Wollschweine: Speck unter der Wolle

Bei Familie Steudel in Thüringen ist alles gut durchdacht: Schweine halten Mäuse in der Holzplantage in Schach. Schafe pflegen die Christbaumkultur.

Von Silvia Kölbel

Kay Steudel aus Moschwitz in der Nähe von Greiz in Ostthüringen, hätte sich nie im Leben träumen lassen, dass er einmal Wollschweine im Freiland hält. Seine Entscheidung entstand auch eher aus der Not heraus, wie er berichtet.

Gleich hinter seinem Wohnhaus steckte er vor elf Jahren etwa 2.000 Pappelstecklinge in den Boden. Daraus sollten Bäume wachsen, deren Holz er für seine Hackschnitzelheizung verwenden wollte. Mit einem Gegner hatte er dabei allerdings nicht gerechnet: Wühlmäuse. „Als ich mit dem Traktor durch die Reihen gefahren bin, um zu grubbern, sprangen die Mäuse nur so aus ihren Löchern. Sie fraßen die frisch angewurzelten jungen Bäume einfach ab. Das Problem war nicht beherrschbar. Also habe ich mich schlau gemacht, wie man auf natürlichem Weg der Mäuseplage Herr werden könnte. So kam ich auf die Schweine“, berichtet Steudel von den Anfängen seiner Freilandhaltung.

Der Plan ging auf

Die Theorie bestand darin, dass die Schweine durch ihre Wühltätigkeit die Mäuse vertreiben. Der Plan ging auf. Auf der Holzplantage gibt es kaum noch Mäuse, dafür Schlammkuhlen, Unterstände und eine doppelte Einzäunung. Die ist bei Schweinen in Freilandhaltung Pflicht. Ein Wildschutzzaun umgibt das gesamte Gelände, ein Elektronetz bildet Zaun Nummer zwei. Die Tiere haben vor dem Strom Respekt. Trotzdem muss Kay Steudel seine Elektronetze regelmäßig kontrollieren, damit die Schweine mit ihrer Wühltätigkeit den Zaun nicht zuschütten. Um die Schweine zu beschäftigen, kippt der Schweinehalter gelegentlich größere Mengen Laub in den Auslauf. „Sie durchwühlen das Laub sehr gründlich und finden garantiert jede Eichel und jeden Samen“, hat Steudel seine Tiere bei diesem Vergnügen schon oft beobachtet.

Unvergleichlich gut

Ganz bewusst hat er sich für die Mangalitza Wollschweine entschieden und zwar für die schwalbenbäuchigen. „Das sind die schwarzen, die gefallen mir am besten. Es gibt auch noch blonde und rote. Seit einiger Zeit gilt jeder Farbenschlag als eigene Rasse. Früher zählten alle Farben zu einer Rasse“, weiß der Züchter, der sich mit der Geschichte der Rasse beschäftigt hat. Auf jeden Fall stammen die Tiere ursprünglich aus Ungarn. Die dichte Behaarung, die sie für die Freilandhaltung prädestiniert, brachte der Rasse auch den Namen „Wollschwein“ ein. Die Mangalitza werden auch oft als Speckschweine bezeichnet. Die Ungarn züchteten sie, als Fett noch ein begehrtes Nahrungsmittel war. Diese Speckschicht war später dann aber auch der Grund für ihren Rückgang. Heute gelten sie als vom Aussterben bedroht.

Kay Steudel sieht den Speck nicht als Nachteil. Im Gegenteil. Der Geschmack des Specks sei unvergleichlich gut. Er verkauft vor allem lebende Tiere. Die Nachfrage sei ungebrochen gut. Selbst nach dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland konnte er Ferkel an Kunden abgeben. Neben den Mangalitza-Wollschweinen lebt auch noch eine Duroc-Sau im Gehege. Zurzeit zählt der Bestand eine Mangalitza-Sau mit ihren acht Ferkeln sowie zwei schlachtreife Tiere. Bis die Tiere ihre Schlachtreife erreicht haben, vergehen mindestens zwei Jahre. Dann bringt jedes 150 kg auf die Waage. Jungtiere, die als Spanferkel verkauft werden, sind meist zwischen einem halben und einem dreiviertel Jahr alt.

Der Vorteil der Rasse liege vor allem in der extensiven Haltung, die auch darin besteht, nur wenig zufüttern zu müssen. „Im Durchschnitt rechne ich pro Tier ein Kilogramm Futter am Tag, das aus Getreideschrot und Erbsen besteht. Ferkelführende Sauen bekommen entsprechend mehr.“

Falscher Alarm

Die Schwalbenbäuchigen Mangalitza-Schweine bringen häufig zwischen vier und sechs Ferkel auf die Welt. Nicht nur, dass die gestreiften Ferkel wie Frischlinge des Schwarzwildes aussehen – selbst die Elterntiere kann der Unwissende auf den ersten Blick mit Wildschweinen verwechseln, was tatsächlich schon vorkam: „Als die Schweine noch relativ neu waren, erhielt ich Anrufe aus dem Dorf, in meiner Plantage würden sich Wildschweine aufhalten.“ Inzwischen wissen es die Dorfbewohner besser.

Seit die Schweine die Mäuseplage bekämpft haben, würden die Bäume so gut wachsen, dass der Plantagenbesitzer mit dem Ernten kaum hinterherkommt. „Man rechnet einen Hektar pro Einfamilienhaus. Ich habe fast das Doppelte. Das bedeutet, dass ich in den letzten beiden Jahren gar nichts ernten musste, weil mein Vorrat noch ausreichend groß ist.“

Die Pappeln setzt Steudel beim Ernten auf den Stock zurück. Sie treiben dann wieder aus. 30 Jahre betrage das Regenerationsvermögen der Bäume, so stehe es in der Literatur. Die Hackschnitzel lässt der Hausbesitzer an der Luft trocknen. „Das Prinzip ähnelt dem eines Komposthaufens. Bei einer Schütthöhe von bis zu sechs Metern bildet sich so viel Wärme, dass der Trocknungsgrad zum Heizen ausreicht.“ Gelagert werden die Hackschnitzel unter einem Vlies. Die Pappelernte selbst erfolgt schneisenweise.

In Jahren mit durchschnittlichen Niederschlägen wachsen die Pappeln etwa drei Meter. In den zurückliegenden Trockenjahren war es gerade einmal die Hälfte an Zuwachs. Für Steudel ist das aber kein Problem. Denn die Fläche sei groß genug, um das Haus zuverlässig mit Heizmaterial zu versorgen.

Im Hause Steudel, zum dem noch Ehefrau Simone und die beiden Kinder gehören, heißt die Devise bei der Tierhaltung, alles so effektiv wie möglich zu gestalten. „Wir sind beide berufstätig, arbeiten 40 Stunden die Woche. Wenn ich im Winterhalbjahr von der Arbeit komme, ist es dunkel und ich muss die Schweine mit der Sturmlampe füttern. Ich bin außerdem noch Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und in der Kirchgemeinde leite ich den Posaunenchor.“ Steudel ist beruflich im Gartenbau tätig und arbeitet dort mit Menschen mit Behinderung.

Um den Arbeitsaufwand zu Hause möglichst gering zu halten, setzen Steudels bei den Gänsen und Enten verstärkt auf Naturbrut. Die drei Flugenten liefern auf diese Weise zwischen 20 und 30 Küken pro Jahr. Perlhühner halten Steudels, weil sie die Eier gern essen.

Erst vor Kurzem eingezogen ist ein Hund der Rasse Cane da Pastore Maremmano-Abruzzese. Die immer noch recht lange Kurzform lautet Maremmen-Abruzzen-Schäferhund, ein aus Italien stammender Herdenschutzhund. Askam heißt der Welpe, der später einmal auf die Familie und die Tiere aufpassen soll. Ebenfalls mit einer wichtigen Aufgabe bedacht sind die Shropshire-Schafe, vier Muttertiere, ein Bock und die Lämmer. Sie halten die 2,5 ha große Weihnachtsbaumplantage, die Steudel gemeinsam mit einem Geschäftspartner betreibt, von aufwachsenden Gräsern frei.

Für den Küchentisch

Bei der Erweiterung der Tierhaltung gehe es in erster Linie um den Nutzen für die Familie. In diesem Jahr planen Steudels etwa Masthähnchen zu halten, um Abwechslung auf den Küchentisch zu bringen. Auf Mitgliedschaft in Zuchtvereinen verzichtet Kay Steudel. „Der Aufwand wäre mir einfach zu groß. Ich kaufe aber gern die Tiere bei einem Züchter.“

Tiere selbst zu halten, finden Steudels übrigens nicht nur für die Selbstversorgung sinnvoll. „Dadurch lernen die Kinder den Kreislauf kennen und sie sehen, dass ein Tier später in der Pfanne landet“, erklärt der Familienvater. Seine Kinder helfen zwar bei der Versorgung der Wollschweine mit, zeigen im Moment aber kein außergewöhnliches Interesse an eigener Tierhaltung. Das müsse aber nichts heißen. Denn: „Ich bin in der Stadt aufgewachsen, aber auf dem Hof meiner Großeltern hatte ich Kontakt zu allen möglichen Tieren.“ Doch der Sinn nach Tierhaltung sei bei ihm auch erst viel später gekommen.

Aufgegabelt: Riesenrad im Berliner Spreepark wird saniert

2024 soll das Riesenrad im Berliner Spreepark wieder in Betrieb genommen werden können. Bis dahin soll es gründlichst saniert werden.

Das 45 Meter hohe, 220 Tonnen schwere Riesenrad im ehemaligen Berliner Spreepark wird saniert. Mit dem Abbau der 40 Gondeln, 40 Speichen, 8 Masten und des Riesenrad-Kranzes ist bereits begonnen worden und er soll noch vor Beginn der Vogelbrutzeit am 1. März 2021 abgeschlossen sein.

Die Kosten für die Sanierung belaufen sich voraussichtlich auf bis zu vier Millionen Euro. Voraussichtlich 2024 soll sich das Riesenrad dann wieder drehen. Die Eröffnung des Spreeparks der Zukunft ist schrittweise ab 2022 geplant.

Das Riesenrad war 1989 als das damals „größtes Riesenrad Europas“ in Betrieb genommen worden. Red

Spreepark Riesenrad
Das Riesenrad im Berliner Spreepark soll wieder wach geküsst werden. (c) Manuel Frauendorf Fotografie

Wenn auch Sie eine Entdeckung am Wegesrand machen – schicken Sie uns unter dem Stichwort „Aufgegabelt“ ein Foto mit ein paar Informationen an: bauernzeitung@bauernzeitung.de

Boden- und Düngungstag: Fragen über Fragen

Am digitalen Boden- und Düngungstag in Mecklenburg-Vorpommern nahmen im Januar mehr als 500 Interessenten teil. Vor allem Landwirte aus nitratbelasteten Gebieten hatten großen Informationsbedarf.

Das Interview führte Gerd Rinas

Pünktlich zum Jahresbeginn trat in Mecklenburg-Vorpommern die Düngelandesverordnung in Kraft, obwohl ein Fachgutachten die Aussagekraft von Grundwassermessstellen in Frage stellt. Laut Gutachten der Hydor Consult GmbH, Berlin, das vom Bauernverband MV in Auftrag gegeben wurde, sind 56 von 103 untersuchten Messstellen hydrologisch nicht repräsentativ. Das Agrarministerium in Schwerin hat eine rasche Evaluierung zugesagt. Auf dem erstmals digitalen Boden- und Düngungstag in Mecklenburg-Vorpommern im Januar standen Anforderungen aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten Gebieten (AVV) im Mittelpunkt. Dazu gingen mehr als 100 Fragen von Landwirten ein. Nach der Veranstaltung sprach die Bauernzeitung mit Dr. Hans Eberhard Kape, Leiter der Zuständigen Stelle für Landwirtschaftliches Fachrecht und Beratung (LFB) in Rostock.

Herr Dr. Kape, die AVV und die neue Düngelandesverordnung MV stellen vor allem Landwirtschaftsbetriebe in den mit Nitrat belasteten Gebieten vor neue Herausforderungen. Mehr als 500 Teilnehmer am Boden- und Düngungstag in Mecklenburg-Vorpommern zeugen von großem Interesse der Landwirte. An vielen Fragen waren Informationsdefizite und auch Verunsicherung zu spüren. Sind nun die größten Unklarheiten beseitigt?
Vorträge und Diskussion auf dem Boden- und Düngungstag in Mecklenburg-Vorpommern haben wichtige Informationen zu den Düngeanforderungen in den mit Nitrat belasteten Gebieten vermittelt. Das geht aus Reaktionen nach der Veranstaltung hervor. Die Mitarbeiter der Landwirtschaftlichen Fachbehörde stehen weiter für Fragen zur Verfügung.

Dr. Hans Eberhard Kape ist Leiter der Zuständigen Stelle für Landwirtschaftliches Fachrecht und Beratung bei der LMS Agrarberatung in Rostock.
Dr. Hans Eberhard Kape ist Leiter der Zuständigen Stelle für Landwirtschaftliches Fachrecht und Beratung bei der LMS Agrarberatung in Rostock. (c) Gerd Rinas

Viele Nachfragen gab es zu den verschiedenen N-Bilanzwerten?
Der N-Bilanzwert von zuletzt 40 Kilogramm Stickstoff pro Hektar aus der Düngeverordnung (kurz DüV) 2017 spielt keine Rolle mehr, da nach der DüV 2020 die Landwirte keine Nährstoffbilanzen mehr erstellen müssen.

Der N-Bilanzwert der Stoffstrombilanz hat nicht unmittelbar etwas mit der Düngung zu tun. Nach diesem Wert werden die Stickstoffströme in Landwirtschaftsbetrieben und Biogasanlagen beurteilt. Der tolerierbare N-Bilanzwert und der N-Ist-Bilanzwert sind neu. Neben den Messwerten der Grundwassermessstellen sind diese beiden Bilanzwerte für die Ausweisung von mit Nitrat belasteten Gebieten bedeutsam. Sie werden auf einen Feldblock, also einzelschlagbezogen, ermittelt.

Der tolerierbare N-Bilanzwert wird rechnerisch aus den Standort- und Witterungsbedingungen des jeweiligen Feldblocks abgeleitet. Es ist der Wert für den N-Überhang, mit dem gewährleistet wird, dass im Sickerwasser unterhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht die Nitratkonzentration von 50 Milligramm Nitrat pro Liter nicht überschritten wird. Mit dem N-Ist-Bilanzwert, der sich aus der N-Zu- und -Abfuhr einer Fläche errechnet, wird im Abgleich mit dem tolerierbaren N-Bilanzwert geprüft, ob sich die Überhänge aus der N-Düngung negativ auswirken. Überschreitet der N-Ist-Bilanzwert den tolerierbaren N-Bilanzwert, ist davon aus
zugehen, dass im Sickerwasser die zulässige Nitratkonzentration überschritten wird. Übersteigt auch der Nitratgehalt im Grundwasser die Vorgaben nach der DüV 2020, § 13a, wird die Fläche des betroffenen Feldblocks als nitratbelastet ausgewiesen.

Wie werden die N-Ist-Bilanzwerte der AVV ermittelt?
Grundlage sind die N-Zu- und -Abfuhren über die landwirtschaftlichen Stoffflüsse, ermittelt für eine einzelne Fläche. Dazu gehören der Stickstoffanfall und -einsatz aus der Tierhaltung, betriebsfremden organischen Düngern, Stickstoffzufuhr durch Saat- und Pflanzgut, symbiotischer Stickstoffbindung, die Zufuhr über mineralische Dünger und die Stickstoffabfuhr mit Ernteprodukten. Ausgangsdaten dazu werden laut AVV aus Statistiken und Datenbanken wie InVeKos und HIT, der besonderen Ernteermittlung, Düngerdatenbanken oder einzelbetrieblichen Erhebungen gewonnen.

Warum hat Mecklenburg-Vorpommern im Unterschied zu anderen Bundesländern die Möglichkeit aus der AVV genutzt, anonymisierte einzelbetriebliche Daten für die Ausweisung der N-Ist-Bilanzüberhänge einzubeziehen?
Grundlage sind Daten aus einem Projekt zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, in dem N-Überhänge flächendeckend ermittelt wurden, um Aussagen über die Stickstoffbelastung von Oberflächengewässern und Grundwasser ableiten zu können. In die Auswertung flossen 25.000 Datensätze aus Landwirtschaftsbetrieben ein. Den Ausschlag für deren Nutzung gaben die hohe Qualität und Menge der Einzeldaten.
Gegenüber dem in anderen Bundesländern angewandten Berechnungsmodell erlaubt unser Verfahren, dass die vorliegenden Daten flächen- und nicht gemeindebezogen zugeordnet werden können. Dadurch wird eine hohe Genauigkeit der Aussagen zur Nitratbelastung aller bewirtschafteten Flächen des Betriebes erreicht. Das ist besonders wichtig mit Blick auf die Verteilung der organischen Düngung auf den Flächen des Betriebes. Eine überproportionale Zuordnung organischer Düngung auf den Hauptsitz des Betriebes wird vermieden. Im Bundesmodell ist dieses Prinzip bisher nicht berücksichtigt. Das könnte besonders für große Betriebsstrukturen zu fachlich nicht korrekten Aussagen führen.

Die tolerierbaren N-Bilanzwerte der AVV sind bei der Betrachtung der Nitratbelastung des Grundwassers und somit für die Düngung künftig entscheidend. Wie werden diese Werte ermittelt?
Zu berücksichtigen sind flächenbezogene Standortfaktoren und Witterungsbedingungen für die durchwurzelbare Bodenschicht. Wichtige Eingangsparameter für die Berechnung sind die Sickerwasserrate, die Denitrifikation im Boden, die Festlegung des Stickstoffs durch Humusfixierung auf dem Grünland und der N-Eintrag aus der Luft.

Kennen die Landwirte diese Parameter für ihre Flächen?
Die Daten stehen ihnen bisher nicht zur Verfügung, liegen bei den zuständigen Stellen aber vor. Auch Landwirte in noch nicht roten Gebieten sollten sich diese Angaben beschaffen. Wer die Werte kennt, kann bei den N-Ist-Bilanzüberhängen gegensteuern, sodass seine Flächen bei einer erneuten Ausweisung die tolerierbaren N-Bilanzwerte unterschreiten. Daraus abgeleitet, spielen diese Daten indirekt eine große Rolle bei Entscheidungen zu N-Düngung, Fruchtfolge, Zwischenfruchtanbau.

Welche Rolle spielt das Denitrifikationspotenzial des Bodens bei der Ausweisung der tolerierbaren N-Bilanzwerte?
Denitrifikation ist ein natürlicher Prozess, bei dem Mikroorganismen Nitrat in elementaren Stickstoff umwandeln, der als Gas in die Atmosphäre entweicht und somit die Konzentration im Bodenwasser senkt. Nasse bzw. vernässte Böden und solche mit hohen Humusgehalten haben ein hohes Denitrifikationsvermögen. Das Gegenteil ist der Fall bei leichten luft- und wasserdurchlässigen Böden und Flächen in trockenen Regionen bzw. mit geringer durchwurzelbarer Bodenschicht.
Je höher das Denitrifikationspotenzial, um so höher ist der Abbau von Nitrat, in dessen Folge ein höherer tolerierbarer N-Bilanzwert ausgewiesen wird. Bei der Denitrifikation gibt es in Mecklenburg Vorpommern ein deutliches West-Ost-Gefälle: Im Osten und Südosten des Landes werden vergleichsweise niedrige tolerierbare N-Bilanzwerte ausgewiesen.

In Gebieten mit nur mittleren Jahresniederschlägen unter 550 Millimeter werden durch die AVV in der Regel niedrige tolerierbare Stickstoffsalden ausgewiesen. Die wirtschaftliche Landnutzung wird hier nach Einschätzung von Pflanzenbauexperten künftig sehr problematisch.
Das ist richtig. In Teilen von MV, vor allem in den trockneren Regionen, wurden tolerierbare N-Bilanzüberhänge von weniger als 20 Kilogramm Stickstoff pro Hektar ausgewiesen. Den Bundesländern wurde erlaubt, für die aktuelle Gebietsausweisung die niedrigen tolerierbaren N-Salden auf mindestens 20 Kilogramm Stickstoff pro Hektar heraufzusetzen. Von dieser Möglichkeit hat MV in diesen Gebieten Gebrauch gemacht.

Wann können Landwirte rote Gebiete verlassen?
Laut AVV müssen N-Ist-Bilanzüberhänge in den Bundesländern alle vier Jahre neu bewertet werden. Seit der Novellierung des Düngerechts 2017 hat sich das Düngeverhalten nach unseren Erkenntnissen verändert. In Mecklenburg-Vorpommern sind die N-Überhänge deutlich zurückgegangen. Deshalb strebt das Agrarministerium in Schwerin an, zeitnah die Düngedaten für 2018 bis 2020 zu erheben. Wir gehen bei der Neuberechnung von einer weiteren Reduzierung der Flächen aus, in denen tolerierbare N-Überhänge überschritten werden. Eine wichtige Voraussetzung, um dies nachzuweisen, besteht darin, dass die Landwirte sich intensiv an der erneuten Erhebung der Daten beteiligen.

Die Landwirtschaft „nebenher“ nicht gering schätzen

Die Nebenerwerbslandwirtschaft wird häufig unterschätzt. Dabei kann ihr ein großer Wert in Betracht auf die vielfältige Landbewirtschaftung und der Aufwertung von ländlichen Regionen zugesprochen werden. Eine Online-Umfrage soll nun weitere Informationen liefern.

Es kommentiert Detlef Finger

Nebenerwerbslandwirtschaft wird in ihrer Bedeutung mitunter verkannt. Das sicherlich auch und gerade im Osten Deutschlands, wo die haupterwerblich geführten Betriebe deutlich größer sind als im Altbundesgebiet. Dabei werden zwischen Rügen und Vogtland immerhin knapp 40 Prozent aller landwirtschaftlichen Unternehmen im Nebenberuf geführt.

Vielfältige landbewirtschaftung

Detlef Finger, Landesredakteur Sachsen-Anhalt
Detlef Finger, Landesredakteur Sachsen-Anhalt (c) Sabine Rübensaat

Demgegenüber ist der von ihnen bewirtschaftete Flächenanteil vergleichsweise gering. Mag damit auch der ökonomische Beitrag zur Gesamtwertschöpfung der Branche bescheiden ausfallen, so zählen doch ebenso ökologische Leistungen. Nebenerwerbsbauern bewirtschaften verhältnismäßig viel Grünland. Ackerbaulich nutzen sie oftmals Splitterflächen, selbst auf schlechteren Standorten, und sichern damit eine vielfältige, flächendeckende Landbewirtschaftung. Nicht selten haben sie Streuobstwiesen in ihrem Bestand, die als sprichwörtliche Hotspots der Artenvielfalt bekannt sind. Nebenerwerbsbetriebe widmen sich außerdem oft bedrohten alten Nutzviehrassen und erhalten damit auch tiergenetische Ressourcen.

Generell ist Viehhaltung im Nebenerwerb weit verbreitet, wenngleich die Herden meist klein sind. Dafür ist die Vielfalt der betreuten Rassen umso größer. Höhere Anteile am Gesamttierbestand werden bei „Landschaftspflegern“ wie Schafen, Ziegen, Fleischrindern, Pferden und Gatterwild erreicht. Die wenigen Schweine und das Geflügel dienen meist der Eigenversorgung.

Aufwertung der ländlichen regionen

Während Letzteres vor allem junge Neueinsteiger im Blick haben, ist für ältere Semester die Arbeit als Bauer nach Feierabend oft ein Ausgleich zum Bürojob. Die Nebenerwerbslandwirtschaft kann aber auch Sprungbrett in den Haupterwerb sein. Und selbst rüstige Pensionäre halten am eigenen Hof fest, um die Tradition zu pflegen und das Ererbte zu erhalten.

Wenngleich der finanzielle Ertrag des Hofes „nebenher“ oft gering ist, so tut das dem Engagement dieser Landwirte keinen Abbruch. Sie erhalten alte Bauernhöfe, die das Bild der Dörfer prägen, und helfen dabei, ländliche Regionen lebenswert zu erhalten. Nicht selten sind sie der letzte Landwirt überhaupt im Ort. Trotz ihrer beruflichen Doppelbelastung sind sie darüber hinaus in Gemeinderäten und Vereinen, bei Arbeitseinsätzen und Dorffesten aktiv.

online-Umfrage für informationsgewinn

Andererseits drücken die Nebenerwerbsbetriebe ganz spezielle Probleme: Sie bleiben von der Agrarpolitik oftmals unbeachtet, sind durch hohe Mindestsummen von investiver Förderung quasi ausgeschlossen und mit unsicheren Hofnachfolgen zahlenmäßig stärker konfrontiert als ihre hauptberuflichen Kollegen.

Insofern ist es wichtig, ein wirklichkeitsnahes, präzises Bild dieser Höfe zu zeichnen, das über agrarstatistische Erhebungen hinausgeht. Das ist auch Anliegen einer Online-Befragung der Hochschule Neubrandenburg, die detailliertere Informationen über ostdeutsche Nebenerwerbsbetriebe zusammentragen möchte. Auf dieser Grundlage ließe sich dann auch besser über den wirklichen Stellenwert der Nebenerwerbslandwirtschaft und ihre Zukunft diskutieren. Hinweise zur Online-Umfrage finden sich in der Rubrik „Nebenerwerbslandwirtschaft“. An dieser Stelle gibt die Bauernzeitung den unzähligen nebenberuflichen Praktikern im Osten seit vielen Jahren Gesicht und Stimme.

Rad oder Raupe: Jenseits von Mythos und Marketing

Erfahrungen und Emotionen bestimmen die Meinungen zu den Fahrwerkskonzepten Rad und Raupe. Eine Umfrage unter Wissenschaftlern hatte das Ziel dazu sachliche Argumente zusammenzutragen.

Von Wolfgang Rudolph, Bad Lausick

Bei der Bewertung von Traktoren und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen geht es um Leistung, Spritverbrauch und Traktion. Mit zunehmenden Maschinengewichten gewinnt aber auch der Faktor Bodenschonung an Bedeutung. Eine Schlüsselrolle spielt hier das Fahrwerkskonzept. Die Diskussion dreht sich dabei nicht selten um die Frage: Rad oder Raupe?

Praktiker beantworten diese aus der Perspektive ihrer konkreten Anbaubedingungen. Die Marketingstrategen von Landmaschinenherstellern haben wirtschaftliche Interessen im Blick. In der öffentlichen Wahrnehmung ist daher ein Trend pro Raupe nicht verwunderlich. Schließlich setzen Landwirte diesen Fahrwerkstyp zuallererst dort ein, wo Gleisbänder ihre Stärken voll zur Geltung bringen können – etwa beim Ziehen von Geräten mit großen Arbeitsbreiten oder auf weichen Böden.

Doch bieten Gummiraupen wirklich die universelle Lösung in Sachen Effizienz und Bodenschonung? Ist das Rad vielleicht doch besser als sein Ruf? Wo liegen die Entwicklungspotenziale? Wir befragten dazu Wissenschaftler, von denen man trotz Forschungskooperationen mit der Landtechnikindustrie Neutralität erwarten kann. Nachfolgend die Ergebnisse der Gespräche mit:
■ Prof. Dr. Ludger Frerichs, Technische Universität Braunschweig, Leiter des Instituts für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge;
■ Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Herlitzius, Technische Universität Dresden, Lehrstuhlleiter der Professur für Agrarsystemtechnik;
■ Prof. Dr.-Ing. Hubert Korte, Hochschule Osnabrück, Leitung Fachbereich Landtechnik der Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur;
■ Dr. Thomas Anken, Agroscope Tänikon, Ettenhausen, Gruppenleiter im Schweizerischen Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung;
■ Dipl. Ing. FH Roger Stirnimann, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL Zollikofen, Dozent;
■ Prof. Dr. agr. Thomas Rademacher, Technische Hochschule Bingen, Professor für Landtechnik.

Gleisbänder

Vorteile: Wichtigstes Pro-Argument ist die Bodenschonung, insbesondere bei schweren Maschinen auf empfindlichen Böden. Dies setzt jedoch eine hohe Bandspannung voraus, um den tragenden Effekt des Bandes zwischen den Stützrollen zu nutzen und erfordert möglichst viele Laufrollen. Der Druck verteilt sich nicht gleichmäßig über die Aufstandsfläche des Bandes, unter den Laufrollen entstehen Lastspitzen. Aber: Jede zusätzliche Rolle mindert den Innenwirkungsgrad und erhöht die Kosten.

Eine bessere Traktion durch Verzahnung mit dem Boden (Formschluss) ermöglicht bei gleichem Kontaktflächendruck höhere Zugkraft und damit höhere Flächenleistung. Dieser Effekt lässt nach, wenn sich wegen der schlechteren Selbstreinigung der Bänder bei bestimmten Bodenverhältnissen die Stollenzwischenräume zusetzen (Flotation). Je länger das Band, desto größer ist die mögliche Einbuße an Formschluss. Andererseits verbessert sich durch das Ausfüllen der Stollenzwischenräume die Druckverteilung. Aber: Gefahr von Traktionsverlusten (siehe Nachteile) .

So wollen Wissenschaftler Fahrwerke verbessern

Ziele bei der Forschung sind vor allem:


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Lesen Sie die Reportage in voller Länge in der Ausgabe 02 der Bauernzeitung.

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Fachforum zu Ausbildungsmöglichkeiten: Begehrte Helfer

In Brandenburg öffnen sich Ausbildungsbetriebe für junge Anwärter der Helferausbildung. In der Branche gibt es einen zunehmenden Bedarf an motivierten Fachkräften.

Von Meike Mieke, Bildungsverein der Landwirtschaft Brandenburg (BVLB)

Manch Auszubildender zum Land- oder Tierwirt wäre in der Helferausbildung besser aufgehoben. So das ehrliche Fazit des Fachforums „Wie kann Helferausbildung gelingen?“, das Ende November online stattfand. Der Hintergrund: Zunehmend beklagen Betriebsleiter und Ausbilder die denkbar schlechten Voraussetzungen der jungen Bewerber für einfachste praktische Tätigkeiten und für das theoretische Verständnis von Zusammenhängen im Produktionsprozess.

Gesucht: motivierte fachkräfte

Schulabgänger mit unterdurchschnittlichem Mittlerem Schulabschluss vor allem in den Kernfächern Deutsch und Mathematik entscheiden sich oft notgedrungen und elterngetrieben für einen Beruf in der Landwirtschaft. Es fehlt jedoch das Verständnis für die längst in der Moderne angekommene Branche, die motivierte Fachkräfte mit betriebswirtschaftlichen, digitalen, kommunikativen und sozialen Kompetenzen benötigt. Das belegen die Prüfungsabschlüsse des vergangenen Jahres.

Nicht zu unterschätzen sind die Auswirkungen einer „verhauenen“ Prüfung oder einer schlechten Abschlussnote auf Motivation und Psyche der jungen Berufsanwärter. Hier könnte das Instrument der Ausbildungsverlängerung nach Paragraf 8 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) greifen. Es wird selten angewendet, könnte jedoch ein Scheitern des Auszubildenden in der Abschlussprüfung durch eine verlängerte Vorbereitungszeit verhindern.

Verstärkt setzen Betriebsleiter eines Ausbildungsbetriebes zudem auf ein mindestens einwöchiges, von einem Ausbilder begleitetes Pflichtpraktikum im Betrieb. Ohne dieses Praktikum und eine positive Einschätzung durch den Ausbilder wird kein Lehrvertrag unterschrieben. Stallluft riechen und dann entscheiden ist der bewährte Einstieg in die Branche.

Wahl einer helferausbildung

Für Jugendliche mit Aufmerksamkeitsdefizit oder diagnostizierten Lernschwierigkeiten und deren Eltern ist daher die Wahl einer Helferausbildung eine gründliche Überlegung wert. Sie holt benachteiligte Menschen mit ausgeprägten Lernschwierigkeiten da ab, wo sie stehen. Betriebsleiter und Ausbilder machen die Erfahrung, dass Landwirtschaftshelfer – einmal im Betrieb angekommen – zuverlässig Aufgaben erfüllen und dem Betrieb treu bleiben. Für den maßgeblich höheren Betreuungsbedarf der Helferanwärter im Betrieb bietet die Arbeitsagentur eine Vielzahl von Förderinstrumenten für die Teilhabe der Rehabilitanden am Arbeitsleben an. Dazu zählen:

Auskünfte hierzu erteilt der Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit. Ansprechstellen in den regionalen Arbeitsagenturen können Auskunft darüber geben, wie der Unterstützungsbedarf des Jugendlichen eingeschätzt wird.

zunehmender bedarf an landwirtschaftshelfern

Auf den zunehmenden Bedarf der Betriebsleiter und Ausbilder, Landwirtschaftshelfer auszubilden, hat die zuständige Stelle berufliche Bildung reagiert: Ab Mitte Februar 2021 können die Ausbilder die dafür notwendige rehabilitationspädagogische Zusatzausbildung (REZA) in einem von 120 auf 80 Stunden verkürzten Lehrgang in der Landwirtschaftsschule Luisenhof des Landkreises Oberhavel erwerben. Ansprechpartnerin dort ist Gudrun Glawe, telefonisch zu erreichen unter (033 01) 601 70 45.

Die Öffnung der Ausbildungsbetriebe in Brandenburg für junge Anwärter der Helferausbildung sollte jedoch nicht von dem ursächlichen Problem ablenken: dass die Landwirtschaft als moderne, technologisch fortgeschrittene, zukunftsgewandte und naturnahe Branche mit viel Innovationsgeist in den Leitungsebenen in der Phase der Berufsorientierung nicht ausreichend wahrgenommen wird. Hier möchten und müssen wir mit geeigneten Maßnahmen ansetzen.

Netzwerk Fokus Tierwohl: Projekt sucht Praktiker

Das neue Netzwerk Fokus Tierwohl lädt zum Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer ein. Es will Landwirte auf dem Weg zu einer besseren Tierhaltung unterstützen.

Die Partner in den ostdeutschen Bundesländern haben zum Verbundprojekt Netzwerk Fokus Tierwohl ihre Arbeit in den letzten Monaten aufgenommen. Tierwohlmultiplikatoren und weitere Experten stehen für die kommenden drei Projektjahre als Ansprechpartner für Tierhalter in der Region und zu Fragen rund um das Thema Tierwohl zur Verfügung.

Das Netzwerkprojekt ist eingebettet in das Bundesprogramm Nutztierhaltung als Teil der Nutztierstrategie des Bundes. Es wird mit circa 15 Mio. Euro vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) ist Projektträger.

Ziele im Projekt

Das Verbundprojekt hat den Erfahrungs- und Wissenstransfer von der Praxis und in die Praxis zum Ziel. Mit der Vernetzung von Forschung, Praxis sowie Wirtschaft und Politik werden von den Experten Beratungs-, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit angeboten, um schweine-, geflügel- und rinderhaltende Landwirte auf dem Weg zu einer tiergerechteren, umweltschonenderen und nachhaltigeren Nutztierhaltung zu unterstützen und um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.

Im Dialog können wichtige Entwicklungsimpulse gegeben werden. Dafür sind Erfahrungen aus der Praxis sehr willkommen. Die Gesamtprojektkoordination im Verbund aus den Einrichtungen aller Bundesländer, der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und dem Forschungsinstitut für Biologischen Landbau Deutschland (FiBL) sowie weiteren Partnern liegt in der Hand des Verbandes der Landwirtschaftskammern (VLK).

In Expertenbeiräten, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Beratung und Praxis zusammensetzen, wurden Themen für die tierartspezifischen Geschäftsstellen zusammengestellt. Die Geschäftsstelle für den Bereich Rind siedelt sich im Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen an. Die Geschäftsstelle Geflügel ist in der Landwirtschaftskammer in Niedersachsen und die zum Thema Schwein in der Nordrhein-Westfälischen Landwirtschaftskammer integriert. Diese Tierwohlkompetenzzentren werden den Projektpartnern das Wissen zur tiergerechteren Haltung zur Verfügung stellen.

In jedem Bundesland arbeiten Tierwohlmultiplikatoren als Ansprechpartner für landwirtschaftliche Praxis, Vereine, Verbände, Beratung, die Tierärzteschaft und die Öffentlichkeit. Sie werden Informationsveranstaltungen in der Region anbieten. Landwirte, die sich für mehr Tierwohl engagieren, und Interessenten können die Tierwohlmultiplikatoren gerne ansprechen. Vorschläge aus der Praxis sind gefragt.

Themen nach Tierart

Ein erstes Online-Seminar zur Stallpflicht bei Vogelgrippe – „Wie tiergerecht mit einer auferlegten Stallpflicht umgehen?“ – fand Anfang Januar statt. Weitere Online-Veranstaltungen sind geplant. Beim Sächsichen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sind im Zeitraum Februar/März weitere Online-Veranstaltungen zu den Themen Weideschuss und Abkalbehygiene angekündigt. Im April findet eine Praktikerschulung „Klauenpflege beim Schwein“ statt.

Veranstaltungen für kleine Gruppen sollen in Iden zum Thema „Wolfsabweisender Herdenschutz“ am 17. und 24. März 2021 stattfinden. Ein Workshop zur Kälber- und Jungviehaufzucht ist am 9. Juni 2021 geplant.

Webseite des Projektes

Auf der Webseite des Projekts und der jeweiligen Landesämter finden Interessenten Termine für kommende Veranstaltungen. Das Wissen und Erfahrungsberichte von Praktikern werden von der DLG in Zusammenarbeit mit dem FiBL für Informations- und Schulungsmaterialien sowie über die jeweiligen Internetseiten aufbereitet.

Ansprechpartner im Osten
Interessenten sprechen bitte die Tierwohlmultiplikatoren an:
BB: Natalie Wagner, Landesamt für ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung, 14513 Teltow OT Ruhlsdorf, Tel. (0 33 28) 43 62 06, Natalie.Wagner@lelf.brandenburg.de
MV: Patricia Lößner, Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei, Institut für Tierproduktion, 18196 Dummerstorf, Tel. (03 82 08) 63 03 29, p.loessner@lfa.mvnet.de
SN: Svenja Reich, Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, 04886 Köllitsch, Tel. (03 42 22) 46 21 03, Svenja.Reich@smul.sachsen.de
ST: Anne Helene Ahrend, Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau, Zentrum für Tierhaltung und Technik, 39606 Iden,Tel. (03 93 90) 62 16, AnneHelene.Ahrend@llg.mule.sachsen-anhalt.de
TH: Julia Trabert, Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum, 07743 Jena, Tel. (03 61) 5 74 04 14 53, Julia.Trabert@tlllr.thueringen.de


AFP-Premiumförderung: Es wird weiter investiert!

Die Nachfrage nach der AFP-Premiumförderung blieb im Vorjahr anhaltend hoch. Bei Stallbauten dominieren die Milchviehbetriebe.

Von Frank Hartmann

Landwirtschaftsbetriebe im Freistaat haben investiert und wollen dies auch weiter tun. Dies zeigen die Daten zur „Investitionsförderung landwirtschaftlicher Unternehmen“ (ILU) aus dem Jahr 2020 in Thüringen. Wie das Agrarministerium auf Anfrage der Bauernzeitung informierte, gingen im Vorjahr für alle Teilprogramme (ILU-Teil A – AFP; Teil B – Kleine Investitionen; Teil C – Ökoinvest; Teil D – Diversifizierung) 120 Anträge ein. Von diesen konnten 91 bewilligt werden. Zum Vergleich: 2019 wurden von 135 Anträgen 108 bewilligt.

Das förderfähige Investitionsvolumen summierte sich 2020 auf rund 44,7 Mio. €. Der bewilligte Zuschuss lag bei rund 14,6 Mio. € und damit nahezu auf dem Niveau des Jahres 2019. Und das, obwohl die Zahl der bewilligten Vorhaben zurückging. Das Ministerium begründet dies mit den vorgenommenen Änderungen am ILU-Programm. 2020 wurde der maximale Zuschuss von 2 auf 3 Mio. € je Betrieb in der Gesamtförderperiode angehoben. Damit erhöhte sich zugleich das maximal förderfähige Invest-Volumen.

Schweinehalter sind vorsichtig

Mit fast 40 Mio. Euro Investitionsvolumen und einem Zuschuss von 12,7 Mio. € entfiel erwartungsgemäß der Großteil der AFP-Premiumförderung auf AFP-Vorhaben. Beim Ökoinvest waren es gut 1,8 Mio. € Zuschuss für Investitionen in Höhe von rund 5 Mio. €.

Bei den 67 AFP-Vorhaben konzentrierte es sich erneut auf Stallbauinvestitionen, wobei die Milchviehhaltung (Zuschuss: 6 Mio. €) mit Abstand vorne steht. Investitionen in die Schweine- (1,3 Mio. €) und Geflügelhaltung (0,9 Mio. €) blieben verhalten. Bei den Schweinehaltern setzte sich 2020 die Vorsicht fort, nicht zuletzt wegen der unsicheren Haltungsnormen. In die Schafhaltung flossen lediglich 54.000 € Zuschuss. Für Ökoställe in der Mutterkuhhaltung konnten 380.000 € bewilligt werden; für Vorhaben in Ökoschweine- und Geflügelställen kamen lediglich 67.000 € Zuschuss zusammen. Der Großteil der 20 Ökoinvest-Bewilligungen betraf Anlagen zur Aufbereitung und Lagerung (Zuschuss: 770.000 €) und „sonstige Investitionen“ (466.000 €).

Im AFP flossen 2020 mit 3,8 Mio. € nicht unerhebliche Fördergelder in Wirtschaftsdüngerlager, und hier vor allem für Abdeckungen, in Melkanlagen und -technik, Maschinen und Geräte der Innenwirtschaft sowie Fahrsilos und Technik für Dauerkulturen. Die Anschaffung von Technik „für die besonders umweltfreundliche Ausbringung von Wirtschaftsdüngern und Pflanzenschutzmitteln“ konnte mit 390.000 € unterstützt werden.

Im Jahr 2020 wurde die Stallbau-Premiumförderung in 25 % der im AFP geförderten Vorhaben für 51 % der im AFP förderfähigen Investitionen in Anspruch genommen. Für diese Investitionen in besonders tiergerechte Haltungsverfahren wurden 2020 64 % der AFP-Zuschüsse gewährt.



Thüringen Flagge

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Hohes Interesse für Stallbauinvestitionen

Erstaunlich hoch war 2020 erneut das Interesse an der AFP-Premiumförderung (40 % Zuschuss) für Stallbauinvestitionen. Von den insgesamt 19 bewilligten Vorhaben waren 17 auf deutlich höhere Tierwohlstandards, die die Premiumvariante verlangt, ausgelegt (Milchvieh mit Nachzucht: 10; Schweine: 2; Geflügel: 4; Schaf: 1). Das Ministerium wies darauf hin, dass sich unter den AFP-premiumgeförderten Ställen auch welche von ökologisch wirtschaftenden Betrieben befanden. Da Ökoställe im Regelfall auch die Anforderungen der AFP-Premiumförderung erfüllten, könnten Betriebe statt des Öko-Invest eben auch das AFP nutzen. Und das vor allem dann, wenn im Öko-Invest das Geld knapp sein sollte. Somit flossen mit rund 8 Mio. € Premiumzuschuss (Investitionsvolumen: 20,1 Mio. €) rund 64 % der gesamten AFP-Förderung in besonders tiergerechte Ställe. Dieses Niveau war auch 2019 erreicht worden.

70 Prozent des Budgets verbraucht

Seit 2015 sind im AFP fast 48 Mio. € ausgezahlt worden, weitere 16 Mio. € wurden bereits für die Jahre 2020 bis 2022 bewilligt. Damit sind rund 69 % des im Thüringer Eler eingeplanten AFP-Budgets gebunden. Im Ökoinvest sind laut Ministerium bislang 7,1 Mio. € bewilligt und mehr als 4,8 Mio. € des geplanten Budgets (8 Mio. €) ausgereicht worden. Da die Nachfrage nach dem Teilprogramm Diversifizierung bislang unter den Erwartungen blieb, prüfe man hier weitere Budgetanpassungen. Das Ministerium stellt klar, dass man im Rahmen der laufenden Budgetplanungen Vorkehrungen für den Übergangszeitraum bis zur neuen EU-Förderperiode treffe. Dies ermögliche eine Vorhabenumsetzung und Auszahlungen bis spätestens 2025. Man wolle sicherstellen, dass die eingeplanten Fördermittel vollständig abfließen und gegebenenfalls ein höherer Bedarf gedeckt werden können.

Milchleistungsprüfung Sachsen: Mehr Milch, Fett und Eiweiß

Sowohl bei der Leistung als auch bei den Inhaltsstoffen standen Sachsens Milchkühe im vergangenen Jahr im bundesweiten Vergleich an der Spitze.

Von Karsten Bär

Bei der Milchleistung steht Sachsen deutschlandweit an der Spitze. Im vergangenen Milchwirtschaftsjahr gab eine sächsische Kuh im Durchschnitt 10.103 kg Milch, das sind 288 kg mehr als im Jahr zuvor. Auch in anderen Bundesländern wurde die 10.000er-Marke überschritten: Auf den Plätzen zwei und drei der Milchleistungsprüfung folgen Mecklenburg-Vorpommern (10.040 kg) und Sachsen-Anhalt (10.030 kg).

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Anstieg auch bei der Nutzungsdauer

Die 2020 ermolkene Milch weist auch mehr Inhaltsstoffe auf: Durchschnittliche 758 Fetteiweißkilo stehen im Abschluss (+25). Auch damit belegt Sachsen den ersten Platz unter den Bundesländern bei der Milchleistungsprüfung. Die Anteile an Fett (4,04 %) und Eiweiß (3,46 %) waren jeweils um 0,02 %-Punkte gestiegen.

„Die Leistungssteigerung erfolgte also nicht auf Kosten der Inhaltsstoffe“, verdeutlicht Sophie Eger, Oberleistungsprüferin und stellvertretende GERO-Bereichsleiterin beim Sächsischen Landeskontrollverband (LKV). Die Gesamtlebensleistung einer sächsischen Kuh stieg um stolze 1.016 kg auf 28.212 kg. Die Nutzungsdauer der gemerzten Tiere stieg von durchschnittlich 33,8 Monaten auf 34,5.

Euter von hinten
Deutliches Plus: Eine sächsiche Milchkuh gab im vergangenen Milchwirtschaftsjahr im Schnitt 10.103 kg Milch. Die Zahl der Kühe in der Milchleisungsprüfung sank – dem allgemeinen Trend entsprechend – um knapp 3.000 auf 166.879 Tiere. (c) Sabine Rübensaat

Bester sächsischer Betrieb sowohl bei der Milchmenge (12.980 kg) als auch bei Fett und Eiweiß (975 kg) ist der Milchhof u. EDG Diera. Bei der Milchmenge folgen die Hahn/Radke Holsteins GbR (12.897 kg) und die Agrargesellschaft Ruppendorf AG (12.591 kg). Bei der Fett-Eiweiß-Leistung belegen die Agrargenossenschaft eG Reichenbach, MVA Rotschau, (953 kg) und die SAG Sadisdorfer Agrar AG (948 kg) die Plätze zwei und drei.

Hohe Leistung schließt beste Ergebnisse bei den Merkmalen der Gesundheit und Robustheit (GERO) nicht aus. „Unter den Top20-GERO-Betrieben haben wir Bestandsgrößen zwischen 60 und 1.500 Kühen mit unterschiedlichsten Managementsystemen“, betont Sophie Eger.

„Die Milchleistung liegt bei 10.300 bis 12.900 kg und die Nutzungsdauer deutlich über dem sächsischen Durchschnitt.“ Rang eins in der GERO-Wertung belegt die Reichenbach GbR, Bräunsdorf (12.492 kg Milchleistung).

Immer mehr 100.000-Liter-Kühe laut mlp

Deutlichen Zuwachs gab es im abgelaufenen Milchjahr auch bei den 100.000-Liter-Kühen: Insgesamt haben 168 Kühe im Vorjahr diese Marke überschritten. „Die Tendenz steigt, es werden jährlich mehr“, so Sophie Eger.

Rückläufig war – dem allgemeinen Trend entsprechend – die Zahl der Kühe in der Milchleistungsprüfung/GERO. Sie sank um 2.955 auf 166.879. Die Zahl der GERO-Betriebe sank um 27 auf 567, die durchschnittliche Herdengröße stieg um acht Tiere auf 294. Die Prüfdichte ist mit 94,8 % aller sächsischen Milchkühe nach wie vor sehr hoch.

Das erwartete Überschreiten der Marke von 100 Betrieben mit Melkrobotern wurde bis zum Ende des Milchjahres am 30. September mit einem Stand von 98 zwar knapp verfehlt. Inzwischen dürfte die Zahl jedoch überschritten worden sein. 17 % der Betriebe melken somit mit einem Roboter. Sie halten 12 % des geprüften sächsischen Kuhbestands.

Milchkontrolljahr 2020: Fast 200 Kilo zugelegt

Der Landeskontrollverband legt Zahlen zum Milchkontrolljahr 2020 vor. Erstmals überstieg die Pro-Kuh-Milchleistung hierzulande die Marke von 10.000 kg. Leistungsstärkster Betrieb ist die Seydaland Rinderzucht GmbH.

Von Detlef Finger

Sachsen-Anhalts Milchkühe haben im Milchkontrolljahr 2020 erstmals die Marke von 10.000 kg Milch bei der Jahresleistung überschritten. Im Durchschnitt von 100.749 geprüften Kühen standen genau 10.030 kg Milch mit 4,01 % Fett und 3,46 kg Eiweiß zu Buche. Das sind 197 kg Milch mehr als im Jahr zuvor. Damit rangieren die hiesigen Kühe im ostdeutschen Vergleich auf Rang drei hinter ihren Artgenossinnen in Sachsen (10.103 kg) und in Mecklenburg-Vorpommern (10.040 kg). Bei den Milchinhaltsstoffen legten die heimischen Kühe ebenfalls zu: auf 402 kg Fett (+13 kg) und 347 kg Eiweiß (+8 kg), also 749 Fett-Eiweiß-Kilo (FEK).

Weniger Milchbetriebe

Der Leistungszuwachs setzte sich damit auch im Vorjahr ungebremst fort, und das trotz widriger natürlicher und ökonomischer Rahmenbedingungen. Antrieb hierzu für die Milchviehbetriebe ist der betriebswirtschaftliche Zwang, möglichst viel Rohmilch je Stallplatz zu erzeugen, um die Stückkosten je Liter zu senken. Der enorme wirtschaftliche Druck, der auf den Milcherzeugern lastet, hat dementsprechend auch negative Begleiterscheinungen. Standen im Vorjahr landesweit noch 303 Betriebe in der Milchleistungprüfung (MLP), so ging deren Zahl inzwischen auf nur noch 290 Höfe zurück. Der MLP-Kuhbestand umfasst mittlerweile keine 100.000 Tiere mehr, verraten die Zahlen des Landeskontrollverbands für Leistungs- und Qualitätsprüfung (LKV).

Kuhkopf
Auf den Milchbetrieben lastet enormer wirtschaftlicher Drucker. Dieser spiegelt sich auch in der Anzahl der Milchbetriebe wieder. (c) Detlef Finger

Hohe Prüfdichte

Die Prüfdichte in der Milchkontrolle lag im Vorjahr bei 92,1 %, die durchschnittliche Herdengröße bei 333 Kühen je MLP-Betrieb. Der Herdbuchkuhanteil betrug 85 %. Hinsichtlich ihrer Gesamtzahl an MLP-Kühen liegen die tierstärksten Kontrollvereine (KV) Elbaue (12.581 Kühe), Stendal/Havelberg/Genthin (12.597) und Salzwedel (12.468) ziemlich gleichauf. Bei der Milchleistung führt der Kontrollverein Jessen (5.888 Kühe) das Ranking mit durchschnittlich 11.706 kg pro Kuh bei 866 kg Fett und Eiweiß (FEK) weiter an. Über der 10.000-Kilo-Marke liegen ferner die Kontrollvereine Salzwedel (10.256 kg Milch/766 FEK), Osterburg (10.067 kg/740 FEK) und Elbaue (10.075 kg/753 FEK).

Seydaland an der Spitze

Bei den leistungsstärksten Milchviehbetrieben thronte im zurückliegenden Prüfjahr die Seydaland Rinderzucht GmbH mit 13.033 kg Milch und 948 FEK im Herdenmittel an der Spitze. Mit seinem Bestand von 2.625 Kühen an drei Standorten ist das Unternehmen aus dem Landkreis Wittenberg der größte Milcherzeuger hierzulande. Auf Platz zwei steht mit der Plönnigs/Valdiek GbR aus Cheinitz im Altmarkkreis Salzwedel ein seit vielen Jahren in der Spitzengruppe etabliertes Unternehmen. Die 125 Kühe des Altmärker Familienbetriebes kommen auf 12.194 kg Milch und 947 FEK.

Auf Rang drei vorgeschoben hat sich der Landwirtschaftsbetrieb Schröter in Tilleda im Landkreis Mansfeld-Südharz. Beim aktuellen sachsen-anhaltischen Praxispartner der Bauernzeitung wurden im Vorjahr 119 Kühe geprüft. Sie melkten 12.157 kg Milch mit 922 FEK. Die Plätze vier und fünf belegten die Milchproduktion Meyendorf KG im Landkreis Börde (790 Kühe, 12.227 kg Milch, 914 FEK) bzw. die Agrargesellschaft mbH Siedenlangenbeck im Altmarkkreis Salzwedel (704 Kühe, 11.934 kg Milch, 901 FEK).


Sachsen-Anhalt aktuell

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Autobahnraststätten-Bau am Berliner Ring: Trucker statt Acker?

Auf 25 Hektar vom besten Boden soll eine Autobahnraststätte entstehen. Erst ging es um Priort, jetzt um Uetz-Paaren – Orte am westlichen Berliner Ring. Eine Bürgerinitiative mit Landwirt Stephan Otten wehrt sich.

Von Wolfgang Herklotz und Heike Mildner

Havelseen – das klingt nach Badespaß und Sonnenbrand. Aber die „Havelseen“, um die es hier geht, werden aus Beton und Asphalt gemacht sein: Eine Autobahnraststätte, geplant für die A 10, westlicher Berliner Ring, soll so heißen. Seit 2010 ein Rastanlagenkonzept dem Mangel an Lkw-Stellplätzen entlang des Rings entgegenwirken soll, wird nach einer Alternative zu „Wolfslake“ gesucht, der einzigen Raststätte zwischen den Autobahndreiecken Werder im Süden und Havelland im Norden. Mancher, der von Süden kommend links an Berlin vorbei zur Ostsee will, hat hier schon gehalten.

Aber Wolfslake hat zu wenig Stellplätze, ist in die Jahre gekommen, und außerdem könnten die Klos sauberer sein – so der Tenor der Google-Maps-Einträge. Aber dass die Raststätte nicht ausbau- und sanierungsfähig sein soll? Für die Bürgerinitiative Potsdamer Norden, die seit Oktober 2020 gegen die „Havelseen“ mobil macht, ist das undenkbar. Und Landwirt Stephan Otten, der hier wirtschaftet, wird nicht kampflos auf 25 ha Acker verzichten.

Vor acht Jahren: Erfolgreicher Widerstand GEGEN NEUE RASTSTÄTTE BEI PRIOrT

Die alte Raststätte Wolfslake. Bis auf die Planer fänden alle ihren Ausbau erstrebenswert
Die alte Raststätte Wolfslake. Bis auf die Planer fänden alle ihren Ausbau erstrebenswert. (c) Wolfgang Herklotz

Fünf Kilometer nördlich des derzeit favorisierten Standorts hatte sich vor acht Jahren das Dorf Priort erfolgreich gegen die neue Autobahnraststätte gewehrt. Unter der Überschrift „Überflüssig wie ein Kropf“ (Bauernzeitung, 39/2013, S. 6, Brandenburg) veröffentlichten wir einen Beitrag über den geplanten Bau von zwei Tank- und Autobahnraststätten an der A 10 bei Priort im Landkreis Havelland. Schon damals stieß das Projekt auf heftigen Widerstand unter den Anwohnern, insbesondere Landwirten. Denn es hätte den Entzug von rund 20 ha Nutzfläche bedeutet. „Wir Landwirte in der Region haben seit 1990 rund 500 Hektar für Bau- und Ausgleichsmaßnahmen verloren. Jetzt reicht es mit dem Flächenfraß“, erklärte damals Heiner Engelmann von der WHB Hoppenrade Marktfrucht-GmbH. Bei einem Vor-Ort-Termin mit dem Bundestagsabgeordneten Uwe Feiler (CDU) meldeten sich damals auch Vertreter einer Bürgerinitiative zu Wort.

Sie machten schon damals deutlich, dass das strittige Vorhaben nicht nur die Versiegelung von Flächen, sondern auch eine Belästigung durch Lärm und Abgase zur Folge hat. Überdies würden Steuermillionen vergeudet. Denn nur wenige Kilometer weiter nördlich existierten bereits zwei Tank- und Raststätten, die nur saniert werden müssten. Der Schulterschluss zwischen Landwirten und Anwohnern schien Früchte zu tragen. Vom Neubau am Standort Priort war in den folgenden Monaten und Jahren nicht mehr die Rede. Ein Sieg der Vernunft?

Ausbau der raststätte Wolfslake sei keine Option

Acht Jahre später ist der Ausbau von Wolfslake für das Infrastrukturministerium nach wie vor keine Option. Eine Erweiterung sei nicht möglich, denn die Raststätten liegen in einem Landschaftsschutzgebiet, heißt es vonseiten des Ministeriums. „Hinsichtlich der Trinkwasserversorgung und der Abwasserentsorgung bestehen keine Anschlüsse an das kommunale Netz“, so die Argumente der Planer. Bodo Oehme hat vom Wasserversorger anderes gehört: Alles sei möglich, nur eine Frage des Geldes. Oehme ist Bürgermeister der Gemeinde Schönwalde-Glien, deren Vertreter erst im Januar mit großer Mehrheit für den Erhalt von Wolfslake votiert haben. Das Landschaftsschutzgebiet, gleichmäßig mit Kiefern bewachsen, sei 1996 flächendeckend ausgewiesen worden, so Oehme. Es sind ebensolche Kiefern, wie sie jüngst für den Tesla-Standort in Grünheide massenhaft gefällt wurden.

Nach dem Willen der Planer – die damit offenbar allein dastehen – sollen Wolfslake aufgegeben, die Flächen entsiegelt und als Kompensation für den Bau der neuen Anlage angerechnet werden. Argumentativ greift das Ministerium auf die Proteste von vor acht Jahren zurück: Damals sei intensiv über den Standort diskutiert worden, so die Pressesprecherin des Ministeriums zur Bauernzeitung. Im Ergebnis der Debatte mit Gemeinden, Bauernverband und Bürgerinnen und Bürgern sei entschieden worden, statt der zwei Raststätten nur eine Raststätte auf der westlichen Seite zu bauen, die über eine Brücke von der Gegenfahrbahn aus erreichbar sein soll. Allerdings waren die von der neuen Planung Betroffenen damals noch nicht im Boot und die anderen vermutlich froh, das Problem erst mal los zu sein. Echte Bürgerbeteiligung stellt man sich irgendwie anders vor.

Neue Tank- und Raststätte auf 50er-Böden

Am Mittwoch voriger Woche treffen wir uns mit Stephan Otten, Betriebsleiter der Agro Uetz-Bornim GmbH. Wir stehen auf einer Brücke, die über die A 10 führt. An diesem trüben Februartag sind viele Lastkraftwagen und Autos unterwegs. Otten zeigt auf die Fläche hinter sich, auf der im Herbst vergangenen Jahres Weizen gedrillt wurde. „Unser bester Ackerboden. Von den 50er-Böden ernten wir in guten Jahren zwischen acht und neun Tonnen Getreide pro Hektar.“ Doch damit könnte spätestens mit dem geplanten Baubeginn 2024 Schluss sein: Auf dem besagten Areal direkt an der Autobahn soll die neue Tank- und Raststätte entstehen. Wie Otten versichert, war schon im Herbst vergangenen Jahres zu spüren, dass da was „am Köcheln“ sei. Traurige Gewissheit brachte dann ein Schreiben des Landesamts vom 21. Dezember. Es enthielt eine CD mit den Unterlagen für die „Tank- und Rastanlage Havelseen“ und die Aufforderung dazu bis Mitte April 2021 Stellung zu beziehen.

Notfalls gerichtlich: Landwirt und Bürgerinitive wollen kämpfen

„Diese Nachricht hat uns zutiefst geschockt“, betont Stephan Otten. „Denn wenn das Projekt Realität wird, verlieren wir 25 Hektar unserer besten, ohnehin sehr raren Böden. Ich hätte zudem nie gedacht, dass so viel Nutzfläche draufgeht.“ Zwar sollen die Unterlagen ab Mitte Februar öffentlich ausgelegt und diskutiert werden. Doch es ärgert den Landwirt, dass er und sein Betrieb vorab keine Informationen über das Vorhaben bekommen haben. Und dass das Verfahren offensichtlich schon weit fortgeschritten ist. Denn angeblich seien alle Belange hinsichtlich Lärm-, Umwelt- und Naturschutz gründlich abgewogen worden. „Ich vermisse aber eine klare Aussage, warum man sich gegen die Sanierung der Anlage Wolfslake entschieden hat!“ Eine notwendige Erweiterung dort wäre aus landwirtschaftlicher Sicht kein Problem, weil es sich um sandige Böden handelt.

Sicherlich, der Flächenverlust durch den Bau der Autobahnraststätte am Berliner Ring würde den Betrieb nicht in Gefahr bringen, räumt der Betriebsleiter ein. Das auf rund 1.000 ha wirtschaftende Unternehmen hat mehrere Standbeine, bietet neben dem Marktfruchtanbau auch Lohnleistungen an und hat einen Ökobetrieb mit Mutterkuhhaltung als Tochtergesellschaft. „Aber es kann doch nicht sein, dass man so mit uns umgeht.“ Der Landwirtschaftsbetrieb steht indes nicht allein. Anfang Oktober formierte sich eine Bürgerinitiative, um das Bauprojekt zu verhindern. Mit ihr zusammen will Otten die nächsten Schritte unternehmen, notfalls auch gerichtlich.

Die „Havelseen“ sind kein Einzelfall
Die Versiegelung von Acker- und Grünlandflächen ist auch 30 Jahre nach der Wende noch ein Problem im Osten. Allein in Brandenburg werden der Landwirtschaft täglich 5,6 Hektar entzogen, in Mecklenburg-Vorpommern sind es drei Hektar. In Sachsen hat sich die Landesregierung mit zwei Hektar pro Tag ein Ziel gesetzt, es mit zuletzt fünf Hektar pro Tag jedoch weit verfehlt. Doch auch der Widerstand gegen die Inanspruchnahme unversiegelter Flächen wächst: In Erfurt sammelten Kreisbauernverband, Ortsgruppen des BUND und „Fridays für Future“ 4.000 Unterschriften gegen die Umwandlung von 45 ha Acker mit Bodenwertzahlen von über 95 in Industrie- und Gewerbeflächen.
In Sonneberg stößt die Umwandlung von 80 ha mit mehr als 50 Bodenpunkten auf Widerstand. In Sachsen-Anhalt gehört das Gewerbegebiet Osterweddingen bei Magdeburg mit rund 600 ha Bruttofläche zu den größten im Bundesland. Es wurde ab Mitte der 1990er-Jahre auf bestem Bördeboden entwickelt. Einen Großteil der ehemaligen Ackerflächen stellte die BVVG zur Verfügung. Das Industriegebiet ist gut ausgelastet, rund 7.500 Arbeitsplätze sind entstanden. Das Problem: Die meisten Unternehmen führen die Gewerbesteuer woanders ab, berichtete 2018 die regionale Tageszeitung „Volksstimme“. Red

Langer Atem ist gefragt

Die Bürgerinitiative (BI) „Potsdamer Norden“ zieht alle Register: Petitionen, Plakate, Pressearbeit, Ministerbrief – und sie hat Argumente, die über die lokale Betroffenheit hinausgehen. Vor allem ist es die noch intakte Landschaft mit alten Obstbaumplantagen und Feuchtwiesen, mit Pirol, Kiebitz und Wiedehopf, mit dunklen Nächten und drei nahen Dörfern, die sich gegen den Bau der Autobahnraststätte am Berliner Ring wehren. BI-Sprecherin Silke Beckedorf rechnet vor, dass bei all den Nachteilen für die Umwelt die neue Autobahnraststätte letztlich kaum mehr Lkw-Stellplätze hätte.

Nachhaltig geht anders, sind sich die Verbündeten einig. Sie sind zahlreich und die Konstellation durchaus nicht alltäglich: Bauernverband, Nabu, BUND und Grüne Liga unterstützen die Einwände der Bürgerinitiative. Das Planfeststellungsverfahren zu verhindern, haben sie nicht erreicht. Doch wenn ab dem 15. Februar die Planungsunterlagen einen Monat lang ausliegen, wird es kräftigen Gegenwind geben. Die Zuständigkeit für die „Havelseen“ hat indes gewechselt. Sie liegt seit Jahresbeginn bei der neuen Autobahn GmbH des Bundes und so in letzter Instanz bei Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Der hat angekündigt, „schneller planen, effizienter bauen und direkter finanzieren“ zu wollen. Ganz allgemein, versteht sich.

Neue Förderrichtlinie für Insektenschutz

Sachsen will mit einer neuen Förderrichtlinie seine Landwirte unterstützen. Gefördert werden unter anderem Blüh- und Brachestreifen sowie die partielle Mahd auf Grünland.

Mit einer neuen Förderrichtlinie will der Freistaat Landwirte sowie Umwelt- und Landschaftspflegeverbände unterstützen, die Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz von Insekten durchführen. Das Kabinett verabschiedete vergangene Woche die Richtlinie „Insektenschutz und Artenvielfalt“ (FRL ISA/2021), die nach Veröffentlichung im Sächsischen Amtsblatt in Kraft tritt. Für dieses Jahr stehen 2,2 Mio. Euro zur Verfügung.

Förderung Blühstreifen

Über die Richtlinie gefördert werden auf dem Acker zum Schlag gehörende, über fünf Jahre ortsfeste Blüh- bzw. Brachestreifen am Schlagrand. Die Streifen müssen mindestens sechs Meter und dürfen maximal 20 Meter breit sein. Insbesondere müssen Überwinterungsstrukturen bestehen bleiben. Die Ansaatmischungen für die Blühstreifen werden vorgegeben. Die Förderung beträgt jährlich 909 €/ha für Blühstreifen und
jährlich 635 €/ha für Brachestreifen.

Förderung partielle Mahd

Ebenfalls gefördert wird die partielle Mahd auf Grünland. Dabei ist besonders insektenschonende Technik vorgeschrieben. Landwirte dürfen zukünftig zweimal jährlich mit einer längeren Nutzungspause mähen. Zugleich müssen bei jeder Mahd Grünlandstreifen als Überlebensraum für die Insekten ungenutzt bleiben. Unterstützt wird diese Maßnahme mit 702 €/ha im Jahr.


Sachsen aktuell

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Die Förderung finanziert sich aus dem Sonderrahmenplan „Insektenschutz in der Agrarlandschaft“ innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) des Bundes und aus einer Kofinanzierung des Freistaates Sachsen aus eigenen Mitteln. Red


Die Richtlinie steht voraussichtlich ab 18. Februar bereit: kurzelinks.de/RL-Insektenschutz