Der Krieg in Osteuropa bringt ungekannte Herausforderungen mit sich. Eine Form der Unterstützung ist die Beschäftigung ukrainischer Kriegsflüchtlinge, die jetzt unkompliziert möglich ist.
Von RA Steffen Pasler, Benjamin Hummel, ETL Agrar & Forst Berlin
Seit 2017 besteht die EU-Visafreiheit für ukrainische Staatsbürger, sofern sie über einen biometrischen Reisepass verfügen. Ist dies nicht der Fall, wird ihnen ein Schengen-Visum erteilt. In beiden Fällen dürfen sich ukrainische Staatsangehörige an 90 Tagen im Halbjahr in der EU und damit in Deutschland rechtmäßig aufhalten, jedoch keine Erwerbstätigkeit ausüben. Dies war die Rechtslage vor Kriegsbeginn und ist es auch aktuell.
Mit Beginn des Krieges und der einsetzenden Fluchtwelle genügten diese rechtlichen Möglichkeiten nicht mehr. Am 8. März ist daher die Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung in Kraft getreten, die bis zum Ablauf des 23. Mai 2022 gilt. Nach dieser Vorschrift sind Ausländer, die sich am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben und die bis zum Außerkrafttreten dieser Verordnung in das Bundesgebiet eingereist sind, ohne den für einen langfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel zu besitzen, von der Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit.
Dies gilt auch für ukrainische Staatsangehörige, die am 24. Februar 2022 einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Ukraine hatten, aber die sich zu diesem Zeitpunkt vorübergehend nicht in der Ukraine aufgehalten haben sowie für in der Ukraine anerkannte Flüchtlinge und Personen, die in der Ukraine internationalen oder gleichwertigen nationalen Schutz genießen. Selbstverständlich gilt diese Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels auch für ukrainische Staatsangehörige, die sich am 24. Februar 2022 bereits rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, ohne den für einen langfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel zu besitzen.
Felix und Stephanie Kremerskothen sowie Rüdiger und Kerstin Wessel organisieren in Dumsevitz auf Rügen einen Hilfskonvoi mit 28 Fahrzeugen. mehr
Grundsätzlich dürfen nur Ausländer, die einen Aufenthaltstitel besitzen, eine Erwerbstätigkeit ausüben. Dies gilt auch für ukrainische Kriegsflüchtlinge. Die Zulassung ausländischer Beschäftigter orientiert sich an den Erfordernissen des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Deutschland unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und ist unter den Voraussetzungen der Fachkräfteeinwanderung möglich. Diese Regelungen orientieren sich jedoch an der Migration unter normalen Umständen und werden der besonderen Situation bei Flucht und Vertreibung nicht gerecht. Die Europäische Union hat als Konsequenz des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien für solche Krisen schon im Jahr 2001 Regelungen getroffen und die Richtlinie 2001/55/EG (Massenzustromrichtlinie) verabschiedet, die von der Bundesrepublik mit § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in nationales Recht umgesetzt wurde. Der Anwendungsfall dieser Vorschrift ist nun erstmals in der Geschichte beschlossen worden.
Einem Ausländer, dem aufgrund eines Beschlusses des Rates der Europäischen Union gemäß der Massenzustromrichtlinie vorübergehender Schutz gewährt wird und der seine Bereitschaft erklärt hat, im Bundesgebiet aufgenommen zu werden, wird für die Dauer von zunächst einem Jahr eine Aufenthaltserlaubnis erteilt (§ 24 AufenthG). Dieser Beschluss des Rates der Europäischen Union ist am 4. März 2022 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden und am gleichen Tag in Kraft getreten. Der Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG ermöglicht zwar grundsätzlich nicht die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung. Es besteht jedoch ausdrücklich die Möglichkeit, dass die zuständige Ausländerbehörde hiervon eine Ausnahme macht und die Beschäftigung erlaubt.
Nach Art. 12 der Massenzustromrichtlinie gestatten die Mitgliedstaaten Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, die Ausübung einer abhängigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit nach für den jeweiligen Berufsstand geltenden Regeln sowie von Tätigkeiten in Bereichen wie zum Beispiel Bildungsangebote für Erwachsene, berufliche Fortbildung und praktische Erfahrungen am Arbeitsplatz. Diese Vorgaben des europäischen Rechts dürften das Ermessen der Ausländerbehörden auf die Pflicht zur Erteilung eines Aufenthaltstitels mit der Erlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit reduzieren.
Nach der Massenzustromrichtlinie können die Mitgliedstaaten EU-Bürgern, Staatsangehörigen der Vertragsparteien des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum sowie Drittstaatsangehörigen mit rechtmäßigem Aufenthalt, die Arbeitslosengeld beziehen, aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik Vorrang einräumen. Davon hat die Bundesrepublik jedoch keinen Gebrauch gemacht. Nach § 31 der Beschäftigungsverordnung bedarf die Erteilung der Erlaubnis zur Beschäftigung an Ausländerinnen und Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis, die unter anderem nach § 24 AufenthG erteilt worden ist, keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit.
Auch für die nach den beschriebenen Regeln aufenthaltsberechtigten ukrainischen Kriegsflüchtlinge gilt: Eine Beschäftigung ohne Aufenthaltstitel, der die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausdrücklich erlaubt, ist unzulässig und strafbar! Bei der zuständigen Ausländerbehörde kann jedoch unbürokratisch mit Hinweis auf § 24 AufenthG ein Aufenthaltstitel mit Erwerbsberechtigung beantragt werden.
Von nagelneu bis uralt: Auf einer Online-Auktion von Ritchie. Bros kann man Gebraucht- und Neumaschinen ersteigern. Dr. Enrico Sieber, Regionalvertriebsleiter für den Bereich Landmaschinen, gibt Tipps, wie man Landtechnik am besten ersteigern kann.
Herr Dr. Sieber, die nächsten Online-Auktionen von Landmaschinen in Meppen, Wackersdorf und Leipzig stehen an. Wie viele Positionen stehen an den einzelnen Standorten von Ritchie Bros. Auctioneers zum Verkauf?
Diese Frage kann leider erst am Tag der Auktion genau beantwortet werden. Für unsere Einsteller besteht bis zum Zeitpunkt des Verkaufs vom ersten Objekt die Möglichkeit, Ware anzuliefern und unter Vertrag zu geben. Die Auktion im März ist die hinsichtlich Stückzahl zweithöchste nach der im November. Wir bewegen uns da in etwa zwischen 1.700 und 2.000 Positionen. Derzeit laufen etwa 70 Prozent über Meppen und der Rest wird über unsere Satellitenyards versteigert.
Seit zwei Jahren stellen Sie auch Verkaufsobjekte in den Satellitenyards Leipzig und Wackersdorf aus, warum?
Mit wachsendem Interesse am Auktionsgeschehen möchten wir noch näher an unsere Kundschaft kommen. In Abhängigkeit vom Verkaufspreis spielen da Transportkosten beim Verkauf und auch Einkauf der Waren eine zunehmende Rolle. Wir haben mit der Entscheidung im Herbst 2020 damit einen weiteren wirtschaftlichen Vorteil für unsere Kunden geschaffen.
Was ist der Unterschied zwischen Online-Zeitauktion und Live-Auktion?
In der Liveauktion sitzt der Bieter körperlich anwesend in einem Auktionsraum, in dem der Auktionator die Gebote annimmt. Die Anzahl der Bieter ist auf die im Raum Anwesenden begrenzt und das Bieten ist nicht anonym. Der Eventcharakter ist natürlich um ein Vielfaches höher, als steril am Rechner mitzubieten. Bei der Onlineauktion kann der Teilnehmer seine Kaufentscheidung unabhängiger von der Gruppendynamik im „Live-Bieterkessel“ treffen.
Welche Gründe sprechen für den Kauf von Landmaschinen auf einer Onlineauktion?
Grundsätzlich bieten die Online-Auktionen von Landmaschinen allen Kundengruppen Vorteile. Sowohl Auktionsprofis als auch Neueinsteiger haben die Möglichkeit, auch während der Bieterzeit permanent auf alle Details der Bietobjekte zuzugreifen. Das Online-Bietverfahren ist sehr transparent und jeder sieht die Zeit, die verbleibt, um ein Angebot abzugeben. Mit der Eingabe eines persönlichen Höchstgebotes, muss man nicht unbedingt live zur Versteigerung dabei sein. Jedoch ist damit natürlich keine Erwerbsgarantie gegeben.
Nehmen wir mal an, ich würde den gleichen Gebrauchttraktor beim Händler und auf einer Auktion kaufen beziehungsweise verkaufen. Gäbe es Unterschiede im Preis und wenn ja, warum?
Natürlich ist eine Preisdifferenz vorhanden. Als Landmaschinenhändler muss ich eine höhere Marge kalkulieren. Die Kosten für Vertrieb, Service, Auslieferung/Übergabe an den Kunden, eventuelle Reklamationen und Finanzierungskosten der Lagerware sind preisrelevant. Bei der Aktion wird die Maschine ohne all diese Posten direkt zu einem vorher genau festgelegten Zeitpunkt verkauft. Das spart Geld für den Einsteller. Der Käufer bekommt die Maschine in genau dem transparent beschriebenen Zustand. Eine Garantie, eine Kulanz beziehungsweise eine eventuell spätere Reparatur sind nicht mehr verhandelbar.
Was muss ich als Bieter vor Online-Auktionen von Landmaschinen alles machen, damit ich mitbieten kann?
Im ersten Schritt muss man sich als Kunde bei Ritchie Bros. Auctioneers registrieren. Dazu geht man auf die Homepage www.rbauction.de und gibt unter Anmelden seine E-Mail-Adresse ein und erstellt ein Passwort. Damit ist man in der Auktionswelt registriert und hat Zugriff auf Auktionen weltweit als auch auf historische Auktionsergebnisse. Zur gewünschten Auktion muss man sich in dem Feld „Registrieren“ zur jeweiligen Auktion anmelden.
Kann man die Maschinen vorher in Augenschein nehmen?
Vor jeder Auktion bieten wir zu unseren Besuchertagen (Viewing Days) die Möglichkeit, die Geräte und Maschinen zu fahren beziehungsweise technisch in Augenschein zu nehmen. Dazu stehen unsere Kollegen vom Operationsteam tatkräftig zur Verfügung. Ich empfehle jedem, der bei einer Auktion mitbieten möchte, zum Schätzen des möglichen Kaufpreises die potenzielle Ware vorher persönlich zu besichtigen.
Worauf sollte man dabei alles achten?
Wichtig ist, dass sich jeder potenzielle Käufer dieser Möglichkeit bewusst sein muss. Ein Kauf ohne persönliche Besichtigung kann wie überall eine andere Erwartung als gewollt erwecken. Wir dokumentieren die Maschinen zwar mit bis zu 80 Bildern pro Objekt und bieten auch Videos an, aber ein persönliches Besichtigen bringt oft ein höheres Sicherheitsgefühl beim Käufer.
Warum gibt es keine Mindestpreise?
Richtie Bros. ist weltweit das führende Unternehmen in der Versteigerung von Bau- und Landmaschinen. Jedes zur Auktion angebotene Objekt hat seinen aktuellen Marktwert. Mit unserem weltweiten Netzwerk an Kundendaten bieten wir den Einstellern den maximal möglichen Kreis an Käufern zum jeweiligen Auktionstermin. Ein durchaus auch möglicher Verkaufspreis unter den Erwartungen des Verkäufers spiegelt dann die aktuelle Situation des Verkehrswertes im terminierten Abverkauf wider. Mindestpreise können den finalen Kaufpreis sowohl positiv als auch negativ beeinflussen.
Fallen bei Online-Auktionen von Landmaschinen Auktionsgebühren an beziehungsweise wie setzt sich der endgültige Preis zusammen?
Ja, sowohl der Käufer als auch der Verkäufer tragen Gebühren für den Auktionsservice. Zum endgültigen Gebot kommen, von der Höhe des Gebotes abhängig, unterschiedlich hohe Transaktionsgebühren hinzu. Diese Gebühr beträgt zehn Prozent bei Maschinen, die für bis zu 12.000 Euro verkauft werden. Sie liegt bei 3,85 Prozent für Maschinen, die für über 12.000 bis 129.870 Euro verkauft werden, beträgt jedoch mindestens 1.200 Euro. Bei Maschinen, die für über 129.870 Euro den Besitzer wechseln, beträgt die Transaktionsgebühr 5.000 Euro. Für pauschalierende Landwirte ist noch wichtig zu wissen, dass zum Schluss noch die Mehrwertsteuer obendrauf kommt.
Wie erfolgt die Zahlung bei Online-Auktionen von Landmaschinen?
Direkt nach der Auktion bekommt der Käufer eine Nachricht, dass er zum Betrag X die Ware mit der Lot-Nummer Y erworben hat. Es geht dann umgehend eine E-Mail mit einer Zahlungsaufforderung zur Überweisung an die angegebene Adresse. Die Zahlung muss vor Abholung der Ware erfolgen.
Laut Homepage bieten Sie für verschiedene Regionen flexible Finanzierungs- und Leasingoptionen an. In welchen Regionen bieten Sie was an?
Diese Programme werden primär in Nordamerika genutzt. Für Kunden im deutschsprachigen Raum stellen wir gern den Kontakt zu regionalen Finanzierungsunternehmen her.
Kann man sich die ersteigerte Maschine oder den Traktor liefern lassen?
Der Transport von Auktionsware liegt in der Verantwortung des Käufers. Auch hier haben wir eine größere Anzahl an kooperierenden Transportunternehmen, mit denen wir die Lieferung vorbereiten können und dann im Auftrag des Käufers auslösen.
Von wem bekommen Sie die zu versteigernden Objekte?
70 Prozent der landwirtschaftlichen Traktoren, Maschinen und Geräte kommen vom Landtechnikhandel und Vermietern, 30 Prozent kommen von landwirtschaftlichen Betrieben.
Welche Gründe sprechen für den Verkauf von Landmaschinen über eine Online-Auktion?
Es gibt definitiv einen festen Zeitpunkt, an dem das Objekt verkauft wird. Der Aufwand für Vertrieb und Abwicklung wird komplett von Ritchie Bros. übernommen. Es ist einfach und bequem für den Verkäufer: Vertrag unterschreiben, Maschine anliefern und 21 Tage nach der Auktion den Zahlungseingang verbuchen. Zum Zeitpunkt der Auktion sind durch unser Netzwerk zwischen 2.500 und 3.500 Bieter online und aktiv im Bietergeschehen eingebunden. Diese Aufmerksamkeit hat man auf statischen Onlineplattformen zum Maschinenverkauf sehr selten beziehungsweise nie.
In welchem Zustand sollte das Verkaufsobjekt sein?
Wir empfehlen prinzipiell, eine intensive Reinigung des Verkaufsobjektes, bei motorgetrieben Maschinen empfiehlt sich auch eine neue Batterie. Die Intensität der Aufarbeitung liegt im persönlichen Ermessen des Verkäufers. Qualität und Optik bringen Geld. Nur die Farbdose anzusetzen, kann aber auch nach hinten losgehen. Da empfiehlt es sich, den gereinigten Originalzustand zu präsentieren und einfach transparent den Maschinenzustand vorzustellen.
Sie bieten Verkäufern verschiedene Services an. Welche sind das?
Neben der Beratung zur vorzeitigen Preisabschätzung aus den historischen Ergebnissen unserer weltweiten Auktionen bieten wir die gesamte Verkaufsabwicklung der Ware an. Ein wesentlicher Punkt ist auch die Abwicklung der Zahlung des Käufers. Grundsätzlich bieten wir vor Auktionsbeginn das Reinigen von Maschinen und das Vermitteln von Transporten an.
Mit IronPlanet hat Ritchie Bros. einen weiteren Verkaufskanal. Welche Bedeutung hat er im Landtechnikbereich?
Die Bekanntheit dieser „Mindestpreisauktion“ ist leider noch nicht da, wo wir sie uns wünschen. IronPlanet ist jedoch eine ganz interessante Möglichkeit, Maschinen über das Ritchie Bros.-Netzwerk zu kaufen oder verkaufen. Wir nutzen die Plattform auch, um gezielte Kundenanfragen zu Maschinen bedienen zu können und kaufen gezielt interessante Ware am Markt ein.
Was hat sich durch Corona verändert und wird es irgendwann wieder Live-Auktionen geben?
Der gesamte Auktionsapparat hat sich auf den Kopf gestellt. Das Geschäft ist deutlich schneller und transparenter geworden. Auktionatoren sind in Europa nicht mehr im Einsatz. Für die Verkäufer und Bieter hat sich ein vielleicht schon ausstehender Wandel in der Abwicklung beschleunigt. Verkäufer haben eine viel größer Bieterschaft gewonnen, das Preisniveau ist deutlich gestiegen. Für Käufer ist die vielleicht vorher mit Scheu versehene Teilnahme an Auktionen einfacher geworden. Man kann sich genau im Zeitfenster der angekündigten Auktion vor den Rechner setzen und zunehmend junge und hochwertige Ware kaufen. Dabei kommen vielen Käufern die weiter oben besprochenen Preisvorteile zugute. Alles in allem gibt es nur positive Dinge über den Wechsel von live zu online zu berichten.
Und um den Eventcharakter von früher wieder zu bekommen, sind wir schon straff in der Planung und werden zum gegebenen Zeitpunkt und den Veranstaltungsmöglichkeiten entsprechend ein Gläschen mit unseren Kunden zusammen trinken.
So lautet die erste Forderung von TBV-Präsident Dr. Klaus Wagner an die Politik. Die Turbulenzen, die der Krieg in der Ukraine ausgelöst hat, setzten der hiesigen Landwirtschaft, die kaum oder keine Reserven hat, enorm zu.
Bauernzeitung: Die Gremien des Landesbauernverbandes fanden sich gerade zur Klausur zusammen: Wie beurteilen Sie und Ihre Kollegen die aktuelle Situation als direkte Folge des Krieges in der Ukraine?
Dr. Klaus Wagner, TBV-Präsident: Die Panik an den Energie-, Düngemittel- und Getreidemärkten macht eine wirtschaftliche Planung von der Aussaat bis zur Ernte unmöglich. Insofern befinden wir uns in einer ernsten Situation.
Was erwarten Sie als Erstes und sofort von der Politik?
Die Energiekosten müssen unverzüglich runter. Das ist die zentrale Forderung, mit der die Landwirtschaft momentan ja auch nicht allein dasteht. Das betrifft den Diesel genauso wie Gas oder Strom. Steuern und Abgaben könnten beispielsweise zwei Monate lang rapide gesenkt werden. Dann schaut man, wie sich die Lage entwickelt. Die Politik muss sich im Klaren sein, dass in der Landwirtschaft wenige bis gar keine Liquiditätsreserven vorhanden sind.
Tierhaltungsbetriebe stehen unter besonderem Druck?
Das ist so. Wenn Mischfutterpreise steigen, müssen Tierhalter sie zahlen. Da haben sie keine Wahl. Solange Fleisch- und Milchpreise steigen, was ja seit einigen Wochen der Fall ist, können etwa höhere Futterkosten noch kompensiert werden. Wichtig für die Tierhalter wäre es, dass der Bund endlich den Startschuss für den Umbau der Tierhaltung gibt. Die Unsicherheit ist groß, Investitionen wurden zurückgestellt, weil keiner weiß, welche Standards ihn erwarten. Weder die Finanzierung noch die Rahmenbedingungen – Stichwort Baurecht – sind geklärt. Die Gefahr, dass noch mehr Tierhalter aufgeben, gerade unter dem Eindruck der gegenwärtigen Situation, ist real.
Mit dem Getreide verteuern sich aufgrund des aktuellen weltpolitischen Geschehens auch Futtermittel rasant. Ein Ende der Preisspirale ist nicht abzusehen. Wir fragten Fütterungsexperten Prof. Olaf Steinhöfel, wie Tierhalter auf Kostensprünge und Engpässe reagieren können. mehr
Zur Entlastung sollen ökologische Vorrangflächen zur Futternutzung freigegeben werden. Angesichts der großen Raufutterernte 2021: Bringt das den Betrieben Entlastung?
Wohl kaum. Ich denke, in Thüringen nur in Einzelfällen. Richtig und wichtig wäre es, diese Flächen für den Anbau von Mais, Ackerfutter oder Leguminosen freizugeben. Für Leguminosen hätte eine Entscheidung aber längst getroffen werden müssen.
Welche Risiken müssen Landwirte mit Blick auf die Ernte 2022 einkalkulieren?
Wer heute Dünger und Diesel zu den explodierenden Preisen kaufen muss, weiß schlussendlich nicht, für welchen Preis er sein Getreide vermarkten kann. Dieses enorme wirtschaftliche Risiko gefährdet die wirtschaftliche Stabilität unserer Betriebe. Beim Dünger denke ich aber, dass der bei den meisten Betrieben schon auf dem Hof liegt. Problematisch stellt sich der Bezug von Pflanzenschutzmitteln dar. Momentan ist schon gar nicht mehr der Preis relevant, sondern allein die Verfügbarkeit. Von den hohen Getreide- und Rapspreisen können jetzt freilich nur Landwirte profitieren, die noch was im Lager haben. Und das sind eher wenige.
Und klar ist auch: Wer heute einen Kontrakt für die anstehende Ernte zu den guten Preisen abschließt, muss auch liefern. Wie die Ernte ausfällt, wissen wir nicht, auch wenn es bislang keinen Anlass zur Sorge gibt. Unser Betrieb musste 80 Hektar Raps umbrechen: Späte Aussaat, Erdflöhe und Feldmäuse – alles kam zusammen. Als Ersatz entschieden wir uns gegen Körnermais und für Sonnenblumen. Ob das die richtige Wahl war, wissen wir erst im Herbst.
Mit Blick auf die Herbstaussaat und das Jahr 2023: Spätestens Mitte dieses Jahres dürfte wieder Mineraldünger gekauft werden. Auf was müssen sich da die Betriebe gefasst machen?
Es gibt die optimistische Variante, dass hohe Düngerpreise durch hohe Getreidepreise gedeckt werden können. Mit hoher Wahrscheinlichkeit können wir aber nicht ausreichend Dünger kaufen, weil die EU-Länder bislang große Mengen aus Russland und Weißrussland importierten. Hier ist ganz klar Brüssel gefragt: Denn ohne eine staatlich rückversicherte Ausweitung der europäischen Düngemittelproduktion wird man Engpässe für die Ernte 2023 nicht ausschließen können. In den USA hat die Regierung bereits Geld in die Hand genommen, damit die Düngemittelindustrie die Nachfrage decken kann.
Regional und praxisnah: Die Bauernzeitung versorgt Sie regelmäßig allen wichtigen Informationen rund um die Landwirtschaft in Thüringen. mehr
Forderungen stehen schon etliche im Raum: Muss angesichts der Lage die GAP-2023 nachgebessert werden?
Ich weiß von Kollegen, die sich eine Verschiebung des Startes der GAP um ein oder zwei Jahre wünschen: Corona ist noch nicht vorbei, jetzt die Marktverwerfungen. Hinzu kommt ein geteiltes Antragsverfahren in diesem Jahr, wobei wir noch nicht wissen, wann jenes für das Kulap beginnt. Unter diesen Gesichtspunkten besäße eine Verschiebung sicher Charme. Ich halte es aber für unrealistisch, weil es allein aus EU-Haushaltsgründen nicht möglich sein wird. Wir werden uns auch nicht in Debatten mit NGO über die Aussetzung der Vier-Prozent-Flächenstilllegung verzetteln. Fakt ist: Wenn die EU Nahrungsmittelhilfe für den globalen Süden leisten will, dann braucht sie Ware – und da fallen vier Prozent Fläche schon ins Gewicht. Das hat der Bauernverband auch gegenüber Bund und EU so kommuniziert.
Entfacht ist die Debatte um die Versorgungssicherheit. Muss spätestens jetzt der von der EU und auch in Deutschland eingeschlagene Weg der Extensivierung infrage gestellt werden?
So ernsthaft, wie jetzt über eine sichere Energieversorgung diskutiert wird und Fakten geschaffen werden, muss auch über Ernährungssouveränität in der EU debattiert werden. Wer Blümchenwiesen bestellt, bekommt sie von uns. Wer bei uns Ernährungssicherheit bestellt, bekommt Ernährungssicherheit. Wir sind uns doch einig, dass der Klimakrise und dem Rückgang der Biodiversität begegnet werden muss. Die agrarpolitische Debatte in Europa, besonders in Deutschland, ist aber seit Jahren hauptsächlich von umweltpolitischen Themen geprägt und auf Extensivierung der Landwirtschaft ausgerichtet. Das muss, angefangen bei der Farm-to-Fork-Strategie, überdacht werden. Landwirtschaft ist kein Selbstzweck, sondern sie stellt die Ernährung der Bevölkerung sicher. Und das muss im Angesicht der Entwicklungen auch wieder den politisch Verantwortlichen bewusst werden.
Mit frischem Obst und Gemüse vom Bördegarten Osterweddingen beliefert die Wimex-Gruppe den regionalen Lebensmitteleinzelhandel. Die Vitaminspender gedeihen in Hightech-Gewächshäusern.
Von Barbara Ilse
Die Gewächshäuser rechts der B 81 in Richtung Magdeburg sind schon von Weitem zu sehen. Sie gehören zum Gewerbegebiet Osterweddingen im Landkreis Börde. In den Treibhäusern wachsen Salatgurken, Erdbeeren und Kräuter, die es in den Supermärkten der Region zu kaufen gibt. Sechs Hektar unter Glas – das sind riesige Flächen. Und die Gewächshäuser sind immer auf dem modernsten technischen Stand. Dafür sorgt seit drei Jahren der Betriebsleiter, Gartenbauingenieur Jos Houwen.
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Während der gebürtige Niederländer erklärend durch die verglasten Bereiche führt, entfernt er hier und da noch ein Unkrautpflänzchen oder ein braunes Blatt. An einer der acht Meter langen Gurkenpflanzen, die an Fäden bis zur Glasdecke geführt werden, streift er sacht die Spitze einer Ranke von einer dadurch krumm gewachsenen dünnen Schlangengurke, kneift diese ab und knabbert an dem frischen Gemüse. Dabei erzählt er stolz, dass etwa 20.000–30.000 Stück davon, natürlich nur akkurat gerade gewachsene, täglich von Februar bis November die Glashäuser in Richtung hiesiger Supermärkte verlassen. Zweimal jährlich, Anfang Februar und dann noch einmal Ende Juli/Anfang August, werden hierfür neue Gurkenpflanzen mit etwa 40 cm Wuchshöhe gesetzt.
Mit der Abwärme und Kohlenstoffdioxid (CO2) aus dem benachbarten Glaswerk der AGC f | glass GmbH, eigenem Ökostrom und biologischem Pflanzenschutz bringt es jede dieser Bördegarten-Gurken zu einem zertifizierten „klimapositiven Produkt“.
Die Erzeugung der Schlangen- bzw. Salatgurken nimmt mit etwa 3,2 ha gut die Hälfte der Unterglasfläche ein. Im Rahmen des biologischen Pflanzenschutzes werden in den Gewächshauskulturen verschiedene Arten von Schlupfwespen und Raubmilben als natürliche Gegenspieler von Schildläusen und Spinnmilben eingesetzt, erläutert Betriebsleiter Houwen. Dazu würden wöchentlich Eier bzw. Larven der Nützlinge in die Unterglasproduktion eingebracht.
Alles im Bördegarten läuft über ein eigenes Datennetz, das die Beschattung, die sensorgesteuerte Tropfbewässerung samt Düngergaben, die Sauerstoffzufuhr und Ähnliches ausführt, überwacht und aufzeichnet.
Besonders interessant ist die Wasserzufuhr bei den Topfkräutern, die auf rund zwei Hektar Fläche alle wohlgeordnet nebeneinander auf dem Boden stehen: Tausende Töpfe, ob nun mit klitzekleinem, halbhohem oder großem Schnittlauch, Petersilie, Rosmarin, Dill, Basilikum und Minze, bekommen ihr Wasser in genauen Gaben von unten durch Abzugskanäle. Das von den Dächern aufgefangene Regenwasser wird, versetzt mit nötigen Mineralien, hochgedrückt und fließt nach einiger Zeit wieder ab. Nachdem die Glaswerkflächen seit Kurzem ebenfalls ihr Regenwasser für den Bördegarten abgeben, kommen nur noch fünf Prozent anstatt vorher 35 % der benötigten Wassermenge aus dem Trinkwasserleitungsnetz.
EXTRAWISSEN
31 Betriebe mit Anbau von Gemüse und Erdbeeren unter „hohen begehbaren Schutzabdeckungen, einschließlich Gewächshäusern“, gab es im Jahr 2020 in Sachsen-Anhalt. Auf insgesamt 52 ha wuchsen laut Landwirtschaftszählung u. a. Salatgurken, Tomaten, Paprika, Radies und sonstige Gemüsearten sowie Feld-, Kopf- und andere Salate. df
Auch an der Reduzierung der Torfmengen im Kräutertopfsubstrat wird ständig gearbeitet. Holzfasern ergänzen zunehmend den oberirdisch in Litauen abgebauten Weißtorf. Gut 10.000 verkaufsfertige Kräutertöpfe verlassen täglich den Bördegarten. Etwa 40 Angestellte, je nach Saison, arbeiten im Osterweddinger Bördegarten, der zur Wimex-Gruppe gehört.
Die Bördegarten Gemüse Vertriebsgesellschaft mbH hat neben einem weiteren Produktionsstandort auch ihren Hauptsitz in Arensdorf bei Köthen im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Sie befasst sich neben der Gemüseproduktion hauptsächlich mit Landwirtschaft. Am 1. April 2019 gab es die ersten Gurken im Bördegarten. Die Unterglasfläche von gut sechs Hektar soll in den nächsten Jahren verdoppelt werden und mit den anderen Anliegern eine Anbindung an die Bundesstraße B 81 bekommen.
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Heiko Terno, Geschäftsführer vom Awo-Reha-Gut Kemlitz hat einen Hilfstransport der Stadt Luckau nach Moldawien begleitet. Die Bauernzeitung hat mit ihm nach seiner Rückkehr gesprochen.
Rund 1.800 Kilometer sind es von Luckau nach Moldawien, genauer gesagt nach Vadul lui Voda. Die etwa 5000-Einwohner zählende Stadt am Fluss Dnjestr ist eigentlich ein beliebter Urlaubsort. Doch das Bild hat sich gewandelt. Statt Feriengäste versorgen die Menschen von Vadul lui Voda Flüchtlinge aus dem großen Nachbarland Ukraine, in dem seit Wochen ein grauenvoller Krieg tobt. Es sind Kinder, Frauen, darunter auch Schwangere. Doch es ist schwierig, sie wirklich versorgen zu können, denn es fehlt an allem. Zudem leben viele Moldawier selbst unterhalb der Armutsgrenze. Und so wandte sich Vadul lui Voda mit einem Hilferuf an die Partnerstadt Luckau im brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald. Auch die polnische Partnerstadt Slawa bat um Unterstützung.
Eine große Hilfsaktion wurde gestartet und die Spendenbereitschaft von Einwohnern, Firmen, Vereinen, Verbänden war enorm. Vieles kam zusammen: Matratzen, Liegen, Decken, Hygieneartikel, Lebensmittel wie Reis, Nudeln, Fertigprodukte, Konserven, Milch, Kakao und vor allem auch Salz.
Auf die Reise nach Moldawien machten sich ein 7,5-Tonner-Lkw sowie vier Transporter, darunter zwei vom Awo-Reha-Gut Kemlitz. Geschäftsführer Heiko Terno war beim Hilfstransport von Luckau mit dabei. Nach seiner Rückkehr in der vergangenen Woche haben wir mit ihm gesprochen. Was er während der mehrtägigen Fahrt, die überwiegend über Landstraßen durch Polen, Slowakei, Rumänien und Ungarn führte, und dann vor Ort erlebte, habe ihn tief berührt. „Es ist erschreckend, wie bitterarm dieses kleine Land ist, das von der Welt vergessen scheint. Dennoch gibt es eine so herzzerreißende Hilfsbereitschaft.“ Aber es fehle an so vielem, vor allem an Lebensmitteln.
Wie schlimm die Situation ist, haben die Luckauer Helfer während ihres Aufenthaltes in einem Sanatorium der Stadt hautnah erlebt, wo 165 Flüchtlinge, darunter 30 Kinder, unterbracht wurden. „Die Vorratskammern waren völlig leer. Und die Suppe auf den Tellern bestand eigentlich nur noch aus Wasser“, beschreibt Heiko Terno das Unvorstellbare. „Die Küchenfrauen haben geweint, als wir die Lebensmittel abgeladen haben. Endlich konnten sie wieder etwas kochen und die Flüchtlinge versorgen.“ Doch Heiko Terno und auch allen anderen Helfern ist bewusst, dass die Hilfe ein Tropfen auf den heißen Stein ist und alles in ein paar Tagen aufgebraucht sein wird. Bisher kamen wohl auch Hilfsgüter aus einem zentralen Lebensmittellager in der Ukraine, doch auch das soll zerstört worden sein. Was die Menschen in dieser kleinen Stadt, in diesem kleinen Land leisten, hat Heiko Terno tief berührt, denn sie haben selbst nicht viel und leben im Armenhaus Europas.
Viele der Flüchtlinge, so haben die Helfer vor Ort erfahren, haben familiäre Bande in die Republik Moldau, andere, und auch das haben sie an den Grenzen erlebt, flüchten weiter nach Rumänien und Ungarn. Und es gibt auch Flüchtlinge, die in Moldawien ausharren und darauf warten, bald in ihr Heimatland, die Ukraine, zurückkehren zu können.
Als Landwirt hat Heiko Terno während der Reise natürlich auch die Landwirtschaft im Blick gehabt. „Felder werden noch mit Pferd und Pflug und Wagen beackert. Mit alten Kinderwagen wird Holz aus den Wäldern geholt. Da wird man selbst ganz schnell geerdet, und es wird einem bewusst, wie gut es uns in Deutschland geht“, sagt der Awo-Geschäftsführer. Und man stehe dieser Armut und all dem Leid der Geflüchteten ohnmächtig gegenüber. Auch hat er links und rechts der Landstraßen über Hunderte von Kilometern unbewirtschaftete Flächen gesehen. „Warum?“, fragt er sich mit all dieser Not der Menschen vor Augen und meint: „Und wir beschäftigen uns mit Standards, Abgasnormen, GAP-Strategien …“ Im April soll es einen weiteren Hilfstransport nach Moldawien geben. Heiko Terno wird wieder mit dabei sein.
VON ZAHNPASTA BIS ZWIEBACK
DRK-Transport mit Hilfsgütern sächsischer Firmen
Mit einem Transport des Deutschen Roten Kreuzes wurden in der vergangenen Woche Hilfsgüter sächsischer Firmen nach Polen gebracht. Sie sollen in der Region Lubuskie (Lebuser Land) bei der Versorgung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine weiter verteilt werden.
Bei den Hilfsgütern handelt es sich um haltbare Lebensmittel sowie Drogerieartikel. Die beteiligten Firmen – Dental Kosmetik Dresden, Bombastus-Werke AG Freital, Wurzener Nahrungsmittel GmbH und das Unternehmen Teigwaren Riesa – spendeten mehrere Europaletten Zahnpasta, Tee, Haferflocken und Dauerteigwaren. Die Neukircher Zwieback GmbH beteiligte sich mit einer Palette Zwieback. Das DRK Sachsen selbst sorgt für den Transport und steuert zudem weitere Paletten mit Hygieneartikeln wie Shampoo und Rasierer sowie Windeln und Covid-Schnelltests bei.
Sachsen ist seit 2008 mit der Region Lebus eng verbunden. Damals wurde eine gemeinsame Erklärung über partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Freistaat Sachsen und der Wojewodschaft besiegelt.
Vertreter landwirtschaftlicher Versuchsstationen trafen sich in der landwirtschaftlichen Versuchsstation Berge zu einem ersten Austausch. Eingeladen hatte die Koordinierungsstelle am Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU).
Sechs von neun Instituten mit angeschlossenen Versuchsstationen waren vertreten. Ziel des Austausches ist es, Veranstaltungstermine abzustimmen, besser gemeinsame Ziele abzustecken und sich intensiver zu vernetzen. Alle Beteiligten sehen das als sinnvoll an, heißt es in einer Pressemitteilung der Koordinierungsstelle.
Insbesondere aufgrund der derzeit drängenden Fragen an die Landwirtschaft sei die Arbeit auf den Versuchsstandorten im Land wichtiger denn je, so die einhellige Überzeugung. Denn die einmalige Kombination aus wissenschaftlicher Expertise und praktischen Versuchen zum Anbau von zum Beispiel Getreide, Gemüse und Sonderkulturen macht die Forschung auf den landwirtschaftlichen Versuchsstationen besonders wertvoll, auch um auf Themen wie Klimawandel und CO2-Minderung Antworten zu finden.
Dazu kommen die Dauerversuche, die teils seit vielen Jahrzehnten kontinuierlich auf einigen Versuchsfeldern durchgeführt werden und als „wahrer Datenschatz“ gelten. Nicht zuletzt durch die Kooperation mit Praktikern aus den Betrieben werden so Erkenntnisse erarbeitet, die in der landwirtschaftlichen Praxis dringend gebraucht werden. Darüber hinaus lassen sich über die Versuchsstellen Lösungen für viele Forderungen aus Gesellschaft und Politik, zum Beispiel nach mehr Tierwohl und Naturnähe im Pflanzenbau, finden.
Die Teilnehmer vereinbarten, dass diesem ersten Treffen weitere folgen sollen, um die an der Praxis ausgerichtete Forschung weiter zu stärken.
Den Start in die Frühjahrsbestellung der Agrofarm Lüssow hat das Pandemievirus nicht verzögert. Seit gut zwei Wochen sind die Männer um Tom Harnack, Leiter Pflanzenproduktion, auf dem Acker. Derweil sind die Gedanken unseres Praxispartners in MV auch beim Geschehen in der Ukraine.
Von Gerd Rinas
Das Verwaltungsgebäude der Agrofarm in Lüssow bei Rostock ist fast menschenleer. „Das Coronavirus hat uns voll erwischt“, stöhnt Vorstand Lars-Peter Loeck. Vier Mitarbeiterinnen sind entweder erkrankt oder in Quarantäne. Ines Haase und Lars-Peter Loeck halten an diesem Donnerstagmorgen die Stellung. Auch die beiden blieben von dem Virus nicht verschont. „In der ersten Februarwoche zeigten sich Symptome, trotz Boosterimpfung“, erinnert sich Loeck. Glücklicherweise war der Verlauf auch bei Ines Haase milde.
Auf Flächen, auf denen im April Mais gelegt werden soll, wird heute im Rahmen der Frühjahrsbestellung der Agrofarm Lüssow Mist ausgebracht. „Der Festmist aus den Ställen für Trockensteher, Jungrinder und Kälber reicht etwa für 270 Hektar. Parallel dazu fahren wir Gülle in Raps- und Weizenbestände“, erläutert Lars-Peter Loeck. Den Pflanzennährstoff haben die Lüssower vorher bei der Lufa der LMS in Rostock auf seine Inhaltsstoffe untersuchen lassen, um nicht mehr auszubringen, als die Pflanzen verwerten können. „Außerdem müssen wir die Düngeeinschränkungen auf 1.300 Hektar roten Gebieten beachten“, sagt Loeck, dem anzumerken ist, dass er mit dieser Festlegung immer noch hadert. Insgesamt können etwa 14.000 m3 Gülle verwertet werden.
Neben dem eigenen Festmiststreuer kommt ein ebenfalls betriebseigenes Güllefass mit 21 m3 Fassungsvermögen zum Einsatz. Bis Mittwoch voriger Woche brachten zwei Zubringer eines Lohnunternehmers Gülle aus den vier Behältern auf dem Betriebshof zum Ausbringefahrzeug. „Das hat sehr gut funktioniert. Leider endete die Zubringerkette vorzeitig – beide Fahrer haben sich mit Corona angesteckt“, bedauert der Vorstand. Jetzt werden erst einmal die Flächen bedient, die an den Betriebssitz grenzen und ohne Zubringer auskommen. „Wir hoffen, dass die Jungs schnell wieder fit sind“, gibt sich Loeck optimistisch. Wohlwissend, dass die Frühjahrsbestellung der Agrofarm Lüssow in diesem Jahr unter einem ganz besonderen Stern stehen.
Normalerweise geben die Lüssower für Stickstoffdünger (Harnstoff, NPK, Kalkammonsalpeter und Kali) im Jahr so um die 380.000 Euro aus. „Dieses Mal kostet uns der Dünger 1,1 Millionen Euro. Das zeigt das ganze Ausmaß der Preissteigerungen“, so Loeck. Dabei können die Landwirte noch froh sein, ihren Bedarf überhaupt decken zu können. „Wegen des Kriegs in der Ukraine lässt sich zurzeit nur ganz schwer einschätzen, ob Harnstoff aus Russland im Rostocker Seehafen noch angelandet werden darf“, erklärt Loeck. Die Landwirte beziehen den Pflanzennährstoff in diesem Frühjahr per Lkw von einem Lieferanten aus Polen.
Wie beim Dünger explodierten in den vergangenen Monaten die Treibstoffkosten. „Wir verbrauchen etwa 350.000 Liter Diesel im Jahr. Sonst kostet uns der Diesel etwa 90 Cent netto pro Liter. Vor 14 Tagen kauften wir 30.000 Liter a 2,02 Euro. Gestern haben wir 30.000 Liter für 1,75 Euro pro Liter nachbestellt. Wir wollen auf Nummer sichergehen, die Schlepper müssen laufen“, argumentiert Loeck. „Die Zeiten sind unruhig, kein Mensch weiß, wo es noch hingeht. Politiker denken darüber nach, wegen des Überfalls auf die Ukraine Erdöl und Gas aus Russland zu stoppen. Bei solchen Entwicklungen könnten Lieferengpässe beim Diesel drohen. Davon wäre die Landwirtschaft stark betroffen“, so der Vorstand.
Die Möglichkeiten für den Betrieb, bei den extrem gestiegenen Kosten gegenzusteuern, sind begrenzt. 236 Hektar Erbsenacker sollen nicht gepflügt, sondern nur geeggt werden, um Kraftstoff zu sparen. „Die Bodenbearbeitung zu minimieren, ist bei den Erbsen okay, bei anderen Kulturen aber schwierig“, sagt Loeck. Beim Düngen denkt man über mehrere Teilgaben nach, um den teuren Mineraldünger nach den aktuellen Wettervorhersagen zeitnah so wirkungsvoll wie möglich zu platzieren. Nach der Witterung in diesen Tagen wäre das aber wahrscheinlich keine effektive Maßnahme, denn für den März ist es schon wieder viel zu trocken. „Wir brauchen Regen, damit die Pflanzen den Nährstoff optimal aufnehmen können“, so der Vorstand.
Die hohen Sojapreise führten zu der Überlegung, die Erbsen in die Milchviehration zu integrieren. „Unser Fütterungsberater Joachim Scholz rechnet gerade aus, wie viel Erbsen wir einsetzen sollten. Dabei ist zu bedenken, dass die Hülsenfrucht nur etwa halb so viel Rohprotein enthält wie Soja“, erläutert Loeck.
In diesem Moment erreicht den Vorstand eine WhatsApp aus dem Gebiet Poltawa in der Ukraine. Yuri und seine Ehefrau Olga melden sich. Die beiden haben 2020 auf der Agrofarm gemolken. „Guten Morgen, bei uns ist heute alles ruhig, Raketen flogen schon in unsere Richtung, aber sie werden in die Luft geschossen und sie erreichen uns nicht. Ich arbeite jetzt als Krankenschwester“, berichtet Olga. „Wenn dieser Krieg endet, können wir zur Arbeit kommen, wenn Sie Arbeiter brauchen“, schreibt sie. Loeck hält den Kontakt zu den beiden. „Ich bin in Gedanken bei ihnen und glaube fest daran, dass wir uns in Lüssow wiedersehen“, sagt der Vorstand, der den ehemaligen Mitarbeitern immer wieder Mut zuspricht. Die betriebseigene Wohnung, in der Olga und Yuri in Lüssow wohnten, hat die Agrofram jetzt ukrainischen Kriegsflüchtlingen zur Verfügung gestellt.
Seit Wochen explodieren die Kosten und Betriebsmittel sind nur schwer zu beschaffen. Wir haben fünf Betriebe im Osten nach ihrer wirtschaftlichen Lage gefragt und wie sie aktuell darauf reagieren können.
Von Gerd Rinas, Frank Hartmann, Heike Mildner, Detlef Finger und Karsten Bär
Die Coronapandemie mit all ihren Verwerfungen ist noch nicht durchgestanden, da erschüttert der Krieg Russlands gegen die Ukraine die Welt. Und das mit Folgen für die globalen Agrarmärkte. Anders als im globalen Süden droht in der EU zwar kein Hunger. Die Landwirtschaft steht jedoch unter Druck, nicht zuletzt aufgrund der Unsicherheit. Das zeigt sich im Folgenden in der Hähnchenmast und in der Ökomilchviehhaltung, beim Vermarkten von Getreide, Düngen und beim Tanken.
Als Marion Dorn im vorigen Herbst nach der wirtschaftlichen Lage der Geflügelmäster gefragt wurde, machte sie auf immer mehr und strengere Auflagen aufmerksam. „Küken werden immer teurer, die Preise für Futter, Strom und Gas steigen, die Einnahmen wachsen nicht ansatzweise mit. Mittlerweile hat sich die Situation in einem Maß zugespitzt, das ich lange nicht für möglich hielt.“ Vor zwei Monaten kostete ein Kubikmeter Gas 36 Cent, nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine sind es über ein Euro. „Längerfristige Lieferverträge, etwa über sechs Monate, sind wie ein Sechser im Lotto. Ich hab leider keinen.“
Mastfutter habe 2020 im Mittel 32 €/dt gekostet, zum Jahresende 2021 rund 42 € und in der 9./10. Kalenderwoche 2022 etwa 48 €. „Die Erlöse stagnieren bei einem Euro pro Kilo Lebendgewicht, bleiben damit deutlich hinter den Aufwendungen zurück.“
Die Geflügelmäster hätten wegen der Coronapandemie schon vor dem Krieg in der Ukraine große Umsatz- und Gewinneinbrüche zu verkraften, weil Gastronomie und Hotellerie stark eingeschränkt, Märkte und Volksfeste abgesagt worden waren. „Jetzt fehlt es schon wieder an Niederschlag. Der März ist viel zu trocken. Eines ist aber wichtiger als alles andere: Dass in der Ukraine der Krieg aufhört. Dagegen sind unsere Probleme klein.“
Für den Vorstandschef der breit aufgestellten Genossenschaft gibt es mit Blick auf die neue Ernte noch sehr viele offene Fragen bzw. große Unsicherheiten. Denn so eine wirtschaftliche Lage habe man bisher nicht gekannt. An den aktuellen Höchstpreisen konnte der Betrieb immerhin zu einem kleinen Teil partizipieren, da glücklicherweise noch Weizen im Lager war: „Das meiste Getreide aber haben wir nach der Vorjahresernte verkauft, weil wir Liquidität für die Herbstbestellung brauchten.“
Vorkontrakte für die neue Ernte schloss der Betrieb nur in sehr geringem Umfang ab: „Es lässt sich für mich nicht abschätzen, wohin sich die Preise entwickeln. Das hängt ja nicht nur von der Lage in der Ukraine ab, sondern auch von der Ernte hierzulande.“ Denn wie viel Dünger schlussendlich in diesem Frühjahr tatsächlich zur Verfügung stand, sehe man erst, wenn Ertrag und Qualitäten bundesweit auf dem Tisch liegen. Insofern wartet Klippel ab, der zur Ernte mit einer hohen Nachfrage rechnet.
Vorsichtig will Klippel auch beim Raps agieren, der bekanntlich immer für Überraschungen sorgen kann. In gewissem Umfang presst man Öl selbst und vermarktet es regional, etwa über den Hofladen: „Nachfragen größerer Interessenten häuften sich bereits.“
„Das größte Problem sind die Dieselpreise. Für uns als Biobetrieb ist Diesel ja im übertragenen Sinne das Spritzmittel: Die mechanische Unkrautbekämpfung wird bei den derzeitigen Preisen deutlich kostenintensiver“, so Zeidler. Eine Lösung hat sie für dieses Problem nicht. Seit gut einem Jahr produzieren die Spreewälder in Demeter-Qualität für die Molkerei im Ökodorf Brodowin. Ob das Milchgeld die steigenden Herstellungskosten auffangen wird, sei unklar, so Zeidler. Noch gebe es dafür keine positiven Signale vom Lebensmitteleinzelhandel an die Molkerei.
Was also tun? „Wir versuchen mit Fingerspitzengefühl die Eiweißfuttermittel zu reduzieren, ohne den Kühen zu schaden. Unsere Kühe wurden gezüchtet, um Milch zu geben, und reagieren sensibel auf Veränderungen des Futters“, so Zeidler. Bei derzeit 1.350 € für die Dezitonne Biosoja müssen wir aber sparen. Alternativen? „Erbsen und Ackerbohnen haben wir schon vorher nicht dazukaufen können, und sie selbst anzubauen, ist zu unsicher. Außerdem gibt es momentan kein Saatgut, und die Anbaupläne stehen“, sagt Sylvia Zeidler. Luzerne als Grundfutter und ein Erbsengemisch stehen dort sowieso schon drin. „Mehr als sparen können wir nicht, aber noch mehr sparen auch nicht,“ so Zeidler zur aktuellen wirtschaftlichen Lage.
Dass der Betrieb wie in jedem Jahr auch 2021 vor der Ernte 400 t Kalkammonsalpeter (KAS) zu noch relativ normalen Preisen gekauft habe, erweise sich jetzt als Glücksfall, sagt der Vorstandsvorsitzende. Aktuell sei deshalb kein Zukauf nötig gewesen. Der Düngerbedarf reduziere sich zudem durch die rund 750 ha Acker im roten Gebiet, wo 20 % unter Bedarf der Kulturen gedüngt werden müsse. Angesichts der derzeitigen Trockenheit würden die Gaben aber auch generell angepasst.
Das Unternehmen setze außerdem Gärrest aus seiner eigenen Biogasanlage sowie der Bitterfelder Anlage von Danpower ein, an die man Mais als Gärsubtrat liefere. An organischen Düngern kämen ferner Klärschlamm sowie Dung aus der betrieblichen Färsenaufzucht und Mutterkuhhaltung auf die Felder. An Organik sei allerdings nicht mehr Menge verfügbar als in anderen Jahren auch, gibt Külz zu bedenken. Und: Deren Ausbringung koste Geld, bei den jetzigen Dieselpreisen umso mehr.
Für 2023 hofft der Genossenschaftschef, dass sich die wirtschaftliche Lage etwas relativiert. Seines Erachtens sei derzeit auch viel Spekulation dabei. Külz findet es schlimm, dass der Staat den Bauern angesichts der extrem hohen Energiepreise nicht hilft und ihnen hier entgegenkommt, etwa mit Steuersenkungen.
Angesichts der drastisch gestiegenen Energie- und Betriebsmittelpreise erwartet Kerstin Pahlke eine Verteuerung der gesamten Produktion. Beim Kraftstoff kann der Betrieb im Erzgebirge dies indes zumindest etwas abfedern: Schon seit Jahren fährt ein Teil der Maschinen des Betriebes mit Rapsöl als Kraftstoff. Aktuell sind es sieben – fünf Schlepper, ein Häcksler und ein Mähaufbereiter.
Etwa 80.000 Liter Rapsöl benötigt der Betrieb pro Jahr als Kraftstoff. In der Regel kann diese Menge aus Rapssaat aus eigenem Anbau gedeckt werden. Seit 2005 betreibt der Betrieb eine eigene Presse und damit auch einen geschlossenen Kreislauf: Das Öl wird als Kraftstoff und der Rapskuchen als Eiweißfuttermittel in der Milchproduktion eingesetzt. „Aus der verpressten Menge Saat können rund 35 Prozent Öl gewonnen werden“, so das Vorstandsmitglied. „Der Wertansatz des Rapskuchens ist für die Wirtschaftlichkeit mitentscheidend.“
Kosten in Höhe von ca. 8.000 € je Maschine entstehen für die Umrüstung der Motoren. Ein Nachteil ist, dass sich das Intervall für den Motorölwechsel um die Hälfte verkürzt und die Motoren eine um etwa 20 % geringere Leistung erbringen. Dennoch lohne sich der Einsatz. Eine genaue Zahl, zu welchem Preis der Liter Öl in den Tank geht, sei jedoch schwer zu nennen, da dies auch von Jahr zu Jahr schwanke, so Kerstin Pahlke. Begünstigend kommt hinzu, dass aus dem Eigenverbrauch von Rapsöl als Kraftstoff eine Treibhausgasminderungsquote resultiert. Die kann der Betrieb an Inverkehrbringer von konventionellen Kraftstoffen verkaufen, die ihre Verpflichtung zum Einsatz von Biokraftstoffen nicht erfüllen. Andererseits können rückläufige Erträge und die Verteuerung der Kosten für Arbeitserledigung, Dünger und Pflanzenschutz die Wirtschaftlichkeit beeinträchtigen. Gleiches gilt für einen etwaigen Wegfall der Agrardieselentlastung, die derzeit noch die anfallende Energiesteuer auf Biokraftstoffe kompensiert.
Grundsätzlich übertragbar sei das Konzept im Prinzip auch auf andere Landwirtschaftsbetriebe. „Unsere Firmenphilosophie zur Stärkung regionaler Kreisläufe wird durch die aktuellen Entwicklungen bestätigt und bestärkt“, ist Kerstin Pahlke überzeugt.
Er war einst ein wichtiger Rohstoff für Kleidung – der Flachs. Wolfgang Beelitz aus Linthe (Brandenburg) sammelt die handwerklichen Gerätschaften, die dafür gebraucht wurden, und zeigt sie im Bauernmuseum Blankensee.
Etwa 40 Jahre ist her, da fand Wolfgang Beelitz auf dem Dachboden seiner Schwiegereltern in Linthe (Gemeinde Potsdam-Mittelmark) ein unscheinbares Holzgerät. Dass das ein Schwingbock ist, wusste er damals nicht. Und wie es der Zufall wollte, gesellten sich zu diesem Fundstück sehr bald noch drei Riffel, die er auf dem Heuboden seines Vaters in Nichel entdeckte.
Doch was hat es mit all dem auf sich? Wolfgang Beelitz will es herausfinden, und die Glut für seine Begeisterung und Sammelleidenschaft für ein längst vergessenes altes Handwerk ist entfacht – die Flachsverarbeitung. Fortan eignet er sich Wissen in Museen und Literatur an, durchforstet Heuböden, Scheunen und Holzschuppen, Flohmärkte und Internet. Er wird dabei nicht nur fündig, sondern macht auch auf seine Sammelleidenschaft aufmerksam, und so wird manches Handwerkzeug ins Haus gebracht. Inzwischen hat er so viel zusammengetragen, dass er auf seinem Hof in Linthe fast eine Scheune damit füllen kann.
Rund 60 dieser historischen Schätze sind im Bauernmuseum Blankensee in der Sonderausstellung „Durchgehechelt – historische Geräte zur Flachsverarbeitung“ zu sehen: Riffel, Brechen, Schwingen, Hecheln. „Wir haben uns dabei auf Handwerksgeräte aus allen ostdeutschen Bundesländern konzentriert“, sagt Museumsleiterin Carola Hansche. Sie freut sich über das außergewöhnlich große Besucherinteresse. „Was auch daran liegen mag, dass es über Flachs und seine Verarbeitung bis zum Leinen nur noch sehr wenig Wissen gibt.
Kaum einer weiß noch, wie aus Flachs Kleidung wurde, geschweige denn, wie ein Flachsfeld überhaupt ausschaut“, glaubt Wolfgang Beelitz. Und deshalb sind die alten Geräte auch mit historischen Fotos bestückt. So wird der Prozess der Flachsverarbeitung mit seinen sehr vielen aufwendigen Arbeitsschritten nachvollziehbar und erlebbar gemacht.
Los ging dieser Prozess einst mit der Leinsaat, die nach Überlieferungen am 100. Tag eines Jahres, in einen möglichst lehmig-sandigen, Boden kam. 100 Tage später, wenn sich Stängel und Samenkapseln golden färbten, wurde geerntet. Frauen, Kinder, Männer – sie alle waren dann auf den Feldern und zogen die Pflanzen aus der Erde, was man auch Raufen nennt. Die Halme wurden gebündelt und blieben zum Trocknen noch einige Tage auf dem Feld. Waren die Garben dann auf dem Hof, galt die Aufmerksamkeit der Bauern und ihrer Familien der weiteren Verarbeitung.
Zunächst wurden diese geriffelt, wobei Samenkapseln und Stängel getrennt werden. „Man fasste ein Flachsbund am unteren Ende, schlug es in die Riffel, die mit ihren schmiedeeisernen Zinken ausschaut wie ein riesiger Kamm, und zog es durch“, erklärt Wolfgang Beelitz, der sich neben dem Sammeln der alten Werkzeuge natürlich auch mit deren Verwendung vertraut gemacht hat und sich inzwischen mit dem alten Flachshandwerk bestens auskennt. Aus den heruntergefallenen Kapseln wurden dann die Samen herausgedroschen und für Nahrung und auch für die nächste Saat verwendet.
Nach dem Riffeln erfolgte das Rösten. Dabei wurden die Stängel nicht etwa geröstet. Im Gegenteil. Zuerst wurden sie auf einer Tauwiese oder direkt im Wasser Feuchtigkeit ausgesetzt, um einen Fäulnisprozess in Gang zu bringen, bei dem der Pflanzenleim zersetzt wird. Viele Familien legten dafür sogenannte Rötegruben an. Einige sind heute noch in den „Röten“ bei Nichel zu finden, hat der 64-jährige Sammler herausgefunden. Im Anschluss an das Rösten oder auch Röteln wurden die Flachsstängel getrocknet – entweder auf einem Stoppelfeld oder einer Wiese.
Als Vorbereitung zum Brechen wurde der Flachs in der Restwärme eines Backofens getrocknet, um die hölzernen Bestandteile im Stängel mürbe zu machen. Nur so konnten sie entfernt werden. Das passierte dann beim Brechen, wofür im Fläming schwere Holzkeulen verwendet wurden, sowie beim Schwingen, bei dem alle Holzteile aus der Flachsfaser so lange herausgeschlagen wurden, bis die Flachsfaser weich, geschmeidig und glänzend war.
Den letzten Feinschliff bei der Flachsverarbeitung gab es dann beim Hecheln auf einem mit vielen Nägeln gespickten Brett. „Beim Kämmen durch die Hechel wurden die langen Fasern von den kurzen getrennt, gleichzeitig verfeinert und in eine ordentliche Lage gebracht“, erklärt Experte Beelitz.
Nun war der Flachs spinnfertig und konnte weiterverarbeitet werden. Am Spinnrad saßen Frauen und vor allem junge Mädchen. Sie trafen sich in Spinnstuben, vielerorts auch noch als Spinnten oder wie im Fläming als Spinnichten bekannt. „In jedem Flämingdorf gab es mindestens zwei, in Linthe waren es sogar bis zu acht“, hat Wolfgang Beelitz bei seinen Nachforschungen herausgefunden.
Puh, allein schon das Beschreiben und Verstehen der vielen Arbeitsschritte zur Flachsverarbeitung ist anstrengend. Wie schwer muss diese mühevolle Handarbeit erst für die Menschen damals gewesen sein. Wolfgang Beelitz nickt, doch er weiß auch, dass früher der harten Arbeit ein geselliges Beisammensein folgte. „Bei uns in Linthe könnte das auf dem Flachsberg gewesen sein, hat mir ein alter Einwohner vor Jahrzehnten mal erzählt“, erinnert sich der gelernte Montageschlosser für Fahrzeugbau. Aber auch die Spinnabende waren meist sehr fröhlich. Es wurde gesungen, getanzt, und besonders lustig wurde es, wenn sich zur späten Abendstunde noch junge Dorfburschen hinzugesellten – manchmal sehr zum Unmut so mancher Dorfbewohner und Behörden.
Doch zurück zur Sammelleidenschaft von Wolfgang Beelitz. Viele seiner Geräte zur Flachsverarbeitung stammen aus seiner Heimatregion, dem Fläming und der Zauche, aber auch aus vielen anderen Gegenden Deutschlands. Ein besonderer Schatz ist für ihn natürlich das Riffelbrett vom Elternhof seines Vaters in Nichel mit den Initialen seines Urgroßvaters: „F. Belitz, 1871“. Auch eine Riffel aus Südthüringen von 1668 lässt sein Sammlerherz höher schlagen ebenso wie sächsische Hecheln mit aufgemalten Sinnsprüchen.
So steckt hinter jedem Flachsgerät auch eine Geschichte, die man nur zu gern wüsste. Aber zumindest lassen sich bei vielen Fundort und Zeit bestimmen. Doch nicht nur die Geräte an sich begeistern den Sammler: „Mich faszinieren vor allem auch die handwerkliche Leistung, die vielen Formen, Varianten, unterschiedlichsten Verzierungen und Inschriften. Das sind zum Teil richtige Kunstwerke“, schwärmt er. Die Arbeit von Handwerkern wie Tischlern und Schmieden der damaligen Zeit kann er gar nicht genug würdigen. Und so war er überglücklich, das alles in einer Sonderausstellung in Blankensee zeigen und den Besuchern auch vermitteln zu können.
Akribisch vorbereitet, historisch aufgearbeitet und mit Leidenschaft aufgebaut wurde die Ausstellung zur Flachsverarbeitung in der Corona-Pandemiezeit, in der aber auch viele andere Ideen entstanden sind, um das Museum zumindest virtuell weiterhin den Besuchern zugänglich zu machen. „Es war uns ein großes Anliegen, trotz Schließung präsent zu sein“, sagt Carola Hansche. Das erfolgte vor allem intensiv über die sozialen Medien. „Wir haben zum Beispiel kleine Videos gedreht, Fotos und historische Rezepte veröffentlicht. Dadurch haben wir auf uns in ganz Deutschland aufmerksam gemacht und viel positive Resonanz bekommen“, freut sich die Museumschefin.
Die digitale Öffentlichkeitsarbeit wird fortgeführt. „Dennoch ist sie nicht durch die direkten Gespräche und den Kontakt mit den Besuchern zu ersetzen.“ Und die sollen vor allem auch jünger werden. Wichtig ist Carola Hansche dafür ein Projekt mit der Grundschule des Ortes. „Einmal im Jahr verbringen die Kinder einen Schultag im Museum, setzen sich mit dem Leben der Bauern auseinander.“
Doch auch dank digitaler Technik könnte das historische Fachwerkhaus mit seinen Exponaten moderner werden. Der Museumschefin schwirrt da so einiges durch den Kopf wie ein 3-D-Rundgang. Auch wenn das noch Zukunftsmusik ist – das Haus selbst bekommt aktuell eine denkmalgerechte Verjüngungskur, hat doch der Zahn der Zeit sehr am Gebäude genagt, das seit 1981 Museum ist. 2017 wurde bereits das Dach saniert. Jetzt ist die imposante historische blaue Eingangstür dran, Außenwände und der Treppeneingang zum Museum folgen.
Dafür hat das Museum einen Zuschuss von 17.000 Euro aus dem Bundestopf des „Soforthilfeprogramms Heimatmuseen 2021“ bekommen. „Über die Bewilligung haben wir uns natürlich riesig gefreut“, so Carola Hansche. Sie schätzt auch die 25 % Eigenleistung der Stadt Trebbin, zu der das Dorf Blankensee gehört.
Tipp: Zwar ist das Bauernmuseum ein Herzstück von Blankensee, doch auch der Ort selbst ist mit dem romantischen Sudermann-Park, mit Bäcker und Fischer und Brauchtumspflege wie das Federreißen (Bauernzeitung 12/2020) oder die historische Roggenernte, und dem Bohlensteg am Ufer des Blankensees ein bezauberndes Kleinod, rund 50 Kilometer südlich vom Berliner Stadtzentrum entfernt.
Der Geflügelhof Teichweiden setzt auf Soja aus Europa. Das senkt die betriebliche Treibhausgasbilanz erheblich. Gemeinsam mit der Agrarministerin warb man jetzt für den Sojaanbau in Thüringen.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Sojabohnen sind als Eiweißfutter nahezu unschlagbar. In der kritischen Öffentlichkeit ist ihr Ruf allerdings schlecht. Grund sind GVO-Soja und Naturzerstörung, vor allem in Südamerika.
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Heimisches Soja ist rar. In den EU-Ländern wurden im Vorjahr gut eine Millionen Hektar angebaut und knapp drei Millionen Tonnen geerntet. Zum Vergleich: Deutschland importierte 2021 rund 3,5 Mio. t Sojabohnen sowie 222.000 t Sojaschrot. EU-weit werden 30 Mio. t importiert.
Bundesweit wurden im Vorjahr auf 35.000 ha rund 100.000 t geerntet. In Ostdeutschland bestellten Landwirte gerade einmal 3.600 ha mit Sojabohnen, 400 ha davon in Thüringen. Ertrag, späte Reife und das schwer zu kontrollierende Unkraut machen hiesigen Anbauern, konventionell und ökologisch, bislang noch wenig Freude mit der Kultur.
Mit der Geflügelhof Teichweiden GmbH warb Agrarministerin Susanna Karawanskij Anfang März für den heimischen Anbau von Soja. Dass die Landwirtschaft und speziell die Geflügelbranche, die gut ein Fünftel der Thüringer Sojaproteine einsetzt, einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, zeige der Geflügelhof, so die Ministerin.
Die Teichweidener um Geschäftsführerin Annerose Blöttner wirtschaften mit 60.000 Legehennen in vier Herden, je zur Hälfte in Freiland- und Bodenhaltung. Knapp 2.500 t Futter werden im Jahr eingesetzt, davon weniger als zehn Prozent Soja. Im Mix finden sich Ackerbohne, Erbse, Lupine, Raps, Sonnenblume, Weizen, Mais, Hafer und zuletzt nur noch sieben Prozent zertifiziertes Soja aus dem Donauraum.
Im Vergleich zum deutschen Durchschnitts-Ei führe der Teichweiden-Futtermix, dessen Sojaanteil mehr als halbiert ist, neben anderen Faktoren wie geringeren Stallemissionen zu einer CO2-Reduktion um 49 %, so Susanne Fromwald vom Verein „Donau Soja“ aus Österreich. Ermittelt hat die Bilanz in Teichweiden das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Ein großer Faktor in der Treibhausgasbilanz von südamerikanischem Soja seien Entwaldung und Abholzung für den Sojaanbau, so Fromwald. Der Verein zertifiziert das eingesetzte Soja nach zwei Standards.
In Teichweiden ist man seit 2017 dabei, wofür Futtermittelhersteller der Region zu gewinnen waren. „Dafür sind wir oft von Berufskollegen belächelt worden, da europäisches Soja teurer als Überseesoja ist“, so Blöttner. Mittlerweile seien aber Verbraucher und Großkunden sensibilisiert. Sorgen bereiten ihr unterdessen die rasant steigenden Kosten für Energie, Verpackung und Getreide sowie der Mindestlohn. An den Handel könnten das die Erzeuger nicht weiterreichen.
Mit dem Getreide verteuern sich aufgrund des aktuellen weltpolitischen Geschehens auch Futtermittel rasant. Ein Ende der Preisspirale ist nicht abzusehen. Wir fragten Fütterungsexperten Prof. Olaf Steinhöfel, wie Tierhalter auf Kostensprünge und Engpässe reagieren können.
Das Interview führte Ralf Stephan
Bauernzeitung: Futtergetreide und Eiweißfutter sind für Tierhalter kaum noch bezahlbar. Das kam unerwartet plötzlich und scheint noch nicht zu Ende zu sein. Warum hatte diese Entwicklung bisher keiner auf dem Schirm?
Prof. Olaf Steinhöfel, Fütterungsexperte im sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG): Das hatten wahrlich nur wenige auf der Rechnung, weder den Krieg noch die Bedeutung der Ukraine für die europäische beziehungsweise gar weltweite Bereitstellung von Sonnenblumen, Raps, GVO-freiem Soja oder Weizen. Das war auch mir in diesem Ausmaß nicht bewusst. Nahezu alle Landwirte, die ich gefragt habe, sagen: „Ja, wenn wir das gewusst hätten, dann …“.
Aufgrund der nunmehr hohen Wahrscheinlichkeit, dass die Lager- und Erntemengen der erwähnten Futtermittel komplett wegfallen beziehungsweise das Vorhandene vorrangig in der Ernährungssicherung der Menschen in den Krisenregionen und in den Entwicklungsländern gebraucht wird, muss von einem Totalausfall von Futtermitteln ukrainischer Herkunft in der Tierernährung ausgegangen werden. Einheimische Reserven müssen zunächst verstärkt in der Humanernährung Lücken schließen. Dies führt unweigerlich zu einer drastischen Verteuerung von Getreide, Ölsaaten sowie Proteinfuttermitteln auf dem Weltmarkt.
Pegelt sich das nach der ersten Aufregung nicht vielleicht doch auf ein erträgliches Maß ein?
Wie lange dieser Trend anhält, hängt von den Reaktionen des Marktes ab. Werden Reserven freigegeben? Welche Wege der Ernährungssicherung der Menschen werden gegangen? Welche Erntemengen sind in naher Zukunft zu erwarten? Was ist Spekulation, was ist mediale Sensationsberichterstattung? In Europa muss befürchtet werden, dass es bis zur kommenden eigenen Ernte wenig Entspannung geben wird.
Inwiefern ist nun die Tierernährung betroffen?
Die Monogastrierfütterung, also die Fütterung von Schweinen und Geflügel, ist aktuell im besonderen Maße betroffen, da sie de facto ohne Konzentratveredlung nicht funktioniert. Somit hängt sie sehr stark an den Marktpreisen von Getreide, Proteinkonzentraten und Zusatzstoffen wie etwa synthetischen Aminosäuren. Zudem steht sie besonders in Konkurrenz zur Ernährungssicherung der Menschen.
Und als wäre das nicht schon problematisch genug: Auch die Hoffnungsträger der Energiewende und pflanzliche Treib- oder Schmierstoffe wie Bioethanol Methylester oder Pflanzenöle, konkurrieren hier um die Rohstoffe. Derzeit werden vom Handel und den Mühlen kaum noch Preise genannt. Der Einkauf ist nahezu zum Erliegen gekommen. Es werden so gut wie keine größeren Verträge für Einzelfuttermittel oder Mischfutter abgeschlossen. Die Verkäufe können durch Rohstoffeinkäufe nicht ausgeglichen werden, das bedeutet die Lager scheinen so gut wie leer.
Wie sieht es mit Alternativen wie Neben- oder Koppelprodukten als Futtermittel aus?
Alle möglichen Alternativen wie Nebenprodukte oder Trockengrobfutter gelten als ausverkauft oder befinden sich im Preis-Sog von Getreide und Proteinfuttermitteln. Erste Rechnungen zeigen, dass tierische Veredlung zum aktuellen Preisniveau wenig sinnvoll ist. Getreide erlöst mehr als der Verkauf von Veredlungsprodukten – wenn nicht die tierischen Erzeugerpreise dem Trend folgen.
Bisher sprechen wir nur von Futtermitteln. Gibt es nicht noch andere Baustellen?
Nicht nur die Kosten der Konzentratfuttermittel, sondern alle Kosten in den Betrieben tendieren aktuell nach oben. Die Düngemittelpreise sind seit Langem auf Rekordniveau, Energie- und Treibstoffpreise scheinen unaufhörlich zu steigen, der Mindestlohn soll umgesetzt werden, und auch bei Betriebsmitteln wie Saatgut, Futterzusatzstoffen, Ersatzteilen und Schmierölen zeigt alles nur in eine Richtung – steil nach oben.
Nur ein Beispiel: Für die anstehende Grobfuttererzeugung ist nach bisheriger Kalkulation eine Kostensteigerung um 15 bis 20 % zu erwarten. Welche möglichen Folgewirkungen aus Instabilität, Spekulationen oder Dominoeffekten an den Agrarmärkten entstehen, kann man nur erahnen. Zudem scheint auch die Logistikbranche Schwierigkeiten zu haben, da den Fuhrunternehmen die ukrainischen Fahrer fehlen und Hilfstransporte verständlicherweise Vorrang besitzen.
Also kann man auf die Schnelle gar nichts machen?
Doch, und das ist die halbwegs gute Nachricht: Es gibt durchaus Reserven, um die Situation sicher nicht vollständig, aber zumindest etwas zu mildern. Da hilft es, sich an alte Tugenden zu erinnern. Zunächst ist da die tagfertige Futterbilanzierung zu nennen. Sie ist trotz wiederholter Erinnerungen in den vergangenen Dürrejahren noch immer nicht überall präsent. Da wird noch zu wenig exakt gewogen, gemessen, analysiert und gerechnet.
Das Handwerkzeug der Tierernährung ist hier perfekt geeignet, um auf das Gramm genau zu wissen, was gebraucht und verbraucht wird. Dabei geht es auch um die Differenz von Brutto zu Netto, das heißt um die Verluste. Es gibt nach wie vor Betriebe, welche nur knapp 50 Prozent ihrer erzeugten Silagen letztlich veredeln. Deren Futterkosten steigen dann per se auf das Doppelte. Oder anders gesagt: Sie müssen doppelt so viel Futter erzeugen, um die Hälfte für ihre Tiere übrig zu haben.
Bei der Veredlung der Futtermittel gilt es, jegliches Vorhalten zu vermeiden, auf großzügige Sicherheitszuschläge und Sonderfuttermittel zu verzichten und möglichst durch strenge Leistungsfütterung den Bedarf des Tieres optimal zu treffen. Zudem sollte auch die Bedarfsseite angepasst werden, indem man nur das Vieh füttert, das für Reproduktion und Veredlung wirklich gebraucht wird. Dies bedeutet: Nur das aufziehen, was wirklich notwendig ist.
Das klingt ja fast wie Ihre Statements in den letzten Dürrejahren. Ist die Situation nicht doch ein wenig anders als in jenen Mangelphasen?
Was erwarten Sie? Beide Phänomene haben empfindlich unsere Futterbasis betroffen und uns die Anfälligkeit unseres wohlstandsgeprägten Handelns offenbart. In beiden Fällen müssen der effiziente Umgang von Futter- und Nährstoffen sowie die Verlustminimierung helfen zu sparen.
Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied: Die Dürre betraf zum Glück nicht die ganze Welt. In den Dürrejahren waren weniger das Getreide, die Ölfrüchte bzw. Körnerleguminosen betroffen, die gab es ausreichend an den Märkten aufgrund des weltweiten Handels, nur geringfügig preisintensiver.
Die Geflügel- und Schweinefütterung war durch die Dürre weniger bedroht. Was fehlte, war das Grobfutter, welches voluminös und wenig mobil, aber für Wiederkäuer lebensnotwendig ist. Das tat uns zwar weh, aber der weltweite Milchmarkt blieb davon nahezu unbeeindruckt.
Das scheint heute tatsächlich ganz anders zu sein.
Eindeutig. Ein wesentliches Glied in der Erzeugungskette von Agrarprodukten bricht uns nun weg. Das erzeugt eine plötzliche Lücke in der Ernährung von Mensch und Tier. Da fehlt nicht mal nur eine Ernte, da fehlt ein wesentlicher Teil des Kuchens. Für wie lange? Das weiß keiner. Irgendjemand auf der Welt wird aber die Lücke schließen müssen.
Also werden sich – wie Sie es nennen – wohlstandsgeprägte Rationen ändern müssen?
Auch in der Milcherzeugung wird ja mehr Kraft- als Grobfutter veredelt. Es wurde dazu immer betont, dass weniger Kraftfutter in der Ration Leistung kostet und somit auch bei hohen Kraftfutterkosten der Einsatz hoch bleiben sollte, um die Kostendegression zu ermöglichen. Also war „Kraftfutter raus!“ keine Option. Zunächst ist das ja auch richtig. Das ergibt schließlich der Bruch „Kosten je Kilogramm Milch“. Diese können gesenkt werden, wenn ich die Kosten senke oder/und wenn ich den Milchertrag steigere. Eine hohe Einzeltierleistung hilft somit, zunächst alle Kosten je Kilogramm Milch zu senken.
Was kann man jetzt tun? Eine Checkliste
1. Konzentrate aus der Ration nehmen:
■ höchste Grobfutterleistungen anstreben
■ Sicherheitszuschläge kappen, auf Selbstregulation der Kuh setzen
■ tierische Leistungen auf ökonomisches Optimum einstellen
■ strenge Leistungsfütterung anstreben
■ Futteraufnahme maximieren und kontrollieren
■ Grünlandfutter in der Ration maximieren, Weideoption prüfen
■ streng auf optimale Kondition füttern, Luxusfütterung ausbremsen
■ maximale Pansenleistung ausschöpfen, Pansengesundheit sichern
■ Lock- und Sonderfuttermittel raus oder auf Minimum setzen
■ strenge Kontrolle des Fütterungserfolges und Rationskorrektur
2. Tagfertige Übersicht über Vorrat und Betriebsmittel:
■ Erzeugung, Lagerung, Verbrauch genau dokumentieren
■ strategische und standortbezogene Futterbedarfsplanung
■ Betriebsmittel- und Technikeinsatz auf das Nötige zurückfahren
3. Futterverluste streng minimieren:
■ instabilem Futter schnellstens die Luft entziehen oder trocknen
■ aerobe Stabilität sichern
■ mechanische Verluste (vom Feld zum Trog) minimieren
■ Restfutter nachnutzen und Anfall reduzieren
■ auf höchste Futtermittelhygiene (Verderb, Verschmutzung) achten
4. Futtermittelkunde schärfen:
■ Alternativen kennenlernen und hinterfragen
■ durch Futtermittelanalytik Futterwert kennen und optimal einsetzen
■ regelmäßige Rationsoptimierung unter Beachtung von Restriktionen
■ Möglichkeiten zur Futteraufbereitung hinterfragen
5. Nur das nötige Vieh füttern:
■ Bestand an vorhandene Futtermittel anpassen (Jungrinder, Mastrinder, Mutterkühe)
■ Zwischentragezeiten hochsetzen, Persistenz sichern
■ nur aufziehen, was wirklich zur Reproduktion benötigt wird
Und diese Rechnung geht nun nicht mehr auf?
Wenn die Kosten so hoch steigen, dass die Leistung den Anstieg nicht mehr abfangen kann, macht diese Gesetzmäßigkeit wenig Sinn. Für Futtermittelkosten ist dieser Punkt derzeit erreicht. Hier sollte betriebsindividuell genau gerechnet werden, ob Konzentrate sinnvollerweise teilweise oder ganz aus der Ration zu nehmen sind und die tierische Leistung zurückzufahren ist.
Potenzial dafür bietet in vielen Fällen vor allem der Altmelkerbereich. Dort wird in vielen Betrieben oft über Bedarf versorgt. Die Erlöse, also Erzeugerpreise für Milch, Fleisch und Eier, werden sich ja kurz- oder mittelfristig der Kostensteigerung anpassen und hier abfedern helfen.
Also ist Grobfuttermilch die Botschaft?
Egal was man rechnet, die zukünftige Milchproduktion sollte dringend auf Grobfuttermilch umgestellt werden. Die wichtigste Basis dafür ist – wie sollte es anders sein –, höchste Grobfutterqualitäten zu erzeugen und einzusetzen. Ziel ist es, die Grobfutterleistung zu steigern und dadurch den Kraftfuttereinsatz schrittweise zu minimieren.
Dauergrünlandaufwuchs konsequent zu nutzen, ist dabei eine wichtige Option. Grünlandaufwüchse besitzen die geringste Konkurrenz zu alternativen Nutzungsoptionen und zum Ackerland. Es ist jedoch zu beachten, dass Grünlandnutzung zum Teil arbeits- und energieaufwendig, verlustanfällig und von der Düngung her anspruchsvoll ist. Teilweise wird hier der schlechte Düngezustand aus vergangenen Jahren zum Verhängnis. Es gilt zu rechnen, wie viel Düngeaufwand zu welchem Ertrag und zu welchen Futterkosten führt, um hier sicheres Handeln zu begründen.
Aber Wirtschaftsdünger könnten doch jetzt helfen und aus ihrer ungeliebten Rolle zum Wertstoff mutieren?
Das ist wahrlich eine neue Entwicklung. Wer hätte gedacht, dass Wirtschaftsdünger mancherorts knapp werden und nennenswerte Erlöse erzielen. Leider beißt sich die Katze dabei etwas in den Schwanz. Die aktuell dringend angeratene Minimierung der Nährstoffüberschüsse in der tierischen Veredelung macht die Wirtschaftsdünger auch nährstoffärmer. Manch einer argumentierte mir gegenüber durchaus: Wir halten lieber etwas vor, dann reduzieren wir das Risiko in der Tierernährung und werten die Gülle auf. Das ist jedoch aufgrund der enormen Verluste an Stickstoff und Phosphor bei der Veredlung und angesichts der Beeinträchtigung der Tiergesundheit kontraproduktiv. Dann sollte derjenige lieber gleich mit den überschüssigen Futtermitteln düngen.
In der bekannten Rubrik „Aktueller Futterrat“ werden wir in der folgenden Zeit auf die besondere Situation bezogene Tipps für Tierhalter geben. Dafür nutzen wir gern auch Ihre Ideen und Erfahrungen sowie Kurzbeiträge aus Beratung, Praxis und angewandter Forschung. Ihre Zuschriften bitte an diese E-Mail-Adresse: bauernzeitung@bauernzeitung.de
Vor über 30 Jahren wurde der Biohof Scharf im thüringischen Ollendorf aus der Taufe gehoben und ist mit den Jahren zu einem großen Familienbetrieb geworden. Von der Oma bis zum Enkel sind alle mit an Bord und arbeiten Hand in Hand.
Von Birgitt Schunk
In der Winterzeit werden meist die besten Ideen geboren. Wenn täglich um halb vier nachmittags zu Hause bei Liane Scharf die Familie zu Kaffee und Kuchen zusammenkommt, ist derzeit schließlich mehr Zeit als in den übrigen Monaten des Jahres. Den festen Termin am Nachmittag gibt es zwar das ganze Jahr über, doch im Frühling, Sommer und Herbst hat man auf dem Biohof im thüringischen Ollendorf alle Hände voll zu tun – dann bleibt weniger Muße für einen Plausch.
Chefin Liane Scharf hat gerne alle um sich herum. Es sind nicht nur ihre Liebsten, die sie bewirtet, es sind sozusagen auch ihre Kollegen. Denn die ganze Familie arbeitet mit im Betrieb, der sich von Jahr zu Jahr immer wieder verändert hat. Das Stetige ist beim Biohof Scharf der Wandel. In der kalten Jahreszeit wird dafür oft der Grundstein gelegt – wie am Kaffeetisch. „Da haben wir dann auch mal Zeit, um Ideen fürs neue Jahr zu spinnen“, sagt Tochter Kerstin Scharf-Goldammer. Sie kümmert sich im Unternehmen vor allem um den Gemüseanbau.
Mutter Liane und Vater Gunter sind für den Feldbau zuständig. Ihre Schwester Denise organisiert den Lieferservice „Mein BioKorb“. Bruder Bastian hat sich den Pferden verschrieben. Und da wäre auch noch Marie, die Kindergeburtstage sowie Ferienfreizeiten auf dem Hof organisiert und auch die Eierproduktion gemeinsam mit Bastian in Regie hat. „Sie kam als Letzte hinzu – meine Eltern, ich und meine drei Geschwister sind nun alle hier im Betrieb“, erzählt Kerstin.
Nicht zu vergessen natürlich Oma Christa, die jetzt ihren wohlverdienten Ruhestand genießt. „Mit meinem Großvater hat sie 1991 den ökologischen Landwirtschaftsbetrieb gegründet.“ Ein großer Schritt damals nach der Wiedervereinigung, als Biolandbau hierzulande noch ein Fremdwort war. „Da haben manche die beiden belächelt, als sie ihr Stück Land aus der LPG rauslösten und loslegten.“
Anfang der 1990er-Jahre wurde ein neuer Milchviehstall gebaut, doch die Vermarktung hielt dem nicht Schritt. Die Biomilch ging in eine konventionelle Molkerei, weil die Alternative fehlte. Und die Enkelin erzählt vom ersten Biohofladen Thüringens, den ihre Großeltern zudem eröffneten. „Trotz der Nähe zur Stadt hat damals aber noch keinen interessiert, wo das Essen herkommt“, blickt Kerstin zurück. Ihre Mutter Liane übernahm als Agraringenieurin das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Mann – das war 2004.
Die Biomilch-Produktion rechnete sich nicht, der Abschied von den Milchkühen folgte. Stattdessen wurden Fleischrinder gehalten, später dann Schweine. Damit konnte sich Bruder Bastian, der 2013 in den Betrieb einsteigen wollte, nicht so recht anfreunden.
Und so kamen die Schweine raus und die Pferde rein in den Stall. Heute sind auf dem Biohof Scharf 40 Pferde in Pension, die hier unter seiner Regie versorgt und bewegt werden. Zudem werden Reitstunden angeboten.
Kerstin selbst stieß 2014 hinzu. Loslegte die Gartenbauingenieurin mit Bio-Beeten fürs Selbsternten. Heute sind es 18 Beete, die so vermietet werden. 15 verschiedene Kulturen wachsen und gedeihen dort. Ab Mai übernehmen die Interessenten die Flächen, die zwischen 25 und 80 Quadratmetern groß sind. Wasser und Werkzeug werden bereitgestellt.
Auch hier gelten die Biorichtlinien. Schneckenkorn auszustreuen, ist tabu. „Die Leute sind stolz, wenn sie ihre Ernte nach Hause tragen“, sagt sie. Dennoch ist die Resonanz übersichtlich, denn das eigene Beet ist natürlich mit Arbeit verbunden – nicht jedermanns Sache also.
Und so startete der Familienbetrieb selbst den Gemüseanbau auf rund zwei Hektar für Bioläden, größere Mengen gehen an den Großhandel. Mit der Vielfalt reifte auch die Idee, einen eigenen Biokorb an Kunden zu liefern.
Gemeinsam mit Schwester Denise wurden Lieferketten aufgebaut, Tourenpläne organisiert und Kunden geworben. Rund 300 Abnehmer gibt es derzeit, die eine Kiste pro Woche vom Biohof Scharf ordern. Mindestbestellwert sind 15 Euro. Im Angebot ist das, was wächst – von Erdbeeren über Salat bis hin zum Rosenkohl. In sogenannten Regiokisten sind aber auch Brot oder Käse regionaler Anbieter zu finden.
Ebenso wurden Bio-Eier mit angeboten. Doch als der Produzent nicht mehr liefern konnte, musste eine Lösung her. „Genau das Richtige für mich“, sagt Schwester Marie. Sie kaufte einen Lkw-Auflieger, der zum Hühnerstall umgebaut wurde. 220 Legehennen hat sie heute. Zuvor hatte sie als Erzieherin im Kindergarten gearbeitet, aber nebenbei auf dem Hof bereits Kindergeburtstage organisiert.
Heute gibt es auch Ferienangebote oder Führungen mit Schulklassen. Die jungen Gäste versorgen dann auf dem Hof die Tiere, kochen auch zusammen, sitzen am Lagerfeuer oder entdecken die Streuobstwiese. Als wegen Corona nichts mehr ging, verschickte Marie in Bauernhof-Kisten Bastelideen für Kinder.
Genau genommen sind es heute drei Betriebe, die auf dem Hof der Familie ansässig sind. Doch die Grenzen sind fließend. „Jeder springt dem anderen bei, wenn Hilfe gebraucht wird“, sagt Liane Scharf. Wenn im Sommer die Ernte schnell eingebracht werden muss, sind alle dabei. Die Gemüsefrauen misten im Winter auch mal mit aus, wenn es draußen weniger zu tun gibt. „Da guckt keiner auf die Stunden und schreibt ständig hin und her Rechnungen.“
Sie und ihr Mann Gunter sind heute froh, dass alle im Familienbetrieb angekommen sind. „Wir haben vier Kinder und sieben Enkel – und die ganze Familie ist hier“, sagt sie. „Das hat sich perfekt ergeben, unser Hof ist rund.“ Und so findet man nicht nur zum täglichen Kaffee zusammen, sondern auch zu Geburtstagen, Weihnachten oder Schuleinführung. Was das rein Betriebliche angeht, so gebe es durchaus auch mal Reibungspunkte, aber nie Streit. „Oft geht es drum, was wir noch besser machen könnten, und wo wir hin wollen – unsere Kinder sind sehr kreativ.“
Liane Scharf selbst würde in diesem Jahr gerne etwas den logistischen Aufwand minimieren. Das ständige Umräumen der Technik zwischen Hof und Stall erscheint ihr zu viel. Die Pläne der Kinder gehen da noch ein Stück weiter. Ein Hofcafé könnten sie sich ganz gut vorstellen – ebenso eine große Küche fürs gemeinsame Kochen mit Gruppen. Nudeln oder Eierlikör herzustellen sind noch Zukunftsmusik.
„Wichtig ist derzeit, dass wir uns Gedanken machen über die künftige Struktur, wenn unsere Eltern den Hof irgendwann übergeben wollen“, sagt Kerstin. Sie weiß, dass die Eltern sich natürlich schon wünschen, dass der Feldbau als Rückgrat und Urproduktion erhalten bleibt. 60 Hektar Ackerfläche werden heute mit Weizen, Dinkel, Hafer, Gerste, Roggen, Raps und Erbsen bewirtschaftet.
Doch noch bleibt auch in diesem Winter Zeit, sich die Ideen für die Zukunft des Hofes durch die Köpfe gehen zu lassen. Eines aber wissen die Eltern heute schon: Der Betrieb ist in guten Händen bei der jüngeren Generation, die immer wieder offen ist für Neues. „Die Kinder werden gemeinsam ihr Ding machen“, sind sie sich ganz sicher. Ein gutes Gefühl.