt.

Der heute 78-Jährige entdeckte bereits als Junge seine Leidenschaft für die Narzissen. Kommerziell begann er vor 31 Jahren, Sohn Adrian stieg 2007 mit ein. So ist das Geschäft für das Vater-Sohn-Team eine Herzensangelegenheit. Rons gezüchtete Sorten wachsen inzwischen auf der ganzen Welt – in Australien, Argentinien, Russland, Japan, Indien.

„Vor dem Brexit haben wir auch nach Europa verkauft, doch das ist leider nicht mehr rentabel“, bedauert Sohn Adrian, der sich um die geschäftliche Seite kümmert. „Auch wenn es nur fünf Prozent unserer Bestellungen waren. Wir sind ein kleines Familienunternehmen und es wirkt sich schon sehr auf unser Geschäft aus.“ Verkauft haben die Scamps an Liebhaber, Hobbygärtner. „Wir sind über die Jahre Freunde geworden. Jetzt nach 30 Jahren sagen zu müssen, wir können euch nicht mehr beliefern, das ist schon enttäuschend.“

Sie überdauern jedes Menschenleben

Es sind aber nicht nur die Kosten für den Versand immens gestiegen, es sind wegen des Brexits auch andere Regelungen gekommen. „Früher gab es einen Pflanzenpass, heute braucht es zwei. Die meisten Kunden kaufen kleine Mengen, drei von der Sorte, fünf von einer anderen“, so Adrian Scamp. „Selbst, wenn ich jetzt nur drei Blumenzwiebeln nach Deutschland schicken würde, kann der Versand um die 40 £ kosten.“ Seit dem Brexit ist ein Pflanzengesundheitszeugnis vorgeschrieben, das kostet um die 25 £, egal ob es drei Blumenzwiebeln sind oder eine Palette.

„Um das Zertifikat zu bekommen, braucht es einen Inspektor, der die Ware überprüft, das sind noch mal über 120 £. Auch wenn ein Kunde die Kosten übernehmen wollte, der Aufwand ist mit umgerechnet über 200 Euro immens.“ Besonders wurmt ihn, dass er aufgrund der Brexit-Verhandlungen auch nicht mehr nach Nordirland liefern kann, denn für Lieferungen dorthin gelten nun ebenfalls die EU-Vorschriften.

Adrian Scamp verbringt jetzt sehr viel Zeit am Computer, er verschickt E-Mails, macht Podcasts. Er ist froh, dass er sich über die Jahre einen treuen Kundenstamm aufgebaut hat. „Eigentlich würden wir jetzt im Frühjahr mit unseren Blumen auf Ausstellungen und Shows vertreten sein.“ Doch sie sind wie im Vorjahr alle abgesagt. Dort haben sie über die Jahre viele prestigeträchtige Preise geholt, darunter viele Goldmedaillen. „Auch wenn es im Moment etwas schwierig ist, wir sind froh, dass wir überhaupt noch da sind“, so Adrian. Und für Vater Ron ist es ein schönes Gefühl, die eigenen Osterglocken auf der ganzen Welt wachsen zu wissen. Denn einmal eingepflanzt, vermehren sich Narzissen von selbst durch Tochterzwiebeln. „Und wenn keine Krankheiten dazwischen kommen, dann überdauern sie jedes Menschenleben.“

Ron Scamp
Ron Scamp und seine Narzissen (c) Petra Jacob
Das bisschen Garten …

… macht sich (fast) von allein – sofern sich der Hobbygärtner für einen pflegeleichten Garten entscheidet, der wenig Arbeit macht und somit nicht viel Zeit kostet. Was Sie beim Anlegen beachten sollten, erklärt Ihnen unser Gartenexperte Florian Wolf.

Von Florian Wolf

Vor allem im Sommer während der Ernte, wenn die Tage besonders lang werden, bleibt wenig Zeit für die Arbeit im heimischen Garten. Doch gerade in diesem Zeitraum wachsen Wildkräuter, umgangssprachlich häufig als Unkräuter verdammt, durch viel Wärme besonders gut. Gut beraten ist, wer vorgesorgt hat. Durch verschiedene Materialien, natürliche Rohstoffe oder eine intelligente Pflanzenauswahl lässt sich Unkrautzupfen auf ein Minimum reduzieren. Ein pflegeleichter Garten spart nicht nur Nerven, sondern fördert auch das vegetative Wachstum und die Blütenbildung der jeweiligen Pflanze. Nährstoffe können gezielter aufgenommen werden und Regen- beziehungsweise Gießwasser kommt direkt am Wurzelballen an.

Mit Bodendeckern natürlich vorsorgen

Bei kleineren Flächen, wie auch bei Hangbepflanzungen, bieten sich für einen pflegeleichten Garten spezielle bodendeckend wachsende Pflanzen als idealer „Unkrauthemmer“ an. Zu empfehlen sind immergrüne bodendeckende Gehölze oder Stauden, damit sich auch in milderen Perioden zwischen Oktober und April, wenn laubabwerfende Pflanzen ohne Blätter da stehen, keine Wildkräuter ausbreiten können. Wichtig ist dabei jedoch, die ideale Sorte für die jeweiligen Ansprüche auszuwählen. Die Gattung sollte nicht höher als 30 Zentimeter werden und möglichst kompakt und flachwachsend sein. Ein gutes Beispiel für manche Irrtümer kann bei der Pflanzengattung Cotoneaster (auf deutsch Zwergmispel) entstehen.

Florian Wolf

Florian Wolf

Florian Wolf von der Baumschule Rügen, gibt einmal im Monat in der Bauernzeitung Tipps rund um das Thema Garten.
Instagram: @baumschule.ruegen

Oft geschehen diese Verunsicherungen nach Käufen im Discounter oder Baumarkt, entweder weil die Beratung durch fachlich geschultes Personal fehlt oder die Pflanze auf Schildern oder Etiketten fälschlicherweise als Bodendecker angepriesen wird. Nach mehreren Monaten oder Jahren stellen Grundstücksbesitzer dann fest, dass die für bodendeckende Zwecke ungeeignete Sorte ‚Jürgl‘ gepflanzt wurde, welche vorwiegend für niedrige Einfassungshecken zu empfehlen ist. Dies hat zur Folge, dass durch den aufrechten und leicht überhängenden Wuchs kein dichter Teppich gebildet wird. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sich Wildkräuter wie Springkraut oder Hirtentäschel im Beet oder auf der Hangfläche breitmachen. Mit der Folge, dass der Pflegeaufwand weiterhin genau so hoch ist wie vor der Bepflanzung. Die Unkräuter können das Sonnenlicht als ideale Voraussetzung für die Fotosynthese nutzen und vermehren sich sehr schnell. Unglücklich über diesen Umstand, sollte ein Experte aufgesucht werden.

Die Baumschule in der näheren Umgebung ist dabei meist die beste Option, um eine optimale Beratung mit dem Ziel der dauerhaften Unkrauteindämmung für einen pflegeleichten Garten zu erhalten. Diese würde beispielsweise die Sorte ‚Eichholz‘ empfehlen, welche mit einer Höhe von 20 bis 30 Zentimetern sehr bodennah wächst und mit ihrem dichtkompakten, schnell verzweigenden Wuchs schon innerhalb weniger Monate eine Fläche bedeckt und somit Unkräutern keine Chance lässt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist nicht nur die passende Sortenauswahl, sondern auch der richtige Pflanzabstand. Dieser ist abhängig von Größe und Alter der Pflanze. Je breiter die Pflanze beim Kauf ist, desto breiter können auch die Abstände gewählt werden. Dieser liegt bei Bodendeckern in der Regel bei 20 bis 30 Zentimetern. Weitere geeignete Bodendecker sind Golderdbeere (Waldsteinia ternata), Dickmännchen (Pachysandra terminalis), Kleinblättriges Immergrün (Vinca minor), Kanadischer Hartriegel (Cornus canadensis), Hedera helix (Efeu), Kriechspindel ‚Emerald‘n Gaiety‘ (Euonymus fortunei).

Gartenpflege: Vlies und Mulch kombinieren

Eine weitere gut geeignete Möglichkeit der Unkrauteindämmung ist der Einsatz von sogenanntem Unkrautvlies. Im Gegensatz zu herkömmlicher Folie ist dieses Material luft- und wasserdurchlässig. Sie speichert zudem Wärme und Feuchtigkeit, wodurch die Pflanzen vor Bodenfrost im Frühjahr geschützt werden.

Es sollte mindestens eine Stärke von 100 g/m2 gewählt werden, damit selbst hartnäckige Wurzelunkräuter es nicht schaffen, die Schicht zu durchbrechen. Wenn es fachmännisch verlegt worden ist, beträgt die Haltbarkeit je nach Hersteller und Qualität bis zu 25 Jahre. Aus diesem Grund gilt es beim Verlegen des Vlieses wichtige Dinge zu beachten. Zunächst muss die zu bepflanzende Fläche gründlich von Wurzelunkräutern wie Quecke befreit werden.

Auch scharfkantige Steine sind abzusammeln, damit das Material nicht schon beim Verlegen einreißt. Anschließend sollte der Boden gelockert und ungerade Flächen mit einer Harke eingeebnet werden. Nun kann in einer Fläche des Beetes mit dem Verlegen des Unkrautvlieses begonnen werden. Beim Kauf kann zwischen verschiedenen Rollenlängen und – breiten als auch rechteckigen Formaten ausgewählt werden. Bei größeren Beeten und Wegen ist es ratsam, ein Unkrautvlies auf Rolle zu verwenden.

Erfahrungsgemäß werden Breiten von 1 bis 2 Meter verwendet. Es sollte möglichst faltenfrei ausgerollt und mit speziellen Heringen mit Wiederhaken befestigt werden, damit bei stürmischem Wetter alles an seinem Platz bleibt. Die Rollenware wird bahnenweise mit 10 bis 15 Zentimeter Überlappung verlegt. In einem Abstand von etwa 50 Zentimetern sollte diese Überlappung ebenfalls mit Heringen im Boden verankert werden. Ist eine feste Beeteinfassung aus Beton gewünscht, sollte der Rand des Unkrautvlies am besten unter das Pflasterbeet gelegt werden, damit auch an den Rändern kein Unkraut durchwächst.

Ist das Material auf der Fläche befestigt, kann gepflanzt werden. Hierzu schneiden Sie mit einem scharfen Messer, je nach Topfgröße der Pflanze, einen Kreuzschlitz oder ein kreisrundes Loch in das Vlies.

Ein kleiner Tipp: Stellen Sie die Pflanzen vor dem Setzen erst einmal auf die Fläche und betrachten Sie, ob Ihnen die Pflanzabstände zusagen. Ist erst einmal ein Schnitt gemacht, lässt sich dies nicht mehr so leicht rückgängig machen.

Rosenbeet
Bedecken des Unkrautvlies mit edler Pinienrinde und kräftiges Angießen der Rosen. (c) Florian Wolf

Das Gehölz oder die Staude kann nun wie gewohnt in den Erdboden eingepflanzt werden. Das Unkrautvlies sollte dabei wenn möglich nicht mit Erde bedeckt werden und dicht an der Pflanze anliegen. Ist dieser Schritt vollzogen, sieht es schöner aus, wenn die Fläche mit einer vier bis fünf Zentimeter dicken Mulchschicht abgedeckt wird. Außerdem verdunstet dann das Gießwasser um den Wurzelballen nicht so schnell. Die günstigste Variante ist dabei das Verwenden von Hackschnitzeln oder Rindenmulch, welches zum Beispiel beim Ausästen der Feldränder anfällt und jetzt hierfür verwendet werden kann. Eine deutlich teurere, aber edlere Möglichkeit ist das Abdecken des Unkrautvlieses mit sogenannter Dekor-Pinienrinde. Diese ist im Handel in feiner, mittlerer oder grober Körnung erhältlich. Die mittlere Variante eignet sich dabei meist am besten, weil sie alle Stellen optimal ausfüllt und somit keine Freiflächen entstehen. Pro 70-l-Sack muss mit 12 bis 14 Euro jedoch recht tief ins Portemonnaie gegriffen werden.

Auch aus Gründen der Haltbarkeit ist das Mulchen unverzichtbar. Durch die UV-Strahlung bleibt das Material ohne Schutzschicht nur wenige Jahre stabil und bekommt Risse. Im Übrigen gibt es seit ein paar Jahren auch abbaubares Unkrautvlies, welches ideal für oben erwähnte Hangbepflanzungen eingesetzt werden kann. Dieses Gewebe besteht aus natürlichen Rohstoffen und baut sich innerhalb von ein bis zwei Jahren ab. Dann sollten Bodendecker zugewachsen sein und das Vlies hat seine Aufgabe erfüllt.

Pflegeleichter Garten: Bewässerungsautomaten einsetzen

Mittlerweile sind auf dem Markt die verschiedensten Möglichkeiten an automatischen Bewässerungssystemen erhältlich. Die Produktauswahl reicht dabei von der Tröpfchenbewässerung bis hin zum vollautomatischen Smart Garden. Dadurch wird das Gießkannenschleppen überflüssig. Eine Tätigkeit, die insbesondere im Sommer häufig an erster Stelle steht. Das Grundprinzip ist ganz simpel: An den Wasserhahn oder eine Zisterne mit Gartenpumpe wird ein Druckminderer mit Filter angeschlossen. Von einem Hauptschlauch (Verlegerohr) führen kleinere Verteilerrohre mit einzelnen Tropfern, die im gewünschten Abstand platziert werden können, direkt zu den Pflanzen. Das Verlegen der Rohre bietet sich sowohl unterirdisch als auch oberirdisch an.

Bei Einsatz von Vlies inklusive Mulchschicht bietet es sich an, die Schläuche auf dem Vlies zu befestigen und anschließend mit Mulch zu bedecken. Verschiedene Hersteller bieten mittlerweile ganze Komplettpakete an. Hier sind sämtliche Einzelteile enthalten und der Gärtner spart sich das mühsame Zusammensuchen der einzelnen Komponenten im Fachgeschäft. Jedoch schon vor dem Verlegen von Vlies oder dem Integrieren einer Bewässerungsanlage kann durch eine gezielte Pflanzenauswahl viel Zeit eingespart werden. Gehölze wie Magnolien, Rhododendron oder Japanische Fächerahorne benötigen zum Beispiel keinerlei Rückschnitt. Dadurch fällt nicht nur das stundenlange Suchen nach der fachgerechten Beschneidung weg. Dem Grundstücksbesitzer bleibt auch einfach mehr Zeit, um die Ruhe und den pflegeleichten Garten auf der Gartenliege oder der Hängematte zu genießen.

Sternmagnolie

Ungewöhnliche Blütenform

Mit ihren atemberaubenden, weit geöffneten Blütensternen macht die Sternmagnolie ‚Royal Star‘ bereits ab Anfang April auf sich aufmerksam, die mit einer Größe von 10 bis 15 cm aufwarten. Mit einem dichtverzweigten, buschigen Wuchs und einer maximalen Höhe von 2 bis 3 m ist diese auch für kleinere Gärten gut geeignet. Sie blüht für Magnolien eher untypisch bereits als junge Pflanze und zählt zu den kostbaren Frühlingsblühern. Der optimale Standort sollte möglichst sonnig und windgeschützt sein. Aufgrund des etwas empfindlichen Wurzelwerks werden humus- und nährstoffreiche Böden bevorzugt. Alternativ sollte bei der Pflanzung ausreichend Pflanzerde untergemischt werden, um ein Verbesserung des Bodens zu erzielen. Magnolien müssen grundsätzlich nicht zurückgeschnitten werden, da sie von Natur aus eine malerische Krone mit unzähligen Blüten bilden. Auch im Alter vergreisen diese nicht.


Florian Wolf

Termin beim Gartenfriseur

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Eier zu Ostern: Alles dreht sich ums Ei

… ob roh zum Auspusten oder gekocht zum Färben und Verstecken – zu Ostern dreht alles ums Ei. Doch wie frisch muss es sein, wie lange ist es haltbar und aus welcher Haltung stammt es – hier ein Überblick.

Generell gilt: Rohe Eier haben ein Mindesthaltbarkeitsdatum von 28 Tagen. Dieses ist meist auf der Verpackung angezeigt oder lässt sich anhand des angegebenen Legedatums berechnen. Wurde das Ei kühl gelagert, kann es auch einige Tage nach Ablauf der 28 Tage noch für Speisen verwendet werden, die für längere Zeit auf 70 Grad Celsius erhitzt wurden, erklärt das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE).

Wer zu Ostern viele Eier ausgepustet hat und nicht die ganze Eimasse auf einmal verbraucht, kann sie einfrieren. Bei minus 18 Grad Celsius hält sie sich bis zu einem halben Jahr.

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Titelseite Bauernzeitung Ausgabe 35/2024

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Eier Im Kühlschrank aufbewahren

Eier, die bunt verziert werden sollen, kommen zuvor mindestens zehn Minuten in sprudelnd heißes Wasser. Werden sie länger gekocht, bildet sich ein grünlicher Ring um den Dotter, der auf einer chemischen Reaktion zwischen dem Eisen im Eigelb und dem Schwefel im Eiweiß beruht. Die Eiqualität wird dadurch aber nicht beeinträchtigt, so das BZfE.

Korb mit Ostereiern
(c) Imago/BE&W; Imago Images/Cavan Images

Eier sollten immer im Kühlschrank im Eierfach oder im Eierkarton aufbewahrt werden – idealerweise mit der Spitze nach unten. Unter der runden Seite der Schale befindet sich nämlich die Luftkammer, die dann nicht nach oben wandert und dabei das Eindringen von Keimen erleichtern würde, erklärt die Initiative „Zu gut für die Tonne“. Hart gekochte Ostereier sollten ebenfalls in den Kühlschrank, so halten sie sich zwei bis vier Wochen.

Die meisten Eier im Supermarkt stammen aus Deutschland. Da hierzulande mehr Eier verbraucht als produziert werden, ergänzen vor allem Eier aus den Niederlanden das Sortiment. In Deutschland werden hauptsächlich Eier aus Bodenhaltung angeboten, gefolgt von Eiern aus Freilandhaltung und ökologischer Erzeugung.

Einige Bio-Betriebe und Handelsketten bieten auch Eier von Legehennen an, deren sogenannte Bruderhähne weiter aufgezogen und gemästet werden. Diese Eier sind zwischen einem und vier Cent teurer, denn mit dem Erlös wird im landwirtschaftlichen Betrieb die Mast der männlichen Küken unterstützt.

Rezept Russische Eier
(c) „Sachsen-Anhalt Kulinarisch“ Buchverlag für die Frau Leipzig

Rezept und Foto: „Ostdeutsche Gerichte mit Geschichte(n) – gekocht und erlebt von Herbert Frauenberger“; BuchVerlag für die Frau Leipzig.

Eier zu Ostern: Russische Eier mit Lachs und Kaviar

Zutaten: 4 Eier, 150 g Halbfettbutter, 1TL Senf, 2 Spritzer Worchestersauce, 2 Scheiben Räucherlachs, 4 Mokkalöffel Kaviar (z. B. Primuskaviar). 1 Zweig Petersilie, 75 g Schmand, 1 kleines Bund Schnittlauch, 4 Scheiben Toastbrot, Salz, weißer Pfeffer

Zubereitung:

  • Eier acht bis zehn Minuten kochen, kalt abschrecken, pellen.
  • Dann die Eier halbieren, das hartgekochte Eigelb herausnehmen und durch ein Sieb streichen.
  • Nun die zimmerwarme Halbfettbutter, den Senf, die Worcestersauce und eine Prise Salz zugeben und mit einem Rührgerät schaumig rühren.
  • Die Eimasse in einen Spritzbeutel mit Sterntülle füllen und in die Eihälften dekorativ einfüllen.
  • Die Räucherlachsscheiben halbieren, jeweils eine Hälfte zu einem kleinen Röllchen zusammenrollen und diagonal auf die Eimasse setzen.
  • Mit einem kleinen Löffel den Kaviar – deutscher oder Primuskaviar stammt meist vom Rogen des Seehasen – daneben setzen und mit einem kleinen Stück vom Petersilienzweig garnieren.
  • Schmand und feingeschnittenen Schnittlauch mit etwas Salz und weißem Pfeffer verrühren, davon je zwei Kleckse auf einen Teller geben. Darauf die garnierten Eier setzen.
  • Mit einer Scheibe ofenwarmem Toast servieren.

Eierschalen dürfen in die Biotonne

Aus welcher Haltungsform die Eier stammen, können Verbraucher dem Stempel auf dem Ei entnehmen: Ist die erste Ziffer eine 0, stammt das Ei aus Ökohaltung, 1 steht für Freilandhaltung, 2 für Boden- und 3 für Käfig- oder Kleingruppenhaltung. Die nachfolgenden zwei Buchstaben auf der Kennzeichnung stehen für das Land, in dem die Legehenne das Ei gelegt hat: DE für Deutschland, NL für Niederlande.

Eier, die die Aufzucht von Bruderhähnen unterstützen, haben keine spezielle Kennzeichnung, sondern werden meist auf der Verpackung beworben. Für verzehrfertige gefärbte Eier gelten diese Regeln allerdings nicht, erläutert die Verbraucherzentrale Hessen. Und wohin mit den Eierschalen? Sie bestehen überwiegend aus Kalk und dürfen in die Biotonne. Das gilt auch für bunte Ostereier, die mit Lebensmittelfarben gefärbt sind.

Ostereeier: Gemüsesud zum Färben

Eine schöne Alternative zu künstlichen Lebensmittelfarben sind natürliche Farben. Dafür geeignet sind zum Beispiel kräftige Sude aus Roter Bete, Rotkohl, Spinat oder Kurkuma, aber auch aus Kaffeesatz und Zwiebelschalen. Für eine intensive Färbung macht es Sinn, die gekochten Eier über Nacht und im Kühlschrank ziehen lassen. Für besonders kreative Ergebnisse sorgt der Gummibänder-Trick: Dazu die bereits gekochten Eier mit einem Gummiband überziehen. Dann entstehen neben der Farbe weiße Streifen.

Traditionell werden in vielen Gegenden zu Ostern Soleier gegessen. Dazu werden hart gekochte Eier, deren Schale aufgeklopft wird, in eine starke Kochsalzlösung gelegt, die je nach Region auch noch mit Kümmel versetzt wird. Durch die Salzlösung werden die Eier konserviert und bleiben ohne Kühlung haltbar. red

Wenn ideologische Hüllen fallen

Die Agrarminister der 16 Bundesländer haben sich nun auf einen neuen Gesetzentwurf betreffend der zukünftigen gemeinsamen EU-Agrarpolitik geeignet.

Es kommentiert Ralf Stephan

Ein Schwerverbrechen soll angeblich unausweichlich sein, wenn man drei Bauern unter einen Hut bringen will. So hieß es früher. Heute ist das, wie wir wissen, ganz anders. Heute lautet die Frage eher: Wie kommen Agrarministerinnen und -minister aus 16 Ländern unter einen Hut – noch dazu, wenn sie sechs verschiedenen Parteien angehören und elf von ihnen zugleich das Umweltressort leiten?

neuer Gesetzentwurf steht

Chefredakteur der Bauernzeitung/Deutschland: Ralf Stephan. 2019
Ralf Stephan, Chefredakteur der Bauernzeitung

Dass die Sonderkonferenz, die eine einheitliche Position der Länder zur künftigen gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) hervorbringen sollte, zweimal keine vorzeigbaren Beschlüsse vorlegen konnte, hatte für viel Kritik, ja Spott gesorgt. Am Freitag voriger Woche nun war es so weit: Nach drei Treffen, die alle bis in die tiefe Nacht gingen, und 33 Verhandlungsstunden lagen die wichtigsten Eckpunkte vor, wie sich Konservative, Grüne, Sozialdemokraten, Linke und Liberale die Umsetzung der EU-Beschlüsse nicht nur in dem von ihnen mitregierten Bundesland, sondern bundesweit vorstellen können.

Das letzte Wort ist damit noch nicht gesprochen. Denn die nötigen Gesetzesentwürfe muss die Bundeslandwirtschaftsministerin vorlegen. Bislang schafften sie es noch nicht ins Bundeskabinett. Das lag nicht nur daran, dass die Agrarreform in Brüssel noch gar nicht beschlossen ist. Wie es die Länderminister taten, könnten die auf EU-Ebene noch offenen Fragen mit Vorbehalt behandelt werden. Der eigentliche Konflikt besteht mit dem Bundesumweltministerium, das sich auf eine extreme Ökologisierung der Direktzahlungen versteift hatte. Der Kompromiss der Länder könnte den Knoten durchschlagen. Die Reaktion der Bundesumweltministerin fiel positiv aus. Nun muss sich zeigen, was sie wert ist.

kein Geld verdienen mit umweltleistungen

Ob der Preis der Einigung für die Bauern zu hoch ist, wird in nächster Zeit viele Diskussionen bestimmen. Auch wenn Umweltorganisationen und manche Bauernvertreter anderes behaupten: Der erste Schritt in einen Systemwechsel wäre mit diesem Kompromiss gemacht. Denn ursprünglich waren die Direktzahlungen eine Kompensation für den Wegfall von Stützpreisen. Die einkommenssichernde Komponente schrumpft weiter – und zwar deutlich. Die Basisprämie fiele nach den Vorschlägen der Länderminister auf ungefähr 140 €/ha. Fast die Hälfte der verfügbaren EU-Gelder fließt künftig ohnehin nur, wenn im Gegenzug ökologische Leistungen erbracht werden. Die aber kosten nicht nur Ertrag, sondern erfordern mitunter – wie Blühstreifen – zusätzlichen Aufwand. Offen ist, ob die Zahlungen in der angedachten Höhe diese Einbußen ausgleichen. Davon, mit Umweltleistungen Geld zu verdienen, wird vermutlich immer noch keine Rede sein können.

Kaum ignorieren kann die Bundeslandwirtschaftsministerin das einstimmige Votum der Länder gegen Degression und die 300-ha-Obergrenze bei der Umverteilungsprämie. Obwohl Baden-Württemberg am liebsten bei 300 ha eine Kappung einführen wollte, scheiterte Klöckners Plan. Und zwar vor allem an den Grünen im Osten. Er sei der Minister aller Landwirtinnen und Landwirte in Brandenburg, begründete der Potsdamer Ressortchef Vogel seine Haltung. Sein Parteifreund Günther brach eine Lanze für die sächsischen Agrargenossenschaften und ihre Rolle auf dem Lande. Lag es an der späten Stunde oder sorgte die Regierungsverantwortung dafür, dass ideologische Hüllen fielen? Sei‘s drum.

Rhönschafe: Rasenmäher per Mausklick

Lämmer für den Garten, die den Aufwuchs kurz halten, sind gefragt. Der Thüringer Thomas Kümpel verkauft seine überzähligen Rhönschafe deshalb sehr erfolgreich übers Internet.

Von Birgitt Schunk

Auch in diesem Frühjahr hat Thomas Kümpel „Rasenmäher“ im Internet angeboten. Mit Gartentechnik handelt er jedoch nicht. „Seit zwei Jahren verkaufe ich so meine Lämmer, die ich nicht für die eigene Zucht brauche“, sagt er. Von seinem Vater, der gleich nach der Wende mit der Zucht von Rhönschafen begonnen hatte, übernahm er einst die Herde. Heute hält der Nebenerwerbslandwirt aus dem südthüringischen Hermannsfeld, das zur Gemeinde Rhönblick gehört, 23 Muttern plus Nachzucht – alles Herdbuchtiere.

Vor Jahren nahm die Züchterfamilie noch an Auktionen teil. „Doch für einen Nebenerwerbler ist der zeitliche Aufwand recht hoch. Ich denke da an die Untersuchungen, Auflagen und Vorbereitungen. Und dann sind die Tiere noch nicht mal am Veranstaltungsort. Deshalb haben wir einen anderen Weg gesucht.“ Hinzu kam, dass die Händler weniger stark an den Rhönschaflämmern interessiert waren. Zwar ist die Rasse robust, genügsam und wie geschaffen für die Mittelgebirgsregion der Rhön, aber die Tiere bringen nun mal weniger Kilos auf die Waage. „Das erreiche ich auch nicht über mehr Kraftfutter. Rhönschafe sind eben keine Fleischrasse.“

Rhönschafe: Riesige Resonanz

Böcke mit kurzem Schwanz sucht  Thomas Kümpel für seine Zucht.
Böcke mit kurzem Schwanz sucht Thomas Kümpel für seine Zucht. (c) Birgitt Schunk

In dieser Saison hat Thomas Kümpel bereits alle Lämmer über ebay-Kleinanzeigen online verkauft. Sie gehen ab Mai an die neuen Besitzer, die die Tiere auf dem Hof in Hermannsfeld abholen. Die Anzeige nahm er nach vier Wochen vom Netz, denn die Resonanz war 2021 wieder riesig. Über 1.500 Mal wurde sie aufgerufen und über 50 Mal auf die Merkliste gesetzt. Dies zeige das große Potenzial dieses Vermarktungswegs. „Ich hätte die doppelte und dreifache Anzahl verkaufen können“, berichtet der Züchter. Dabei fiel ihm erneut auf, dass sich sogar Interessenten von weit her wie etwa aus dem Vogtland oder dem unterfränkischen Dettelbach bei Würzburg meldeten. Letztes Jahr ging ein Tier in den Harz: „Auf dem Weg zu mir fahren die künftigen Besitzer ganz sicher an einigen Züchtern vorbei, die sie aber nicht kennen können, da sie nicht im Internet zu finden sind“, sagt der 49-Jährige. „Hier gibt es also auch für andere Züchter noch viel Potenzial beim Lämmerabsatz.“ Vor Jahren lief der Nachwuchs den Sommer über in der Herde mit und wurde erst im Herbst vermarktet. Doch die letzten beiden trockenen Jahre mit sehr geringem Futteraufwuchs beförderten Kümpels Gedanken, die Lämmer bereits im Mai an den Mann oder die Frau zu bringen. 18 ha Grünland bewirtschaftet der Nebenerwerbsbetrieb – unter anderem am ehemaligen Grenzstreifen. „Auf einer Fläche von vier Hektar hatten wir vor drei Jahren 70 Rundballen Heu, ein Jahr später war es gerade mal die Hälfte.“ Nicht nur durch die fehlenden Niederschläge, sondern auch durch die Extensivierung ging der Ertrag des Grünlande stetig zurück.

Ganz ohne Aufwand geht allerdings auch der Verkauf übers Internet nicht. „Da muss man schon täglich nachschauen und Anfragen beantworten“, weiß Kümpel. Es passiert auch, dass man fünfmal hin- und herkorrespondiert und der Interessent am Ende abspringt. Stutzig wird Kümpel immer dann, wenn ganz spezielle Fragen kommen. „Wenn jemand ein Schaf kaufen will und gleichzeitig wissen möchte, was solch ein Tier überhaupt frisst, dann wird man hellhörig.“ Kümpel begrüßt natürlich, wenn Leute mit der Schafhaltung beginnen wollen. „Das führt wieder zu etwas mehr Bindung an die Landwirtschaft und zur Achtung vor den Mühen – wer ein Lamm hält, wird sich außerdem sicher nicht beschweren, wenn morgens mal der Hahn des Nachbarn kräht.“ Vielen Menschen sei die Nähe zum Landleben abhandengekommen. Sie wollten zwar die Ruhe auf dem Dorf, aber auf keinen Fall Traktorengeräusche oder gar Düngergeruch. Auch in seinem Ort habe sich viel verändert. „Heute halten hier noch drei Höfe ein Schwein und schlachten. Bis zur Wende war unser Metzger in einer Saison über 100 Mal im Einsatz.“

Fütterung: Die Lämmer kommen separat an ihr Futter heran. Im Mai verlassen die verkauften Tiere den Hof.
Fütterung: Die Lämmer kommen separat an ihr Futter heran. Im Mai verlassen die verkauften Tiere den Hof. (c) Birgitt Schunk

Ratschläge gibt es gratis

Ein Erlebnis ist Kümpel ganz besonders im Gedächtnis geblieben. Vor vielen Jahren hatte er einem Bekannten zwei Lämmer verkauft. Nach zwei Wochen kam der neue Besitzer und meinte, dass die Tiere herumdrucksten und nicht fräßen. Als der Züchter fragte, ob sie denn wenigstens saufen würden, schaute der Mann ungläubig. „Dass die Tiere neben Gras natürlich auch Wasser brauchen, wusste er nicht.“ Und so versucht Kümpel, den künftigen Gartenlammbesitzern auch ein paar Ratschläge mit an die Hand zu geben.

Nicht alle seine abgegebenen Lämmer arbeiten nur als „Rasenmäher“ und landen im Herbst als Braten auf dem Teller. „Teilweise haben die neuen Besitzer, wenn es Züchter waren, die Herdbuchtiere dann in ihren Verbänden angemeldet.“ Und dass, obwohl Kümpel nur jene Tiere anbietet, die etwa Fehlzeichnungen aufweisen und in seiner Herdbuchzucht nicht zum Einsatz kommen. Am Anspruch, alle Rassemerkmale zu erfüllen, macht der Hermannsfelder keine Abstriche. „Eine Punktlandung gelingt natürlich in der Zucht nicht immer.“ Für sich selbst hat er allerdings noch ein weiteres wichtiges Zuchtziel ausgegeben. „Ich verzichte auf das Schwanzkupieren und konzentriere mich darauf, Tiere mit kürzeren Schwänzen zu züchten.“ Höheren Infektionsdruck oder vermehrte Krankheiten gibt es dadurch in seiner Herde nicht. Auch der Bock verrichtet erfolgreich seine Arbeit und kommt bei den Muttertieren, die ebenso den Schwanz behalten, gut zum Zuge. „Wir haben die Diskussion bei den Schweinen und werden sie bald bei den Schafen haben – solche Eingriffe werden immer mehr hinterfragt“, sagt Kümpel. „Wir sollten uns mit dem Thema rechtzeitig befassen.“

Vor allem bei den Böcken gibt es seiner Ansicht nach keinen Grund fürs Schwanzkupieren. So hält er immer wieder Ausschau nach Tieren mit kürzeren Schwänzen, um sie einsetzen zu können und letztendlich Zentimeter für Zentimeter zu einer geringeren Länge zu kommen. „Das würde das Kupieren überflüssig machen. Ärgerlich ist nur, dass bei den Bockauktionen eigentlich keine unkupierten Böcke angeboten werden – fehlt der Schwanz, kann man nicht mehr gezielt die passenden Vererber aussuchen.“ Kümpel weiß, dass dies in einer kleinen Herde leichter umzusetzen ist als in einem großen Betrieb. „Trotzdem muss man über solche Ansätze nachdenken.“

Ziegen
(c) Birgitt Schunk

Von Kuh bis Katz’

Einst erlernte Kümpel den Beruf des Facharbeiters für Tierproduktion mit Abitur. Neben den Schafen und zwei Mutterkühen hält er auf dem Hof zudem vier Ziegen, die den Heckenaufwuchs kurz halten. Enten, Gänse, Puten, Hühner, Thüringer Schildtauben, Hund und Katzen gibt es ebenso – ums Federvieh und dessen Zucht kümmern sich seine Frau und einer der beiden Söhne.

Mit der Wiedervereinigung sah Kümpel einst allerdings wenig Zukunftsaussichten, in der Landwirtschaft einen guten Job zu finden. Überall wurden seinerzeit Stellen abgebaut. Er orientierte sich neu und studierte Vermessung. Heute ist der dreifache Familienvater in einer Behörde der Flurbereinigung tätig. Auf die Rhönschafe setzt er vor allem wegen des vorzüglichen Fleisches. Das übrigens wusste schon Napoleon zu schätzen. Bekanntschaft damit machte er, als er einst mit seinen Soldaten durch die Rhön zog. Er war so begeistert, dass er – zurück in Frankreich – befahl, auch dort regelmäßig für Rhönschaffleisch zu sorgen. Daraufhin wurden jedes Jahr riesige Schafherden aus der Rhön nach Paris getrieben.

Doch neben dem Fleisch fasziniert Thomas Kümpel natürlich das Erscheinungsbild seiner Rhönschafe. „Wenn ich mit den Tieren am Dachsberg bin und Koppel baue, dann ist das für mich nicht Arbeit, sondern Ausgleich und Entspannung.“

Schneeglöckchen …

… soweit das Auge reicht. In und um die sächsische Renaissancestadt Torgau blühen in den Parks und Gärten Abertausende Galanthus nivalis. Wir haben uns auf die Spuren der weißen Frühblüher begeben, die erstmalig auch Bestandteil einer Landesgartenschau sein werden.

Von Bärbel Arlt

Und diese führen uns zunächst in den Schneeglöckchengarten von Döbrichau. „Rund 200 Sorten blühen hier um die Wette“, sagt Gartenbesitzer Dr. Harald Alex, der sein Frühblüherreich für interessierte Besucher kostenlos öffnet und gern die verschiedenen Sorten erklärt.

Doch bevor wir durchs weiße Gartenreich streifen, informiert uns der leidenschaftliche Sammler und Züchter, der sich einst mit Tulpen und Rollrasen beschäftigte, erstmal, wie er seine Liebe zu den Schneeglöckchen fand. „Das ist noch gar nicht so lange her. 2015 unternahm ich mit meiner Frau Gudrun eine Busreise durch Ostengland und wir besuchten täglich mehrere Parks und Klosteranlagen, unter deren ausladenden Eichenbäumen riesige weiße Teppiche waren.“ Das war für den studierten Gartenbauingenieur so faszinierend, dass er sich als Souvenir ein paar Zwiebeln der Sorte „Sam Arnott“ kaufte und diese mit nach Hause brachte.

Und dann nahmen die Dinge ihren Lauf und der Garten füllt sich seither mit Schneeglöckchen aus vielen Ländern und Regionen – so aus der Türkei, dem Kaukasus, der Ukraine, aus Griechenland, den Niederlanden, Belgien und vor allem aus England und Schottland. Für die 25 beliebtesten britischen Glöckchenblumen hat er in seinem Garten sogar eine Insel gestaltet. Schon bald soll auch ein Steingarten fertig sein, in dem sich nur wildwachsende Schneeglöckchen aus den Alpen, der Türkei und dem Kaukasus tummeln werden.

Und während Dr. Alex von seinen Plänen erzählt, kommen wir aus dem Staunen gar nicht mehr raus, denn jede Sorte schaut beim genauen Betrachten anders aus. So unterscheiden sie sich in Wuchshöhe, Blütenform und Blütenfarben. Das große Elwes-Schneeglöckchen aus der Türkei kann zum Beispiel bis zu 30 cm groß werden und hat in der weißen Blüte viele grüne Farbmarkierungen. Beeindruckend sind auch die gelblichen Blüten der englischen Wendy’s Gold.

Nicht nur im Frühling

Besonders stolz aber ist der 71-jährige Döbrichauer auf seine herbstblühenden Sorten. „Viele denken, Schneeglöckchen erfreuen uns nur im Frühjahr. Weit gefehlt – sie blühen durchaus schon ab Oktober.“ Und dazu gehört das Königin-Olga-Schneeglöckchen (Galanthus reginae – olgae) aus Griechenland, das ihm der bekannte schottische Schneeglöckchengärtner Ian Christie höchst persönlich geschenkt hat. „Wir haben während eines Aufenthalts in Schottland einfach mal auf gut Glück bei ihm vorbeigeschaut. Er hieß uns herzlich willkommen und verabschiedete uns mit der Olga.“ Und die Samen im Fruchtknoten hütet Dr. Alex jetzt wie seinen Augapfel, denn Ameisen sind schnell dabei, sie wegzuschleppen.

Apropos Ameisen und Bienen: Die haben fleißig mit dafür gesorgt, dass im Döbrichauer Garten inzwischen an die 20.000 Schneeglöckchen blühen. Von Jahr zu Jahr werden es mehr. Und auch durch Kreuzungen bilden sich neue Sorten, die oft noch keinen Namen haben. „Doch getrennt weiterkultiviert, können die Besten als Namenssorten angemeldet werden“, so Dr. Alex.

Dr. Harald Alex
Dr. Harald Alex ist leidenschaftlicher Sammler von Schneeglöckchen. In seinem Döbrichauer Garten, der Besuchern offen steht, wachsen rund 200 Sorten der weißen Frühjahrsblüher. (c) Thomas Uhlemann

Doch nicht nur im Döbrichauer Schneeglöckchengarten zeigen sich die weißen Schönheiten in großer Anzahl. Sie wachsen u.a. auch entlang des Lutherweges zwischen Torgau und Herzberg, auf dem Kirchhof in Wildschütz, im ehemaligen Bauernhof Ottersitz und vor allem auch im benachbarten brandenburgischen Uebigau. Im dortigen, im 19. Jahrhundert angelegten Gutspark wetteifern sie derzeit mit Krokussen und Winterlingen um die Gunst der Besucher. Das aber war nicht immer so, denn das etwa zwei Hektar große Areal war verwildert, von Bungalows, Schuppen und Garagen, Koniferen verunstaltet.

Doch 2008 stellte der Cottbuser Landschaftsarchitekt und europaweit bekannte Schneeglöckchenzüchter Hagen Engelmann seine Ideen für die Neugestaltung der historischen Anlage vor. Seither wurden Sichtachsen geschaffen, Teiche, Wege angelegt – und Tausende von Schneeglöckchen gepflanzt, die Klaus-Peter Manig allesamt ans Herz gewachsen sind.

Der Uebigauer Staudengärtner hält den Gutspark ehrenamtlich in Schuss und hat immer ein wachsames Auge auf seine weiß blühenden Schützlinge, die ihre Wurzeln in vielen Ländern Europas haben, so in Schottland, England, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz, Österreich, Polen, Tschechien und Italien. Und immer wieder trudelt neue Schneeglöckchenpost bei ihm ein.

Blick in die Geschichte

Und auch in der 1.000-jährigen Renaissancestadt Torgau gehören die weißen Schönheiten längst zum Stadtbild. Sie verzieren den Rasen im Torgauer Stadtpark und den Rosengarten am Schloss Hartenfels, wo zum 500. Reformationsjubiläum aus 16.000 Schneeglöckchen die Porträts von Martin Luther und seiner Frau Katharina von Bora entstanden waren.

Auch hinter dem russischen Soldatenfriedhof wachsen sie auf 1.000 m2 und in jedem der rund 2.400 Torgauer Kleingärten. „Ursprünglich
waren sie hier gar nicht heimisch“, erzählt Dr. Alex, der für die sächsische Landesgartenschau 2022 eine Studie über die Frühblüher angefertigt hat.

Pilger aus Kleinasien sollen einst die Zwiebeln der Galanthus nivalis in die Klöster gepflanzt haben, wo das Schneeglöckchen als reine, weiße Marienblume verehrt wurde. So auch im historischen Torgauer Apotheker- und Kräutergarten, der samt Gartenhäuschen seit zwei Jahren vom Förderverein der Landesgartenschau 2022 gehegt und pflegt wird. Dr. Alex, Vizevorsitzender des Vereins, erzählt, dass im 1563 erschienenen, reich illustrierten „Kreutterbuch“ des Torgauer Mediziners und Naturforschers Johann Kentmann viele Pflanzen aus dem Apothekergarten abgebildet sind, darunter auch ein Schneeglöckchen. „Er nannte es ‘Kleine Weiße Hornblume‘. Dieses Bild ist der erste farblich dokumentierte Nachweis von Schneeglöckchen in Europa“, sagt er voller Stolz. Und zur Erinnerung daran steht im Apothekergarten sogar ein sandsteinernes Schneeglöckchendenkmal. Aufgrund der Geschichte und des Reichtums an Frühblühern in der Elbregion in und rund um Torgau ist es nur folgerichtig, dass sie mit in die Landesgartenschau 2022 einbezogen werden.

Gärtnertipps
Schneeglöckchen sind pflegeleicht und am besten lässt man sie in Ruhe wachsen. Zum Vermehren sollte man sie nach der Blüte teilen und dann vereinzelt gleich wieder einpflanzen. Die kleinen Zwiebeln kommen etwa sieben bis zehn Zentimeter tief in den Boden. Auch gekaufte Zwiebeln sollten schnell in die Erde. Denn sie haben keine schützende Hülle wie eine Tulpe. So verlieren sie schnell Feuchtigkeit. Sind sie zusammengeschrumpelt sollte man sie einen Tag ins Wasser legen. Gern mögen Schneeglöckchen Herbstlaub und fürchten sich nicht vor Schnee und Eis. Auch haben sie kaum Probleme mit Schädlingen oder Krankheiten. Gefährlich werden kann ihnen eventuell die Narzissenfliege. Sie legt nach der Blüte beim Einziehen der Blätter die Eier an den Erdlöchern ab, aus denen die Maden schlüpfen, in die Zwiebeln eindringen und sie von innen auffressen. Durch das Mulchen der Schneeglöckchenflächen werden die Löcher verdeckt und der Befall wird vermindert.

So veranstaltet der Förderverein in Vorbereitung der Landesgartenschau bereits seit zwei Jahren im historischen Proviantmagazin eine Frühblüherausstellung. „In diesem Jahr musste sie leider wegen von Corona ausfallen, doch wir hoffen jetzt auf eine Ausstellung im Oktober, bei der selbstverständlich auch Schneeglöckchen bestaunt und gekauft werden können.“ Denn schließlich blühen diese, so haben wir ja im Döbrichauer Garten gelernt, schon ab dem Herbst und erfreuen uns dann je nach Sorte bis in den April hinein.


Mehr Informationen finden Sie hier: www.fv-laga-torgau.de

Mehrpreismodelle statt Milchsee

Molkereigenossenschaften suchen nach Lösungen aus dem Niedrigpreis. Sind Mehrpreismodelle ein Puzzleteil zur Lösung der Probleme am Milchmarkt?

Von Benjamin Meise, Geschäftsführer der Fürstenwalder Agrarprodukte GmbH (Brandenburg), www.agrafrisch.de

Auf dem Fernwanderweg der Ötztaler Alpen kommt man am Milchsee vorbei. Ob nun Kleiner oder Großer Milchsee – bei einer aussichtsreichen Bergtour in den Südtiroler Alpen beeindruckt die Landschaft.

Benjamin Meise
Benjamin Meise (c) Sabine Rübensaat

Milchseen und Butterberge sind bei Wiedereinführung von Mindestpreisen, mit denen so manch ein Landwirt im Blick auf die Milchgeldabrechnung und die seit Jahren niedrigen Milchpreise liebäugelt, keine Option, waren sich auf dem Berliner Milchforum Anfang März die Experten einig. Einige Betriebe würden bei festem Mindestpreis die Milcherzeugung weiter maximieren. Dazu meint Peter Stahl, Präsident des Milchindustrie-Verbandes schon zur Pressekonferenz zum Milchpolitischen Frühschoppen im Januar dieses Jahres: „Die Teilnehmer blenden aus, dass wir zu viel Milch auf dem Markt haben.“

Preisdifferenzierung für Mengensteuerung

Marktinstrumente wie Risikomanagement und die Absicherung von Preisen finden erst seit Kurzem den Weg in die Milchbranche. In der Sektorstrategie 2030 heißt es: „Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind dauerhaft eingeführte Preisdifferenzierungsmodelle zur Mengensteuerung in Molkereien […] geeignet.“

Es gibt große Berührungsängste unter den Landwirten bezüglich einer Preisdifferenzierung (Mehrpreismodell), wobei der erste gelieferte Liter besser bezahlt wird als der letzte. Die Idee zu einer Preisdifferenzierung (Zweipreismodell, A/B-Preis, Mehrpreismodell) ist aus der Kritik an dem seit Jahrzehnten üblichen „Einpreismodell“ entstanden. Es ist quasi eine Weiterentwicklung des Einpreismodells und bietet damit eine moderne Form der Milchgeldabrechnung.

„Die Milchmenge ist wohl ein entscheidender Faktor bei der Suche nach einer nachhaltigen Lösung der Krise. […] Sinnvoller dürfte es sein, über Anreize dafür zu sorgen, dass Erzeuger ihre Produktionsmenge freiwillig senken.“ Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes (Juli 2016)

Kritikpunkte am Einpreismodell

Der Preis eines Produktes hat in einer Marktwirtschaft unter anderem auch eine Informationsfunktion. Er gibt den Akteuren Auskunft darüber, wie die Versorgungslage eines Marktes ist. Fällt der Preis, ist das ein Indikator für eine Überversorgung. Steigt der Preis, wird eine Verknappung angezeigt.

Der Produzent reagiert auf die Preise, indem er mehr oder weniger produziert. Der Kunde reagiert, indem er mehr oder weniger kauft. Ein schönes Beispiel hierfür sind die Opec, die Organisation Erdöl exportierender Länder und der Rohölmarkt. Das funktioniert auch bei allen Milchprodukten. Ständig ändern sich die Preise und Absätze von Butter, Käse, Pulver und weiteren Milchprodukten. Hierüber informieren nur externe Quellen. Es wird aber nicht beim Blick auf die Milchgeldabrechnung deutlich.

Die meisten Molkereien bilden in der Regel aus allen Verwertungen einen Durchschnittspreis, den sie dann an die Milchlieferanten auszahlen. Jeder gelieferte Liter wird zum selben Preis abgerechnet. In Phasen hoher und stabiler Milchpreise ist das auch ausreichend.

Übersicht

Leider haben die Preisschwankungen seit 2006 massiv zugenommen. Und es ist auch nicht absehbar, dass sie sich wieder beruhigen werden. Das Problem bei einer Durchschnittspreisbildung ist, dass sie Marktsignale für die Milchbauern verschleiert. Ohne dass es die Erzeuger merken, wird leider viel zu oft Milch produzieren, die zum Teil verramscht werden muss, weil es schlicht zu viel gibt. Beispielsweise wurden in einer großen deutschen Molkerei aktuell 13 Prozent der Rohmilch über Trinkmilch und Mozzarella für gerade einmal 26 Cent verwertet. Eine kostendeckende Produktion von Rohmilch ist zu diesem Preis nicht möglich.

Durch diese Preisverschleierung übersehen Milcherzeuger die allerersten Warnsignale, die auf eine drohende Überversorgung des gesamten Milchmarktes hinweisen. Die nun sehr wichtige rechtzeitige Angebotsreaktion der Produzenten bleibt aus.

Neben der verschleierten Marktinformation ist das größte Problem eines Einpreismodelles die falsche Anreizwirkung. In der Theorie sollte der Produzent bei fallenden Preisen etwas weniger produzieren, um durch eine Verknappung des Angebots den Preisverfall aufzufangen. In der Praxis beobachten wir, dass Milchbauern eigentlich ständig maximal produzieren. Schlimmer noch: Sie versuchen bei fallenden Milchpreisen den betrieblichen Liquiditätsrückgang durch eine höhere Milchleistung zu kompensieren. Leider heizen sie so den Preisverfall erst richtig an.

Erst viel zu spät, wenn der Milchpreis unter circa 25 Cent gefallen ist, reagieren die Betriebe mit Abstockung und Betriebsschließungen. Beim Einpreismodell wird also entweder ganz oder gar nicht gemolken. Es lohnt sich einzelbetrieblich einfach nicht, zwischendurch auch mal etwas weniger zu melken.

„Es bedarf einer besseren Abstimmung der Absatzlage und Rohstoffbeschaffung […]. Diese strategische Milchmengensteuerung kann nur gemeinsam mit einer Änderung der Lieferverträge […] funktionieren.“ Christian Schmidt, Bundeslandwirtschaftsminister (August 2016)

Vorteile von Mehrpreismodellen

Je nach Ausgestaltung des Mehrpreismodelles kann der Vorteil gegenüber „Es bedarf einer besseren Abstimmung der Absatzlage und Rohstoffbeschaffung […]. Diese strategische Milchmengensteuerung kann nur gemeinsam mit einer Änderung der Lieferverträge […] funktionieren.“ CHRISTIAN SCHMIDT, Bundeslandwirtschaftsminister (August 2016) einem Einpreismodell darin liegen, dass es sich einzelbetrieblich lohnt, etwas weniger zu melken. Würde man beispielsweise in unserer großen deutschen Beispielmolkerei nicht 100 Prozent der angelieferten Milch wie aktuell mit 32 Cent vergüten, sondern entsprechend der tatsächlich schlechtesten Verwertung 13 Prozent der Menge mit 26 Cent, so blieben für die verbliebenen 87 Prozent der Milch schon 33 Cent zur Auszahlung übrig. Es würde so eine Preisdifferenzierung entstehen mit einem A-Preis von 33 Cent für die ersten 87 Prozent und einem B-Preis von 26 Cent für die letzten 13 Prozent der jeweils angelieferten Milch eines Betriebes.

Jedem Milchproduzent würde sofort klar, dass er einen Teil seiner Milch nicht mehr kostendeckend produzieren kann. Er müsste sich nun die Frage stellen, ob es sich für ihn lohnt, die B-Milch weiterhin zu produzieren.

Abbildung

Es wird Wachstumsbetriebe geben, die zur Bedienung ihres Kapitaldienstes zu 100 Prozent melken müssen. Diese bekommen weiterhin analog zum Einpreismodell 32 Cent für jeden gemolkenen Liter. Sie haben durch ein Mehrpreismodell keine Schlechterstellung gegenüber der traditionellen Abrechnung durch ein Einpreismodell.

Es wird aber auch Betriebe geben, die sich für eine Anpassung ihrer Produktion entscheiden und im besten Fall sogar bis zu 13 Prozent ihrer Menge reduzieren. Diese Betriebe werden bei Abrechnung über ein Mehrpreismodell mit einem durchschnittlich höheren Auszahlungspreis belohnt. Gleichzeitig entlastet jeder bewusst reduzierte Liter Milch den Gesamtmarkt für alle Milchproduzenten. Die strikte Abrechnung nach einem Einpreismodell verhindert, dass flexible Betriebe ihre Produktionsmengen optimieren. Damit verlieren beide Betriebstypen. Die „Flexbetriebe“, weil sie gezwungen werden, wider besseres Wissen maximal zu melken, und die „Maxbetriebe“, weil sie nicht von der Marktentlastung ihrer Berufskollegen profitieren können.

„Verschiedene Preismodelle wie […] eine verwertungsbezogene Preisstaffel sind zu diskutieren, in den Unternehmen individuell zu entscheiden und umzusetzen.“ Karsten Schmal, Milchpräsident DBV (Oktober 2016)

Nachteile von Mehrpreismodellen

Wie immer auf dieser Welt, so gibt es auch bei Mehrpreismodellen eine Kehrseite der Medaille. Diese zu erkennen, ist wichtig, um die Vorzüge voll auszukosten und die Nachteile zu begrenzen.

Sicher ist eine Milchgeldabrechnung nach einem Mehrpreismodell etwas komplexer als bisher. Aber es adressiert auch die für viele unrentable Milchpreisentwicklung. Es stellt sich zum Beispiel sofort die Frage, woraus sich denn die theoretische Produktionskapazität eines Betriebes bemisst. Diese Frage kann nur ganz individuell zum Beispiel mit der Anzahl der Stallplätze multipliziert und mit der durchschnittlichen Pro-Kopf-Leistung im Vorjahresmonat berechnet werden.

Sicherlich stellen auch zusätzlich schwankende Anlieferungsmenge und temporär weniger gut ausgelastete Molkereianlagen eine gewisse Herausforderung dar. Schlecht durchdachte Modelle regen vielleicht sogar zur Manipulation an. Aber diese Themen sind lange nicht so schwierig wie das Überleben bei 20 Cent.

Letztlich dürfte der Markteinfluss der durch erste Mehrpreismodelle flexibilisierten Milchmengen eher marginal sein. Es ist nicht abzustreiten, dass es sich hierbei zunächst um eine „Archipel-Lösung“ handelt. Aber der Einfluss wirkt ab dem ersten überdachten Liter sowohl einzelbetrieblich als auch auf dem Gesamtmarkt. Je flexibler die Betriebe und Molkereien werden, umso mehr können die Kräfte des Marktes wieder für und nicht – wie derzeit – gegen die Erzeuger arbeiten.

Milchauto
Der Milchtank ist die „Bank“ der Milchviehhalter. (c) Fritz Fleege

Praxisbeispiele

Mehrpreismodelle werden beispielsweise bereits erfolgreich bei FrieslandCampina oder der Molkerei Söbbeke GmbH eingesetzt. Auch in der Schweiz gibt es seit 2011 ein ABC-Preissystem, wobei die Schweiz eher ein Beispiel dafür ist, dass ein schlecht konzipiertes Mehrpreissystem nicht den gewünschten Erfolg liefert.

Um es mit den Worten von Albert Einstein zu sagen: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und trotzdem zu hoffen, dass sich etwas ändert.“

FAZIT

Mehrpreismodelle haben das Potenzial, wieder für dauerhaft nachhaltige Preise bei den Milchbauern zu sorgen. Sie sind eine vollkommen marktwirtschaftliche Lösung ohne staatliche Einmischung, ohne Quotenkosten und bieten jedem Betrieb die Entscheidungsfreiheit über seinen Produktionsoutput. Mehrpreismodelle können flexibel und passend zu jeder Molkerei entwickelt werden. Wenn man sie erst verstanden hat, sind sie nicht kompliziert. Wichtig ist, dass sie vorab gut durchdacht sind, bevor sie in die Praxis eingeführt werden. Das Risiko, sie zu nutzen, ist deutlich geringer als die vertane Chance, sie nicht zu testen.


Unser Autor beantwortet gerne Ihre Fragen zum Thema Mehrpreismodelle. Sie erreichen ihn unter: sekretariat@agrafrisch.de



Keine Luftschlösser: Lüftung in Schweineställen

Wie groß müssen Lüftungsanlagen mindestens sein und was ist dabei der Schlüssel für gutes Stallklima? Stehen Tieranspruch und Luftraten im Vordergrund oder eher die Möglichkeiten zur Temperaturreduzierung?

Von Dr. Manfred Weber, Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen Anhalt, Iden

Optimales Klima in Ställen ist Voraussetzung für beste Leistungen der Schweine, aber auch für die Leistungsfähigkeit der im Stall arbeitenden Personen. Oft werden erst dann Defizite im Stallklima festgestellt, wenn lüftungsbedingte Krankheitserscheinungen wie Husten oder Verhaltensanomalien wie Schwanz- und Ohrenbeißen auftreten.

Höhere Schadgasgehalte, besonders im Winter, werden von vielen Tierbetreuern hingenommen, „weil das eben so ist im Winter“. Aber gerade dort liegen die Ursachen für die oben aufgeführten Probleme. Hohe Schadgaskonzentrationen, aber auch zu hohe Luftbewegungen (Zugluft), reizen den tierischen Organismus und bieten damit Eintrittspforten für Krankheitserreger und wer öfter bei hohen Ammoniakgehalten Tiere sortieren, wiegen und verladen muss, der weiß, wie stark die Atmungsorgane danach beansprucht sind. Daher sollte alles Mögliche getan werden, um die Lüftung in Schweineställen zu optimieren und über eine intelligente Regelung einen guten Kompromiss zwischen Energieaufwand und Luftqualität zu finden.

Frische Landluft

Durch die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung hat die Luftqualität in den Ställen aber nun noch einmal eine neue Dimension erhalten. Zwar werden immer noch die Einhaltung der Maximalwerte für Luftschadstoffe von


gefordert, aber gegenüber der älteren Fassung dieser Verordnung dürfen diese Werte nun überhaupt nicht überschritten werden. Dies stellt viele Schweinehalter vor neue Herausforderungen. Zudem haben sich die Zahlen der DIN 18910, welche für die Lüftung und Wärmedämmung geschlossener Ställe maßgebend ist, geändert. Auch die neuen Forderungen, der in Änderung befindlichen TA Luft, werden es den Schweinhaltern sicher nicht leichter machen.

Lüftung in Schweineställen: Neue DIN 18910

Die DIN 18910 ist keine Norm für das Stallklima oder die Ausführung von Lüftungsanlagen. Bei ihr handelt es sich um eine Planungs- und Berechnungsgrundlage für die Dimensionierung der Lüftung, wobei die Wärmedämmung des Stalles mit einbezogen wird. Sie wurde im Jahr 2017 neu gefasst. Aus den in der DIN aufgeführten Mengen an Wasserdampf, Kohlendioxid und Wärme, die von den Tieren abgegeben werden und … (€)

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Lesen Sie die Reportage in voller Länge in der Ausgabe 11 der Bauernzeitung.
(+ weitere Tabellen und Diagramme)

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Lernort Bauernhof: Durchatmen und anpacken

Die traditionelle Bundestagung Lernort Bauernhof gab es in diesem Jahr erstmals im digitalen Format. 160 Teilnehmende diskutierten u. a. übers veränderte Lernen in Coronazeiten sowie eine zukunftsfähige Bildungsarbeit und erlebten, wie viel Gemeinschaft im digitalen Format möglich ist.

Von Annette Müller-Clemm, Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof

Wie ein roter Faden zogen sich die Herausforderungen, die die Corona-Pandemie allen Aktiven auferlegt, durch die Beiträge: Was tun, wenn plötzlich die „Welt stillsteht“ und keine Kindergeburtstage, keine Jahreskurse, keine Schulklassenbesuche mehr stattfinden können? Mit großer Offenheit berichteten die Vortragenden über ihre Schwierigkeiten, ihre Empfindungen und ihre Erfahrungen. Die Lösungen waren vergleichbar, aber doch unterschiedlich, und sie motivierten die Zuhörer: Verschnaufen, durchatmen und dann anpacken.

Lernort Bauernhof: Bauernhofkisten in Thüringen

Online mit dabei war auch Marie Scharf vom Biohof Scharf aus dem thüringischen Ollendorf (Landkreis Sömmerda). Sie berichtete über den Anfang der pädagogischen Arbeit auf dem Hof, die Einbindung in die betrieblichen Abläufe und ihre Erfahrungen in der Corona-Zeit. So wurden gemeinsam mit den Eltern und den drei Geschwistern unterschiedliche Arbeitsbereiche organisiert. Sie ist als Bauernhofpädagogin Einzelunternehmerin und hat bei der Gründung 2018 bewusst entschieden, nicht mit in den elterlichen Landwirtschaftsbetrieb einzusteigen, sondern für die Bauernhofpädagogik ein Einzelunternehmen anzumelden. In dieser Struktur sieht Marie Scharf viele Vorteile: „Ich kann den Hof für die pädagogische Arbeit nutzen und arbeite dabei eng mit meinen Geschwistern zusammen.“

Marie Scharf hofft, dass auf dem Biohof die Bildungsarbeit bald wieder starten kann.
Marie Scharf hofft, dass auf dem Biohof die Bildungsarbeit bald wieder starten kann. (c) Privat

Als Motor des Gelingens hob sie immer wieder die gegenseitige Unterstützung auf dem Hof und in verschiedenen Netzwerken hervor. Die Tagungsteilnehmenden waren begeistert von den Bauernhofkisten, die sie mit viel Kreativität aus Zutaten des Hofes packt – zum Beispiel für das Bauen von Nistkästen, das Ziehen von Popkornmais, Kräutern, Blumen und auch fürs Kuchenbacken. Auf die Idee kam sie, weil die Kinder pandemiebedingt nicht zu ihr auf den Hof kommen konnten. Auf diese Weise bietet sie nun Bauernhof-Erlebnisse zum Mitnehmen an, hält so den Kontakt zu Interessierten und macht Kunden des Hofladens auf ihr pädagogisches Angebot aufmerksam.

Auch wenn die weggebrochenen Einnahmen damit nur zu einem kleinen Teil auszugleichen sind, signalisiert sie ihre Präsenz und bleibt aktiver Teil des Netzwerkes rund um den Hof. Sobald die Corona-Regeln gelockert werden, starten wieder die Erlebnisse auf dem Bauernhof. Wie kann das tägliche Lernen auf dem Bauernhof die Schule von morgen bereichern? Antwort darauf geben deutschlandweit immer mehr Bauernkindergärten und Bauernhofschulen. Waren Kindergärten auf dem Bauernhof noch vor 18 Jahren Pioniere, haben sich inzwischen deutschlandweit etwa 60 Bauernhofkindergärten etabliert.

Dorfschule im Wismarer Land

Einen sinnvollen Übergang vom Bauernhofkindergarten zur Bauernhofschule zu schaffen, war die Idee bei der Gründung der Dorfschule Wismarer Land im Jahr 2016. Unter dem Titel „Wachsende Kinder – wachsende Aufgaben: Wie wir die Herausforderungen auf dem Hof anpassen“, berichtete Clivia von Saalfeld, Gründungsmitglied und Gärtnerin der Gärtnerei Himmel und Erde in Mecklenburg-Vorpommern. Sie erinnerte an die euphorischen Pläne bei Gründung der Initiative und beschrieb gleichzeitig den beschwerlichen Weg bis zur Realisierung der Freien Schule, die sich an der Waldorfpädagogik orientiert. Das Arbeitsspektrum reichte von der Entwicklung eines Schulkonzeptes, das den schulpolitischen und behördlichen Anforderungen entsprechen musste, bis hin zur praktischen pädagogischen Arbeit, die in enger Abstimmung Hand in Hand zwischen Schule und Betrieb erfolgen muss. Die Nachfrage von Eltern, die ihre Kinder in dieser naturnahen und handlungsorientierten Form „beschulen“ lassen möchten, wächst stetig an. Gleichzeitig ist die Herausforderung groß, den Schülern, die seit Kindergartentagen die Gärtnerei kennen, auch in der fünften und sechsten Klassenstufe noch ein attraktives und motivierendes Lernumfeld zu schaffen.

Statt zu resignieren, lenkt Clivia von Saalfeld allerdings den Blick nach vorn. Mit einer großen Schulküche und unterschiedlichen Werkstätten soll Jugendlichen mittelfristig auch die Möglichkeit einer Ausbildung im Umfeld der Schule geschaffen werden. Das Ziel ist, die Gemeinschaft zwischen dem Dorf und der freien Dorfschule Wismarer Land weiter zu verstetigen und wachsen zu lassen.

In der Öffentlichkeit verankern

Die Gemeinschaft auf der Tagung hat Mut gemacht und motiviert, gemeinsam neue Ideen – auch digitale – zu entwickeln. Eine Zukunftsaufgabe wird sein, das Lernen auf den Bauernhöfen mit seinen vielfältigen Formen und seine Bedeutung für nachhaltige Entwicklung verstärkt in der öffentlichen Diskussion zu verankern. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof wird sich dem gesellschaftlichen Diskurs zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit stellen und ist sicher, dass die Bildungsarbeit auf dem Bauernhof nicht nur – aber erst recht – nach Corona an Bedeutung gewinnen wird.


Mehr Informationen über die Bundestagung und weitere geplante Veranstaltungen: baglob.de

LVG Köllitsch: Ein Ablammergebnis wie lange nicht mehr

Das Lehr- und Versuchgut Köllitsch hatte ein überdurchschnittlich gutes Ablammergebnis. Der nächste Schritt ist die Lammbonitur und dann bleibt noch zu hoffen, dass die Bockauktion nicht digital stattfinden muss.

Von Karsten Bär

Ein solches Resultat gibt es nicht alle Tage: Das Ablammergebnis von 183,9 Prozent bei den Lammungen aus Reinzucht übertrifft die Erwartungen im Lehr- und Versuchsgut (LVG) Köllitsch deutlich. „Ein Ergebnis über 180 hatten wir seit zehn Jahren nicht“, freut sich Birgit Kurze, Bereichsleiterin Schafe und Schweine im LVG. Das gute Abschneiden hatte sich bereits früh angedeutet (Bauernzeitung 6/2021, S. 5/6).

Nach Ablammsaison kommt Lammbonitur

Aus der ersten Anpaarungsrunde im Spätsommer gab es im Zeitraum von Ende Dezember bis 20. Februar exakt 174 Lammungen. Das erfreuliche Ablammergebnis geht dabei vor allem auf die Merinofleischschafe (MFS) zurück, die 190,7 Prozent erreichen. Bei den Schwarzköpfigen Fleischschafen (SKF), die gewöhnlich nicht ganz die hohe Fruchtbarkeit der Merinos zeigen, beträgt das Ergebnis 173,75 Prozent. Für beide Rassen ist es diesmal ein außergewöhnlich guter Abschluss.

BA-Student Pierre Scharnau schnupperte im LVG Praxisluft.
BA-Student Pierre Scharnau schnupperte im Lehr- und Versuchsgut Köllitsch Praxisluft. (c) Karsten Bär

Insgesamt waren im LVG im vergangenen Spätsommer und Herbst 211 Mutterschafe in der Anpaarung. Bisher haben rund 185 Muttern gelammt. Noch bis in den Mai hinein wird in Köllitsch Schafsnachwuchs erwartet. Es sind die letzten Kreuzungslämmer aus der zweiten Deckzeit, die für die Mast vorgesehen sind.

Der Ablammsaison folgt schon bald die erste Lammbonitur, die in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverband (SSZV) im April durchgeführt werden soll. Dann wird das erste Mal vorsortiert, welche Tiere für die Zucht infrage kommen und welche in die Mast gehen. Im Juni wird dann das zweite Mal bonitiert.

Bockauktion hoffentlich nicht digital

Fototermin mit den Jungböcken für die MFS-Elite und die Bockauktion.
Fototermin mit den Jungböcken für die MFS-Elite und die Bockauktion. (c) Birgit Kurze

Bereits ausgesucht sind die Jungböcke aus dem vorigen Jahr, die am 19. und 20. Mai bei der Merinofleischschaf-Elite und der Mitteldeutschen Bockauktion im nordsächsischen Kölsa ihren Auftritt haben werden. Sie sind am 18. Januar auf dem Hof gekört worden – „mit besten Ergebnissen“, so Birgit Kurze. Jeweils drei MFS- und SKF-Böcke, alle im Januar 2020 geboren, stehen für das Ereignis bereit. Die Veranstaltung unter Federführung des SSZV, an der sich wieder Schafzuchtverbände aus mehreren Bundesländern beteiligen, soll dieses Mal unter freiem Himmel stattfinden, weshalb die Organisatoren guter Dinge sind, dass sie auch tatsächlich stattfinden wird. Sicherheitshalber wurden die Jungböcke vergangene Woche trotzdem von Dr. Regina Walther vom SSZV-Vorstand fotografiert – falls wider Erwarten doch nur eine Internetauktion möglich sein sollte.

Beim „Fototermin“ der Böcke kam auch ein Neuling im Lehr- und Versuchsgut Köllitsch zum Einsatz. Seit Anfang März schnuppert der 41-jährige Agrarmanagement-Student Pierre Scharnau für einen Monat Praxisluft in Köllitsch. Eigentlich für die Arbeit im Schweinestall eingeteilt, griff er mit zu, als bei den Schafen Hilfe gebraucht wurde. Wobei es zusätzlich auch etwas zu lernen gab: Regina Walther vom SSZV gab gleich eine Unterweisung in Schafbeurteilung. „Ich lerne gern etwas dazu“, sagt er.

Praxisarbeit und theoretisches wissen

Die Landwirtschaft ist Pierre Scharnau alles andere als fremd. Der Vogtländer arbeitete zwar mehrere Jahre im Rettungsdienst, hat aber zuvor in der Landwirtschaft gelernt und seit 2013 sogar den Meisterbrief in der Tasche. Auf dem Hof eines Freundes hat er über die Jahre immer mal wieder ausgeholfen und so trotz anderer beruflicher Ausrichtung das landwirtschaftliche Handwerk nicht verlernt. „Ich habe mich mal links und rechts der Branche umgesehen“, erzählt er. „Aber dann hat es mich doch wieder zu dem zurückgeführt, wofür das Herz schlägt.“

Landwirtschaft sei eben eine Leidenschaft, meint Pierre Scharnau – auch wenn ihn diese Leidenschaft zuletzt nicht in einen Betrieb, sondern in die Landwirtschaftsverwaltung führte: Er war bei der Informations- und Servicestelle Plauen des LfULG in der Sichtprüfung für Flächenanträge tätig. Im LfULG absolviert er nun auch den Praxisanteil seines vorigen Oktober begonnenen dualen Studiums, wobei das LVG Köllitsch – und damit die landwirtschaftliche Praxis – nur eine Station ist. Verschiedene Verwaltungsbereiche, das Versuchswesen und die Stabsstelle Digitalisierung wird der Student ebenfalls noch kennenlernen.

Da er familiär ungebunden ist, fällt es ihm leichter, an verschiedenen Standorten in Sachsen eingesetzt zu werden. Auch wenn das Herz durchaus am Vogtland hängt. „Das ist halt meine Heimat“, sagt er. Zwischen den Ausbildungsteilen in der Praxis gibt es immer wieder längere Zeiträume, in denen er an der Berufsakademie Dresden in Vorlesungen und Seminaren theoretisches Wissen erwirbt. Und dies, wie er hofft, bald auch wieder in Präsenzveranstaltungen.

Dass das LfULG als Praxisbetrieb für sein duales Studium bereitstand, ist eine Ausnahme. Möglich wurde dies, weil Pierre Scharnau das Studium als Fortbildungsmaßnahme eines Versicherungsträgers absolviert. Im Landesamt sieht er aufgrund der Vielseitigkeit indes einen gut geeigneten Praxispartner für das duale Agrarmanagementstudium, wie es die BA Dresden anbietet. Und es könnte, wie er findet, das Potenzial für die Ausbildung von Fach- und Führungskräften auch auf dieser Ebene häufiger ausspielen.