Salers Rind: Robust unter extremen Bedingungen

Die Salers verdanken ihren Namen einem Ort in der Region Auvergne. Sie weisen gute Leistungen in Fleisch, Milch und Arbeit auch unter extremen Bedingungen auf.

Von Christoph Görner 

Die Salersrinder gehören zu den ältesten Rinderrassen Frankreichs und haben ihren Ursprung bei Rinderrassen vom nordafrikanischen Kontinent, die ihren Weg über die iberische Halbinsel in das französische Zentralmassiv nahmen. Die heute dort dieses Gebiet der Region Auvergne prägende Rasse soll ihren Namen nach dem Ort Salers erhalten haben.

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Salers Rind: Milch, Arbeit und Fleisch

Die im gesamten Zentralmassiv vorherrschenden klimatischen Bedingungen, bei Höhenlagen zwischen 700 und 2200 Metern sind lange Winter, viele Niederschläge, häufige Temperaturschwankungen und karge Futterangebote im zerklüfteten Gelände. All diese Gegebenheiten haben naturgemäß die Salers stark geprägt und manche Voraussetzung für ihre spätere Nutzungsrichtung verliehen. 

Eine gezielte züchterische Bearbeitung dieser Rasse begann Anfang des 19. Jahrhunderts. Entsprechend der bereits erwähnten Voraussetzungen, wurde diese Rinderrasse in dreierlei Richtung genutzt und züchterisch beeinflusst. Man verfolgte die Leistungsanforderungen hinsichtlich Milch, Arbeit und Fleisch, was zu Beginn des 19. Jahrhunderts für die dortigen Verhältnisse geradezu notwendig war. 

Trotz wenig Futter gute Produktion

Mit der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung veränderten sich auch die Zuchtziele bis in die jüngste Zeit. So wird diese Rasse zum heutigen Zeitpunkt züchterisch so bearbeitet, dass die Salers auch auf wenig futterreichen Standorten genügend Fleischansatz erreichen, mit ihrer guten Milchleistung wüchsige Kälber zur Babybeef-Produktion erzeugen und dass zumindest in Frankreich auch in manchen Gebieten noch schmackhafter Käse aus Salersmilch hergestellt wird. Die Salersrinder sind grundsätzlich einfarbig hell bis dunkel mahagonirot. Seltener sind auch schwarze Farbgene anzutreffen. 

Die Tiere gehören zu den mittel- bis großrahmigen Rinderrassen. Sie verfügen über lange, breite Becken, die eine erwünschte Leichtkalbigkeit bedingen und in der Fleischrindzucht immer positiv zu bewerten ist. Die sehr stabilen Fundamente garantieren eine gute Weidefähigkeit, was durch sehr feste und harte Klauen noch unterstützt wird. Nicht unerheblich ist die Verwendung der Rasse Salers als Kreuzungspartner mit anderen, großrahmigen Rinderrassen zur Erzeugung von Kreuzungstieren für die Mutterkuhhaltung aus ökonomischer Sicht. 

Salers Rind: Die wichtigsten Maße und Gewichte: 

BulleKuh
Kreuzbeinhöhe (cm)155-157145-147
Gewicht (kg)900-1200700-900
Geburtsgewicht (kg)3836
Erstkalbealter (Monate)27-29

Das heutige Verbreitungsgebiet erstreckt sich über ganz Frankreich und in einigen Gebieten von Deutschland, Spanien, Portugal, Süd- und Nordamerika.


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Agrargenossenschaft Teichel eG: Ein Hoch auf gute Nachbarschaft

Die Agrargenossenschaft Teichel eG stand wie viele andere Betriebe durch den plötzlichen Wintereinbruch vor Schwierigkeiten. Durch gute nachbarschaftliche Verhältnisse war schnell eine Lösung gefunden. Nun geht es darum, dass Jahr effizient zu planen.

Von Frank Hartmann

Es war knapp: Der heftige Wintereinbruch zu Beginn der zweiten Februarwoche machte der Agrar eG Teichel die Gärrestdüngung unmöglich. „Zum Glück taute der Schnee schnell ab“, weiß Ackerbauvorstand Eric Engelmann zu berichten. Dienstag voriger Woche waren die Winterweizenflächen gut abgetrocknet. So konnte der Dienstleister zügig 4.000 m³ düngen. Die Fahrspuren bezeugen gute Bedingungen. Zuvor war es aber notwendig geworden, gut 1.000 m³ Gülle früher als geplant an einen Nachbarbetrieb „abzugeben“. Auch hier konnte das Lohnunternehmen seine Schlagkraft unter Beweis stellen.

„Wir waren in der Lage, aufgrund der guten nachbarschaftlichen Verhältnisse, die die Agrargenossenschaft Teichel eG pflegt, die Gärreste bei unseren Nachbarn einzulagern. Was bitter ist, denn dieser gute Dünger wäre auf den eigenen Flächen besser aufgehoben“, so Engelmann. Jedoch verbieten Seuchenschutz und Wirtschaftlichkeit das spätere Zurückfahren der Gärreste. Es sei wichtig, dass sich die Bauern in Notlagen helfen! Der „Gülletourismus“ werde für den Betrieb erst dann ein interessantes Geschäftsfeld, wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen weiter von der Realität entfernten, merkt Vorstand Dr. Stefan Blöttner sarkastisch an.

Chris Schmidt macht die Drille fit.
Chris Schmidt macht die Drille fit. (c) Frank Hartmann

Witterungsbedingte Schwierigkeiten

Die enormen Schneemengen sorgten überdies für eine Havarie: Gleichwohl man mit höherem Druck schnell reagierte, gab die Hülle eines Fermenters unter der Last nach. Hier war „Knochenarbeit“ mit der Schaufel angesagt, um den nassen Schnee von der Hülle zu bekommen. Beim Freischippen des Daches half der benachbarte Landmaschinenhändler, der extrem kurzfristig einen Spezial-Teleskoplader zur Verfügung stellte, sodass die Kollegen zügig die Schneelast beseitigen konnten. „Zum Glück ist die Hülle nicht gerissen. Sie richtete sich wieder auf“, berichtet Engelmann erleichtert. Und erneut machten sich die guten nachbarschaftlichen Beziehungen in einer Notlage bezahlt.

Die Niederschläge zum Ende der vorigen Woche unterbrachen den schnellen und kompakten Start auf den Ackerflächen. Das Saatbett für die Sommerfuttererbsen (35 ha) konnte mit dem Grubber bereitet werden. Für die Sommerbraugerste (60 ha), das Sommergerste-Luzerne-Gemisch (33 ha) und das Hafer-Erbsen-Gemisch (17 ha) – beide zur GPS-Nutzung – sowie den zum Drusch geplanten Hafer (17 ha) stand zu Wochenbeginn das Grubbern noch aus. Auf diesen Flächen wurde im Herbst gepflügt. Montag dieser Woche erhielt die Rapid A 600 S nochmal den letzten Schliff, damit das Drillen flott vorangeht.

Liquiditätsplanung schwierig

Zum Einsatz kamen vorige Woche auch der Miststreuer und der Pflug. Und zwar auf einem Rest von Maisflächen, die im vergangenen Herbst nicht mehr zu schaffen waren. Der Winterraps sieht gut aus – auf den sandigen Standorten sogar hervorragend. Die meisten Schläge erhielten bereits eine Piamon-Gabe. In Abhängigkeit von der Bekämpfungsschwelle ging das Pflanzenbauteam gegen den Rapsstängelrüssler vor. Flottgemacht wurde der Mulcher, der in dieser Woche zur Pflege der Weideflächen ausrücken sollte. In Vorbereitung auf die Weidesaison wird das Wiesenschleppen beginnen. Engelmann und Blöttner geben sich optimistisch: Aus Pflanzenbauersicht läuft die Saison ziemlich gut an. Niederschläge gab es ausreichend: 65 mm regnete es im Januar und 38 mm im Februar, die bis zu 40 cm Schnee nicht berücksichtigt. Gut, sagen beide, dass der Boden nicht gefroren war und so das Tauwasser direkt versickern konnte. Von Frostschäden blieb man in Teichröda bisher verschont. Nach drei extrem schweren Jahren sei ein „normales“ bitter nötig.

Dazu zählt für Blöttner auch, dass etwa die Agrardieselentlastung, die man für gewöhnlich im Februar beantragt, nach vier bis sechs Wochen auf dem Konto ist. „Sie ist fester Bestandteil unserer Liquiditätsplanung. 2020 kam das Geld erst Ende Mai. In finanziell knappen Zeiten tut das richtig weh.“ Kopfschütteln löste bei ihm der zu Wochenbeginn vom Bundesagrarministerium vorgelegte Entwurf zur GAP-Ausgestaltung in Deutschland aus. „Ich kann wirklich nicht verstehen, warum größere Betriebe anders behandelt werden sollen als die Kleinen. Die Skaleneffekte eines ‚großen‘ Unternehmens gegenüber einem ‚kleinen‘ sind gerade mit Blick auf ökologische, ökonomische und soziale Leistungen eindeutig. Gern lade ich Frau Klöckner dazu ein, sich unsere natürlichen Bedingungen und unser Konto anzuschauen“, sagt Blöttner.

Die Fermenterhülle kapitulierte unter der Schneelast
Die Fermenterhülle kapitulierte unter der Schneelast. (c) Agargenossenschaft Teichel eG

Direktvermarktung darf nicht vergessen werden

Ungeachtet dessen sei die Agrargenossenschaft mit ihrer betriebswirtschaftlichen Beratung dabei, konzeptionelle Antworten auf die Krise zu finden. Ohne Details zu nennen, gehe es unter anderem darum, kostenintensive Flächen zu identifizieren und diese dann entsprechend zu nutzen. Etwa, indem das Wildgatter vergrößert wird. Denkbar sei, die Acker- und die Futterbauflächen klarer abzugrenzen und zu konzentrieren. „Wir kommen nur über mehr Effizienz voran“, ist Blöttner überzeugt.

Darüber vergesse man nicht die Direktvermarktung. Neben ihrer Wirtschaftlichkeit geht es um die Bindung zu den Menschen in den Dörfern. Ostern steht vor der Tür. Da dreht es sich verstärkt um die Wildvermarktung. Beworben wird in erster Linie Rot- und Damwild aus der eigenen Haltung. Für das Fest dürfen freilich frische Eier nicht fehlen. Dafür bietet der Hofladen speziell zu Ostern Ein-Kilogramm-Körbchen an – mit weißen und braunen Eiern aus dem Tochterunternehmen, dem Geflügelhof Teichweiden.


Im August beginnt Marie George, hier mit Vorstand Stefan Blöttner, ihre Ausbildung in Teichröda.

Agrargenossenschaft Teichel eG

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Gleichberechtigung von Frauen in der Landwirtschaft

Wie steht es in der Landwirtschaft um die Gleichberechtigung der Frauen? Wir sprachen darüber mit Prof. Dr. Claudia Neu vom Forscherteam der bundesweiten Studie „Lebenssituation von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben“.

Die Fragen stellte Bärbel Arlt

Frau Professor Neu rund um den Frauentag geht es immer wieder um die Gleichberechtigung. Wie sehen Sie die Situation der ostdeutschen Frauen?
Ostdeutsche Frauen haben auch gut 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ein anderes Selbstverständnis als westdeutsche. Das moderne Leitbild der Vollzeit berufstätigen Mutter wird von vielen Frauen befürwortet und gelebt. Gerade in der ostdeutschen Landwirtschaft kenne ich viele selbstbewusste und erfolgreiche Frauen. Zugleich gibt es in Sachen Gleichberechtigung durchaus noch einigen Nachholbedarf. Frauen leiten oder gründen sehr viel seltener einen landwirtschaftlichen Betrieb als Männer. Wie ist es um gleiche Entlohnung bestellt? Wie steht es um die gleichberechtigte Haushalts- und Familienarbeit zwischen Männern und Frauen? Leider ist hier die Datenlage sehr dürftig, vor allem im Hinblick auf die Situation von Angestellten in der Landwirtschaft. Ich freue mich, dass wir in unserer großen bundesweiten BMEL-Studie „Lebenssituation von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben“ die landwirtschaftlichen Angestellten besonders im Blick haben. Hier wird es eigene Fallstudien und viele Interviews geben.

Prof. Dr. Claudia Neu
Prof. Dr. Claudia Neu Universität Göttingen; Lehrstuhl Soziologie ländlicher Räume (c) privat

Die Bedeutung der Frau in der Landwirtschaft wird oft unterschätzt, was heißt das konkret?
Frauen übernehmen in der Landwirtschaft die unterschiedlichsten Rollen: Die einen sind Betriebsleiterinnen – wobei lediglich zehn Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe von Frauen geführt werden. Andere teilen sich diese Verantwortung mit einem Partner oder einer Partnerin. Wieder andere sind auf einem landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Betrieb angestellt. Viele Frauen helfen auch nur ab und zu im Betrieb mit. Frauen sind der rettende Stabilitätsanker, müssen dafür ständig einsatzbereit sein und springen für unzählige verschiedene Arbeiten ein. Zudem sind sie häufig die Initiatorinnen für neue Ideen und Betriebsdiversifikationen (Direktvermarktung, Urlaub auf dem Bauernhof, soziale Dienste). Und sie managen den Haushalt, die Erziehung der Kinder oder die Pflege der Eltern. Da kommt viel zusammen, das oft so gar nicht gesehen wird. Und es gibt Nachholebedarf, das alles wertzuschätzen.

Ist die BMEL-Studie ein Baustein, um das herauszufinden?
Unser Forscherinnenteam möchte die unterschiedlichen Arbeitszusammenhänge und Lebenswirklichkeiten von Frauen in der Landwirtschaft abbilden, eben hinter das Klischee der Bilderbuchidyllen schauen. Bei unseren Interviews sind Winzerinnen und Schäferinnen dabei, Altenteilerinnen und Angestellte, Betriebsleiterinnen und Herdenmanagerinnen. Alle haben viel zu erzählen. So können wir am Ende hoffentlich die Licht- und Schattenseiten des Lebens in der Landwirtschaft besser ausleuchten.

Worin besteht der Unterschied zu bisherigen Studien?
Unsere Studie ist nicht nur auf eine Region oder ein Bundesland ausgerichtet, sondern erlaubt Vergleiche zwischen Regionen, Betriebsformen und Lebensmodellen. Angestellte Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben kommen hier genauso zu Wort wie Altenteilerinnen oder ehemalige Angestellte. Wir wollen aber auch wissen, wie sich Veränderungen in Landwirtschaft und Gesellschaft auf das Leben der Frauen auswirken. Schließlich sollen aus den gewonnenen Ergebnissen Schlussfolgerungen für die Politik und die Arbeit der Verbände wie Bauernverband oder Land-Frauenverband gezogen werden.

Welche Zwischenbilanz können Sie ziehen?
In den bisherigen Interviews dreht es sich häufig um Arbeitsbelastungen, Familienarbeit und Rollenkonflikte, aber auch Gesundheit und Ehrenamt kommen zur Sprache. Und so unterschiedlich die Arbeitsabläufe auch sein mögen, die Nöte und Sorgen der Frauen unterscheiden sich kaum. Sie leiden unter der hohen Arbeitsbelastung, der Vielzahl ihrer Aufgaben sowie der Sorge um die Zukunft des Betriebes. Ein bisschen mehr Zeit für sich wünschen sich nahezu alle Frauen.

Umfrage

Noch bis Mitte April läuft eine bundesweite Online–Umfrage zur Studie. Welchen Stellenwert hat sie?
Sie steht gleichberechtigt neben den Interviews und Gruppengesprächen. Die große Zahl der Teilnehmerinnen erlaubt es, allgemeingültigere Aussagen zu treffen. Zentrale Fragestellungen sind Arbeitsbereiche, Haushalt und Familie, aber auch Gesundheit und Arbeitsbelastung.

Welche Veränderungen ergeben sich aufgrund von Corona und fließen diese mit in die Studie ein?
Für viele Frauen in der Landwirtschaft hat sich in ihren Arbeits- und Lebensabläufen nicht so viel verändert, das Vieh will versorgt sein, die Büroarbeiten müssen erledigt und die Felder bestellt werden – und Homeschooling kam hinzu. Insgesamt scheint die Pandemie im ländlichen Raum besser verkraftbar, da ausreichend Platz und Natur zur Verfügung stehen. Allerdings konnten wir aufgrund der Pandemie bisher nur wenige persönliche Gepräche führen. Das wollen wir im Sommer nachholen.

Wie ist die bisherige Reaktion auf die Online-Umfrage?
Die Pandemie hat uns massiv ausgebremst. Wir hätten auf den großen Agrarmessen oder der Grünen Woche in Berlin direkt mit den Frauen Kontakt gesucht. Trotzdem sind die Reaktionen positiv. Bisher haben rund 3.500 Frauen den Fragebogen beantwortet. In den fünf östlichen Bundesländern, aber auch dem Saarland könnten es noch mehr Frauen sein. Es wäre großartig, wenn sich vor allem auch die angestellten Frauen auf den großen Betrieben beteiligen. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei, die Belange von Frauen in der Landwirtschaft sichtbarer zu machen, die Vielfalt ihrer Lebensentwürfe abzubilden und ihren Forderungen Wahrnehmbarkeit und Raum zu geben.



Corona auf dem Dorf: Bürgernähe mit Abstand

Kein Tanz im Festzelt, kein gemeinsamer Sport und keine Treffen der Gemeindevertretung – die Corona-Pandemie legt das dörfliche Leben überall nahezu lahm. Kann sich da ein ehrenamtlicher Bürgermeister nicht getrost zurücklehnen? Wir haben uns in der Gemeinde Gneven- Vorbeck in Mecklenburg-Vorpommern umgeschaut und den Bürgermeister durchs Dorf begleitet.

Von Birgitt Hamm

Die Gemeinde Gneven-Vorbeck im Landkreis Ludwigslust-Parchim, 12 Kilometer östlich von Schwerin, besteht aus zwei kleinen Dörfern rechts und links der Warnow, die alles haben, was zu einer richtigen Idylle gehört: Wälder und Wiesen, Hügel und Seen, eine hübsche kleine Kirche, schmucke Herrenhäuser – und eine 775-jährige Geschichte, die die 380 Einwohner in diesem Jahr ausgiebig feiern wollten. Doch noch bestimmt die Corona-Pandemie das öffentliche Leben in Gneven. An Tanz im Festzelt und andere Jubiläumsveranstaltungen oder die beliebte Wald- und Wiesenolympiade ist nicht zu denken. Die Aktivitäten im Reitstall und auf dem Golfplatz sind eingestellt, das Gemeindehaus ist geschlossen für die Bürgerinnen und Bürger, die sich hier jede Woche treffen, um zu spielen, Handarbeiten zu machen, zu klönen, sich mit Sport und Yoga fit zu halten oder Familienfeste zu feiern.

Ortsschild Gneven
(c) Birgitt Hamm

Nicht einmal die Gemeindevertretung kann sich treffen, um die Geschicke des Dorfes zu lenken. Eine gute Zeit für den ehrenamtlichen Bürgermeister, die Hände in den Schoß zu legen – könnte man meinen. Doch Hubert Dierkes, der diese Funktion in der Gemeinde Gneven seit 2014 in der zweiten Amtszeit innehat, empfindet das keineswegs. Im Gegenteil, das Dorfleben trotz der Schutzmaßnahmen zu managen, erfordert sogar Mehrarbeit. „Ich bin jeden Tag im Gemeindebüro, denn der Berg von Verwaltungsarbeit bleibt – mit dem üblichen amtlichen Schriftverkehr, Telefonkonferenzen, der Begleichung von Rechnungen. Auch die Pflegearbeiten der über 300 gemeindeeigenen Bäume und der Streuobstwiese wollen ebenso organisiert sein wie die Erweiterung des Blühstreifens, die Ausschreibungen zum Spielplatz und der barrierefreie Umbau des Gemeindehauses und der Bushaltestelle. Um Letztere in Gang zu setzen, musste der Bürgermeister sogar ohne die gewählten Vertreter Eilentscheidungen treffen.

Aktion Dorfputz

Sozusagen Kür ist dabei eine Corona-kompetente Jubiläumsfeier. Geplant sind jedoch lediglich Veranstaltungen in der Natur wie die beliebte Seen-Wanderung, die im vergangenen Jahr aufgrund von Corona ausfallen musste, und Pflanzaktionen, über die die Gemeindevertretung noch entscheiden muss. „Nachdem der Dorfputz zweimal ausfallen musste, würde ich gern im Frühjahr wieder dazu einladen. Wenn wir jeder Familie eine Fläche zuordnen, dann klappt das schon mit dem Abstand.“ Auch ohne den anschließenden kleinen Imbiss kann sich Hubert Dierkes auf seine Gnevener während der Corona-Pandemie verlassen. „20 bis 30 Leutekommen immer mit Harken, Schaufeln, Heckenscheren, Schubkarren und packen mit an.“ Richtig gefeiert werden soll dann in zwei Jahren. 777 Jahre sind doch durchaus auch ein Anlass.

Gneven ist auch Bienen-Blüten-Reich und damit Teil des deutschlandweiten Netzwerkes Blühende Landschaften. Die Bienenweide, vor drei Jahren mitten im Dorf angelegt, wird erneuert und erweitert. „Bevor wir sie im Sommer mähen, lade ich alle ein, sich einen Sommerblumenstrauß zu pflücken.“ Ein Vorschlag, der typisch ist für den studierten Bauingenieur und begeisterten Hobbygärtner. Alles, was er plant, soll Gutes für die Bürger bringen.

Als er 2014 als einziger Kandidat der Gnevener Wählergemeinschaft aufgestellt wurde, war ihm die Bürgernähe sehr wichtig. „Ich wollte von Anfang für alle immer ansprechbar sein“, sagt er. „Extra-Sprechstunden brauchen wir nicht, ich wohne ja mitten im Dorf. Da sieht man sich und kommt ins Gespräch.“ Zudem organisierte er Ausflüge per pedes. Die erste Tour, bei der 30 begeisterte Wanderer mitkamen, führte rund um sechs der sieben Seen des Dorfes. Seitdem freuen sich viele Gnevener und Vorbecker, wenn ihr Bürgermeister sie zweimal im Jahr einlädt, zu Fuß die idyllische Umgebung zu entdecken. Und trotz Corona-Pandemie gibt es immer die Gelegenheit, ihn in Gneves auf der Straße oder über den Gartenzaun anzusprechen und Fragen loszuwerden: Wie geht es zum Beispiel weiter mit der Entsorgung des Grünschnitts? Wann sind wieder Seniorentreffen im Gemeindehaus möglich? Wie kommt man ohne eigenes Auto in das Impfzentrum nach Parchim?

Dass der Bürgermeister vor zwei Jahren mit großer Mehrheit wiedergewählt wurde, ist folgerichtig. Er hat ein offenes Ohr für jede Bürgerin, jeden Bürger, unterstützt die Senioren ebenso wie die Feuerwehr oder den Verein Dorfleben, die Interessengemeinschaften Froschzaun und Gemeindetreff. Sie alle schätzen seine sehr zupackende Art, Probleme zu lösen. „Das Bürgermeisteramt folgte direkt auf mein Ausscheiden aus unserem Ingenieurbüro“, erzählt der 70-Jährige. „Mein Prinzip, die Dinge gleich zu erledigen, habe ich nahtlos übernommen. Da warte ich nicht aufs Amt.“ Was aber auch bedeutet, dass er gut mit dem Amt zusammenarbeiten muss. „Im Berufsleben haben wir überwiegend öffentliche Aufträge abgearbeitet“, so der Bauingenieur, „da habe ich die notwendige Geduld und Hartnäckigkeit gelernt.“

Gneven: Sorgenkind Radweg

Beides wird beim wichtigsten Projekt der Gemeinde Gneven auf eine harte Probe gestellt: Die Straße zum Ortsteil Vorbeck schlängelt sich rund 1,5 km lang nicht nur idyllisch durch die leicht hügelige Landschaft, sie ist schmal und löchrig, für Fußgänger und Radfahrer gefährlich. „Schon bis 2009 sollte dort in eigener Planung ein Radweg entstehen“, erzählt Hubert Dierkes. Den gibt es noch immer nicht, denn für die Kreisstraße ist der Landkreis zuständig, der der Gemeinde alles aus der Hand nahm. Seit Jahren wird dort nun eine sechs Meter breite Fahrbahn plus Radweg geplant. Was aber nicht heißt, dass der Bürgermeister die Füße hochlegen darf. „Ich bin bei den wichtigsten Beratungen dabei, muss ja die Belange der Anwohner vertreten.“ Und seit die Vorbereitungen in die heiße Phase eingetreten sind, bespricht man sich mehrmals in der Woche. Wenn alles gut geht und der Kreistag im Juli zustimmt, damit die Aufträge vergeben werden können, wird es 2021 nun wirklich losgehen, hofft der Bürgermeister und verspricht: „Wenn in zwei Jahren ein Teil des Radweges fertig ist, werden wir richtig feiern. Die erste Etappe beim Straßenbau und den 777. Geburtstag von Gneven-Vorbeck.“


Lama-Haltung: Ist es gefährlich, wenn Lamas Vogelfutter fressen?

Lama-Opa Cäsar hat bei einem Ausflug vom Vogelfutter genascht. Kann das dem Lama-Wallach vom thüringischen Unstrut-Lama-Hof schaden? Wir haben beim Experten nachgefragt.

Von Bärbel Arlt

Lama-Wallach Cäsar ist im thüringischen Herbsleben zu Hause und gehört dort zur Familie der Unstrut-Lamas. „Seit rund zwölf Jahren lebt er bei uns und kam wie alle unsere Wallache aus der Tierrettung. Acht Jahre alt war er damals“, erzählt uns die Inhaberin vom Unstrut-Lama-Hof, Alina Kroll. Inzwischen ist Cäsar stolze 20 Jahre alt und damit der Opa in der Herde.

Trotzdem ist er manchmal noch wie ein junger Wilder unterwegs. „Letztens ist er wie ein Fünfjähriger den Berg hochgerannt. Einfach unglaublich“, so die Sozialpädagogin und beschreibt den kuschligen Vierbeiner so: „Er macht einfach sein Ding – damals wie heute.“ So musste am Weidezauntor extra ein Riegel angebracht werden. Denn er kann selbstständig das Tor auf- und zumachen. Das ist ungewöhnlich für ein Lama und so denkt Alina Kroll, Cäsar könnte mal ein Zirkustier gewesen sein. Als einziges Unstrut-Lama geht er durch Pfützen, rennt bei Wanderungen stets vorneweg und schaut, ob der Weg frei für die Herde ist. Trotz seines hohen Alters ist er immer noch ein weises und souveränes Leittier – und immer wieder für Überraschungen gut. So hat es der Lama-Opa doch neulich erneut geschafft, auszubüxen. Und das kam so: „Beim Füttern und Wassergeben wurde kurz der Bügel nicht geschlossen. Cäsar sieht das aus den Augenwinkeln und zack macht er die Tür einfach auf und stürzt sich auf das Vogelfutter“, berichtet uns Alina Kroll, die den Wallach beim Naschen erwischt und das mit einem Schnappschuss festgehalten hat – denn wann sieht man schon mal ein Lama am Vogelhäuschen! Doch so spaßig der Anblick auch war, Alina Kroll stellte das Foto auf Instagram verbunden mit der bangen Frage: Schadet das Futter dem Ausreißer? Hier die Antwort unseres Experten Dr. Manfred F. Golze.

Cäsar
Am liebsten würde Cäsar endlich wieder mit interessierten Besuchern durch die Unstrut-Aue wandern. (c) unstrutlamas

Streufutterräuber hat Glück gehabt

Plötzliche Konzentrat-Gabe und damit eine höhere Energie- und Stärkezufuhr kann für Wiederkäuer zu Ernährungsstörungen führen. Das gilt auch für die Lamas und Alpakas, zumal sie aus einer Gegend stammen, wo sie nahezu ausschließlich mit Weidefutter, dazu oft mit geringem Futterwert auskommen müssen. Die Sorge, dass das Streufutter dem Tier nicht bekommen könnte, ist somit nicht ganz unberechtigt. Meist besteht der größte Bestandteil aus Sonnenblumenkernen. Dazu kommen Körner verschiedener Hirse, Getreide, meist Hafer, manchmal davon auch Flocken, Weizen und ein paar Sämereien.

Es kann aber angenommen werden, dass diese kleine Menge von 200 bis 300 g Cäsar nicht geschadet hat. Wenn er den Beutel oder Sack erwischt hätte, dann wäre das schlimmer. Der Zugriff zu diesem Futter sollte aber vermieden werden. Wenn der „Schlawiner“ weiß, wo die „Schokolade“ ist, wird er noch aufmerksamer die Schließtechnik im Auge haben. Experte Golze rät daher zu einer automatischen Sicherung oder einem anderen Verschluss. Und aus ähnlichen Erfahrungen mit Ziegen macht es seiner Meinung nach Sinn, das Futterhäuschen auf einem zweiteiligen Stab für das Tier unerreichbar nach oben zu schieben und zu fixieren.

Wanderungen durch die Unstrut-Aue

Da hat Cäsar also noch mal Glück gehabt „und es geht ihm bestens“, versichert Alina Kroll. Dabei hat es Cäsar doch gar nicht nötig, Vogelfutter zu naschen. Denn Stroh und Heu gibt es für die insgesamt vier Wallache auf dem Unstrut-LamaHof reichlich und zudem sprießt schon bald nach der Schneeschmelze das frische Grün aus dem Boden. Die Tiere sind genügsam, denn auch in ihrer Heimat, dem Hochgebirge der Anden, ernähren sie sich von Gräsern, Sträuchern, Flechten und Blättern.

Doch nur fressen und im Stroh herumliegen gefällt den aufgeweckten Tieren nicht wirklich und sie langweilen sich. Zu gern würden sie endlich wieder mit Besuchern durchs wunderschöne Unstrut-Tal wandern. Doch der Lockdown verhindert das leider seit Monaten. „Dabei sind sie hervorragende Begleit- und Tragtiere und strahlen eine ansteckende Ruhe aus“, so Alina Kroll. Wer mit ihnen unterwegs ist, sollte unbedingt diese Ruhe teilen und den Stress zu Hause lassen. Zudem sind die Tiere mit ihrem kuschligen Fell gutmütig und schnell jedermanns Freund, auch wenn sie keine Kuscheltiere sein möchten und von Streicheleinheiten gar nichts halten. Auch füttern darf man sie nicht – wenngleich Oskar und Pasco, die zu den „Verfressensten“ in der Herde gehören, sicher zu dem einen oder anderem Leckerli nicht nein sagen würden.

Max und Cäsar
Lama Cäsar und Lama Max im Schnee. (c) unstrutlamas

Kurse für tiergestützte Arbeit

Doch nicht nur die Wallache warten sehnsüchtig auf Besucher und Wanderungen, auch Alina Kroll wünscht sich nichts sehnlicher, als dass es endlich wieder los geht, sorgen die Tiere doch mit für den Lebensunterhalt der Familie. Darüber hinaus sind Kurse, Praxisworkshops vor Ort und Online-Coaching, die von Alina Kroll angeboten werden, ein wichtiges Standbein des Familienbetriebes. Dabei geht es der diplomierten Sozialpädagogin vor allem um „tiergestützte Intervention“. „Das bedeutet, die Tiere ergänzen nur eine Therapie, sie selbst sind keine Therapietiere“, erklärt Alina Kroll, die auch als Referentin und Autorin tätig ist.

Die Kurse sind geeignet für Einsteiger in die tiergestützte Arbeit und übertragbar auf die Einsätze mit Hunden, Pferden, Ponys, Ziegen, Schafen und Schweinen. Auch viele Nebenerwerbslandwirte der Region, die Lamas und Alpakas halten, nehmen die Kurse gern an. „Nach nunmehr über zehn Jahren tiergestützter Arbeit mit Lamas, Alpakas und Hunden geben wir sehr gerne unsere Erfahrungen weiter – soweit es Corona wieder zulässt“, sagt Alina Kroll.


Mehr Informationen unter:
www.unstrut-lamas.eu; Facebook, Instagram: #unstrutlamas

Frauentag: Gleichberechtigt, aber schlecht gefördert

Obwohl in den letzten 100 Jahren bereits viel erreicht werden konnte, gibt es gerade im Bereich der Landwirtschaft noch starke Unterschiede. Wie sind weitere Veränderungen zu erreichen? Durch die Quote oder das „Gendern“? Oder braucht es doch einen anderen Ansatz?

Es kommentiert Heike Mildner

Montag ist der 8. März – seit 100 Jahren der feste Termin für den Internationalen Frauentag. Schon zehn Jahr zuvor hatten Frauen in Deutschland begonnen, sich demonstrierend Gehör zu verschaffen. Ein Unding damals, was heute für Frauen selbstverständlich ist: studieren, wählen und gewählt werden und generell ein Leben ohne männlichen Entscheider zu führen, ohne nicht gleich in die soziale (mindestens) Hölle abzusteigen.

Beruflich und Privat gleichberechtigt

Autorin Heike Mildner.

Danke, Clara & Co! Es hat sich gelohnt: Selbst fernab der Stadtluft, die bekanntlich frei macht, können wir hundert Jahre später fast zufrieden sein. Und viele sind es auch – zumindest dort, wo Kindergärten selbstverständlich sind und schon zwei, drei Generationen sie ohne allzu große Nebenwirkungen durchlaufen haben. Wählen zu können, hat schon was, erst recht, wenn es eine Vollbeschäftigung ist. Die beiden Landwirtinnen, die wir Ihnen in einem Artikel diese Woche vorstellen, fühlen sich jedenfalls beruflich und privat absolut gleichberechtigt. Sie gehören allerdings auch zu jener Minderheit, die künftig selbst einen Betrieb leiten wird.

Nur zehn Prozent der Betriebsleiter in Deutschland sind Frauen. Und auch in Ostdeutschland mit seinen Kindergärten und den einst üppigen Frauentagsfeiern sind es weniger als 20 Prozent. Nur zum Vergleich: Der EU-Durchschnitt liegt bei 28 Prozent, in Lettland und Litauen werden sogar 45 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe von Frauen geleitet.

„Gendern“ abgelehnt

Muss sich also etwas ändern? Markus W. Ebel-Waldmann sieht „dringenden Handlungsbedarf“. Er ist Präsident des VDL-Bundesverbandes Agrar, Ernährung, Umwelt und hat das Vorwort zur Studie „Frauen in Führungspositionen in den Bereichen Agrar, Ernährung und Gartenbau“ geschrieben, die sein Verband gerade veröffentlicht hat. Die Studie zeigt, dass nur jedes fünfte private Unternehmen im Agribusiness gezielt Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Führungspositionen anbietet. Nur die Hälfte der befragten Frauen sieht sich in ihrem beruflichen Fortkommen nicht behindert. Das sei „gelinde gesagt erschreckend“, so Ebel-Waldmann. Dennoch sprachen sich 61 Prozent der für die VDL-Studie befragten Frauen gegen eine Quote aus.

Neben der Quote wird eine andere „Frauenförderung“ derzeit heiß diskutiert. Das Gendern, liebe Landwirte und Landwirtinnen, liebe Tierhalter*innen und AckerbäuerInnen, ist in meiner kleinen, nicht repräsentativen Umfrage unter Agrarfrauen in Brandenburg sogar auf hundertprozentige Ablehnung gestoßen. Zwar würde es die Wirklichkeit besser abbilden, aber der Preis der Sprachverwurschtelung ist allen zu hoch. Sehen Sie es anders? Im Zweifel geht es um Ihre Zeitung, denn auch wir machen uns Gedanken darüber, wie sich die Frauen unter unseren Lesern am besten angesprochen fühlen – und zwar nicht erst im Dorf-und-Familie-Teil.

optimistisch in die Zukunft

Ob Frauen in 100 Jahren über diese Fragen nur noch müde lächeln? Und wenn: aus Erschöpfung oder weil sie auf die wichtigen Fragen längst Antworten gefunden und durchgesetzt haben? Ich bin Optimistin, gebe aber zu bedenken, dass Frauen weltweit weniger als 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche besitzen. Wäre das Verhältnis umgekehrt, sähe die Welt anders aus, da bin ich mir sicher.

Ein Jungrind als Geldanlage

Das Jungrind Poshspice trägt Doppelender-Gen für mehr Fleischansatz – und wurde für rekordverdächtige 299.000 Euro verkauft.

Von Stefan Schams, RinderAllianz GmbH

V12-Motor, zwei Turbolader und 571 PS, Vierradantrieb und Vierradlenkung – der neue RollsRoyce Ghost bietet sehr viel für 297.500 Euro. Das teuerste jemals verkaufte Limousinrind weltweit heißt Wilodge Poshspice und kostete noch mehr: Die 14-monatige Färse wurde am 29. Januar 2021 in Carlisle (Vereinigtes Königreich) für umgerechnet 299.000 Euro versteigert.

Gezüchtet wurde das Tier von Christine Williams und Paul Tippetts auf der Lodge Hill Farm in der Grafschaft Shropshire, England. Gekauft wurde das Rind von Charlie Boden, Sportmans Herd und Allan Jenkinson, Whinfellpark Herd als Gemeinschaftsbesitz. Für die beiden Käufer war sowohl das Erscheinungsbild des Tieres als auch die Informationen der Vorfahren (Pedigree) kaufentscheidend. Betrachtet man Poshspice vom Visuellen her, bildet das Tier perfekt den Rassetyp der Limousin ab.

Stretch-Limousine

Mit einer enormen Länge in der Mittelhand, den rassetypischen Aufhellungen um die Augen und dem Flotzmaul sowie im Innenbereich der Fundamente glänzt das Tier mit einer entsprechenden femininen Ausstrahlung. Als Vertreterin der Fleischrinder zeigt Poshspice eine enorme Fleischanlage im Rücken- und Keulenbereich. Abgerundet wird das Erscheinungsbild von sehr straffen Körperübergängen, einem breit angelegten Becken und sehr guten Fundamenten. Ein Blick auf das Pedigree offenbart das weitere Potenzial von Poshspice.

Der Vater, Ampertaine Elgin, bringt entsprechende Länge und Breite mit, bei einem sehr hohen Fleischansatz. Er selbst wurde seinerzeit für 32.000 Britische Pfund verkauft und führt berühmte Namen wie Samy, Broadmeadows Cannon und Sebastien in seinem Pedigree. Mütterlicherseits geht Poshspice auf Milbrook Gingerspice zurück, welche dreimal in Folge als Supreme Champion die Balmoral Show gewinnen konnte. Sie selbst geht auf den Bullen Wilodge Vantastic zurück.


Rinderrassen: Vielfalt, Eigenschaften und Besonderheiten

Holstein-Friesian, Jersey-Rind, Weiß-blaue Belgier – weltweit unterscheiden Experten rund 500 Rinderrassen.
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Mutation für Superkräfte

Eine weitere Besonderheit von Poshspice ist, dass sie das sogenannte Doppellender-Gen Q204X trägt. Die verschiedenen Mutationen der Doppellendergene führen dabei zu einem übermäßigen Muskelwachstum und haben weitere positive als auch negative Eigenschaften. Als positive Eigenschaften seien genannt: erhöhte Muskelmasse, weniger Knochenmasse, bessere Futtereffizienz und höhere Ausbeute der Schlachtkörper (Fleischausbeute).

Die fast gesamte Limousin-Population ist Träger einer anderen Doppellender-Mutation, der sogenannten F94L-Variante. Die als „Profit Gene“ bezeichnete Mutation verbessert den Fleischansatz und hat dabei keinen negativen Einfluss auf etwa das Geburtsgewicht oder den Kalbeverlauf. Die Kombination der beiden Doppellender-Varianten führt dann natürlich zur einer extremen Ausprägung der Bemuskelung, wie es auch unschwer an Poshspice zu erkennen ist.

Milchviehhaltung EuroTier: Guter Start ins Leben

Die diesjährige EuroTier fand zwar ohne Besucher statt, doch sie hat digital für große Aufmerksamkeit gesorgt. Wir haben zur Milchviehhaltung noch eine kleine Nachlese erstellt.

Von Fritz Fleege

Für Milcherzeuger und Rinderhalter gab es auf der EuroTier ein umfangreiches Angebot. In 55 DLG-Spotlights befassten sich Wissenschaftler und Praktiker mit aktuellen Themen. Da ging es um neue Haltungs- und Stallkonzepte sowie Fütterungskontrollen. Über die wichtigsten Vorträge berichteten wir in der Bauernzeitung 7/2021, S. 40 bis 44. Nun folgt noch eine kleine Nachlese zu den Online-Informationen der DLG über Geburtshilfe, Gesundheitsvorsorge und Klauenpflege.

Geburt und Geburtshilfe – damit fängt es an

„Die Kälberverluste sind immer noch zu hoch“, erklärt Prof. Dr. Axel Wehrend, Justus-Liebig-Universität Gießen im Rahmen der EuroTier. Durch optimale Geburtsüberwachung können sie deutlich gesenkt werden. So sollte man die Kühe vor dem Kalben in eine bequeme Box mit sauberer Einstreu unterbringen, wo sie möglichst Sichtkontakt zu anderen Tieren haben. Anzeichen einer nahenden Geburt sind die Lockerung der breiten Beckenbänder, die Biegsamkeit der Schwanzspitze und die Veränderung der Vulva. Zur Geburtsüberwachung ist der Mensch unentbehrlich, auch wenn es immer bessere technische Hilfsmittel gibt. Besonders wichtig ist eine keimarme Umgebung, um Infektionen von Kuh und Kalb zu vermeiden.

Die Geburt verläuft am besten, wenn die Kuh liegt. Nur so ist ihr eine maximale Kraftentfaltung möglich und der Durchmesser der Geburtswege ist am größten. Nach der Öffnung folgen Austreibungs- und Nachgeburtsphase. Bei nötiger Geburtshilfe ist sehr behutsam umzugehen. Beim Einsatz des mechanischen Geburtshelfers ist auf eine ausreichende Dehnung zu achten. Das Kalb sollte keine Lageanomalien aufweisen und der Muttermund vollständig geöffnet sein. Zuerst ist ein wechselseitiger Zug empfehlenswert. An beiden Gliedmaßen ist gleichzeitig zu ziehen, wenn die Schultern im Becken sind. Beim Austreten des Brustkorbs vom Kalb muss der Zug in Richtung Euter der Kuh verändert werden, damit sich die Hintergliedmaßen strecken können. Maximal dürfen zwei Personen ziehen.

Die Geburt sollte in möglichst keimfreier Umgebung und stressfrei ablaufen.
Die Geburt sollte in möglichst keimfreier Umgebung und stressfrei ablaufen. (c) Fritz Fleege

Nach wie vor sind Schwergeburten ein Problem. Sie lassen sich auch durch sorgfältige Beobachtung nur schwer erkennen. Bei solchen Kühen sind vor der Geburt Scharren, Harnabsatz und Scheuern häufiger zu beobachten. Deutliche Anzeichen sind, wenn die Zeit vom Platzen der Fruchtblase bis zum Durchtritt des Kopfes über 1,5 Stunden dauert oder Teile der Nachgeburt schon sichtbar werden, bevor das Kalb da ist. In dieser Situation ist schnelle Hilfe erforderlich.

Optikuh2 bringt neue Perspektiven

Die Milchproduktion mit ihrem hohen Ressourceneinsatz und deren Umweltwirkung wird vom Konsumenten mit Fokus auf das Tierwohl kritisch betrachtet. Dazu kommen in der Praxis der Diskurs von Ökonomie mit sinkenden Erzeugerpreisen und eine rasante Digitalisierung der Produktionsprozesse. In diesen Bereichen werden allerlei Daten zusammengeführt. So hat man schon 2014 das Netzwerk OptiKuh geschaffen, berichtet Prof. Dr. Marion Schmicke von der Universität Wittenberg im Rahmen der EuroTier. Daraus sind unter anderem Empfehlungen zu einem effizienten Kraftfuttereinsatz oder auch zu den umweltrelevanten Elementen Stickstoff und Phosphor hervorgegangen.

Neue Forschungen im Netzwerk OptiKuh2 betreffen die Futteraufnahme, Effizienzmerkmale, digitale Gesundheitsvorsorge und die Zucht. So kommt es darauf an, wie effizient das Futter in tierische Produkte umgewandelt wird. Da stehen Lebendmasse- und Futtereffizienz im Fokus. Was noch fehlt, ist die Vorhersagbarkeit der Futteraufnahme während der Trockenstehzeit. Auch digitale Gesundheitsvorsorge-Apps, Kuhmarker und Managementsysteme werden eingebaut. So lassen sich Vorhersagen treffen, ob eine Hypercalcämie, Ketose oder Labmagenverlagerung auftreten könnten, um entsprechende Maßnahmen einzuleiten, bevor die Kuh erkrankt.

Verbesserung der Klauengesundheit nötig

Prof. Dr. Alexander Starke von der Universität Leipzig und Robert Otto von der Agrargenossenschaft Eibau sowie Klaus-Herrmann Haß, Klauenpfleger in Schleswig Holstein, berichteten, dass die Hälfte der Kühe in Deutschland Lahmheiten und Klauenerkrankungen aufweisen. Auch in der sächsischen Agrargenossenschaft Eibau ist das trotz verbesserter Haltungsbedingungen noch ein Problem. Unter den 30 Prozent der erkrankten Tiere waren 186 komplizierte Fälle, vor allem mit Sohlengeschwüren. Durch intensive Behandlung konnte die Zahl auf 56 Tiere gesenkt werden. Dadurch ist nicht nur die Milchleistung gestiegen, sondern bei den Abgangskühen auch der Schlachterlös. Tiergesundheit und Leistung lassen sich nur in der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit von Landwirt, Klauenpfleger und Tierarzt sichern.

Klauenpfleger Haß wurden immer wieder Tiere mit den gleichen Problemen vorgestellt. Doch wenn er sich intensiver um die einzelne Kuh kümmerte, verdiente er weniger Geld. Nun arbeitet er tierindividueller und nimmt eine Mischkalkulation vor. Prof. Starke bestätigte, dass die Qualität der Arbeit berücksichtigt werden sollte. Und Robert Otto machte darauf aufmerksam, dass der Landwirt dafür zu sorgen hat, dass erst gar nicht so viele Kühe an den Klauen erkranken.


Messehalle

Noch verfügbar: EuroTier 2021 als digitale Messe

Vom 09.-12. Februar fand die Messe EuroTier zum ersten Mal digital statt. Nachträglich kann man noch bis April das digitale Angebot verfolgen. mehr


Fleischrindbullen-Auktionen: Online unterm Hammer

Die RinderAllianz fasst ihre Fleischrindbullen-Auktionen 2021 pandemiebedingt zu einer Veranstaltung zusammen, die am 2. März erstmals im digitalen Format stattfindet.

Das Interwiew führte Detlef Finger

Die Fleischrindbullen-Auktionen haben lange Tradition. Doch wie werden sie in diesem Jahr vonstattengehen? Wir haben uns bei Dr. Sabine Schmidt, Leiterin der Abteilung Fleischrind der RinderAllianz GmbH in Mecklenburg-Vorpommern und bei Gernot Pohl, Geschäftsführer der Abteilung Fleischrind der RinderAllianz GmbH in Sachsen-Anhalt, nach Einzelheiten erkundigt.

Ende Februar, Anfang März finden traditionell die Auktionen der RinderAllianz GmbH für Fleischrindbullen in SachsenAnhalt und Mecklenburg-Vorpommern statt. Was wird 2021?
Schmidt: Ursprünglich waren zwei Verkaufsveranstaltungen geplant – mit rund 40 Bullen in Bismark und etwa 60 Bullen in Karow. Aufgrund der Unwägbarkeiten durch Corona fiel bei der RinderAllianz schon im November die Entscheidung, beide Auktionen auf einen Termin zu vereinen und online durchzuführen. Wir wollten damit vor allem Planungssicherheit erreichen, sowohl bei den Züchtern als auch bei uns.
Pohl: Besonders wichtig war uns dabei, diese Entscheidung gemeinsam mit allen Beteiligten zu treffen. Am 3. Dezember fand dazu eine erste Videokonferenz mit allen interessierten Züchtern statt. Sie war ein echter Erfolg, denn wir bekamen noch viele gute Hinweise, zum anderen überzeugte das gemeinsame, zielgerichtete Agieren auch die letzten Skeptiker.

Dr. Sabine Schmidt leitet die Abteilung Fleischrind der RinderAllianz GmbH in Mecklenburg-Vorpommern.
Dr. Sabine Schmidt leitet die Abteilung Fleischrind der RinderAllianz GmbH in Mecklenburg-Vorpommern. (c) RinderAllianz

Wann findet die Auktion statt?
Schmidt: Als Termin für unsere Online-Auktion haben wir damals den 2. März 2021 festgelegt. Daraus ergaben sich die Schritte zur weiteren, zielgerichteten Vorbereitung. Bis 20. Dezember hatte jeder Züchter Gelegenheit, seinen Bullenjahrgang noch einmal kritisch unter die Lupe zu nehmen. Neben körperlicher Entwicklung, Tageszunahmen, Fitness und Korrektheit spielt auch die Abstammung der Tiere eine sehr große Rolle.
Pohl: Natürlich sind auch die Zuchtwerte entscheidend. Gerade rechtzeitig, am 18. Dezember, hat das Rechenzentrum VIT dann die Ergebnisse der aktuellen Zuchtwertschätzung veröffentlicht, die wir sofort an die Züchter weitergegeben haben. Mit diesem Wissen und ihren eigenen Erfahrungen haben die Züchter ihre Kandidaten für die Auktion festgelegt.

Wie ging es danach weiter?
Schmidt: Zwischen 21. und 23. Dezember gab es fünf Videokonferenzen mit den Züchtern der Hauptrassen. Aus deren Anmeldungen ergaben sich anfangs 125 Bullen der Rassen Angus, Blonde d‘ Aquitaine, Charolais, Fleckvieh-Simmental, Gelbvieh, Limousin und Uckermärker. In den Rassekonferenzen hatte jeder Züchter Gelegenheit, seine Bullen vorzustellen und mit den anderen zu vergleichen. Zielvorgabe war, die Tiere müssen in allen Punkten überzeugen und möglichst viele verschiedene Vaterlinien repräsentieren. Letztlich hat sich das Feld der infrage kommenden Bullen auf 110 verringert, darunter 22 aus der Eigenleistungsprüfstation Laage. Für alle Bullen begann dann die zielgerichtete Vorbereitung. Obwohl die Auktion online durchgeführt wird, besteht der hohe Anspruch, dass jeder Bulle wie gewohnt halfterführig und mit einem Nasenring angeboten wird.

Gernot Pohl führt die Geschäfte der Abteilung Fleischrind der RinderAllianz GmbH in Sachsen-Anhalt.
Gernot Pohl führt die Geschäfte der Abteilung Fleischrind der RinderAllianz GmbH in Sachsen-Anhalt. (c) RinderAllianz

Ist eine derartige Online-Veranstaltung Neuland für Sie?
Pohl: Als RinderAllianz konnten wir voriges Jahr erste, sehr gute Erfahrungen sammeln. So wird unser Partner für die Fleischrindbullen wieder die Live-Sales GmbH, Wettringen, sein. Im Gespräch mit den Spezialisten ergab sich, dass die im Internet angebotenen Bullen für interessierte Käufer in der Bewegung sichtbar sein müssen. Das hieß für uns, die Bullen im jeweiligen Züchterstall zu filmen. Diese Aufgabe galt es optimal vorzubereiten. Denn der am Ende ins Internet gestellte, etwa 40 Sekunden lange Videoclip ist in nicht unbeträchtlichem Maße kaufentscheidend.
Schmidt: Wir haben die dazu nötigen Details mit allen Züchtern per Videokonferenz besprochen. Obwohl die Aufgabe für viele von ihnen neu war, zogen alle mit. Weil die Bullen vom Burgenlandkreis bis zur Insel Rügen stehen, musste der Zeitplan klar und straff organisiert sein. Für die Film- und Fotoaufnahmen inklusive Bearbeitung stand uns mit Gernot Pohl ein auch auf diesem Gebiet bewanderter Fachmann aus den eigenen Reihen zur Verfügung.

Wie ist der weitere Zeitplan?
Pohl: Die Termine sind klar gesetzt. Seit 1. Februar kann der Katalog auf der Internetseite der RinderAllianz (www.rinderallianz.de) heruntergeladen werden. Ab 15. Februar werden alle Bullen auf der Plattform von Live-Sales mit Körergebnis, Foto, Video und Beschreibung veröffentlicht. So können sich im Vorfeld alle Interessenten umfassend informieren. Der Zugang zu Live-Sales erfolgt via Link von der RinderAllianz-Webseite. Bei Live-Sales ist noch eine Registrierung erforderlich. Registrierte Nutzer können ab 28. Februar, 10 Uhr, in einem Warm-Up erste Gebote auf die Bullen abgeben. Am 2. März findet ab 13 Uhr die Auktion statt. Hier starten die Bullen in Katalogreihenfolge mit dem letzten Gebot aus dem Warm-up. Per Live-Stream aus dem Live-Sales-Studio werden die Bullen im Finale kurz vorgestellt, im Hintergrund die Videos eingeblendet und durch Auktionator Claus-Peter Tordsen die Gebote bis zum Zuschlag „eingeholt“. Für Zuschauer und Bieter ist die Plattform selbsterklärend, das Bieten erfolgt durch Klicks auf entsprechende Buttons. Der Bieter erkennt online sofort, wenn das Gebot auf den Bullen bei ihm liegt. Nach dem Zuschlag erhält der erfolgreiche Käufer eine Mail mit allen Details. Wir nehmen im Übrigen auch Kaufaufträge entgegen.

Und wie gelangen die Bullen zu ihren neuen Besitzern?
Schmidt: Die Abholung der Bullen durch den Käufer erfolgt ab Verkäuferbetrieb oder – wenn gewünscht – ab Sammelstelle Bismark oder Karow. Auf Wunsch übernehmen wir die komplette Transportorganisation. Ab drei Zukaufsbullen pro Käufer ist der Transport bis 300 Kilometer Entfernung kostenfrei. Für alle Bullen erfolgt übrigens kurz vor der Auktion eine nochmalige Blutuntersuchung. Sicherheit hat für uns und unsere Züchter höchste Priorität.


Für alle Fragen zur Online-Auktion und zu den angebotenen Fleischrindbullen: Gernot Pohl, Tel. (01 70) 8 33 13 50, Dr. Sabine Schmidt, Tel. (01 60) 97 80 27 20

Akustische Schädlingsdetektion im Getreidelager

In einem Forschungsprojekt werden unerwünschte Insekten in Getreidesilos frühzeitig durch ihre Geräusche identifiziert. Anders als bei konventionellen Methoden kann so ein Befall eher bekämpft werden. Das wiederum soll Lagerverluste reduzieren und den Einsatz chemischer Mittel gegen die Insekten verringern. Im Interview mit der Bauernzeitung erklärt Dr. Christina Müller-Blenkle vom Julius-Kühn-Institut, was sich hinter der Akustischen Schädlingsdetektion verbirgt.

Das Interview führte Jörg Möbius

Bitte erklären Sie Idee und Funktionsweise der Akustischen Schädlingsdetektion als Frühwarnsystem.
Insekten produzieren Geräusche, wenn sie sich durch Getreide bewegen oder fressen. Mit empfindlichen Mikrofonen in Stechlanzen oder Probenbehältern können diese Geräusche gehört werden. Aber die Tiere sind nicht immer aktiv oder stellen sich bei Störung tot, sodass geringer Befall leicht überhört werden kann. Bisher wird sogenannter Körperschall genutzt, der sich von Korn zu Korn überträgt. Das Beetle-Sound-Tube-System was übersetzt „Käferschallröhre“ bedeutet, besteht aus großen Metallröhren mit acht oder zehn Zentimeter Durchmesser und bis zu 18 Meter Länge. Darin hängen Luftschallmikrofone, mit denen die Knabbergeräusche rund um die Uhr erfasst werden. Dadurch kann ein Befall schon sehr frühzeitig erkannt werden.

Dr. Christina Müller-Blenkle
Dr. Christina Müller-Blenkle, Julius-Kühn-Institut (c) privat

Wo und wie haben Sie erstmals Käfergeräusche gehört?
Bei der Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch beim Julius-Kühn-Institut (JKI) bin ich im Internet auf eine CD aus Frankreich mit verschiedenen Insektengeräuschen gestoßen, die im Rahmen einer Vorratsschutzkonferenz im Jahr 1990 vorgestellt wurde. Diese Geräusche haben mich sofort begeistert und auch heute zaubert noch jeder knabbernde Käfer ein Strahlen auf mein Gesicht.

Wie erfolgte die Skalierung in die Praxis?
Im ersten Projekt InsectTap wurde mit Insekten in einer schallisolierten Kammer angefangen. Von der kleinen Kammer ging es in eine Ein-Kubikmeter- und dann in eine Acht-Kubikmeter-Getreidebox, in denen die ersten Versuche mit Metallröhren durchgeführt wurden. Dabei wurden Kornkäfer mit den Akustikröhren etwa neun Wochen früher bemerkt als mit den bekannten Temperaturmessungen oder durch Beobachtung der Getreideoberfläche. Bei den Temperaturmessungen im Stapel zeigt die durch Stoffwechselaktivität der Insekten erhöhte Temperatur einen Befall an.

Um diese Erkenntnisse der akustischen Schädlingserkennung praxistauglich zu machen, schlossen sich zwölf Partner aus unterschiedlichen Bereichen im Projekt Beetle-Sound-Tube zusammen.

Wo steht das Projekt der Akustischen Schädlingsdetektion heute?
Wir befinden uns im vierten Jahr des fünfjährigen Projektes. In den ersten beiden Jahren wurden die Röhrensysteme für die verschiedenen Lagerformen geplant und gebaut und die Technik für Akustik-, Temperatur- und Feuchteüberwachung entwickelt. Im ersten Silo überwachen wir das Getreide jetzt in der dritten Lagerperiode, die Systeme auf den anderen Höfen kamen im zweiten Projektjahr dazu.

Was muss noch erforscht werden?
Der zukünftige Schwerpunkt liegt auf der Frage: „Wie können Insektengeräusche von anderen Geräuschen unterschieden werden und klingt der Kornkäfer deutlich anders als der Getreideplattkäfer, sodass ein Computer den Unterschied erkennen und eine Bestimmung vornehmen kann?“ Da liegt noch einige Arbeit vor uns.

Welche technologischen, ökonomischen und ökologischen Vorteile sollen Landwirte und Lagerbetreiber davon haben?
Die Früherkennung ermöglicht es den Betrieben, schnell zu reagieren. Bei noch geringem Befall ist Reinigung möglich, aber auch Nützlinge können eingesetzt werden. Beides sind sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvolle Maßnahmen, um das Getreide zu schützen.

Mit welchem Mehraufwand ist das zu erreichen?
Wir haben das System für vier unterschiedliche Lagerformen entwickelt. Die fest installierten Versionen müssen für jedes Silo angepasst werden. Die mobile Version, bei der die Röhren nach der Getreideeinlagerung in Flachlager oder BigBags eingedreht werden, ist einfacher in der Installation, muss aber immer wieder neu eingebracht werden.

Ein Kostenfaktor sind bisher auch noch die empfindlichen Mikrofone. Hier werden wir die verbleibende Projektzeit nutzen, um über optimierte, robuste und preiswertere Lösungen zu beraten.

Projekt Beetle Sound Tube
Laufzeit: 1.11.2017 – 31.10.2022
Koordination: agrathaer GmbH, Müncheberg
Projektpartner: Agrar Technik Barnim, BayWa AG Luckau, Biologische Beratung Prozell und Schöller, Biohof SteinReich, BKF Belziger Kraftfutter, FÖL-Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg, Gut Schmerwitz, Julius-Kühn-Institut, Kreisbauernverband Potsdam-Mittelmark, MüllerBBM und WEDA.
Förderung: Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raumes (ELER) und das Land Brandenburg im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaften (EIP-AGRI)

Bauernhof in Pappendorf: Dexter und Duroc Rinder

Vor elf Jahren krempelten Frank und Annette Scholz ihr Leben komplett um. Als Quereinsteiger kauften sie sich im mittelsächsischen Pappendorf einen Vierseitenhof und begannen mit der Tierhaltung.

Von Silvia Kölbel

Frank und Annette Scholz haben einen Bauernhof, wie sich ihn Menschen ohne Bezug zur Landwirtschaft gerne vorstellen: ein paar Rinder, ein paar Schweine, ein paar Schafe, und das alles auf einem idyllisch gelegenen Vierseitengehöft. Das Paar führt seinen Hof im Striegistaler Ortsteil Pappendorf im Landkreis Mittelsachsen im Nebenerwerb.

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Bauernhof in Pappendorf: Robuste Dexter Rinder

Als Quereinsteiger kauften sich die beiden vor elf Jahren das Anwesen, um sich ihren Traum von der eigenen Landwirtschaft zu erfüllen. Zu den ersten Bewohnern gehörten die Dexter. „Das sind die kleinsten europäischen Rinder. Weil wir nur drei Hektar Grünland zur Verfügung haben, fiel die Entscheidung für diese Rasse. Wir wollten auch ausschließen, dass es auf der Weide zu Trittschäden kommt“, erklärt Frank Scholz.

Zwei alte Reitponys bekommen auf dem Hof von Annette und Frank Scholz ihr Gnadenbrot.
Zwei alte Reitponys bekommen auf dem Hof von Annette und Frank Scholz ihr Gnadenbrot. (c) Silvia Kölbel

Zum Bestand gehören derzeit Bulle Max, drei Kühe und die Nachzucht. Die Abkalbezeit fällt meist in den Januar und Februar. Die Bedeckung der Kühe überlässt Frank Scholz der Natur. „Seit 2011 bekommen die Kühe regelmäßig jedes Jahr ein Kalb. Auf Trächtigkeitsuntersuchungen kann ich deshalb verzichten“, ist der Landwirt mit der Fruchtbarkeit seiner Rinder zufrieden.

Die aus Irland stammende Rasse wurde als Zweinutzungsrind gezüchtet, das mit kargem Futter zurechtkommt. Heute überwiegt die Mutterkuhhaltung. Die für diese kleine Rasse recht hohe Milchleistung von 2.000 bis 3.000 kg Jahr wirkt sich positiv auf das Wachstum der Kälber aus. Die robusten Tiere eignen sich für eine ganzjährige, extensive Weidehaltung. Zum Abkalben holt Frank Scholz die Kühe trotzdem in den Stall. Dort erfolgt die Untersuchung durch den Tierarzt und die Bemarkung.

„Nach zwei bis drei Wochen lasse ich sie dann wieder in die Herde“, sagt Scholz. Beim Gang in den Stall müssen die Rinder durch den Fangstand laufen. „Das hat den Vorteil, dass sie das gewöhnt sind. Wenn etwas mit ihnen gemacht werden muss, Blut abnehmen zum Beispiel, geraten sie nicht in Stress und bleiben ruhig“, beschreibt der Nebenerwerbler seine Strategie. Obwohl sich Dexterrinder durch ein ruhiges Gemüt auszeichnen, hat Scholz die recht spitzen Hörner der Tiere etwas abrunden lassen.

Direktvermarktung der Durocs

Vor drei Jahren entschloss sich die Familie, die Tierhaltung und damit auch das Sortiment für die Direktvermarktung zu erweitern. Sie begannen mit der Schweinehaltung. 15 bis 18 Durocs leben seitdem in den Ställen. Jeden Monat lassen Scholz´ ein bis zwei Tiere schlachten. „Wir kaufen die Schweine als Ferkel und mästen sie bis zu einem Gewicht von 140 bis 160 Kilogramm“, berichtet Frank Scholz. Im Sommer füttern die Landwirte Gras. Im Winter Schrot und Heu. Mindestens vier Quadratmeter Platz stehen jedem Schwein zur Verfügung. Rind und Schwein lassen Annette und Frank Scholz auf dem Gutshof Tamme in Birkenhain bei Dresden, einem Demeter-Betrieb, zu Fleisch und verschiedenen Wurstsorten verarbeiten, die es sowohl frisch als auch in Gläsern gibt.

Die Vermarktung erfolgt ab Hof. „Auf einem Schild am Tor geben wir die Termine des Verkaufs bekannt. Ein Hofladen mit regelmäßigen Öffnungszeiten lohnt sich nicht. Dazu sind wir hier zu sehr abseits“, sagt Annette Scholz. Schließlich steht auch zeitlich gesehen der Haupterwerb, ein Cateringservice, im Mittelpunkt.

Bauernmarkt und Online-Einkauf

2019 haben die beiden Sachsen eine ganz neue Vermarktungsschiene für sich entdeckt: die Marktschwärmerei, ein aus Frankreich stammendes Konzept mit Ablegern in verschiedenen europäischen Ländern, darunter Deutschland. Das Konzept verbindet traditionellen Bauernmarkt mit modernem Online-Einkauf.

Bis zu anderthalb Dutzend Durocschweine stehen in den Ställen des Nebenerwerbsbetriebes.
Bis zu anderthalb Dutzend Duroc-Schweine stehen in den Ställen des Nebenerwerbsbetriebes. (c) Silvia Kölbel

Mehr als 100 solche Schwärmereien gibt es inzwischen auch hierzulande. Bei dieser Vermarktungsform können die Kunden online bestellen und bezahlen. Ihre Waren holen sie sich während eines Markttages, der meist nur etwa zwei Stunden dauert, bei einem sogenannten Gastgeber ab. Dort treffen die Verbraucher auch auf die Produzenten.

„Marktschwärmer ist eine feine Sache. Für uns ist das genau die passende Form der Direktvermarktung. Inzwischen beliefern wir zwei Schwärmereien“, berichtet Frank Scholz. Ihre Kenntnisse aus dem Cateringservice beim Zubereiten von Fertigspeisen kommen Annette Scholz hier sehr zugute. In ihrer Direktvermarktung bietet sie auch Fruchtaufstriche, Salate und Fertiggerichte an.

Das Fleisch von Rind und Schwein lassen die Tierhalter von einem Biobetrieb zu Fleisch- und Wurstwaren für die Direktmarktung verarbeiten.
Das Fleisch von Rind und Schwein lassen die Tierhalter von einem Biobetrieb zu Fleisch- und Wurstwaren für die Direktvermarktung verarbeiten. (c) Silvia Kölbel

Bauernhof in Pappendorf: In der Zukunft auch noch Käse?

Komplettieren wollen Annette und Frank Scholz ihre Direktvermarktung perspektivisch mit Ziegenmilch und Ziegenkäse. Die Lieferanten des Ausgangsproduktes stehen in kleiner Gruppe bereits auf dem Hof: ein Thüringer Wald Ziegenbock und drei weibliche Tiere. Diese werden wahlweise mit der Hand oder einer kleinen Melkmaschine gemolken.

Melkgerät
Melkgerät (c) Silvia Kölbel

Annette Scholz tastet sich gerade an die Käseherstellung heran. „Die ersten Versuche mit Frischkäse laufen bereits“, berichtet sie. Dieses Jahr soll ein Käseraum auf dem Hof entstehen, nächstes Jahr möchte das Paar seinen Nebenerwerbsbetrieb gern in den Haupterwerb überführen. Dazu sei es natürlich noch notwendig, den Bestand der Milchziegen zu erweitern.

Hühner, Schafe und Pferde

Ursprünglich waren die beiden auch in die Geflügelhaltung eingestiegen. Von Gänsen und Enten musste sich das Paar aus gesundheitlichen Gründen aber wieder trennen. Übrig geblieben ist eine kleine Hühnerschar, deren Eier ebenfalls in die Direktvermarktung einfließen. Auf dem Hof leben außerdem noch zwei Jakobschafe – eine Rasse mit meist vier Hörnern und einem gefleckten Fell. „Diese Schafe halten wir, weil sie uns gefallen“, sagt Frank Scholz. Auch zwei in die Jahre gekommene Ponys, ehemalige Reitpferde des Landwirtes, erhalten auf dem Hof in Pappendorf ihr Gnadenbrot.

Zum Viehbestand des Hofes gehören neben den Dexterrindern auch Thüringer Wald Ziegen. Letztere werden maschinell gemolken.
Zum Viehbestand des Hofes gehören neben den Dexterrindern auch Thüringer Wald Ziegen. Letztere werden maschinell gemolken. (c) Silvia Kölbel

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Hofgestüt Bleesern: Zurück in die glanzvolle Zukunft

Bleesern stand vor Jahrhunderten für Glanz und Gloria. Die Anlage in Sachsen-Anhalt war das Hofgestüt der Kurfürsten von Sachsen. Früher Mittel zur Herrscherinszenierung, heute ein Denkmal in Not. Doch Europas ältestes erhaltenes Gestüt seiner Art wird zu neuem Leben erweckt.

Von Sabrina Gorges

Ob wir belächelt worden sind? Insa Christiane Hennen lacht und winkt ab. „Man hat uns für vollkommen verrückt erklärt.“ Die Kunsthistorikerin sagt das ohne Groll und sieht sich wie zur Bestätigung um. In ihrem Gesicht ist ein Lächeln. Ihr Blick fällt auf die Reste einer zu großen Teilen zerstörten und zerfallenen Anlage. Die Planen auf den noch vorhandenen, notgesicherten Dachabschnitten flattern im Wind, das Mauerwerk bröckelt. Doch die Expertin sieht etwas, was andere nicht sehen. Und Mario Titze sieht es auch. Sie sehen das Hofgestüt Bleesern, wie es einst war. Glanzvoll, herrschaftlich und voller Pracht und Würde. Ein Ort kurfürstlicher Pferdezucht vor den Toren der Lutherstadt Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Ein aufs höfische Repräsentieren ausgerichtetes Gebäudeensemble, das der Mensch in jüngerer Vergangenheit erst vernachlässigt und dann vergessen hat.

Belebung statt verfALL

Insa Christiane Hennen und Mario Titze sehen keine scheinbar abrissreifen Bauwerke – sie sehen ein 134 Meter langes und 120 Meter breites Denkmal mit Zukunft. Sie sehen Konzerte, Ausstellungen, Lesungen und Gastronomie. Sie sehen Belebung statt Verfall. Mit Europas ältestem erhaltenen Gestüt seiner Art haben sie Großes vor. Insa Christiane Hennen ist 56 Jahre alt, gebürtige Heidelbergerin und Vorstandsvorsitzende des Fördervereins Hofgestüt Bleesern. Seit 1993 wohnt die freiberufliche Spezialistin für Bauforschung und Denkmalpflege in Wittenberg. Mario Titze ist Mitglied im Vereinsvorstand und wohnt in Leipzig. Der 2010 gegründete Verein zählt aktuell 53 Mitglieder aus der gesamten Bundesrepublik, darunter auch Menschen aus dem Ort.

Mario Titze ist ebenfalls Kunsthistoriker und kommt erstmals im Jahr 1996 bei der flächendeckenden Inventarisierung großer Denkmale in Sachsen-Anhalt auf das Gelände des ehemaligen Hofgestüts der Kurfürsten von Sachsen. Er war niemals zuvor dort. Seit 1992 steht die Anlage unter Denkmalschutz. Bei seinem Besuch sieht Mario Titze Fassaden mit markanten Schlusssteinen sowie Rundbogenportale mit sogenannten Ochsenaugenfenstern. Er weiß sofort: Das ist etwas ganz Großes. „Ich war sofort geweckt“, sagt der 58 Jahre alte Experte im Dienst des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie in Halle (Saale). Geweckt deshalb, weil Mario Titze sieht, was andere zuvor höchstwahrscheinlich nicht gesehen haben. „Ich sah klar das Werk des sächsischen Baumeisters Wolf Caspar von Klengel.“ Schließlich hatte der gebürtige Chemnitzer umfangreich zum „Vater des Dresdner Barocks“ geforscht, der eben genau für monumentale Rundbogenportale und darüber liegende „Ochsenaugenfenster“ bekannt war. „Es waren seine Markenzeichen“, erklärt Mario Titze.

Geschichte voller Dramatik

Die Archive belegen, dass es etwa ab Mitte des 15. Jahrhunderts eine Stuterei in Bleesern gibt. Im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) wird das Gestüt stark in Mitleidenschaft gezogen, 1655 gibt ihm eine Hochwasserkatastrophe den Rest. 1686 weiht Kurfürst Johann Georg III. das nach Klengels Entwürfen gebaute neue Gestüt ein – eine Inschrift mit dieser bedeutungsvollen Jahreszahl hat sich bis in die Gegenwart erhalten. Großzügig geschnittene Anlagen wie Bleesern sind damals ein wichtiger Teil der Herrscherinszenierung, denn Pferde wurden als „beweglicher Thron“ betrachtet. 1722 endet die Zeit der Pferdezucht in Bleesern. Im Laufe der Geschichte fungiert das Hofgestüt, das im Wittenberger Ortsteil Seegrehna liegt, unter anderem als kurfürstliche Maultierzuchtstation, preußische Domäne und Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwindet der südliche Teil des Westflügels der geschlossenen Vierseitenanlage. 1990 übernimmt die Treuhand und privatisiert Teile der Anlage. Ein Investor will eine Putenmastanlage einrichten, bekommt jedoch keine Genehmigung für sein Vorhaben. Der Eigentümer beginnt, die Bauten mutwillig zu zerstören und Materialien zu verkaufen. „Die Leute haben hier das barocke Gebälk verheizt“, weiß Insa Christiane Hennen.

Förderverein als Retter

Der gescheiterte Investor boxt seinen 2002 eingereichten Abbruchantrag über mehrere Jahre durch alle juristischen Instanzen. 2010 bekommt er tatsächlich die Genehmigung. Titze verfolgt im Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie das Geschehen und wird unruhig. Im Jahr der erteilten Abbrucherlaubnis gründet er mit sieben Mitstreiterinnen und Mitstreitern den Förderverein und weiß genau, dass sofortiges Handeln nötig ist, will man die historische Anlage noch irgendwie retten. „Wir mussten Eigentümer werden. Daran führte kein Weg vorbei“, bekräftigt Mario Titze. Und das gelingt 2012 nach einigem Hin und Her für einen mittleren fünfstelligen Betrag. „Wir haben als Verein den Ost- und Südflügel sowie die Hoffläche gekauft, später noch einen Teil des Nordflügels“, sagt Mario Titze. „Damit waren wir Besitzer einer Ruine.“

2012 nimmt der Bund das Hofgestüt Bleesern in das Programm für national wertvolle Denkmale auf. 2017 wird der Förderverein mit dem Deutschen Preis für Denkmalschutz, der Silbernen Halbkugel, ausgezeichnet. Immer erfolgreicher gelingt es den Engagierten, auf die Bedeutung „ihres“ Hofgestüts und dessen bauliche Notlage aufmerksam zu machen – auch über die Grenzen Sachsen-Anhalts hinaus. Es finden sich Geldgeber, denn ohne die geht es nicht. Dazu zählen unter anderem das EU-Leader-Programm, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bund und Land. Insa Christiane Hennen sagt, dass in diesem Jahr über 100.000 Euro in die Notsicherung des Südflügels fließen, etwa 250.000 Euro sind für Arbeiten im und am Ostflügel bisher angefallen. „Hierbei ging und geht es ausschließlich darum, die Gebäude nutz- und betretbar zu machen.“ Und der Verein sammelt außerdem Spenden, wo und wann immer es geht. Auch, um für öffentliche Fördermittel den finanziellen Eigenanteil aufbringen zu können. Seit Bestehen konnte der Verein rund 180.000 Euro Spendengelder verbuchen und einsetzen.

Ort für Kultur und Begegnung

Längst hat der Förderverein Hofgestüt Bleesern ein Nutzungskonzept in der Schublade. Es trägt den Titel „Bleesern – Zentrum für Natur, Landwirtschaft und Kultur“. Die Gebäude sollen zunächst schrittweise und in Abhängigkeit vom Zustand der Bausubstanz gesichert und denkmalgerecht saniert werden – und dann wird wieder Leben einziehen. Wobei – interessierte Besucher sind schon jetzt willkommen. So gibt es auch in diesem Jahr – sofern Corona es zulässt – Führungen und Veranstaltungen wie das musikalische Picknick, den Sternritt für Reiter, Kutschfahrer und Pferdefreunde und ein Oldtimertreffen. Und am Tag des offenen Denkmals, der am 12. September bundesweit in der Lutherstadt Wittenberg eröffnet wird, wird das Gestüt einer der Höhepunkte des Programms sein und zeigen, dass es „ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Weltkulturerbe der Reformationsstätten und des Gartenreichs werden wird. Ein zentraler Ort der historischen Kulturlandschaft an der Elbe“, heißt es im Nutzungskonzept. Für das einst prachtvolle Hofgestüt gibt es also einen Plan – und im Idealfall eine echte Perspektive.